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II. Das psychologische Auswachsen der Mittel zu Zwecken; das Geld als extremstes Beispiel. Die Abhängigkeit seines Zweckcharakters von den kulturellen Tendenzen der Epochen. Psychologische Folgen der teleologischen Stellung des Geldes: Geldgier, Geiz, Verschwendung, asketische Armut, moderner Zynismus, Blasiertheit.

In dem Vorhergehenden ist eine Tatsache des Wertgefühls vorausgesetzt worden, deren Selbstverständlichkeit für uns leicht über ihre Bedeutsamkeit hinwegtäuschen kann. Das Geld ist uns wertvoll, weil es das Mittel zur Erlangung von Werten ist; aber ebenso gut könnte man doch sagen: obgleich es nur das Mittel dazu ist. Denn logisch notwendig erscheint es keineswegs, daß der Ton des Wertes, der auf den Endzwecken unseres Handelns ruht, sich auch auf die Mittel übertrage, die an sich und ohne Einstellung in die teleologische Reihe völlig wertfremd wären. Daß diese Wertübertragung, auf Grund rein äußerer Zusammenhänge, stattfindet, ordnet sich in eine sehr allgemeine Form unserer geistigen Bewegungen ein, die man die psychologische Expansion der Qualitäten benennen könnte. Wenn nämlich eine sachliche Reihe von Gegenständen, Kräften, Geschehnissen ein Glied enthält, das bestimmte subjektive Reaktionen in uns auslöst: Lust oder Unlust, Liebe oder Haß, positive oder negative Wertgefühle – so scheint uns dieser Wert nicht nur auf seinem unmittelbaren Träger zu haften, sondern wir lassen auch die anderen, an sich nicht ebenso ausgezeichneten Glieder der Reihe an ihm teilhaben: dies ist keineswegs nur bei teleologischen Reihen der Fall, deren Endglied seine Bedeutung auf alle Ursachen seiner Verwirklichung ausstrahlt, sondern auch bei anders laufenden Verknüpfungen der Elemente: alle Mitglieder einer Familie partizipieren an der Ehrung oder Degradierung eines einzelnen von ihnen; die unbedeutendsten Produkte eines großen Dichters genießen, weil andere bedeutend sind, eine ihnen an sich nicht zukommende Schätzung; Neigung oder Haß des Einzelnen, aus politischer Parteistellung entsprungen, erstreckt sich auf diejenigen Punkte der Parteiprogramme, denen an und für sich er gleichgültig oder mit entgegengesetzten Gefühlen gegenüberstehen würde; die Liebe zu einem Menschen, von dem sympathischen Gefühl für eine seiner Wesensseiten ausgehend, umfaßt schließlich seine Gesamtpersönlichkeit und damit vielerlei Eigenschaften und Äußerungen mit der gleichen Leidenschaft, auf die diese ohne solchen Zusammenhang keinen Anspruch erheben würden. Kurz, wo nur immer Mehrheiten von Menschen und Dingen sich durch irgendwelche Verknüpfung als Einheiten darbieten, fließt das Wertgefühl, das ein einzelnes Element hervorruft, gleichsam durch die zusammenhaltende Wurzel des Systems hindurch auch auf die anderen über, die an sich jenem Gefühle fremd sind. Gerade weil die Wertgefühle nichts mit der Struktur der Dinge selbst zu tun, sondern ihr unüberschreitbares Gebiet jenseits dieser haben, halten sie sich nicht streng an ihre logischen Begrenzungen, sondern entfalten sich mit einer gewissen Freiheit über die objektiv gerechtfertigten Beziehungen zu den Dingen hinaus. Wenn es an sich etwas irrationales hat, daß die relativen Höhepunkte des Seelenlebens ihre benachbarten, an sich aber nicht in jene Qualitäten hinaufreichenden Momente färben, so offenbart dies dennoch den ganzen beglückenden Reichtum der Seele, ihr von innen her bestimmtes Bedürfnis, die einmal empfundenen Bedeutsamkeiten und Werte auch nach dem vollen Maße ihrer inneren Resonanz an den Dingen auszuleben, ohne ängstlich nach dem Rechtsgrund zu fragen, nach dem jedes seinen Anteil beanspruchen könnte.

Die rationellste und einleuchtendste von allen Formen solcher Expansion der Qualitäten ist sicher die der Zweckreihe. Sachlich allerdings erscheint auch diese nicht unbedingt notwendig; denn die Bedeutung, die das an sich gleichgültige Mittel dadurch erhält, daß es einen wertvollen Zweck verwirklicht, brauchte keineswegs in einem darauf übertragenen Werte zu bestehen, sondern könnte eine eigenartige Kategorie sein, die auf die außerordentliche Häufigkeit und Wichtigkeit dieser Konfiguration hin wohl hätte entstehen können. Allein tatsächlich hat nun einmal die psychologische Expansion die Wertqualität ergriffen und nur den Unterschied bestehen lassen, nach dem man den Wert des Endzwecks als absoluten, den der Mittel als relativen bezeichnen kann. Absolut – in dem hier fraglichen, praktischen Sinne – ist der Wert der Dinge, an denen ein Willensprozeß definitiv haltmacht. Dieses Haltmachen braucht natürlich keine zeitlich ausgedehnte Fermate zu sein, sondern nur der Abschluß einer Innervationsreihe, so daß, wenn diese sich in dem Befriedigungsgefühl ausgelebt hat, das Weiterleben des Wollens sich in neuen Innervationen kundgeben muß. Relativ wertvoll dagegen ist ein Objekt, wenn das Fühlen seiner als eines Wertes dadurch bedingt ist, daß seine Verwirklichung die eines absoluten Wertes bedingt; es zeigt seine Relativität darin, daß es seinen Wert in dem Augenblick einbüßt, in dem ein anderes Mittel zu demselben Zweck als das wirksamere oder erreichbarere erkannt wird. Mit dem oben behandelten Gegensatz des objektiven und des subjektiven Wertes fällt der des absoluten und relativen so wenig zusammen, daß sowohl innerhalb der subjektiven wie der objektiven Wertsetzungen der letztere Gegensatz sich entfalten kann. – Ich habe hier die Begriffe des Wertes und des Zweckes ziemlich ungeschieden gebraucht; tatsächlich sind beide in diesem Zusammenhange nur verschiedene Seiten einer und derselben Erscheinung: die Sachvorstellung, die nach ihrer theoretisch-gefühlsmäßigen Bedeutung ein Wert ist, ist nach ihrer praktisch-willensmäßigen ein Zweck.

Die seelischen Energien nun, die die eine und die andere Art der Werte und Zwecke setzen, sind sehr verschiedener Natur. Die Kreierung eines Endzwecks ist unter allen Umständen nur durch eine spontane Willenstat möglich, während einem Mittel sein relativer Wert ebenso unbedingt nur vermittels theoretischer Erkenntnis zuerkannt werden kann. Die Setzung des Zieles erfolgt aus dem Charakter, der Stimmung, dem Interesse; den Weg aber schreibt uns die Natur der Dinge vor; die Formel, die über so viele Lebensverhältnisse mächtig ist: daß das Erste uns freisteht und wir beim Zweiten Knechte sind, gilt deshalb nirgends ausgedehnter als auf dem teleologischen Gebiet. Allein diese Entgegengesetztheit, in der sich das sehr mannigfaltige Verhältnis unserer inneren Kräfte zum objektiven Sein offenbart, verhindert keineswegs, daß einer und derselbe Inhalt aus der einen Kategorie in die andere übertrete. Gerade die Spontaneität der Endzwecksetzung, zusammen mit der Tatsache, daß die Mittel psychologisch an dem Werte ihres Zieles teilhaben, ermöglicht die Erscheinung, daß das Mittel für unser Bewußtsein völlig den Charakter eines definitiven, für sich befriedigenden Wertes annehmen kann. Obgleich dies nur durch die Unabhängigkeit der letzten Willensinstanz in uns von aller verstandesmäßigen logischen Begründung möglich ist, so kann die Tatsache selbst, so sehr sie der Zweckmäßigkeit zuwiderzulaufen scheint, derselben dennoch dienen. Es ist nämlich keineswegs ausgemacht, kann vielmehr nur bei ganz flüchtigem Hinsehen gelten, daß wir unsere Zwecke am besten erreichen, wenn sie uns am klarsten als solche bewußt sind. So schwierig und unvollkommen nämlich der Begriff des »unbewußten Zweckes« auch sei – die damit ausgedrückte Tatsache: daß unser Handeln in der genauesten Anpassung an gewisse Endziele verläuft und ohne irgendwelche Wirksamkeit derselben völlig unverständlich ist, während in unserem Bewußtsein von ihrer Wirksamkeit nichts zu finden ist – diese Tatsache wiederholt sich so unendlich oft und so unsere ganze Daseinsart bestimmend, daß wir eine besondere Bezeichnung für sie gar nicht entbehren können. Wir müßten sie nur mit dem Ausdruck des unbewußten Zweckes nicht erklärt, sondern nur benannt haben wollen. Das Problem wird durchsichtiger, wenn wir uns das Selbstverständliche immer vor Augen halten, daß unser Handeln nie durch einen Zweck als durch etwas, was sein wird, verursacht ist, sondern immer nur durch ihn als eine physisch-psychische Energie, die vor dem Handeln besteht. Daraufhin läßt sich nun der folgende Sachverhalt vermuten. Unsere gesamten Betätigungen werden einerseits durch zentrale, aus unserem innerlichsten Ich entspringende Kräfte, andrerseits durch die Zufälligkeiten von Sinneseindrücken, Launen, äußeren Anregungen und Bedingtheiten gelenkt, und zwar in sehr mannigfaltigen Mischungen beider. Unser Handeln ist in demselben Maß zweckmäßiger, in dem der erstere Faktor überwiegt, in dem die aus dem geistigen Ich im engeren Sinne stammenden Energien alles mannigfaltig Gegebene in ihre eigene Richtung lenken. Wenn ein erhebliches Quantum gespannter Energie in uns einheitlich gesammelt ist, derart, daß ihre allmähliche Entladung eben jene unentwegte, alles Äußerliche von dem Ausgangspunkt her beherrschende Richtung einhält – eine Konstellation, die sich formal identisch auch an nebensächlichen und verwerflichen Interessen verwirklicht – so heißt diese reale, physischpsychische Potentialität, wenn sie sich im begrifflichen Bewußtsein spiegelt, eben Zweck. Ist dieser nun als Bewußtseinsvorgang der seelische Reflex der so bezeichneten Energiespannung, so ist klar, wieso er, bei der tatsächlichen weiteren Entwicklung derselben, als bewußter fortfallen kann: denn eben sein reales Fundament ist ja in der Auflösung begriffen, es setzt sich allmählich in wirkliche Aktionen um und lebt nur noch in seinen Wirkungen fort. Und obgleich, nach der Struktur unseres Gedächtnisses, die einmal entstandene Zweckvorstellung, jene reale Grundlage überlebend, im Bewußtsein weiterbestehen kann, so ist dies doch für die Aktionen, die von ihr durchdrungen und gelenkt erscheinen, nicht erforderlich. Vielmehr, wenn diese Konstruktion richtig ist, so bedarf es, damit wir in teleologischen Reihen handeln, nur des Vorhanden-Gewesenseins jener Energieeinheit, also der einmaligen Existenz des Zweckes überhaupt. Was an ihm wirkliche Kraft war, lebt sich in dem daraufhin eintretenden Handeln aus, dieses bleibt von seinem Ausgangspunkt, dem Zwecke, gelenkt, gleichviel ob dieser als fortbestehender Bewußtseinsinhalt die praktische Reihe noch länger begleitet oder nicht.

Nun ist aber weiterhin klar, daß, wenn das Bewußtsein des Zweckes lebendig bleibt, es nichts rein ideelles, sondern auch seinerseits ein Prozeß ist, der organische Kraft und Bewußtseinsintensität verbraucht. Die allgemeine Lebenszweckmäßigkeit wird also dahin streben, ihn auszuschalten, da er ja zu der teleologischen Lenkung unseres Handelns prinzipiell (von allen Komplikationen und Ablenkungen abgesehen) nicht mehr nötig ist. Und dies scheint nun endlich die Erfahrungstatsache durchsichtig zu machen: daß das Endglied unserer praktischen Reihen, nur durch die Mittel realisierbar, um so sicherer von diesen hervorgebracht wird, je vollständiger unsere Kräfte auf die Hervorbringung der Mittel gerichtet und konzentriert sind. Eben diese Herstellung der Mittel ist die eigentlich praktische Aufgabe; je gründlicher sie gelöst ist, desto mehr wird der Endzweck der Willensbemühung entraten können und sich als der mechanische Erfolg des Mittels einstellen. Dadurch, daß der Endzweck immerzu im Bewußtsein ist, wird eine bestimmte Summe von Kraft verbraucht, die der Arbeit an den Mitteln entzogen wird. Das praktisch Zweckmäßigste ist also die volle Konzentrierung unserer Energien auf die nächst zu verwirklichende Stufe der Zweckreihe; d. h., man kann für den Endzweck nichts Besseres tun, als das Mittel zu ihm so zu behandeln, als wäre es er selbst. Die Verteilung der psychologischen Akzente, deren es mangels unbeschränkt verfügbarer Kräfte bedarf, folgt also durchaus nicht der logischen Gliederung: während für diese das Mittel etwas völlig Gleichgültiges ist und alle Betonung auf dem Zweck liegt, verlangt die praktische Zweckmäßigkeit die direkte psychologische Umkehrung dieses Verhältnisses. Was die Menschheit dieser scheinbar so irrationellen Tatsache verdankt, ist nicht auszusagen. Wir würden wahrscheinlich über die primitivsten Zwecksetzungen nie hinausgekommen sein, wenn unser Bewußtsein immer an diesen hängen und so für den Bau mannigfaltigerer Mittel nur unvollkommen frei sein würde; oder wir würden eine unerträgliche und lähmende Zersplitterung erfahren, wenn wir bei der Arbeit an jedem untergeordneten Mittel die ganze Reihe darüber gebauter weiterer Mittel mit dem schließlichen Endzweck fortwährend im Bewußtsein haben müßten; wir würden endlich für die Aufgabe des Augenblicks oft überhaupt weder Kraft noch Lust haben, wenn wir uns ihre Minimität gegenüber den letzten Zielen immer mit logischer Gerechtigkeit vor Augen hielten und nicht alle Kräfte, die dem Bewußtsein überhaupt entsprechen, gesammelt in den Dienst des vorläufig Notwendigen stellten. – Es liegt auf der Hand, daß diese Metempsychose des Endzwecks um so häufiger und gründlicher stattfinden muß, je komplizierter die Technik des Lebens wird. Mit steigendem Wettbewerbe und steigender Arbeitsleistung werden die Zwecke des Lebens immer schwerer zu erreichen, d. h. es bedarf für sie eines immer höheren Unterbaues von Mitteln. Ein ungeheurer Prozentsatz der Kulturmenschen bleibt ihr Leben lang in dem Interesse an der Technik, in jedem Sinne des Wortes, befangen; die Bedingungen, die die Verwirklichung ihrer Endabsichten tragen, beanspruchen ihre Aufmerksamkeit, konzentrieren ihre Kräfte derart auf sich, daß jene wirklichen Ziele dem Bewußtsein völlig entschwinden, ja, oft genug schließlich in Abrede gestellt werden. Das wird durch den Umstand begünstigt, daß in kulturell ausgebildeten Verhältnissen das Individuum schon in ein sehr vielgliedriges teleologisches System hineingeboren wird (z.B. in Hinsicht äußerer Sitten, nach deren Ursprung als Bedingungen sozialer Zwecke niemand mehr fragt, die vielmehr als kategorische Imperative gelten), daß er in die Mitarbeit an längst feststehenden Zwecken hineinwächst, daß sogar seine individuellen Ziele ihm vielfach als selbstverständliche aus der umgebenden Atmosphäre entgegenkommen und mehr in seinem tatsächlichen Sein und Sich-Entwickeln als in deutlichem Bewußtsein zur Geltung gelangen. Alle diese Umstände helfen dazu, die Endziele nicht nur des Lebens überhaupt, sondern auch innerhalb des Lebens nur unvollständig über die Schwelle des Bewußtseins steigen zu lassen und die ganze Zuspitzung desselben auf die praktische Aufgabe, die Realisierung der Mittel, zu richten.

Es bedarf wohl keines besonderen Nachweises, daß diese Vordatierung des Endzwecks an keiner Mittelinstanz des Lebens in solchem Umfange und so radikal stattfindet als am Geld. Niemals ist ein Objekt, das seinen Wert ausschließlich seiner Mittlerqualität, seiner Umsetzbarkeit in definitivere Werte verdankt, so gründlich und rückhaltslos zu einer psychologischen Absolutheit des Wertes, einem das praktische Bewußtsein ganz ausfüllenden Endzweck aufgewachsen. Auch wird diese abschließende Begehrtheit des Geldes gerade in dem Maße steigen müssen, in dem es immer reineren Mittelscharakter annimmt. Denn dieser bedeutet, daß der Kreis der für Geld beschaffbaren Gegenstände sich immer weiter ausdehnt, daß die Dinge sich immer widerstandsloser der Macht des Geldes, ergeben, daß es selbst immer qualitätsloser, aber eben deshalb jeder Qualität der Dinge gegenüber gleich mächtig wird. Seine wachsende Bedeutung hängt daran, daß alles, was nicht bloß Mittel ist, aus ihm herausgeläutert wird, weil erst so die Reibungen mit den spezifischen Charakteren der Objekte hinwegfallen. Indem sein Wert als Mittel steigt, steigt sein Wert als Mittel, und zwar so hoch, daß es als Wert schlechthin gilt und das Zweckbewußtsein an ihm definitiv haltmacht. Die innere Polarität im Wesen des Geldes: das absolute Mittel zu sein und eben dadurch psychologisch für die meisten Menschen zum absoluten Zweck zu werden, macht es in eigentümlicher Weise zu einem Sinnbild, in dem die großen Regulative des praktischen Lebens gleichsam erstarrt sind. Wir sollen das Leben so behandeln, als ob jeder seiner Augenblicke ein Endzweck wäre, jeder soll so wichtig genommen werden, als ob das Leben eigentlich um seinetwillen bis zu ihm gereicht hätte; und zugleich: wir sollen das Leben so führen, als ob überhaupt keiner seiner Augenblicke ein definitiver wäre, an keinem soll unser Wertgefühl stillhalten, sondern jeder hat als ein Durchgang und Mittel zu höheren und immer höheren Stufen zu gelten. Diese scheinbar widerspruchsvolle Doppelforderung an jeden Lebensmoment, ein schlechthin definitiver und ein schlechthin nicht definitiver zu sein, quillt aus den letzten Innerlichkeiten, in denen die Seele ihr Verhältnis zum Leben gestaltet – und findet, wunderlich genug, eine gleichsam ironische Erfüllung am Gelde, dem äußerlichsten, weil jenseits aller Qualitäten und Intensitäten stehenden Gebilde des Geistes.

Der Umfang, in dem sich das Geld für das Wertbewußtsein verabsolutiert, hängt von der großen Wendung des wirtschaftlichen Interesses von der Urproduktion zum industriellen Betrieb ab. Die neuere Zeit und etwa das klassische Griechentum nehmen dem Gelde gegenüber hauptsächlich daraufhin so verschiedene Stellungen ein, weil es damals mir der Konsumtion, jetzt aber wesentlich auch der Produktion dient. Dieser Unterschied ist von der äußersten Wichtigkeit für die teleologische Rolle des Geldes, das sich auch hier als der treue Index der Wirtschaft überhaupt zeigt: denn auch das allgemeine ökonomische Interesse war damals viel mehr der Konsumtion als der Produktion zugewandt; die letztere war eben hauptsächlich agrarischer Art, und deren einfache und traditionell feststehende Technik fordert keine so erhebliche Aufwendung wirtschaftlichen Bewußtseins wie die fortwährend variierende Industrie, und läßt dieses deshalb sich mehr auf die andere Seite der Wirtschaft, die Konsumtion, richten. Die Entwicklung der Arbeit überhaupt zeigt dies Schema; bei den Naturvölkern ist sie fast nur eine solche, die um des unmittelbar folgenden Verbrauches willen geschieht, nicht um des Besitzes willen, der die Staffel zu weiterem Erwerbe abgäbe, weshalb denn auch die als sozialistisch zu bezeichnenden Bestrebungen und Ideale des Altertums wohl auf eine Organisierung der Konsumtion, aber nicht der produktiven Arbeit gehen; so daß sich hierin Platos Idealstaat ohne weiteres mit der athenischen Demokratie begegnet, zu deren Bekämpfung er gerade bestimmt war. Eine Stelle bei Aristoteles beleuchtet dies besonders scharf. Sobald für die politischen Funktionen ein Sold eingeführt wird, so bewirke dies in der Demokratie ein Übergewicht der Armen über die Reichen. Denn jene seien durch Privatgeschäfte weniger in Anspruch genommen als diese und haben deshalb mehr Zeit, ihre öffentlichen Rechte auszuüben, was sie denn auch um des Soldes willen tun. Es ist hier also schlechthin selbstverständlich, daß die Armen die Beschäftigungsloseren sind. Ist dies aber, im Gegensatz zu späteren Zeiten, nichts Zufälliges, sondern ein prinzipiell in jener Wirtschaftsform Begründetes, so folgt, daß das Interesse der Massen eben nur darauf gehen konnte, unmittelbar zu leben zu haben: eine soziale Struktur, die die Arbeitslosigkeit der Armen voraussetzt, muß im wesentlichen ein konsumtives statt eines produktiven Interesses haben. Die sittlichen Vorschriften, die sich bei den Griechen über das ökonomische Gebiet finden, betreffen fast niemals den Erwerb – freilich schon deshalb, weil an die numerisch weit überragenden Urproduzenten, die Sklaven, sich überhaupt kein soziales oder ethisches Interesse knüpfte. Nur die Verwendung, nicht die Beschaffung gebe, wie Aristoteles meint, Gelegenheit zur Entfaltung positiver Sittlichkeit. Das harmoniert völlig mit seiner und Platos Meinung über das Geld, in dem beide nur ein notwendiges Übel erblicken. Denn wo die Wertbetonung ausschließlich auf der Konsumtion liegt, enthüllt das Geld seinen indifferenten und leeren Charakter besonders deutlich, weil es mit dem Endzweck der Wirtschaft unmittelbar konfrontiert wird; als Produktionsmittel rückt es von jenem weiter ab, es wird rings von anderen Mitteln umgeben, gegen die gehalten es eine ganz ändere relative Bedeutung besitzt. Dieser Unterschied in dem Sinne des Geldes geht auf die letzten Entscheidungen in dem Geiste der Epochen zurück. Das Bewußtseins Übergewicht des konsumtiven Interesses über das produktive ging, wie eben erwähnt, von dem Vorwiegen agrarischer Produktion aus; der Grundbesitz, die relativ unverlierbare und durch das Gesetz geschützteste Substanz, war der einzige, der dem Griechen das Beharren und die Einheit seines Lebensgefühls gewährleisten konnte. Darin war der Grieche doch noch Orientale, daß er sich die Kontinuität des Lebens nicht anders vorstellen konnte, denn als die Ausfüllung der Zeitreihe mit festen und beharrenden Inhalten: das war das Haften am Substanzbegriff, das die ganze griechische Philosophie charakterisiert. Keineswegs freilich ist damit die Wirklichkeit des griechischen Lebens bezeichnet, sondern gerade sein Versagtes, seine Sehnsucht und Erlösung: das ist die ungeheure Spannweite des griechischen Geistes, daß er seine Ideale nicht nur in der Fortsetzung und Komplettierung der Gegebenheit suchte, wie es bei weniger großen und schwungvollen Volksnaturellen geschieht; sondern daß ihre leidenschaftliche, gefährdete, durch fortwährende Parteiungen und Kämpfe zerrissene Realität ihre Vollendung in ihrem Anderen suchte, in der festen Begrenztheit und den ruhigen Formen ihres Denkens und Bildens. Völlig entgegengesetzt ist die moderne Anschauung, die die Einheit und den Zusammenhang des Lebens in dem Kräftespiel und der gesetzlichen Aufeinanderfolge der inhaltlich abwechslungsvollsten Momente erblickt. Die ganze Mannigfaltigkeit und Bewegtheit unseres Lebens hebt uns nicht das Gefühl seiner Einheit auf – wenigstens prinzipiell nicht, sondern nur in Fällen, die wir selbst als Abirrungen oder Unzulänglichkeiten empfinden – ja gerade von jener wird es getragen, zu stärkstem Bewußtsein gebracht. Aber diese dynamische Einheit war den Griechen fremd; derselbe Grundzug, der ihre ästhetischen Ideale in den Formen der Architektur und der Plastik gipfeln ließ, der ihre Weltanschauung zu der Begrenztheit und Abrundung des Kosmos und zur Perhorreszierung der Unendlichkeit führte – eben dieser ließ sie die Kontinuität des Daseins nur als eine substanzielle anerkennen, die sich an den Grundbesitz anlehnt und an ihm verwirklicht, wie jene moderne am Geld mit seiner fließenden, sich stets aus sich heraussetzenden, die Gleichheit des Wesens an der höchsten und abwechselndsten Mannigfaltigkeit der Äquivalente darstellenden Natur. Dazu kam, um das eigentliche, auf das Geld basierte Handelsgeschäft bei den Griechen zu diskreditieren, daß dasselbe immer etwas Langsichtiges hat und mit der Berechenbarkeit der Zukunft operiert; ihnen aber erschien die Zukunft prinzipiell als etwas Unberechenbares, die Hoffnung auf sie als etwas äußerst Trügerisches, ja Vermessenes, durch das man den Zorn der Götter herausfordern konnte. All diese inneren und äußeren Momente der Lebensgestaltung sind so wechselwirkende, daß man kaum eines als das zeitlich fundamentale, unbedingt veranlassende bezeichnen kann. Der Charakter einer agrarischen Wirtschaft, mit ihrer Zuverlässigkeit, mit ihrer geringen und wenig variabeln Zahl der Mittelglieder, mit ihrem Betonen der Konsumtion gegenüber der Produktion einerseits, die auf die Substanzialität der Dinge gerichtete Sinnesart, die Scheu vor allem Unberechenbaren, bloß Labilen und Dynamischen andrerseits sind doch wohl nur verschiedenartige, durch das Medium differenzierter Interessen gebrochene Strahlen einer einheitlichen historischen Grundbeschaffenheit, die wir freilich mit unserem auf das Zerlegen angelegten Verstände nicht unmittelbar greifen und benennen können – oder sie gehören jenen Bildungen an, zwischen denen die Frage nach der Priorität überhaupt falsch gestellt ist, weil ihr Wesen von vornherein in der Wechselwirkung besteht, eines sich auf das andere und das andere auf das eine und so ins Unendliche aufbaut, in einem Zirkel, der für die Einzelheiten des Erkennens fehlerhaft, für seine grundlegenden Momente aber wesentlich und unvermeidlich ist. Wie sich das nun aber auch deuten lasse, die Tatsache war, daß bei den Griechen Mittel und Zwecke der Wirtschaft nicht so weit auseinandertraten wie später, daß die ersteren deshalb nicht dasselbe psychologische Eigenleben gewannen wie später, und daß das Geld nicht so selbstverständlich und ohne innere Widerstände zu finden, zu einem selbständigen Werte aufwuchs.

Die Bedeutung des Geldes, das größte und vollendetste Beispiel für die psychologische Steigerung der Mittel zu Zwecken zu sein tritt erst in ihr volles Licht, wenn das Verhältnis zwischen Mittel und Endzweck noch näher beleuchtet wird. Ich habe vorhin schon eine Reihe von Veranlassungen erwähnt, die die wirklichen Ziele unseres Handelns vor uns selbst verbergen, so daß unser Wollen in Wirklichkeit auf ganz andere hingeht, als es uns selbst scheint. Wenn es aber so durchaus legitim ist, über die Zwecke innerhalb unseres Bewußtseins hinaus nach weiteren zu fragen – wo liegt die Grenze für dieses Hinausfragen? Wenn überhaupt einmal die teleologische Reihe nicht mit ihrem letzten momentan bewußten Gliede abschließt, ist dann nicht der Weg für ihren Weiterbau ins Unendliche eröffnet, ist es nicht geradezu erforderlich, uns mit keinem gegebenen Endzweck, auf den unser Handeln führe, zu begnügen, sondern für jeden eine noch weitere Begründung in einem noch darüber gelegenen zu suchen? Es tritt hinzu, daß kein erreichter Gewinn oder Zustand jene endgültige Befriedigung gewährt, die mit dem Begriff eines Endzweckes logisch verbunden ist, daß vielmehr jeder erreichte Punkt eigentlich nur als Durchgangsstadium zu einem darüber hinaus liegenden Definitivum empfunden wird im Gebiete des Sinnlichen, weil dieses in ununterbrochenem Fluß ist, der an jedes Genießen ein neues Bedürfen kontinuierlich ansetzt, im Gebiet des Idealen, weil die Forderungen desselben durch keine empirische Wirklichkeit gedeckt weiden. Nimmt man dies alles zusammen, so scheint das, was wir den Endzweck nennen, über den teleologischen Reihen zu schweben, zu diesen sich verhaltend wie der Horizont zu den irdischen Wegen, die immer auf ihn zugehen, aber ihn nach der längsten Wanderung nicht näher als an ihrem Beginn vor sich haben. Denn nicht das steht in Frage, daß der Endzweck etwa nur unerreichbar, sondern daß er eine überhaupt nicht mit einem Inhalt zu erfüllende Vorstellungsform ist. Die teleologischen Reihen, soweit sie sich überhaupt auf irdisch Realisierbares richten, kommen nicht nur ihrer Verwirklichung, sondern schon ihrer inneren Struktur nach nicht zum Stehen, und statt des festen Punktes, den eine jede derselben in ihrem Endzweck zu besitzen schien, bietet sich dieser gerade nur als das heuristische, regulative Prinzip dar: daß man kein einzelnes Willensziel für das letzte ansehe, sondern jedem die Möglichkeit offen halte, die Stufe zu einem höheren zu werden. Der Endzweck ist sozusagen nur eine Funktion oder eine Forderung; als Begriff angesehen ist er nichts als die Verdichtung der Tatsache, die er zunächst gerade aufzuheben schien: daß der Weg des menschlichen Wollens und Wertens ins Unendliche führt und kein auf ihm erreichter Punkt sich dagegen wehren kann, so sehr er gleichsam von vorn gesehen als Definitivum erschien, von rückwärts gesehen, als bloßes Mittel zu gelten. Damit rückt jenes Aufsteigen der Mittel zu der Würde des Endzwecks in eine viel weniger irrationelle Kategorie. Für den einzelnen Fall zwar ist die Irrationalität nicht wegzuräumen, aber die Gesamtheit der teleologischen Reihen trägt ein anderes Wesen als die beschränkten Abschnitte: daß die Mittel zu Zwecken werden, rechtfertigt sich dadurch, daß im letzten Grunde auch die Zwecke nur Mittel sind. In den endlosen Reihen möglicher Wollungen, sich entwickelnder Handlungen und Befriedigungen ergreifen wir fast willkürlich ein Moment, um es zum Endzweck zu designieren, zu dem alles Vorhergehende nur Mittel sei, während ein objektiver Beobachter oder wir selbst später die eigentlich wirksamen und gültigen Zwecke weit darüber hinaus verlegen müssen, ohne daß auch diese gegen das gleiche Schicksal gesichert wären. An diesem Punkt der äußersten Spannung zwischen der Relativität unserer Bestrebungen und der Absolutheit der Endzweckidee tritt das Geld wieder bedeutsam und eine vorherige Andeutung weiter entwickelnd hervor. Indem es einerseits Ausdruck und Äquivalent des Wertes der Dinge ist, andrerseits aber doch reines Mittel und indifferentes Durchgangsstadium, symbolisiert es treffend das eben Ausgemachte: daß auch die erstrebten und empfundenen Werte sich schließlich als Mittel und Vorläufigkeiten enthüllen. Und indem das sublimierteste Mittel des Lebens für unendlich viele Menschen der sublimierteste Zweck des Lebens wird, bildet es den unzweideutigsten Beleg dafür, daß es nur auf den Standpunkt ankommt, ob man ein teleologisches Moment als Mittel oder als Zweck gelten lassen will – einen Beleg, dessen extreme Entschiedenheit die These mit der Restlosigkeit eines Schulbeispiels deckt.

Wenngleich es nun keine Zeit gegeben hat, in der die Individuen nicht gierig nach Geld gewesen wären, so kann man doch wohl sagen, daß die maximale Zuspitzung und Ausbreitung dieses Verlangens in die Zeiten fällt, in denen ebenso die anspruchslosere Befriedigung an den einzelnen Lebensinteressen wie die Erhebung zu dem Religiös-Absoluten, als dem Endzweck des Daseins, ihre Kraft verloren hat; denn weit über die innere Verfassung des Einzelnen hinaus ist in der Gegenwart – wie in der Verfallszeit Griechenlands und Roms – der Gesamtaspekt des Lebens, die Beziehungen der Menschen untereinander, die objektive Kultur durch das Geldinteresse gefärbt. Es kann als eine Ironie der historischen Entwicklung erscheinen, daß in dem Augenblick, wo die inhaltlich befriedigenden und abschließenden Lebenszwecke atrophisch werden, gerade derjenige Wert, der ausschließlich ein Mittel und weiter nichts ist, in ihre Stelle hineinwächst und sich mit ihrer Form bekleidet. Allein in Wirklichkeit hat das Geld, als das absolute Mittel und dadurch als der Einheitspunkt unzähliger Zweckreihen, in seiner psychologischen Form bedeutsame Beziehungen gerade zu der Gottesvorstellung, die freilich die Psychologie nur aufdecken kann, weil es ihr Privilegium ist, keine Blasphemien begehen zu können. Der Gottesgedanke hat sein tieferes Wesen darin, daß alle Mannigfaltigkeiten und Gegensätze der Welt in ihm zur Einheit gelangen, daß er nach dem schönen Worte des Nikolaus von Kusa die Coincidentia oppositorum ist. Aus dieser Idee, daß alle Fremdheiten und Unversöhntheiten des Seins in ihm ihre Einheit und Ausgleichung finden, stammt der Friede, die Sicherheit, der allumfassende Reichtum des Gefühls, das mit der Vorstellung Gottes und daß wir ihn haben, mitschwebt. Unzweifelhaft haben die Empfindungen, die das Geld erregt, auf ihrem Gebiete eine psychologische Ähnlichkeit mit diesen. Indem das Geld immer mehr zum absolut zureichenden Ausdruck und Äquivalent aller Werte wird, erhebt es sich in abstrakter Höhe über die ganze weite Mannigfaltigkeit der Objekte, es wird zu dem Zentrum, in dem die entgegengesetztesten, fremdesten, fernsten Dinge ihr Gemeinsames finden und sich berühren; damit gewährt tatsächlich auch das Geld jene Erhebung über das Einzelne, jenes Zutrauen in seine Allmacht wie in die eines höchsten Prinzips, uns dieses Einzelne und Niedrigere in jedem Augenblick gewähren, sich gleichsam wieder in dieses umsetzen zu können. Hat man doch die besondere Eignung und das Interesse der Juden für das Geldwesen in Beziehung zu ihrer »monotheistischen Schulung« gesetzt; ein Volksnaturell, seit Jahrtausenden daran gewöhnt, zu einem einheitlichen höchsten Wesen aufzublicken, an ihm – insbesondere, da es nur eine sehr relative Transzendenz besaß – den Ziel- und Schnittpunkt aller einzelnen Interessen zu haben, müsse auch auf dem wirtschaftlichen Gebiete sich vorzugsweise dem Wert hingeben, der sich als die zusammenfassende Einheit und der Punkt gemeinsamer Zuspitzung aller Zweckreihen darbietet. Auch widerspricht die wilde Jagd nach dem Gelde, die Leidenschaftlichkeit, die es im Unterschied gegen andere zentrale Werte, z.B. den Grundbesitz, dem wirtschaftlichen, ja dem Leben überhaupt mitteilt, durchaus nicht der abschließenden Beruhigung, in der die Wirkung des Geldes sich der religiösen Stimmung nähert. Denn nicht nur, daß die ganze Aufregung und Anspannung im Kampfe um das Geld die Bedingung für die selige Ruhe im Besitz des Erkämpften bildet; sondern jene Meeresstille der Seele, die die religiösen Güter gewähren, jenes Gefühl, im Einheitspunkte des Daseins zu stehen, erreicht doch seinen höchsten Bewußtseinswert erst als Preis des Suchens und Ringens nach Gott. Und wenn Augustin vom Geschäftsleben sagt: Merito dictum negotium, quia negat otium, quod malum est neque quaerit veram quietem quae est Deus – so gilt dies mit Recht von der Geschäftigkeit, die, Erwerbsmittel an Erwerbsmittel knüpfend, zu dem Endziel des Geldgewinnes aufsteigt; es gilt aber nicht von diesem Endziel selbst, das eben nicht mehr negotium, sondern die Mündung desselben ist. Die Feindseligkeit, mit der die religiöse und kirchliche Gesinnung oft dem Geldwesen gegenübersteht, mag auch auf den Instinkt für diese psychologische Formähnlichkeit zwischen der höchsten wirtschaftlichen und der höchsten kosmischen Einheit zurückgehen und auf die erfahrene Gefährlichkeit der Konkurrenz, die gerade das Geldinteresse dem religiösen Interesse bereitet – eine Gefährlichkeit, die sich nicht nur, wo die Substanz des Lebens eine ökonomische, sondern auch wo sie eine religiöse ist, gezeigt hat. In der kanonistischen Verwerfung des Zinses spricht sich die Perhorreszierung des Geldes überhaupt aus, denn der Zins macht das Geldgeschäft in seiner abstrakten Reinheit aus. Das Zinsprinzip als solches enthält für sich noch nicht das volle Maß der Sündhaftigkeit – hat man diese doch im Mittelalter vielfach zu vermeiden geglaubt, wenn man den Zins in Waren statt in Geld abstatten ließ –, sondern daß es der Zins des Geldes und in Geld war, so daß man mit der Abschaffung jenes das Geldwesen überhaupt an seiner Wurzel zu treffen meinte. Das Geld tut sich eben gar zu leicht als Endzweck auf, es schließt bei gar zu vielen die teleologischen Reihen endgültig ab und leistet ihnen ein Maß von einheitlichem Zusammenschluß der Interessen, von abstrakter Höhe, von Souveränität über den Einzelheiten des Lebens, das ihnen das Bedürfnis abschwächt, die Steigerung eben dieser Genugtuungen in der religiösen Instanz zu suchen. Aus all diesen Zusammenhängen heraus sind also doch mehr als die auf der Hand liegenden Vergleichungspunkte wirksam, wenn Hans Sachs schon einen Vertreter der allgemeinen Meinung den Schluß ziehen läßt: Gelt ist auff erden der irdisch got. Der ganze Umfang derselben geht auf das Grundmotiv für die Stellung des Geldes zurück: daß es das absolute Mittel ist, das eben dadurch zu der psychologischen Bedeutung eines absoluten Zweckes aufsteigt. Man hat, mit einer freilich nicht völlig konsequenten Formulierung, gesagt, das einzig Absolute sei die Relativität der Dinge; und dafür allerdings ist das Geld das stärkste und unmittelbarste Symbol. Denn es ist die Relativität der Wirtschaftswerte in Substanz, es ist die Bedeutung jedes einzelnen, die es als Mittel für den Erwerb eines anderen hat – aber wirklich diese bloße Bedeutung als Mittel, losgelöst von ihrem singulären konkreten Träger. Aber eben deshalb kann es psychologisch zu einem absoluten Werte werden, weil es nicht die Auflösung in Relatives zu fürchten hat, derentwegen so viele, von vornherein substanzielle Werte den Anspruch auf Absolutheit nicht aufrechterhalten konnten. In dem Maße, in dem das Absolute des Daseins (von dem ideellen Sinn der Dinge rede ich hier nicht) sich in Bewegung, Beziehung, Entwicklung auflöst, treten auch für unsere Wertbedürfnisse diese an die Stelle jenes. Das Gebiet der Wirtschaft hat in dem psychologisch absoluten Wertcharakter des Geldes diesen geschichtlichen Typus restlos exemplifiziert – wobei, wie populären Mißverständnissen gegenüber bemerkt werden mag, mit der formalen Gleichheit dieser Entwicklung auf allen Gebieten durchaus nicht die Gleichheit ihrer Erfreulichkeit behauptet werden soll. –

Wenn der Endzweckcharakter des Geldes für ein Individuum diejenige Intensität übersteigt, in der er der angemessene Ausdruck für die Wirtschaftskultur seines Kreises ist, so entstehen die Erscheinungen der Geldgier und des Geizes. Ich betone ausdrücklich die Abhängigkeit dieser Begriffe von den jeweiligen Wirtschaftsverhältnissen, weil eben dasselbe absolute Maß von Leidenschaft im Erwerben und im Festhalten des Geldes bei einer gewissen Bedeutung des Geldes durchaus normal und adäquat sein, bei einer andern aber jenen hypertrophischen Kategorien angehören mag. Im allgemeinen wird die Grenze für den Beginn der eigentlichen Geldgier bei sehr entwickelter und lebhafter Geldwirtschaft sehr hoch liegen, auf primitiveren Stufen aber verhältnismäßig tief, während es sich mit dem Geiz umgekehrt verhält: wer in engen und wenig geldwirtschaftlich bewegten Verhältnissen als sparsam und rationell in Geldausgaben gilt, wird in den großen Verhältnissen des schnellen Umsatzes, des leichten Verdienens und Ausgebens bereits als geizig erscheinen. Schon daran zeigt sich, was später noch deutlicher werden wird, daß Geldgier und Geiz keineswegs zusammenfallende Erscheinungen sind, wenn sie auch die gleiche Grundlage, die Wertung des Geldes als absoluten Zweckes, teilen. Beide stellen, wie alle vom Geld ressortierenden Erscheinungen, nur besondere Ausbildungsstufen von Tendenzen dar, deren niedere oder höhere Staffeln auch an anderweitigen Inhalten sichtbar werden. Beide zeigen sich konkreten Objekten gegenüber und ohne Beziehung auf deren Geldwert an der psychologisch sehr merkwürdigen Sammelsucht jener Persönlichkeiten, die das Volk den Hamstern vergleicht: Menschen, die kostbare Sammlungen jeglicher Art aufspeichern, ohne von den Gegenständen selbst einen Genuß zu ziehen, ja oft sogar, ohne sich überhaupt noch weiter um sie zu kümmern. Nicht der subjektive Reflex des Habens, um dessentwillen sonst erworben und besessen wird, trägt hier den Wert, sondern die ganz objektive, von keinen persönlichen Konsequenzen begleitete Tatsache, daß diese Dinge eben in ihrem Besitze sind, ist für solche Persönlichkeiten wertvoll. Diese Erscheinung, die in eingeschränkter und weniger extremer Form sehr häufig ist, pflegt einfach als Egoismus behandelt zu werden, mit dessen gewöhnlichen Formen sie allerdings die negative Seite teilt, den Ausschluß aller anderen von dem eigenen Besitz; dennoch unterscheidet sie sich von diesen durch eine Nuance, die auf folgendem Umweg darzustellen ist.

Es muß immer wieder hervorgehoben werden, daß der Gegensatz von Egoismus und Altruismus die Motivierungen unseres Handelns keineswegs vollständig umfaßt. Wir haben tatsächlich auch ein objektives Interesse daran, daß gewisse Ereignisse oder Dinge wirklich oder nicht wirklich werden, und zwar völlig ohne Rücksicht auf irgendwelche, ein Subjekt treffenden Folgen derselben. Es ist uns wichtig, daß in der Welt eine Harmonie, eine Ordnung nach Ideen, eine Bedeutsamkeit – die keineswegs in die üblichen Schemata des Ethischen oder Ästhetischen hineinzupassen braucht – herrsche, und wir fühlen uns zur Mitwirkung dazu aufgefordert, ohne doch immer danach zu fragen, ob dies irgendeiner Persönlichkeit, dem Ich oder einem Du, zur Freude oder Förderung gereicht. Auf dem religiösen Gebiet kommen die drei Motivierungen in einer Weise zusammen, die die Stellung der hier fraglichen besonders durchsichtig macht. Die Erfüllung religiöser Gebote kann aus rein egoistischen Gründen geschehen, sei es in ganz grober Weise aus Furcht oder Hoffnung, sei es, etwas feiner, um des guten Gewissens oder des inneren Befriedigungsgefühles willen, das diese Erfüllung mit sich bringt. Sie kann ferner altruistischen Wesens sein: die Liebe zu Gott, die Hingabe des Herzens an ihn läßt uns seinen Geboten gehorchen, wie wir die Wünsche eines geliebten Menschen erfüllen, weil seine Freude und Genugtuung unser höchster Lebenswert ist. Endlich aber kann uns dazu ein Gefühl für den objektiven Wert einer Weltordnung bewegen, in der der Wille des höchsten Prinzips sich widerstandslos in dem Willen aller einzelnen Elemente fortsetzt, das sachliche Verhältnis zwischen Gott und uns kann diesen Gehorsam als seinen adäquaten Ausdruck oder seine innerlich notwendige Folge von uns fordern, ohne daß irgendein Erfolg für uns selbst, oder eine Freude und Zufriedenheit Gottes in diese Motivation einträte. So macht in vielerlei Fällen das Zweckbewußtsein an einer objektiven Wirklichkeit halt und entlehnt deren Wert nicht erst aus ihren subjektiven Reflexen. Ich lasse jede psychologische oder erkenntnistheoretische Deutung dieser, jenseits des Persönlichen stehenden Motivierung hier dahingestellt; jedenfalls ist sie eine psychologische Tatsache, die nun mit den Zweckreihen persönlicher Färbung die mannigfaltigsten Kombinationen eingeht. Der Sammler, der seine Kostbarkeiten anderen verschließt und sie selbst gar nicht genießt, aber ihren Besitz dennoch auf das eifersüchtigste hütet und wertet, färbt all seinen Egoismus durch einen Beisatz jener übersubjektiven Wertungsweise. Im ganzen ist es doch der Sinn des Besitzes, genossen zu werden, und wir stellen ihm nicht nur die Objekte gegenüber, an denen man, wie an den Sternen, Freude hat, ohne sie zu begehren, sondern auch diejenigen, deren Wert man von aller subjektiven Freude prinzipiell unabhängig macht, wie die Schönheit, Ordnung und Bedeutsamkeit des Kosmos als etwas des Genossenwerdens Unbedürftiges und dennoch in seinem Werte Beharrendes erscheint. In dem Fall jener Besitzsüchtigen liegt nun eine mittlere oder Mischerscheinung vor: es bedarf hier schon des Besitzes, aber dieser schreitet nicht zu seinem regulären subjektiven Erfolge vor, sondern wird auch ohne diesen als etwas Wertvolles, als ein des Erstrebens würdiges Ziel empfunden. Nicht die Qualität der Sache ist hier der eigentliche Träger des Wertes; sondern, so unentbehrlich sie ist und so sehr sie das Maß des Wertes bestimmt – das eigentlich Motivierende ist die Tatsache ihres Besessenwerdens, die Form des Verhältnisses, in dem das Subjekt zu ihr steht. Daß diese Form – die freilich nur an einem Inhalt wirklich werden kann –, daß dieser Besitz des Subjekts als rein objektive Tatsache da ist, das ist das Wertvolle, an dem die teleologische Reihe haltmacht.

In sehr eigentümlicher Weise zeigt sich die Verabsolutierung eines ökonomischen Wertes, das Abbrechen der teleologischen Reihe, bevor sie zum Subjekt zurückgekehrt ist, an einer gewissen Bedeutung des Grundbesitzes, die sich mit seiner eigentlich ökonomischen Bedeutung in mannigfaltiger Weise – oft freilich nur wie ein Oberton mitschwebend – mischt. So sicher nämlich der Grundbesitz kein Wert geworden wäre, wenn er nicht dem Eigentümer subjektive Nutzerfolge einbrächte, so erschöpft sich doch sein Wert nicht völlig in diesen angebbaren Wertfaktoren: in dem Ertrage, in der größeren Sicherheit des Immobiliarbesitzes, in der sozialen Macht, die er verleiht usw. Sondern darüber hinaus verbindet sich mit ihm vielfach ein gewissermaßen idealer Wert und die Empfindung, es sei an sich wertvoll, daß der Mensch dieses Herrschaftsverhältnis zum Boden habe, daß er zu der Grundlage menschlicher Existenz überhaupt eine so enge und sie gleichsam in das Ich hineinziehende Beziehung besitze. Der Grundbesitz hat und verleiht so eine gewisse Dignität, die ihn vor allen andern Besitzarten selbst dann auszeichnet, wenn der Nutzerfolg dieser für den Besitzer ein gleicher oder auch größerer ist, so daß er oft genug unter Opfern festgehalten worden ist, wie man sie in ähnlicher Weise nur für ein objektives Ideal bringt. Es steckt also in der Bedeutung des Grundbesitzes ein Element absoluten Wertes, die Vorstellung begleitet ihn – oder hat ihn wenigstens begleitet –, es sei eben wertvoll, Grundbesitzer zu sein, und selbst dann, wenn dieser Wert nicht in einem Nutzen zum Ausdruck komme. So kann die Bindung an den Grundbesitz eine religiöse Färbung annehmen, der sie sich z.B. in der besten Zeit Griechenlands näherte. Die Veräußerung des Grundbesitzes erschien als ein Vergehen nicht nur gegen die Kinder, sondern auch gegen die Ahnen, da sie die Familienkontinuität unterbrach; ja, gerade auch der Umstand, daß er nicht leicht vermehrbar war, begünstigte seine Funktion als Träger der überindividuellen, religiös geheiligten Familieneinheit. Insbesondere aber im Mittelalter hatte der Grundbesitz viel mehr den Rang eines absoluten Wertes, als er ihn jetzt hat; denn wenn er auch selbstverständlich zunächst um seines Ertrages und des Genusses desselben willen gesucht und insofern ein relativer Wert war, so hatte er an und für sich doch gegenüber seiner Rolle in der Geldwirtschaft eine eigenartige Bedeutung, weil er nicht immerzu in Geld umgesetzt und nach Geld taxiert wurde. Er hatte sozusagen kein Äquivalent; die Wertreihe, in der er stand, schloß mit ihm ab. Mobilien mochte man gegeneinander vertauschen, der immobile Besitz war, cum grano salis, etwas Unvergleichliches, der Wert schlechthin, der unbewegte Grund, über dem sich die eigentliche ökonomische Bewegung erst vollzog, und der an sich jenseits dieser stand. So war es doch wohl nicht nur das ökonomisch-relativistische Interesse, aus dem die Kirche ihn sich anzueignen strebte: soll doch anfangs des 14. Jahrhunderts fast die Hälfte des englischen Grundes und Bodens und zur Zeit Philipps II. mehr als die Hälfte des spanischen in den Händen des Klerus gewesen sein – wie noch jetzt im Kirchenstaat Tibet zwei Drittel aller produktiven Ländereien dem Klerus gehören! Wie die Kirche dem mittelalterlichen Leben die festen, scheinbar für die Ewigkeit gegründeten Normen seines Verlaufes gab, so mußte es im realen wie im symbolischen Sinn angemessen scheinen, daß sie auch jenen fundamentierenden Wert aller Werte in ihrer Hand umschloß. Die Unveräußerlichkeit des kirchlichen Grundbesitzes war nur die bewußte und gesetzmäßige Festlegung dieses inneren Charakters seiner. Sie dokumentierte nur, daß die Wertbewegung hier an ihren Endpunkt gekommen, daß hier das Äußerste und Definitive im ökonomischen Gebiet erreicht war. Kann man so die Tote Hand mit der Höhle des Löwen vergleichen, in die alle Fußspuren hinein-, aus der aber keine herausführen, so ist sie doch auch ein Symbol der allumfassenden Absolutheit und der Ewigkeit des Prinzips, auf dem die Kirche sich gründete.

Dieses Auswachsen von Gütern zu einem Endzweck, dessen absoluter Wert also über die bloße Nutznießung hinausreicht, findet in jenen pathologischen Ausartungen des Geldinteresses, dem Geiz und der Geldgier, seinen reinsten und entschiedensten Fall, ja denjenigen, der die andern Fälle desselben Typus mehr und mehr in sich hineinzieht. Denn sogar schon solche Güter, die an sich gar nicht ökonomischer Natur sind, läßt das zum Endzweck gewordene Geld nicht als ihm koordinierte, definitive Werte bestehen; es genügt ihm nicht, sich neben Weisheit und Kunst, neben personale Bedeutung und Stärke, ja neben Schönheit und Liebe als ein weiterer Endzweck des Lebens aufzustellen, sondern indem es dies tut, gewinnt es die Kraft, jene anderen zu Mitteln für sich herabzudrücken. Um wieviel mehr wird diese Umordnung bei eigentlich ökonomischen Gütern stattfinden, deren unbedingtes Festhalten, als seien sie unvergleichliche Werte, töricht erscheinen muß, sobald man sie jederzeit für Geld wiederhaben kann, und vor allem: sobald die restlose Ausdrückbarkeit ihres Wertes in Geld sie ihrer individuellen und außerhalb der reinen indifferenten Wirtschaft stehenden Bedeutung beraubt hat. Der abstrakte Charakter des Geldes, die Entfernung, in der es sich an und für sich von jedem Einzelgenuß hält, begünstigen eine objektive Freude an ihm, das Bewußtsein eines Wertes, der über alle einzelne und persönliche Nutznießung weit hinübergreift. Wenn das Geld zunächst nicht mehr in dem Sinne Zweck ist, wie irgendein sonstiges Werkzeug, nämlich um seiner Erfolge willen, sondern dem Geldgierigen als Endzweck gilt, so ist es nun weiter nicht einmal in dem Sinne Endzweck, wie ein Genuß es ist, sondern für den Geizigen hält es sich jenseits dieser persönlichen Sphäre, es ist ihm ein Gegenstand scheuer Achtung, der für ihn selbst tabu ist. Der Geizige liebt das Geld, wie man einen sehr verehrten Menschen liebt, in dessen bloßem Dasein und darin, daß wir ihn wissen und unser Mit-ihm-sein empfinden, schon Seligkeit liegt, auch ohne daß unser Verhältnis zu ihm in die Einzelheit konkreten Genießens einginge. Indem der Geizige von vornherein und bewußterweise darauf verzichtet, das Geld als Mittel zu irgendwelchen Genüssen zu benutzen, stellt er es zu seiner Subjektivität in eine brückenlose Distanz, die er dennoch durch das Bewußtsein seines Besitzes immerfort zu überwinden sucht.

Bewirkt so der Mittelscharakter des Geldes, daß es als die abstrakte Form von Genüssen, die man dennoch nicht genießt, auftritt, so hat die Schätzung seines Besitzes, insoweit es unausgegeben bewahrt wird, eine Färbung von Sachlichkeit, es umkleidet sich mit jenem feinen Reize der Resignation, der alle objektiven Endzwecke begleitet und die Positivität und Negativität des Genießens_ in eine einzigartige und mit Worten nicht weiter ausdrückbare Einheit zusammenschließt. Beide Momente erreichen im Geize ihre äußerste Spannung gegeneinander, weil das Geld als das absolute Mittel auf unbegrenzte Möglichkeiten des Genießens hinaussieht und zugleich als das absolute Mittel in seinem unausgenützten Besitz den Genuß noch völlig unangerührt läßt. Nach dieser Seite hin fällt die Bedeutung des Geldes mit der der Macht zusammen; wie diese ist es ein bloßes Können, das die Reize einer nur subjektiv antizipierbaren Zukunft in der Form einer objektiv vorhandenen Gegenwart sammelt. Tatsächlich enthält die Vorstellung der »Möglichkeit« zwei, in der Regel nicht hinreichend auseinandergehaltene Motive. Wenn man irgend etwas zu »können« behauptet, so bedeutet dies keineswegs nur die gedankliche Vorwegnahme eines zukünftigen Geschehens, sondern einen schon jetzt wirklichen Zustand von Spannkräften, physischen oder psychischen Koordinationen, bestimmt gerichteten Lagerungen vorhandener Elemente; wer klavierspielen »kann«, unterscheidet sich, auch wenn er es nicht tut, von jemandem, der es nicht kann, keineswegs nur in einem zukünftigen Momente, wo er es tun wird, dieser aber nicht, sondern schon in dem gegenwärtigen durch eine ganz konkrete, gegenwärtige Verfassung seiner Nerven und Muskeln. Dieser Zustand des Könnens, der an sich gar nichts von Zukunft enthält, führt aber nun, zweitens, zu der Wirklichkeit des »Gekonnten« nur durch das Zusammentreffen mit gewissen weiteren Bedingungen, deren Eintreten wir nicht ebenso gewiß vorherwissen. Dieses Unsicherheitsmoment und jenes Gefühl oder Wissen einer jetzt schon aktuellen Kraft oder Zustandes, bilden die Elemente des Könnens, und zwar in quantitativ sehr mannigfaltigen Mischungen, anhebend etwa von dem: ich kann klavierspielen – wo das Moment des Wirklichen sehr überwiegt und die Unsicherheit über die außerdem erforderlichen Bedingungen minimal ist, bis zu dem: der nächste Wurf kann alle Neun sein – wo die gegebenen und bekannten zuständlichen Bedingungen im Augenblick völlig in der Minderzahl sind gegenüber den für jenen Erfolg noch außerdem erforderlichen, aber völlig unsicheren Momenten. Hier stellt nun das Können, das im Gelde gleichsam geronnen und Substanz geworden ist, eine ganz einzigartige Kombination dar. Was man an ihm wirklich besitzt, ist, in seiner Beschränkung auf den Augenblick des Besitzes, gleich Null; das Entscheidende dafür, daß es sich zu wertvollen Ergebnissen entwickle, liegt vielmehr ganz außerhalb seiner. Aber die Sicherheit, daß dieses Anderweitige auch wirklich im richtigen Momente dasein werde, ist ungeheuer groß. Während in der Regel das im »Können« enthaltene Maß von Festigkeit und Unzweideutigkeit in dem gegenwärtig Vorhandenen und Tatsächlichen liegt, alles Künftige aber unsicher ist, ist dem Gelde gegenüber diese letztere Unsicherheit völlig verschwunden, dagegen aber ist das schon Gegenwärtige, aktuell Besessene als solches völlig belanglos. Dadurch ist der spezifische Ton des Könnens an ihm auf das äußerste zugespitzt: es ist wirklich bloßes Können, im Sinne einer Zukunft, an der das Gegenwärtige, das wir in der Hand haben, allein seine Bedeutung hat; aber es ist auch wirkliches Können im Sinne völliger Gewißheit über die Realisierbarkeit solcher Zukunft.

Die Sicherheit der Befriedigung steigert sich hier noch durch die Besonderheit des Verhältnisses zwischen Wunsch und Erfüllung, die das Geld gegenüber den übrigen Gegenständen unseres Interesses besitzt. Die subjektiven Folgen eines erreichten Wunsches bilden keineswegs immer das genaue Komplement des Entbehrungszustandes, der ihn entstehen ließ. Das Entbehren eines Gegenstandes ist nicht wie ein Loch, das sein Besitz genau ausfüllte, so daß nun alles wäre wie vor dem Wunsch. So stellt es freilich Schopenhauer dar, für den deshalb alle Beglückung nur etwas Negatives ist, nur die Beseitigung des Schmerzzustandes, den die Entbehrung uns bereitet hat. Wenn man aber das Glück als etwas Positives gelten läßt, so ist doch die Erreichung unserer Wünsche nicht nur das Aufheben eines negativen Zustandes durch den genau entsprechenden positiven, vermehrt um ein mitschwebendes Glücksgefühl. Vielmehr, das Verhältnis des Wunsches zu seiner Erfüllung ist ein unendlich mannigfaltiges, weil der Wunsch fast nie alle Seiten des Gegenstandes, d. h. seiner Wirkung auf uns berücksichtigt. An seiner Wirklichkeit haben wir fast niemals das, was er uns unter der Kategorie der Möglichkeit, des Habenwollens, bedeutete. Die triviale Weisheit hat recht, daß der Besitz des Gewollten uns in der Regel enttäuscht, und zwar nach der guten wie nach der schlimmen Seite, wie auch so, daß das Anderssein des Habens nur als ein tatsächliches, aber von keinem Gefühl begleitetes bewußt wird. Das Geld indes nimmt hier eine Sonderstellung ein. Einerseits treibt es freilich jene Inkommensurabilität zwischen dem Wunsch und seinem Objekt auf den Gipfel. Die Bestrebung, die sich zunächst auf das Geld gerichtet hat, findet an ihm nur ein ganz bestimmungsloses Etwas, von dem ein Begehren, so lange es rationell ist, absolut nicht befriedigt werden kann, und das sich seinem völlig leeren Wesen nach jedem eigentlichen Verhältnis zu uns entzieht; wenn der Wunsch also nicht darüber hinaus zu einem konkreten Ziel schreitet, so muß eine tödliche Enttäuschung eintreten; wie sie denn auch unzählige Male da erfahren wird, wo der leidenschaftlich und als fraglose Beglückung ersehnte Geldreichtum sich nach seiner Erreichung als das enthüllt, was er wirklich ist: als ein bloßes Mittel, dessen Hinaufschraubung zu einem Endzweck seine Erreichung nicht überstehen konnte. Während hier also die fürchterlichste Diskrepanz zwischen Wunsch und Erfüllung besteht, findet genau das Umgekehrte statt, sobald der psychologische Endzweckcharakter des Geldes sich für die Dauer gefestigt hat und die Geldgier also ein chronischer Zustand geworden ist. In diesem Fall nämlich, wo die begehrte Sache überhaupt nichts gewähren soll als ihren Besitz, und wo diese Beschränkung des Wunsches nicht nur eine vorübergehende Selbsttäuschung ist, da ist auch jeder Enttäuschung vorgebeugt. Alle Dinge, die wir sonst zu besitzen begehren, sollen uns doch mit ihrem Besitz etwas leisten, und in der unzulänglichen Vorberechnung dieser Leistung liegt die ganze, oft tragische, oft humoristische Inkommensurabilität zwischen Wunsch und Erfüllung, von der ich eben sprach. Das Geld aber soll dem Geizhals von vornherein nichts über seinen bloßen Besitz hinaus leisten. Das Geld als solches kennen wir genauer, als wir irgendeinen Gegenstand sonst kennen; weil nämlich überhaupt nichts an ihm zu kennen ist, so kann es uns auch nichts verbergen. Als absolut qualitätloses Ding kann es nicht, was doch sonst das armseligste Objekt kann: Überraschungen oder Enttäuschungen in seinem Schoße bergen. Wer also wirklich und definitiv nur Geld will, ist vor diesen absolut sicher. Die allgemeine menschliche Unzulänglichkeit, daß das Gewonnene anders aussieht als das Ersehnte, erreicht einerseits ihren Gipfel in der Geldgier, sobald diese das Zweckbewußtsein nur in illusionärer und nicht haltbarer Weise erfüllt; sie ist aber andrerseits völlig ausgelöscht, sobald der Wille wirklich definitiv am Geldbesitz haltmacht. Wenn man die menschlichen Lose in das Schema der Verhältnisse zwischen dem Wunsch und seinem Gegenstand fassen will, so muß man sagen, daß je nach dem Haltpunkt der Zweckreihe das Geld zwar der inadäquateste, aber auch der adäquateste Gegenstand unseres Begehrens ist.

Übrigens muß der Machtcharakter des Geldes, auf den ich jetzt noch einmal komme, fast am fühlbarsten, wenigstens am unheimlichsten da hervortreten, wo die Geldwirtschaft noch nicht vollkommen durchgedrungen und selbstverständlich ist, sondern wo das Geld seine zwingende Macht an Verhältnissen zeigt, die ihm, ihrer eigentlichen Struktur nach, nicht von selbst gehorchen. Daß gerade in der höchst ausgebildeten Kultur das Geld seinen Machthöhepunkt erreicht zu haben scheint, liegt daran, daß in ihr freilich unendlich viele, früher überhaupt unbekannte Objekte ihm zur Verfügung stehen; aber sie sind von vornherein auf den Gehorsam gegen das Geld angelegt; es kommt nicht zu jener Reibung, die die ganze Art und Wertungsweise naturalerer Verhältnisse dem ihnen heterogenen Geldwesen entgegensetzen, und deren Überwindung erst das Bewußtsein der Macht besonders zuspitzen muß. Wie das Geld der Wert der Werte ist, so nennt ein Kenner des indischen Lebens den indischen Dorfbankier, den Geldleiher: the man of all men in the village; sein indischer Name bedeute: the great man! Es wird hervor gehoben, daß, als im 13. Jahrhundert zuerst wieder größere Kapitalvermögen aufkamen, das Kapital ein Machtmittel war, das der Masse des Volkes noch unbekannt war und zu dessen Wirkung deshalb noch der psychologische Zuschlag des Unerhörten und sozusagen Überempirischen trat. Ganz abgesehen davon, daß Kirche und Volk damals das Geldgeschäft überhaupt verwerflich fanden – zu dem kirchlichen Grundsatz: mercator sine peccamine vix esse potest, bekannte sich sogar ein Kölner Patrizier des 13. Jahrhunderts – mußte die Ausnutzung einer so mystischen und unberechenbaren Macht, wie das Kapital war, als etwas sittlich Bedenkliches, als ein vergewaltigender Mißbrauch erscheinen. Und wie so oft irrige Vorurteile den davon Betroffenen in ihre Bewahrheitung hineintreiben, so verfielen die handelsaristokratischen Geschlechter dieser Zeit tatsächlich dem gewissenlosen Mißbrauch ihrer Macht, dessen Art und Umfang eben durch die Neuheit des Geldkapitals und die Frische seines Eindrucks auf ganz anders konstruierte Verhältnisse möglich war. Damit hängt es zusammen, daß das niedere Volk – vom Mittel alter an bis in das 19. Jahrhundert hinein – sich die Entstehung großer Vermögen als mit nicht ganz rechten Dingen zugegangen und ihre Besitzer als etwas unheimliche Persönlichkeiten zu denken pflegt: über den Ursprung des Vermögens der Grimaldi, der Medici, der Rothschild waren die ärgsten Schauermärchen verbreitet, und zwar nicht nur im Sinne moralischer Zweideutigkeit, sondern in abergläubischer Weise, als wäre eine dämonische Macht im Spiel.

Indem die auseinandergesetzte Art des im Geld verkörperten Könnens ihm ein sublimiertes Machtgefühl gerade vor seinem Ausgegebenwerden zuwachsen läßt – der »fruchtbare Moment« ist in ihm gleichsam zum Stehen gekommen –, ist der Geiz eine Gestaltung des Willens zur Macht, und zwar, den Charakter des Geldes als des absoluten Mittels beleuchtend, so, daß die Macht wirklich nur Macht bleibt und sich nicht in ihre Ausübungen und deren Genuß umsetzt. Dies ist ein wichtiges Erklärungsmoment für den Geiz des hohen Lebensalters. Gewiß ist diese Tendenz als Fürsorge für die nächste Generation zweckmäßig – so wenig dieses Motiv gerade dem Geizhals bewußt zu sein pflegt, der vielmehr, je älter er wird, um so weniger an die Trennung von seinen Schätzen denken mag. Subjektiv ist vielmehr wohl der Umstand wesentlich, daß im Alter einerseits die sinnlichen Seiten des Lebens ihren Reiz oder die Möglichkeit des Genossenwerdens verlieren, andrerseits die Ideale durch Enttäuschungen und Mangel an Schwung ihre erregende Kraft einbüßen; so bleibt als letztes Willensziel und Lebensreiz oft nur noch die Macht übrig, die sich zum Teil in der Neigung des Alters, zu tyrannisieren, offenbart, und darin, daß Personen höherer Stellungen im Alter oft eine krankhafte Sucht nach »Einfluß« zeigen; zum Teil aber im Geize, für den eben dieselbe abstrakte »Macht« sich im Geldbesitz verkörpert. Ich halte es für einen Irrtum, wenn man sich jeden Geizigen mit der Ausmalung aller ihm zur Verfügung stehenden Genüsse, all der reizvollen Verwendungsmöglichkeiten des Geldes beschäftigt denkt. Die reinste Form des Geizes ist vielmehr die, in der der Wille wirklich nicht über das Geld hinausgeht, es auch nicht einmal in spielenden Gedanken als Mittel für anderes behandelt, sondern die Macht, die es gerade als nicht ausgegebenes repräsentiert, als definitiven und absolut befriedigenden Wert empfindet. Für den Geizigen liegen alle sonstigen Güter in der Peripherie des Daseins und von jedem derselben führt ein eindeutig gerichteter Radius seinem Zentrum, dem Gelde zu, und es hieße das ganze spezifische Lust- und Machtgefühl verkennen, wenn man diese Richtung umdrehen und sie von ihrem Endpunkt auch nur innerlich wieder auf die Peripherie zurückleiten wollte. Denn indem die Macht, die in jenem Zentrum ruht, in das Genießen konkreter Dinge umgesetzt würde, ginge sie als Macht verloren. Unser Wesen ist auf die Zweiheit von Herrschen und Dienen angelegt, und wir schaffen uns Beziehungen und Gebilde, die beiden einander ergänzenden Trieben in mannigfaltigsten Mischungen genugtun. Im Gegensatz zu der Macht, die das Geld verleiht, erscheint das Unwürdige des Geizes von einem Dichter des 15. Jahrhunderts erschöpfend ausgedrückt: wer dem Geld dient, der sei »seines Knechtes Knecht«. Tatsächlich enthält der Geiz, indem er uns vor einem gleichgültigen Mittel wie vor einem höchsten Zwecke knien läßt, die sublimierteste, man könnte sagen: karikierte Form inneren Unterworfenseins, wie ihn auf der anderen Seite das sublimierteste Machtgefühl trägt. Das Geld zeigt auch hier sein Wesen, unseren antagonistischen Strebungen ein gleichmäßig entschiedenstes und reinstes Sichdarstellen zu gewähren. In ihm hat sich der Geist das Gebilde der größten Spannweite geschaffen, das, gleichsam als reine Energie wirkend, die Pole jenes um so weiter auseinander treibt, je einheitlicher – d. h., als bloßes Geld, jede Sonderbestimmtheit ablehnend – es sich selbst darstellt.

Es ist nun für die Herrschaft, die das Geld über die allgemeine Denkart gewonnen hat, sehr bezeichnend, daß man eine Reihe von Erscheinungen als Geiz – im Sinne des Geldgeizes – zu bezeichnen pflegt, die in Wirklichkeit das genaue Gegenteil desselben sind. Es handelt sich um die Menschen, die ein abgebranntes Streichholz nochmals benutzen, leere Briefseiten sorgfältig abreißen, kein Stückchen Bindfaden wegwerfen und auf jede verlorene Stecknadel eine Mühe des Suchens verwenden. Man nennt solche Personen geizig, weil man sich gewöhnt hat, den Geldpreis der Dinge ganz unbefangen als ihren Wert anzusehen. Tatsächlich aber denken sie nicht an den Geldwert jener Objekte, die Stärke ihres Gefühls gilt gerade dem sachlichen Wert derselben, auf den ihr Geldwert gar keine irgend proportionierte Hinweisung gibt. Wenigstens in sehr vielen Fällen sind es durchaus nicht die Bruchteile eines Pfennigs, um deren Rettung es sich für jene Sparsamen handelt; gerade sie sind von der Rücksicht auf das Geld, durch das die Objekte ohne weiteres wieder beschaffbar sind, oft genug unabhängig und werten eben bloß die Sache selbst. In diese Kategorie gehören auch die sonderbaren, aber nicht allzu seltenen Menschen, die ohne Bedenken hundert Mark, aber nur mit wahrer Selbstüberwindung einen Bogen Papier aus ihrem Schreibvorrat oder ähnliches verschenken. Hier liegt also das direkte Gegenteil des Geizes vor: dem Geizigen sind die Dinge gerade gleichgültig – außer insoweit sie Geldwert darstellen –, weil das Geld sie ihres Endzweckcharakters beraubt hat, während das Verhalten jener ganz sinnlos wäre, wenn es durch den Geldwert der Dinge bestimmt wäre; freilich kann es durch das völlige Außerachtlassen desselben auch wieder unvernünftig werden. Sie vergessen über den Zweck das Mittel, das ihn jederzeit wieder erreichbar macht, während der Geizige über das Mittel den Zweck vergißt, der jenem allein Bedeutung gibt. Es begegnen ferner Erscheinungen, die, in der äußeren Form mit jenen sachlichen Sparsamkeiten übereinstimmend, durch ihre innere Diskrepanz gegen sie den teleologischen Charakter des Geldes weiter klären helfen. Viele »sparsame« Menschen halten darauf, daß alles, was einmal bezahlt ist, auch konsumiert werde. Und zwar keineswegs nur dann, wenn damit eine anderenfalls erforderliche Ausgabe erspart würde, sondern Luxusgenüssen gegenüber, von denen man sich inzwischen überzeugt hat, daß sie keine Genüsse sind; der Zweck ist nun einmal verfehlt, aber um diese Verfehlung zu realisieren, bringt man ein weiteres Opfer; denn der Typus dieser Erscheinungen ist: »Lieber den Magen verrenkt als dem Wirt einen Kreuzer geschenkt.« Daß eine sparsame Mutter von ihren Kindern damit geneckt wurde, sie nähme die Medizinreste, die nach Krankheiten in der Familie unverbraucht geblieben waren, um sie nicht umkommen zu lassen, zeichnet nur die Karikatur eines von vielen Menschen sehr ernsthaft betriebenen Verfahrens. Die Konsumtion des Gegenstandes ist nach der Voraussetzung indifferent oder schlimmer als indifferent; ihr Motiv kann also nicht sein, daß der Gegenstand nicht umkommen soll; denn er ist umgekommen, indem die Genußseite seiner, die seine Bedeutung für das Subjekt bildete, in Wegfall gekommen ist. Es wird in Wirklichkeit also gar nicht derjenige Gegenstand konsumiert, auf den die Absicht gerichtet war, sondern ein anderer, dem die motivierende Eigenschaft gerade fehlt. Das Motiv kann demnach nur dies sein, daß mit der Konsumierung wenigstens die Geldaufwendung ihr Äquivalent gefunden hat. Das Geld ist so zu seinem nächsten Zwecke gekommen, und damit ist eine Beruhigung des Gefühls und ein Höhepunkt der teleologischen Reihe erreicht, neben der die Verfehlung ihres subjektiven Endzwecks, als eine Sache für sich und jene Befriedigung nicht herabsetzend, steht. Diese banale und inhaltlich uninteressante Erscheinung offenbart so eine ganz eigenartige teleologische Konstellation des Geldwertes. Obgleich sie nicht an sehr erheblichen Objekten hervorzutreten pflegt und deshalb etwas Kleinbürgerliches und Unscheinbares hat, ist sie doch vielleicht der extremste Ausdruck für die Überwucherung der wirklichen Endzwecke durch die Mittelinstanz des Geldes; denn es fällt hierbei nicht nur, wie auch beim Geize, der eigentliche Sinn alles Wirtschaftens weg, sondern auch noch der Reiz der Macht und der Möglichkeiten, der bei jenem den zu nichts verwendeten Geldbesitz schmückte: das Objekt, aus dem alles, was irgendwie Sinn und Zweck seiner Konsumtion sein könnte, hinweggefallen ist, wird unter Unbequemlichkeiten und Schädlichkeiten konsumiert, bloß weil das dafür ausgegebene Geld ihm einen absoluten Wert verliehen hat. Der Zweckprozeß ist hier also nicht nur an der Geldinstanz erstarrt, sondern er wird noch darüber hinaus sozusagen rückläufig und pervers, indem die an sich nicht-zweckmäßige Wertung durch direkt unzweckmäßiges Verfahren realisiert wird.

Die Stellung des Geldes, insoweit sie seinen Charakter über das bloße Mittlertum hinaus zu einem selbständigen Interesse steigert, will ich nun noch nach zwei negativen Instanzen hin verfolgen. Die Verschwendung ist nach mehr als einer Richtung dem Geize verwandter als die Entgegengesetztheit ihrer Erscheinungen zu verraten scheint. Es ist hier zu bemerken, daß in Zeiten naturaler Wirtschaft die geizige Konservierung der Werte mit deren Natur, mit der sehr begrenzten Aufhebbarkeit der landwirtschaftlichen Produkte, nicht vereinbar ist. Wo daher deren Umsetzung in das unbegrenzt aufhebbare Geld nicht tunlich oder wenigstens nicht selbstverständlich ist, findet man selten ein eigentlich geiziges Aufhäufen derselben; wo Bodenprodukte unmittelbar gewonnen und konsumiert werden, besteht meistens eine gewisse Liberalität, besonders etwa Gästen und Bedürftigen gegenüber, wie sie das zum Sammeln viel mehr einladende Geld weniger nahe legt; so daß Petrus Martyr die Kakaosäcke rühmt, die den alten Mexikanern als Geld dienten, weil sie nicht lange aufgehäuft und verborgen aufbewahrt werden konnten und also keinen Geiz gestatteten. Ganz entsprechend beschränken naturale Verhältnisse die Möglichkeit und den Reiz der Verschwendung. Die verschwenderische Konsumtion und leichtsinnige Vergeudung innerhalb derselben haben doch, abgesehen von sinnloser Zerstörung, an der Aufnahmefähigkeit des eigenen und fremder Subjekte ihre Grenze. Die Hauptsache aber ist, daß die Verschwendung des Geldes überhaupt einen ganz anderen Sinn, eine ganz neue Nuance gegenüber der Verschwendung konkreter Gegenstände enthält: die letztere bedeutet, daß der Wert für die vernünftigen Zweckreihen des Individuums schlechthin vernichtet ist, die erstere, daß er in unzweckmäßiger Weise in andere Werte umgesetzt ist. Der Typus des Verschwenders in der Geldwirtschaft und derjenige, der allein eine geldphilosophisch bedeutsame Erscheinung bietet, ist nicht jemand, der das Geld in natura sinnlos verschenkt, sondern der es zu sinnlosen bzw. seinen Verhältnissen nicht angemessenen Käufen verwendet. Die Lust am Verschwenden, die genau von der Lust etwa an dem flüchtigen Genuß der Gegenstände, an dem damit verbundenen Protzentum, an dem anregenden Wechsel zwischen Erwerb und Verbrauch der Objekte zu unterscheiden ist, die vielmehr die reine Funktion des Verschwendens, ohne Rücksicht auf ihren substanziellen Inhalt und ihre Begleiterscheinungen betrifft – heftet sich also an den Moment des Geldausgebens für irgendwelche Gegenstände; der Reiz dieses Momentes überdeckt beim Verschwender die sachgemäße Schätzung des Geldes einerseits, der Gegenstände andrerseits. Hiermit wird die Stellung des Verschwenders der Zweckreihe gegenüber deutlich bezeichnet. Wenn das Endglied derselben der Genuß aus dem Besitz des Objekts ist, so ist ihre erste uns hier wesentliche Mittelstufe, daß man das Geld besitze, die zweite, daß man es für den Gegenstand ausgebe. Für den Geizigen nun wächst jene erste zu einem für sich lustvollen Selbstzweck aus, für den Verschwender die zweite. Das Geld ist für ihn kaum weniger wesentlich als für jenen, nur nicht in der Form des Habens, sondern in der des Ausgebens. Sein Wertgefühl baut sich in dem Augenblick des Überganges des Geldes in andere Wertformen an und zwar mit solcher Intensität, daß er sich den Genuß dieses Augenblicks um den Preis erkauft, alle definitiveren Werte damit zu vergeuden.

Es ist deshalb sehr deutlich zu beobachten, daß die Gleichgültigkeit gegen den Geldwert, der das Wesen und den Reiz der Verschwendung ausmacht, dies eben doch nur dadurch kann, daß dieser Wert als etwas Empfundenes und Geschätztes vorausgesetzt wird. Denn offenbar würde das Wegwerfen des Indifferenten selbst etwas ganz Indifferentes sein. Für die wahnsinnigen Verschwendungen des ancien régime ist der folgende Fall typisch: als der Prinz Conti einen 4-5000 Fr. werten Diamanten, den er einer Dame geschickt hatte, von ihr zurückerhielt, ließ er denselben zerstoßen und benutzte ihn als Streusand für ein Billett, das er der Dame über die Angelegenheit schrieb. Dieser Erzählung fügt Taine die Bemerkung über die damalige Anschauungsweise hinzu: on est d'autant plus un homme du monde que l'on est moins un homme d'argent. Allein hierin lag doch eine Selbsttäuschung. Denn gerade das bewußte und betonte negative Verhalten zum Gelde hat, wie durch einen dialektischen Prozeß, das gegenteilige zur Grundlage, aus der allein jenem irgendein Sinn und Reiz kommen kann. Dasselbe ist auch bei jenen, in Großstädten hier und da bestehenden Geschäften der Fall, die gegenüber den durch Billigkeit wirkenden, gerade umgekehrt mit einer gewissen prahlerischen Selbstgefälligkeit betonen, daß sie die höchsten Preise haben. Sie sprechen damit die Anwartschaft auf das beste Publikum aus, das nicht nach dem Preise fragt. Nun ist aber das Bemerkenswerte dabei, daß sie nicht sowohl die Hauptsache – die Sache – akzentuieren, sondern dieses negative Korrelat, daß es auf den Preis nicht ankommt, und dadurch unbewußterweise doch wieder den Geldpunkt, wenn auch mit umgekehrtem Vorzeichen, in den Vordergrund des Interesses rücken. Wegen ihrer engen Beziehung zum Gelde gewinnt die Verschwendungssucht so leicht einen ungeheueren Beschleunigungszuwachs und raubt dem davon Befallenen alle vernünftigen Maßstäbe: weil die Regulierung fehlt, die durch das Maß der Aufnahmefähigkeit konkreten Objekten gegenüber gegeben ist.

Das ist die genau gleiche Maßlosigkeit, die die geizige Geldgier charakterisiert: die bloße Möglichkeit, die sie statt des Genusses der Wirklichkeiten sucht, geht an und für sich ins Unendliche und findet nicht wie dieser, äußere und innere Gründe ihrer Einschränkung. Wo der Habsucht die ganz positiven, von außen kommenden Fixierungen und Haltpunkte fehlen, pflegt sie sich ganz formlos und mit wachsender Heftigkeit zu ergießen. Das ist der Grund der besonderen Maßlosigkeit und Erbitterung von Erbschaftsstreitigkeiten. Weil hier keine Arbeit oder sachlich begründete Abmessung den Anspruch des Einzelnen festlegt, ist a priori keiner geneigt, den Anspruch des anderen anzuerkennen, so daß dem eignen jede Hemmung fehlt und jeder Eingriff in denselben als ein ganz besonders grundloses Unrecht empfunden wird. Diese innere Beziehungslosigkeit zwischen dem Wunsche und irgendeinem Maße seines Objekts, die bei der Erbschaftsstreitigkeit aus der personalen Struktur des Erbverhältnisses hervorgeht, entstammt bei der Geldgier der Struktur des Objekts. Sehr bezeichnend scheint mir für die Prinzipienlosigkeit, der diese letztere Raum gibt und die die Ansprüche gar keinen Grund zu ihrer Beschränkung finden läßt, ein Braunschweiger Münzaufstand von 1499. Die Obrigkeit wollte, daß künftig allein die gute Münze gelten sollte, neben der bisher die schlechte bestanden hatte. Und nun revoltierten dieselben Menschen, welche für ihre Produkte und auf ihre Löhne nur gute Pfennige nehmen wollten, in gewalttätiger Weise, weil man ihre Zahlungen in schlechter Münze nicht mehr akzeptierte! Gerade dies häufige Nebeneinander von guter und schlechter Münze gibt der inneren Maßlosigkeit der Geldsucht – der gegenüber auch die intensivsten sonstigen Leidenschaften immer etwas psychologisch Lokalisiertes haben – die reichsten Möglichkeiten. Sogar aus China wissen wir von Revolutionen, weil die Regierung in schlechtem Gelde zahlte, ihre Steuern aber in gutem einforderte. Ich möchte rein hypothetisch annehmen, daß diese Tendenz zur Maßlosigkeit, die in dem bloßen Geldinteresse als solchem liegt, auch die verborgene Wurzel der eigentümlichen, an den Börsen festgestellten Erscheinung bildet: daß die kleinen Getreidespekulanten, die Outsiders, fast ausnahmslos à la hausse gehen. Ich glaube, daß die logisch zwar unleugbare, für die Praxis aber ganz irrelevante Tatsache: daß der Gewinn bei der Baissespekulation überhaupt eine Grenze hat, bei der Hausse aber nicht – den psychologischen Anreiz für diese Seite bewirkt. Während die großen Getreidespekulanten, für die die wirkliche Lieferung des Objekts in Frage kommt, die Chancen nach beiden Seiten hin berechnen, ist der reinen Geldspekulation, wie das Differenzgeschäft sie darstellt, die Richtung adäquat, die formell ins Grenzenlose geht. Eben diese Richtung, die die innere Bewegungsform des Geldinteresses ausmacht, liegt als das Schema der folgenden Tatsache noch näher. Die deutsche Landwirtschaft hat in der Periode von 1830-80 dauernd steigende Erträge geliefert. Dadurch entstand die Vorstellung, dies sei ein ins Unendliche gehender Prozeß; so daß die Güter nicht mehr nach dem Preise gekauft wurden, der dem momentanen Ertrage, sondern der dem künftig zu erwartenden, nach, der bisher beobachteten Proportion gesteigerten entsprach – der Grund der jetzigen Notlage der Landwirtschaft. Es ist die Geldform des Ertrages, die die Wertvorstellung so auf die schiefe Ebene lockt; wo er nur als »Gebrauchswert«, nur seinem unmittelbaren konkreten Quantum nach in Frage kommt, findet die Idee seiner Steigerung eher eine besonnene Grenze, während die Möglichkeit und Antizipation des Geldwertes ins Unendliche geht. Hierauf gründet sich das Wesen von Geiz und Verschwendung, weil sie beide prinzipiell die Wertbemessung ablehnen, die allein der Zweckreihe Halt und Grenze gewähren kann, nämlich die an dem abschließenden Genusse der Objekte. Indem der eigentliche Verschwender – der nicht mit dem Epikureer und dem bloß Leichtsinnigen zu verwechseln ist, so sehr in der individuellen Erscheinung all diese Elemente sich mischen mögen – gegen das Objekt, wenn es einmal in seinem Besitz ist, gleichgültig wird, ist sein Genießen mit dem Fluche behaftet, nie Rast und Dauer zu finden; der Augenblick seines Eintritts enthält zugleich seine Aufhebung in sich, das Leben hat hier dieselbe dämonische Formel wie das des Geizigen: daß jeder erreichte Moment den Durst nach seiner Steigerung weckt, der aber nie gelöscht werden kann; denn die ganze Bewegung sucht die Befriedigung, wie sie aus einem Endzweck fließt, innerhalb einer Kategorie, die sich ja von vornherein den Zweck versagt und sich auf das Mittel und den vordefinitiven Moment beschränkt hat. Der Geizige ist der abstraktere von beiden; sein Zweckbewußtsein macht in noch größerer Distanz vor dem Endzweck halt; der Verschwender geht immerhin noch näher an die Dinge heran, er verläßt die auf das rationelle Ziel gerichtete Bewegung an einer späteren Station, um sich an ihr, als sei sie selbst das Endziel, anzubauen. Einerseits diese formale Gleichheit bei vollständiger Entgegengesetztheit des sichtbaren Erfolges, andrerseits das Fehlen eines regulierenden substanziellen Zweckes, das bei der gleichmäßigen Sinnlosigkeit beider Tendenzen ein launenhaftes Spiel zwischen ihnen nahe legt – erklärt es, daß Geiz und Verschwendung sich oft an derselben Persönlichkeit finden, sei es in Verteilung auf verschiedene Interessenprovinzen, sei es in Zusammenhang mit wechselnden Lebensstimmungen; Kontraktion und Expansion derselben drücken sich in Geiz und Verschwendung, wie in derselben, nur jedesmal mit anderem Vorzeichen versehenen Bewegung aus.

Beiderlei Bedeutungen des Geldes für unseren Willen gehen auf die Synthese zweier Bestimmungen zurück, die sich im Geld vollzieht. So dringlich und allgemein nämlich auch Nahrung und Kleidung begehrt werden, so ist das Verlangen nach ihnen doch naturgemäß begrenzt; gerade von dem Notwendigen und deshalb zunächst mit der größten Intensität Begehrten kann es genug geben. Der Bedarf nach Luxusgütern ist dagegen unserer Natur nach unbegrenzt; das Angebot wird hier niemals die Nachfrage übersteigen; z. B. also haben die Edelmetalle, insoweit sie Schmuckmaterial sind, eine innere Unbeschränktheit der Verwendung, die die Folge ihrer primären Überflüssigkeit ist. Je näher die Werte an dem Lebenszentrum stehen, je mehr sie Bedingung der unmittelbaren Selbsterhaltung sind, desto stärker ist zwar ihr unmittelbares Begehrtwerden, aber desto begrenzter ist eben dieses in quantitativer Hinsicht, desto eher gelangt man ihnen gegenüber an einen Sättigungspunkt. Umgekehrt dagegen, je weiter sie von jener primären Dringlichkeit abstehen, desto weniger findet ihre Begehrtheit ihr Maß an einem natürlichen Bedürfnis, und jedes gewährte Quantum läßt dieselbe ziemlich unverändert fortleben. Zwischen diesen Polen also bewegt sich die Skala unserer Bedürfnisse; sie sind entweder von unmittelbarer Intensität, aber dann doch naturgemäß begrenzt – oder sie sind Luxusbedürfnisse, die für die mangelnde Notwendigkeit eine grenzenlose Möglichkeit ihrer Expansion eintauschen. Während nun die Mehrzahl der Kulturgüter sich in einer gewissen Mischung dieser Extreme bewegt, so daß der Annäherung an das eine die Entfernung vom andern entspricht, vereinigt das Geld die Höhepunkte beider. Denn indem es sowohl die unentbehrlichsten wie die entbehrlichsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen dient, gesellt es der intensiven Dringlichkeit des Verlangens seine extensive Unbegrenztheit zu. Es trägt an sich selbst die Struktur des Luxusbedürfnisses, indem es jede Begehrungsgrenze ablehnt – die nur durch die Beziehungen bestimmter Quantitäten zu unserer Aufnahmefähigkeit möglich wären –, aber es braucht diese Schrankenlosigkeit des Begehrens nicht durch jenen Abstand von dem unmittelbaren Bedürfen auszugleichen, wie es die Edelmetalle als Schmuckmaterial müssen, da es das Korrelat auch der unmittelbarsten Lebensnotdurft geworden ist. Geiz und Verschwendung stellen diesen merkwürdig kombinierten Begehrungscharakter des Geldes gleichsam abgelöst dar, es ist für sie in sein reines Begehrtwerden aufgegangen; sie zeigen nach der schlimmen Seite hin, was wir auch nach der guten am Geld beobachten: daß es den Durchmesser des Kreises erweitert, in dem unsere antagonistischen psychischen Bewegungen schwingen. Nur daß der Geiz in gleichsam substantieller Erstarrung zeigt, was die Verschwendung in der Form des Fließens und der Expansion offenbart.

Nach einer anderen Dimension hin, als die Verschwendung es tut, steht der Geldgier und dem Geize eine zweite negative Erscheinung gegenüber: die Armut als definitiver Wert, als für sich befriedigender Lebenszweck. Das Auswachsen eines Gliedes der Zweckreihe zu absoluter Bedeutung hat sich hier in eine ganz andere Richtung derselben verpflanzt, als beim Geiz und der Verschwendung; denn während diese bei den Mitteln zu Endzwecken stehen blieben, verharrt die Armut bei dem Ausbleiben der Mittel oder rückt in den hinter dem Endzweck liegenden Teil, insoweit sie sich als der Erfolg abgelaufener Zweckreihen einstellt. Ähnlich wie jene beiden tritt Armut in ihrer reinsten und spezifischen Erscheinung nur bei irgendeinem Maße von Geldwirtschaft auf. In naturalen Verhältnissen, die noch nicht geldwirtschaftlich bestimmt sind, so lange also die Bodenprodukte noch nicht als bloße Waren, d. h. unmittelbar als Geldwerte figurieren, kommt es nicht so leicht zu absoluter Bedürftigkeit Einzelner: noch bis in die letzte Zeit hinein hat man sich in Rußland gerühmt, daß die wenig geldwirtschaftlich entwickelten Bezirke daselbst keine persönliche Armut kennten. Als allgemeine Erscheinung liegt das nicht nur an der leichteren Zugängigkeit des unmittelbar Nötigen, zu dem es nicht erst der Beschaffung des Geldmittels bedarf, sondern auch daran, daß die humanen und sympathischen Gefühle der Armut gegenüber in jenen Verhältnissen leichter erweckt werden, als wenn das, was dem Armen fehlt und womit man ihm helfen soll, gar nicht das ihm unmittelbar Nötige ist. Das Mitgefühl hat in reinen Geldverhältnissen erst einen Umweg zu machen, ehe es auf den Punkt seines eigentlichen Interesses kommt. Auf diesem Umwege erlahmt es oft. Dem entspricht es, daß gerade praktisch hilfreiche und mitleidige Menschen dem Armen lieber mit Nahrung und Kleidung als mit Geld zu Hilfe kommen. Sobald die Armut als sittliches Ideal auftaucht, ist es deshalb auch der Besitz an Geld, den sie als die schlimmste Versuchung, als das eigentliche Übel verabscheut.

Wo das Heil der Seele als Endzweck empfunden wird, da erscheint zu ihm die Armut in manchen Doktrinen als ein ganz positives und unerläßliches Mittel, das sich aus dieser Stellung dann zu der Würde eines durch sich selbst bedeutungsvollen und gültigen Wertes erhebt. Das kann auf verschiedenen Staffeln der Zweckreihen und von verschiedenen Motiven aus geschehen. Zunächst wird die bloße Gleichgültigkeit gegen alles irdische Genießen und Interessiertsein dahin führen. Von der Seele, die zum Höchsten aufstrebt, fällt dieser Ballast wie von selbst ab, ohne daß es eines besonders darauf gerichteten Willens bedürfte. So mögen sich vielfach die ersten Christen verhalten haben: nicht direkt feindselig und aggressiv den Gütern der Sichtbarkeit gegenüber, sondern einfach ohne Beziehung zu ihnen, wie zu Dingen, für deren Wahrnehmung man kein Organ besitzt. Deshalb ist der – äußerst sporadische – Kommunismus des Urchristentums den Bestrebungen des modernen Kommunismus im tiefsten Wesen entgegengesetzt: jener aus der Gleichgültigkeit gegen die irdischen Güter, dieser gerade der allerstärksten Wertung derselben entsprungen. Eine Mischform beider liegt auch zeitlich zwischen ihnen: die sozialistisch-revolutionären Bewegungen am Ende des Mittelalters waren zwar durchaus begehrlicher Natur, aber doch wurden sie teilweise von asketischen Strömungen, mit ihrem Ideal völliger Bedürfnislosigkeit, genährt. In Hinsicht auf das Geld freilich müssen diese letzteren aus dem bloßen Jenseits der materiellen Interessen herabsteigen und entschiedenere und positivere Formen annehmen, da man auf dem Wege auch zum Unentbehrlichsten ihm immerwährend begegnet und da der Erwerb seiner mehr Aufmerksamkeit und Willensbeschäftigung fordert, als die daraufhin erfolgende Beschaffung des Unterhaltes selbst. Wer gegen diesen so abgestumpft sein sollte, daß er wie jener Kirchenvater Wagenschmiere für Butter aß, ohne es zu merken, kann dennoch, wenn er in einer Zeit des Geldverkehrs überhaupt existieren will, für den Erwerb auch der bescheidensten Summe sein Bewußtsein nicht in derselben Weise ablenken lassen. Deshalb wird, wo prinzipiell nur Gleichgültigkeit gegen alles Äußere herrscht, diese gerade dem Gelde gegenüber leicht in wirklichen Haß übergehen. Darauf wirkt, zweitens, der versucherische Charakter des Geldes noch entschiedener ein. Weil es in jedem Augenblick zur Verwendung bereit ist, ist es der schlimmste Fallstrick der schwachen Stunden, und da es alles zu beschaffen dient, so bietet es der Seele das ihr jeweilig Verführerischste dar; und alles dies ist von um so unheimlicherer Gefährlichkeit, als das Geld, so lange es wirklich bloß als Geld in unseren Händen ist, das indifferenteste und unschuldigste Ding von der Welt ist. So wird es für asketische Empfindungsweisen das richtige Symbol des Teufels, der uns in der Maske der Harmlosigkeit und Unbefangenheit verführt; so daß dem Teufel wie dem Gelde gegenüber die einzige Sicherung im absoluten Fernhalten liegt, in der Ablehnung jeglicher Beziehung, wie ungefährlich sie auch scheine. In der frühesten Gemeinde Buddhas ist dies zum prinzipiellen Ausdruck gekommen. Der Mönch, der in die Gemeinde eintritt, gibt eben damit seinen Besitz überhaupt auf, wie er seine Familienbeziehungen und seine Gattin aufgibt, und darf, gelegentliche Ausnahmen abgerechnet, nichts weiteres als die kleinen Gegenstände des täglichen Bedarfs besitzen, und auch diese eigentlich nur, wenn sie ihm als Almosen zufließen. Wie fundamental diese Bestimmung war, zeigt der Name, mit dem sich die Mönche bezeichneten: die Gemeinde der Bettler. Indem sie täglich erbettelten – und nicht einmal durch ausgesprochene Bitten, sondern das Almosen stillschweigend erwartend – was sie täglich bedurften, war die Bindung an jegliches Eigentum soweit gelöst, wie es überhaupt möglich war. Wie es bei gewissen arabischen Nomadenstämmen durch Gesetz verboten war, Getreide zu säen, ein Haus zu bauen und ähnliches, damit keine Verführung zur Seßhaftigkeit den Einzelnen den Lebensbedingungen des Stammes untreu mache, so galt dasselbe in innerlicher Wendung von den buddhistischen Mönchen. Sie, die sich den Vögeln vergleichen, die nichts mit sich tragen, als die Flügel, wohin sie auch fliegen, dürfen kein Ackerland, kein Vieh, keine Sklaven zum Geschenk nehmen. Am strengsten aber ist dies Verbot in bezug auf Gold und Silber. Der Wohltäter, der den Mönchen ein Geldgeschenk zugedacht hat, darf es nicht ihnen geben, sondern einem Handwerker oder Händler, der dann den Mönchen dafür die Naturalien liefert, die sie annehmen dürfen. Hat aber dennoch ein Bruder Gold oder Silber angenommen, so muß er vor der Gemeinde Buße tun und das Geld wird, wenn ein gutgesonnener Laie in der Nähe ist, diesem zum Einkauf von Lebensmitteln gegeben; selbst darf kein Mönch dies besorgen, ist aber keiner gleich zur Hand, so wird das Geld einem Mönche zum Fortwerfen überliefert, und zwar einem, »der frei ist von Begehren, frei ist von Haß, frei von Verblendung« – und der so die Garantie gibt, daß er es auch wirklich wegwirft. Hier ist – wenn auch mit der eigentümlichen anämischen Gedämpftheit dieser gleichsam in einem Gedanken erstarrten Seelen – das Geld zu einem Gegenstand der Furcht und des Abscheus, die Armut zu einem eifersüchtig gehüteten Besitz, zu einem kostbaren Stück in dem Wertinventar dieses, aller Mannigfaltigkeit und Interessiertheit der Welt abgewandten Daseins geworden. Im Gelde war der einheitliche Wert gegeben, mit dessen Ablehnung gerade alle Vielheit der Welt abgelehnt war.

Die innere Formung, die sich zum absoluten Werte der Armut aufgipfelt, wird nun mit reinster Entschiedenheit und unvergleichlicher Leidenschaft von den ersten Franziskanermönchen dargestellt. Hier gilt es nicht nur eine Reaktion gegen jene furchtbare Verweltlichung der italienischen Kirche des 12. und 13. Jahrhunderts, die in der Simonie ihren gedrängtesten Ausdruck gefunden hatte: auf Geld war alles gestellt und für Geld alles zu haben, von der Papstwahl bis zur Einsetzung des armseligsten Landpfarrers, von der großartigsten Klostergründung bis zum Aussprechen der Formel, durch die Florentiner Priester den Wein, in dem Mäuse ertrunken waren, wieder sühnten und genießbar machten! Die Reformbewegung hiergegen, die seit dem fünften Jahrhundert nie völlig unterbrochen war, hatte freilich schon sonst die Armut als die ideale Forderung für den Geistlichen laut werden lassen, weil damit der Verweltlichung der Kirche so Wurzel wie Krone abgeschnitten wäre. Allein zu einem selbständigen Werte oder zu einem Korrelat der tiefsten inneren Bedürfnisse wurde die Armut doch erst bei den Franziskanern. Von der ersten Zeit des Ordens sagt ein Spezialhistoriker: »In der Armut hatte die gente poverella Sicherheit, Liebe und Freiheit gefunden: was Wunder, daß alles Dichten und Trachten der neuen Apostel einzig der Bewahrung dieses köstlichen Schatzes galt. Ihre Verehrung kannte keine Grenzen; mit der vollen Glut bräutlicher Liebe warben sie täglich aufs neue um die Freundin ihres Herzens.« Die Armut wurde hier zu einem positiven Besitz, der einerseits gleichsam den Erwerb der höchsten Güter vermittelte, ihnen gegenüber das leistete, was das Geld den irdischen Verächtlichkeiten gegenüber; wie dieses war sie das Reservoir, in das die praktischen Wertreihen mündeten und aus dem sie sich wieder nährten. Andrerseits aber war die Armut schon ganz unmittelbar eine Seite oder ein Ausdruck davon, daß dem Entsagenden die Welt in einem höheren, dem höchsten Sinne gehörte; er war eigentlich kein Entsagender, sondern in der Armut besaß er den reinsten, feinsten Extrakt der Dinge, wie der Geizige ihn im Gelde besitzt. Wie die buddhistischen Mönche sagten: »In hoher Freude leben wir, die wir nichts besitzen; Fröhlichkeit ist unsere Speise, wie den Göttern des Lichtreichs« – so charakterisierte man die Franziskaner als nihil habentes, omnia possidentes. Die Armut hat hier ihr asketisches Wesen verloren: die inneren Güter, zu deren Gewinn sie die negative Bedingung bildete, sind zu ihr selbst herabgestiegen, der Verzicht auf das Mittel, das der Welt sonst als der volle Repräsentant ihrer Endzwecke gilt, hat die gleiche Steigerung zu einem definitiven Werte erfahren. Die ungeheure und ausgreifende Macht des Prozesses, durch den das Geld aus seiner Mittlerstellung zu der Bedeutung eines Absoluten aufsteigt, kann durch nichts ein schärferes Licht erhalten als dadurch, daß die Verneinung seines Sinnes sich zu der gleichen Form steigert.

Den Kreis dieser Erscheinungen, die das Wesen des Geldes durch seine Reflexe beleuchten und durchsichtig machen sollen, schließe ich mit zwei, auf den Höhen der Geldkultur fast endemischen Vorkommnissen: dein Zynismus und der Blasiertheit – beides Ergebnisse der Reduktion auf den Mittelwert des Geldes, die sich die spezifischen Werte des Lebens gefallen lassen müssen; sie bilden gleichsam den Revers der Erscheinungen von Geiz und Geldgier, indem jene Reduktion sich mit diesen in dem Aufwachsen eines neuen Endwertes, mit Zynismus und Blasiertheit aber in dem Herabsetzen aller alten offenbart. In ihnen vollendet sich die Negativität der teleologischen Reihen, die das Geld schon in der Verschwendung und der Lust an der Armut zustande gebracht hat – sie vollendet sich, indem sie jetzt nicht nur die Einzelheit der Werte, die bloß im Gelde kristallisiert sind, sondern die Tatsache der Werte überhaupt ergreift. So wenig das, was wir heute Zynismus nennen, der fundamentalen Gesinnung nach etwas mit der griechischen Lebensphilosophie, von der sein Name stammt, zu tun hat, so besteht doch eine, wenn auch sozusagen perverse Beziehung zwischen beiden. Der antike Zynismus hatte ein ganz positives Lebensideal: die unbedingte Seelenstärke und sittliche Freiheit des Individuums. Dies war ihm ein so unbedingter Wert, daß ihm gegenüber alle Unterschiede sonst anerkannter Werte zunichte wurden: ob jemand Herr oder Sklave ist, ob er seine Bedürfnisse auf ästhetische oder unästhetische Weise befriedigt, ob er ein Vaterland hat oder keins, ob er die Familienpflichten erfüllt oder nicht – das sei für den Weisen völlig gleichgültig, und zwar nicht nur im Vergleich mit jenem absoluten Werte, sondern in dieser Gleichgültigkeit offenbare sich gerade dessen Vorhandensein. Für die jetzt als zynisch bezeichnete Gesinnung scheint es mir entscheidend, daß auch für sie keine Höhendifferenzen der Werte bestehen, und das im allgemeinen Hochgewertete seine einzige Bedeutung darin hat, auf das Niveau des Niedrigsten herabgezogen zu werden – daß aber der positive und ideelle sittliche Endzweck dieser Nivellierung weggefallen ist. Was für jene paradoxen Abkömmlinge sokratischer Lebensweisheit ein Mittel oder ein sekundäres Ergebnis war, ist hier das Zentrum geworden und hat sich dadurch in seiner Bedeutung völlig geändert. Der Zyniker – nun immer in dem jetzigen Sinne – offenbart sein Wesen am deutlichsten im Gegensatz zu dem sanguinischen Enthusiasten. Während bei diesem die Kurve der Wertbewegung von unten nach oben geht und auch niedere Werte zu der Bedeutung der höheren zu heben strebt, ist sie beim Zyniker umgekehrt gerichtet: sein Lebensgefühl ist erst adäquat ausgedrückt, wenn er die Niedrigkeit auch der höchsten Werte, den Illusionismus der Wertunterschiede theoretisch und praktisch erwiesen hat. Dieser Stimmung kann nichts wirksamer entgegenkommen, als die Fähigkeit des Geldes, die höchsten wie die niedrigsten Werte gleichmäßig auf eine Wertform zu reduzieren und sie dadurch, um so verschiedene Arten und Maße derselben es sich auch handeln mag, auf dasselbe prinzipielle Niveau zu bringen. Auf keinem anderen generellen Gebiete findet der Zyniker eine so triumphierende Rechtfertigung, als hier, wo die feinsten, idealsten, persönlichsten Güter nicht nur für jeden, der das nötige Geld hat, verfügbar sind, sondern, noch viel bezeichnender, dem Würdigsten versagt bleiben, wenn er mittellos ist, und wo die Bewegungen des Geldes die unsinnigsten Kombinationen zwischen den personalen und den Sachwerten bewirken. Die Pflanzstätten des Zynismus sind deshalb die Plätze des großen, namentlich des Börsenverkehrs, wo das Geld in Massen vorhanden ist und leicht den Besitzer wechselt. Je mehr hier das Geld selbst zum alleinigen Interessenzentrum wird, je mehr man Ehre und Überzeugungen, Talent und Tugend, Schönheit und das Heil der Seele dagegen eingesetzt sieht, eine um so spöttischere und frivolere Stimmung wird diesen höheren Lebensgütern gegenüber entstehen, die für dasselbe Wertquale feil sind wie die Güter des Wochenmarkts, und so schließlich auch einen »Marktpreis« erhalten. Der Begriff des Marktpreises für Werte, die ihrem Wesen nach jede Schätzung außer der an ihren eigenen Kategorien und Idealen ablehnen, ist die vollendete Objektivierung dessen, was der Zynismus in subjektivem Reflex darstellt.

Die andere Bedeutung der Nivellierung, die nicht sowohl die Verschiedenwertigkeit, als die Verschiedenartigkeit der Dinge trifft – indem die zentrale Stellung des Geldes das Interesse an das ihnen Gemeinsame, im Gegensatz zu ihrer individuellen Ausbildungshöhe, heftet – findet ihren personalen Ausdruck in der Blasiertheit. Während der Zyniker sich durch das Wertgebiet doch noch zu einer Reaktion bewegen läßt, wenn auch in dem perversen Sinn, daß er in der Bewegung der Werte von oben nach unten einen Lebensreiz findet, ist der Blasierte, seinem – freilich nie ganz realisierten – Begriffe nach, den Unterschieden des Wertempfindens überhaupt abgestorben, er fühlt alle Dinge in einer gleichmäßig matten und grauen Tönung, nicht wert, sich dadurch zu einer Reaktion, insbesondere des Willens, aufregen zu lassen. Die entscheidende Nuance ist hier also nicht die Entwertung der Dinge überhaupt, sondern die Indifferenz gegen ihre spezifischen Unterschiede, da aus diesen gerade die ganze Lebhaftigkeit des Fühlens und Wollens quillt, die sich dem Blasierten versagt. Über wen erst einmal die Tatsache, daß man alle möglichen Mannigfaltigkeiten des Lebens für eben dieselbe Geldsumme haben kann, innerlich Macht gewonnen hat, der muß eben blasiert werden. In der Regel gelten erschöpfende Genüsse als die Ursache der Blasiertheit, und mit Recht, indem die allzu starken Reize schließlich alle Reaktionsfähigkeit aus den Nerven herauspumpen. Allein damit ist der Kreis der Blasiertheitserscheinungen noch nicht abgeschlossen. Die Reize der Dinge nämlich sind keineswegs nur die Ursachen der praktischen Betätigungen zu ihrem Gewinne, sondern auch umgekehrt, Art und Maß der praktisch erforderten Bemühung um sie bestimmen oft ihrerseits gerade die Tiefe und Lebhaftigkeit ihres Reizes für uns. Alle Individualisierungen des Strebens, alle Verschlingungen der Wege, alle besonderen Anforderungen, die der Erwerb des Gegenstandes stellt, werden auf diesen selbst als Besonderheiten seines Wesens und seines Verhältnisses zu uns übertragen, werden als Reize in ihm investiert; umgekehrt, auf je mechanischere und in sich gleichgültigere Weise der Erwerb des Gegenstandes gelingt, desto färb- und interesseloser erscheint er selbst – wie eben allenthalben nicht nur das Ziel den Weg, sondern auch der Weg das Ziel bestimmt. Deshalb muß der immer gleiche, keinem Gegenstande eine besondere Art der Beschaffung vorbehaltende Erwerb für Geld seine Objekte vergleichgültigen, und zwar offenbar um so gründlicher, je mehr der Reichtum diese praktische Reduktion der Wertunterschiede auf immer mehr Gegenstände erstreckt. So lange wir nicht in der Lage sind, die Dinge zu kaufen, wirken sie noch mit ihren ganzen, ihren Besonderheiten entsprechenden Reizen auf uns; sobald wir sie, vermöge unseres Geldbesitzes, ganz selbstverständlich auf jede Anregung hin erwerben, verblassen jene Reize nicht nur auf Grund des Besitzes und Genusses selbst, sondern auch wegen des indifferenten, ihren spezifischen Wert verlöschenden Weges zu ihrem Erwerb. Dieser Einfluß ist natürlich im einzelnen Fall unmerklich klein. In dem Verhältnis aber, das der Reiche zu den für Geld erwerbbaren Objekten hat, ja, vielleicht schon in der Gesamtfärbung, die der öffentliche Geist jetzt diesen Objekten allenthalben erteilt, ist er zu einer sehr merkbaren Größe angehäuft. So sind Zynismus und Blasiertheit nur die Antworten zweier verschiedener, manchmal auch gradweise gemischter Naturelle auf die gleiche Tatsache: bei zynischer Disposition erregt die Erfahrung, wie vieles für Geld zu haben ist, und der Induktionsschluß, daß schließlich Alles und Alle käuflich sind, ein positives Lustgefühl, während für den zur Blasiertheit Neigenden eben dasselbe Bild der Wirklichkeit ihr die letzten Möglichkeiten raubt, ihm zum Reize zu werden. Während deshalb der Zyniker seine innere Lage in der Regel gar nicht abzuändern wünscht, ist dies beim Blasierten doch oft genug der Fall: das Gattungsmäßige in ihm verlangt nach den Lebensreizen, die seine individuelle Verfassung ihm unfühlbar macht. Daher die Begierde der Gegenwart nach An- und Aufregungen, nach extremen Eindrücken, nach der größten Raschheit ihres Wechsels – einer jener typischen Versuche, den Gefahren oder Leiden einer Situation durch quantitative Exaggerierung ihres Inhaltes abzuhelfen; wodurch freilich eine augenblickliche Ablenkung von ihrer sachlichen Bedeutung, nach kurzem aber das alte Verhältnis, jetzt erschwert durch das gestiegene Maß seiner Elemente, eintritt. Wesentlicher aber ist, daß die moderne Wertung des »Anregenden« als solchen an Eindrücken, Beziehungen, Belehrungen – ohne daß man zu betonen für nötig hielte, wozu es uns denn anrege – auch nur jenes charakteristische Befangensein in den Mitteln verrät: man begnügt sich mit diesem Vorstadium der eigentlichen Wertproduktion. Da nun die Sucht nach bloßen Anregungen als solchen die Folge der überhandnehmenden Blasiertheit ist, der die natürliche Erregbarkeit mehr und mehr schwindet, und da diese ihrerseits aus der Geldwirtschaft, mit ihrer Entfärbung aller spezifischen Werte durch einen bloßen Mittelwert, entspringt – so haben wir hier einen der interessanten Fälle, in denen die Krankheit dem Heilmittel ihre eigene Form mitgeteilt hat. Die Geldkultur bedeutet ein solches Befangensein des Lebens in seinen Mitteln, daß auch die Erlösung aus seinen Müdigkeiten wie selbstverständlich in einem bloßen, seine Endbedeutung verschweigenden Mittel: in der Tatsache des »Anregenden« schlechthin – gesucht wird.


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