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Schreib, meine Muse, schreibe,
Es gilt dir dieser Bann,
Damit der Preis dir bleibe.
Den die Kritik ersann.
Ode auf die Kritik.
Der Schluß einer literarischen Unternehmung, im Ganzen oder nur theilweise, ist wenigstens für den Unerfahrenen mit einem reizenden Kitzel verbunden, demjenigen ähnlich, welcher die Heilung einer Wunde begleitet; es ist in kurzen Worten ein Jucken der Ungeduld, um zu erfahren, was die Welt im Allgemeinen, und Freunde im Besonderen zu unserer Arbeit sagen werden. Einige Autoren, wie man mir sagt, besitzen eine austernartige Gleichgültigkeit in diesem Punkte; was mich jedoch betrifft, so glaube ich kaum an deren Aufrichtigkeit. Andere erlangen diese Gleichgültigkeit vielleicht durch Gewohnheit; nach meiner bescheidenen Meinung muß aber ein Neuling, wie ich, einer solchen Kaltblütigkeit unfähig sein.
Um offen zu reden, so schämte ich mich selbst des kindischen Gefühles, welches ich bei der Gelegenheit empfand. Niemand konnte schönere Dinge als ich über die Wichtigkeit des Stoicismus hinsichtlich der Meinung Anderer sagen, wenn ihr Beifall oder Tadel sich allein auf literarischen Charakter bezieht; auch war ich entschlossen, mein Werk dem Publikum mit derselben Gleichgültigkeit darzubieten, womit der Strauß seine Eier in den Sand legt und sich nicht weiter um die Ausbrütung bekümmert, sondern es der Atmosphäre überläßt, die Jungen zu erzeugen, oder sonst je nach der Beschaffenheit des Klima zu verfahren. Obgleich jedoch in der Theorie ein Strauß, wurde ich in der Praxis eine arme Henne, welche, sobald sie ein Ei gelegt hat, gackernd umherläuft, um die Aufmerksamkeit eines Jeden auf das wunderbare Werk zu richten, welches sie soeben vollbracht hat.
Sobald ich in den Besitz meines zuerst herausgegebenen Buches mit hübschem Einband gelangte, war das Gefühl der Nothwendigkeit, es Jemandem mitzutheilen, von mir nicht zu unterdrücken. Janet war unerbittlich und schien meines literarischen Vertrauens gänzlich müde; sobald ich nämlich auf den Gegenstand kam, suchte sie demselben so lange als möglich auszuweichen, und führte zuletzt unter irgend einem Vorwand einen Rückzug in die Küche oder Speisekammer, ihre besonderen und unverletzlichen Gebiete, aus. Mein Buchhändler wäre mir eine natürliche Zuflucht gewesen; er versteht jedoch sein Geschäft zu gut, und betreibt dasselbe zu eifrig, als daß er sich in literarische Verhandlungen einlassen sollte, denn er ist der verständigen Meinung, daß ein Mann, welcher Bücher verkaufen muß, selten Zeit hat, dieselben zu lesen. Meine weiteren Bekannten sind jetzt, da ich Frau Bethune Baliol verloren habe, von jener entfernten und zufälligen Art, daß ich ihnen die Natur meines Unbehagens nicht mittheilen mogte. Sie würden mich wahrscheinlich nur ausgelacht haben, hätte ich es versucht, ihre Theilnahme an meinen Arbeiten in Anspruch zu nehmen.
Beinahe zur Verzweiflung gebracht, dachte ich plötzlich an meinen Freund und Anwalt, Herrn Fairscribe. Seine Gewohnheiten sind allerdings nicht solcher Art, daß Wahrscheinlichkeit vorhanden war, er werde Nachsicht gegen seichte Literatur hegen, und ich hatte auch wirklich mehr als einmal bemerkt, daß seine Töchter, und besonders meine kleine Sängerin, sobald ihr Vater in's Zimmer trat, etwas in ihren Strickbeutel steckten, welches wie ein Buch aus Lesebibliotheken aussah. Er war jedoch nicht allein mein erprobter, sondern auch beinahe mein einziger Freund, und ich bezweifle nicht, daß er Interesse am Buche wegen des Verfassers nehmen würde, wenn auch das Werk selbst es nicht zu erregen vermöge. Ich schickte ihm deßhalb das Buch sorgfältig versiegelt mit der Bitte, daß ich ihn um seine gütige Meinung über den Inhalt ersuche; ich selbst sprach davon in der wegwerfenden Weise, die einen bestimmten Widerspruch herausfordert, wenn der Correspondent nur ein Gran Höflichkeit besitzt.
Diese Mittheilung geschah am Montag, und da ich mich schämte, einen Besuch aus freien Stücken zu machen, obgleich ich einen willkommenen Empfang als gewiß voraussehen konnte, so erwartete ich täglich eine Einladung, um nach dem Lieblingsausdrucke meines Freundes eine Suppe mit ihm zu essen oder auch eine Karte, um mit den Misses Fairscribe Thee zu trinken, oder wenigstens eine Aufforderung zum Frühstück bei meinem gastfreien Freunde und Wohlthäter, um alsdann den Inhalt meines Paketes zu besprechen. »Dieß gleicht nicht der Pünktlichkeit meines Freundes,« dachte ich; nachdem ich nun James, meinen Bedienten, durch eine genaue Untersuchung hinsichtlich der Zeit und des Ortes der Einsendung zu wiederholten Malen gequält hatte, blieb mir keine andre Zuflucht übrig, als daß ich meine Phantasie anstrengte, um die Gründe für das Schweigen meines Freundes zu begreifen. Bisweilen dachte ich, seine Meinung über das Werk sei so ungünstig, daß er sich scheue sie mir mitzutheilen, um meine Gefühle nicht zu verletzen; bisweilen fiel mir ein, das Buch sei nicht in die Hände dessen gerathen, auf welchen die Adresse lautete, sondern sei in das Schreibzimmer gelangt, und so der Gegenstand der Kritik seiner munteren Schreiber und dünkelhaften Lehrlinge geworden. »Zum Henker,« dachte ich, »wüßte ich das gewiß, so würde ich –«
»Und was würdet Ihr thun?« fiel die Vernunft nach einigen Augenblicken ein; »Ihr hegt den Ehrgeiz, Euer Buch in jedes Schreib- und Lesezimmer Edinburgs einzuführen, und dennoch fangt Ihr Feuer bei dem Gedanken, daß es von Herrn Fairscribe's jungen Leuten kritisirt wird? Schämt Euch und bleibt Euch ein wenig gleich.«
»Ich will mir gleich bleiben,« sagte ich verdrießlich, trotzdem aber, will ich Herrn Fairscribe heute Abend besuchen.« Ich aß hastig mein Mittagessen, legte meinen großen Ueberrock an, denn es drohte am Abend zu regnen, und ging nach Herrn Fairscribe's Hause. Der alte Bediente öffnete vorsichtig die Thüre und sagte, bevor ich ihn befragte: »Herr Fairscribe ist zu Hause, Herr, allein es ist Sonnabend-Abend.« Da er jedoch mich an Gesicht und Stimme erkannte, öffnete er weiter die Hausthüre, ließ mich ein und führte mich in's Wohnzimmer, wo ich Herrn Fairscribe und die übrigen Glieder seiner Familie antraf, wie sie einer Predigt des verstorbenen Herrn Walker aus Edinburg zuhörten, welche von Miß Catharine mit ungewöhnlicher Deutlichkeit, Einfachheit und Verständniß vorgelesen wurde. Als ein Freund des Hauses bewillkommnet, mußte ich ruhig mich auf einen Stuhl setzen, aus der Noth eine Tugend machen, und mich bemühen, meinen Antheil am Nutzen einer so ausgezeichneten Predigt zu erhalten. Ich besorge jedoch, daß Herrn Walkers scharfe Logik und Kraft des Ausdrucks an mir verloren gingen. Ich merkte, daß ich eine unpassende Zeit gewählt hatte, um Herrn Fairscribe zu stören; als die Predigt vorbei war, stand ich auf, um mich zu empfehlen, und zwar wie ich glaube, etwas hastig. »Wollt Ihr nicht eine Tasse Thee trinken, Herr Croftangry?« sagte die junge Dame. »Bleibt doch hier und nehmt Theil an einem presbyterianischen Abendessen,« sagte Herr Fairscribe, »um neun Uhr – ich sehe genau darauf, die Stunden meines Vaters am Sonntag Abend einzuhalten; vielleicht kömmt Doktor …« (Er nannte einen ausgezeichneten Geistlichen.)
Ich entschuldigte mich wegen der Ablehnung seiner Einladung. Wie ich glaube, hatte mein unerwartetes Erscheinen und mein heftiger Rückzug meinen Freund etwas überrascht; denn statt mich zur Thüre zu begleiten, führte er mich in sein Zimmer.
»Was gibt's, Herr Croftangry?« fragte er; »dieß ist kein Abend für weltliche Geschäfte, wenn aber etwas Außerordentliches vorgekommen ist –«
»Durchaus nichts,« erwiderte ich, indem ich mich zum Geständniß als zum besten Mittel, mir aus der Verlegenheit zu helfen, zwang – »nur sandte ich Euch ein kleines Paket, und da Ihr so regelmäßig in Angabe des Empfanges von Briefen und Mittheilungen seid, so glaubte ich, es sei an die unrechte Adresse gelangt – das ist Alles.«
Mein Freund lachte herzlich, als ob er meine Beweggründe und meine Verwirrung durchschaute und innerlich daran Vergnügen fände. »Es ist sicher genug angelangt,« sagte er, »der Wind der Welt fuhrt immer seine Eitelkeiten in sicheren Hafen, wir befinden uns aber jetzt am Ende der Gerichtssitzungen; alsdann habe ich wenig Zeit etwas Gedrucktes zu lesen, mit Ausnahme der Gerichtsverhandlungen; wenn Ihr aber mit mir nächsten Sonnabend eine Schüssel Kohl verspeisen wollt, so will ich Euer Werk durchlesen, obgleich ich sicherlich kein paffender Richter für solche Sachen bin.« Mit diesem Versprechen nahm ich vergnügt von ihm Abschied, wobei ich mir beinahe einredete, daß der phlegmatische Jurist, wenn er einmal das Produkt meiner nächtlichen Studien zu lesen angefangen habe, das Buch nicht werde weglegen können, als bis er dessen Ende erreicht habe; auch werde es ihn sogleich nach Beendigung der letzten Seite zu einer Unterredung mit dem Verfasser drängen.
Indeß zeigten sich keine solche Zeichen der Ungeduld. Die Zeit, stumpf oder scharf, wie meine Freundin Johanna sagt, schnell oder langsam, vollbrachte ihren Lauf; am festgesetzten Sonnabend befand ich mich rechtzeitig an der Thüre, als die Uhr vier schlug. Die Zeit zum Mittagessen wurde zwar um fünf Uhr pünktlich eingehalten, ich konnte jedoch nicht wissen, ob sich mein Freund etwa eine halbe Stunde mit mir vorher unterreden wolle. Ich wurde in ein leeres Damenzimmer geführt, und hatte nach dem hastig verlassenen Nadelkissen und Arbeitskorb einigen Grund zu der Vermuthung, daß ich meine kleine Freundin Miß Catie bei einer mehr rühmlichen als eleganten häuslichen Arbeit unterbrochen habe. In dieser kritischen Zeit muß nämlich die kindliche Liebe sich in einem Gemache verstecken, wenn sie ihres Vaters Wäsche ausbessern will. Bald darauf erlangte ich eine noch vollere Ueberzeugung, daß ich mich zu früh eingedrängt habe, denn eine Magd kam herein, um den Korb wegzunehmen und meinen Artigkeiten einen rothgrünen Herrn in einem Käfig zu empfehlen, welcher alle meine Höflichkeiten durch das Gekrächz erwiderte: »Ihr seid ein Narr – ich sage Euch, Ihr seid ein Narr!« bis ich zuletzt, auf mein Wort, zu glauben begann, das Geschöpf habe Recht.
Endlich trat mein Freund ein wenig erhitzt ein. Er war beim Kolbenspiel gewesen, um sich für die erhabene Unterredung vorzubereiten. Warum nicht? Das Spiel mit seinen mannigfaltigen Körperanstrengungen und Zufällen im Schleudern der Kugel ist keine unpassende Darstellung der Zufälle, welche mit literarischen Beschäftigungen verbunden sind. Besonders entsprechen jene furchtbaren Würfe, womit eine Kugel wie ein Büchsenschuß durch die Luft fliegt, um auf eine andere am Boden liegende niederzufallen und dieselbe auf dem Platze in die Erde zu treiben, wo sie durch Ungeschicklichkeit oder Bosheit des Spielers hingelegt wurde – den günstigen oder herabsetzenden Bemerkungen der Rezensenten, welche mit den herausgegebenen Büchern eben so ein Kolbenspiel treiben, wie Altisidora, als sie dem Thor der Hölle nahete, dort die Teufel erblickte, welche ein Federballspiel mit den neuen Büchern aus Cervantes' Tagen trieben.
Wohl, jede Stunde erreicht ihr Ende. Es schlug fünf Uhr, und mein Freund mit seinen Töchtern und seinem hübschen Sohn, welcher zwar in gehöriger Weise an den Schreibtisch gefesselt ist, aber doch dann und wann über seine Schultern auf sein schönes Ebenbild im Spiegel blickt, begann ernstlich die körperlichen Bedürfnisse der Natur zu befriedigen; während ich durch den edleren Appetit nach Ruhm getrieben, den Wunsch hegte, daß die Berührung eines Zauberstabes ohne die Ceremonien der Auswahl, des Zerschneidens, Kauens und Verschlingens, einen genügenden Betrag der guten Dinge auf meines Freundes gastfreiem Tische in die Mägen der dort Sitzenden versetzen möge, damit derselbe alsdann bequem in Nahrungssaft verwandelt werde, indeß ihre Gedanken sich auf höhere Gegenstände richten könnten. Endlich war Alles vorüber. Die jungen Damen aber blieben sitzen und schwatzten von der Musik des Freischütz, von welcher damals alle Welt voll war; wir verhandelten das Lied Caspars u. s. w., womit meine jungen Freunde gänzlich vertraut waren. Glücklicherweise veranlaßte aller dieser Lärm von Hörnern und Jagdgeschrei eine Anspielung auf das siebente Husarenregiment, hinsichtlich dessen ich bald bemerkte, daß es bei Miß Catharine und ihrem Bruder ein beliebteres Thema war, als bei meinem alten Freunde, welcher auf die Uhr sah, und bedeutungsvoll Herrn James etwas über Arbeitsstunden sagte. Der junge Mann stand auf mit der Leichtigkeit eines Burschen, welcher eher für einen Mann der Mode als des Geschäftes gelten möchte, und bemühte sich, mit einigem Erfolg, das Zimmer zu verlassen, als sei diese Ortsveränderung eine ganz freiwillige; Miß Catharine und ihre Schwestern verließen uns ebenfalls, und jetzt, dachte ich, kommt für mich die Stunde der Prüfung.
Leser, hast du jemals im Laufe deines Lebens Gerichte und Advokaten geprellt, um eine zweifelhafte und wichtige Frage der Entscheidung eines beiderseitigen Freundes zu überlassen? Ist dieß der Fall, so wirst du die verhältnißmäßige Veränderung in der Achtung des Schiedsrichters bemerkt haben, welcher von der Stellung eines gewöhnlichen Bekannten, dessen Meinung für dich von eben so geringer Wichtigkeit war, als die deinige für ihn, auf diejenige einer höher gestellten Person erhoben wird, von deren Entscheidung dein Schicksal wenigstens pro tanto abhängen muß, wie mein Freund Fairscribe sagen würde; und diese Veränderung wird eintreten, wenn auch deine eigene freie Wahl ihn zum Schiedsrichter gemacht hat. Seine Blicke nehmen einen geheimnißvollen, wo nicht drohenden Ausdruck an; sein Hut erlangt ein höheres Aussehen, und seine Perücke, wenn er eine solche trägt, eine furchtbarere Locke.
Ich fühlte somit, daß mein guter Freund Fairscribe bei gegenwärtiger Gelegenheit eine ähnliche Steigerung seiner Wichtigkeit erlangt hatte. Noch vor einer Woche war er nach meiner Meinung ein ausgezeichnet wohlmeinender Mann, welcher in jeder Angelegenheit seines Berufes ein zuverlässiges Urtheil besaß, der sich aber unter dessen Formen und Kunstgriffe auf solche Weise eingemauert hatte, daß er zu einem Urtheil über Sachen des Geschmacks nicht besser geeignet war, wie irgend ein mächtiger Gothe, der im alten Senatshause Schottlands einen Sitz einnahm. Allein was hatte das jetzt zu bedeuten? Ich hatte mir ihn selbst zum Richter erwählt und ich habe öfter bemerkt, daß der Gedanke, eine solche Berufung aus dem Bewußtsein der eigenen Unfähigkeit abzulehnen, der letzte ist und vielleicht auch sein muß, welcher dem Schiedsmann jemals einfällt. Derjenige, welchem ein literarisches Werk zur Beurtheilung vom Verfasser vorgelegt wird, läßt sogleich seine Seele die Haltung eines Kritikers annehmen, mag auch der Gegenstand von solcher Art sein, daß er früher nie daran gedacht hat. Ohne Zweifel ist der Autor geeignet, seinen Richter sich zu wählen. Und weßhalb sollte der erwählte Schiedsrichter seine Talente zur Verurtheilung oder Freisprechung bezweifeln, da sein Freund ohne Zweifel sich auf deren Fähigkeit verlassen hat? Sicherlich muß der Mann, welcher ein Buch schrieb, wahrscheinlich auch diejenige Person kennen, welche zur Beurtheilung desselben sich am besten eignet.
Während diese Gedanken mir durch den Kopf gingen, heftete ich meine Blicke auf meinen guten Freund, dessen Bewegungen mir ungewöhnlich langsam schienen, als er eine Flasche vortrefflichen Bordeauxwein kommen ließ, mit eigener Hand und sorgfältiger Genauigkeit davon einschenkte, bei seinem alten Diener einen Teller mit Oliven und gerösteten Brodschnitten bestellte, und so auf gastfreundliche Gedanken gerichtet, die Verhandlung aufzuschieben schien, die ich herbeizuführen wünschte, jedoch, zu übereilen besorgte.
»Er ist unzufrieden,« dachte ich, »und schämt sich dieß mir zu zeigen, denn er fürchtet ohne Zweifel mein Gefühl zu verletzen. Was kann ich mit ihm sonst besprechen, als Urkunden und Akten? – Halt, er will ansangen.«
»Wir sind jetzt alte Knaben, Herr Croftangry,« sagte mein Wirth, »wir können jetzt kaum noch ein Quart Rothwein zusammen trinken, während wir in besseren Tagen eine Pincte vertragen konnten, und zwar in der noch weiteren Auslegung dieses Wortes nach alter schottischer Weise. Vielleicht hättet Ihr gern gesehen, daß James geblieben wäre, um uns bei dem Weine Gesellschaft zu leisten, allein heute ist kein Feiertag, und ich halte es für zweckmäßig, daß er alle seine Arbeitsstunden einhält.«
Hier war die Unterredung im Begriff abgebrochen zu werden. Ich nahm sie wieder auf mit den Worten, daß James sich in der glücklichen Zeit des Lebens befinde, wo er bessere Dinge zu thun habe, als über der Flasche zu sitzen. »Ich glaube,« sagte ich, »Euer Sohn liest Bücher.«
»Hm, ja, in gewisser Art kann man das sagen; ich glaube aber, daß seine Studien wenig solid sind – Poesie und Schauspiele, Herr Croftangry, lauter Unsinn – das verdreht ihm den Kopf so, daß er an die Armee denkt, wenn er sich um sein Geschäfte bekümmern sollte.«
»Ich vermuthe demnach, Romane finden in Euren Augen nicht mehr Gnade als dramatische und lyrische Werke?«
»So ist es, Herr Croftangry; historische Bücher kann ich eben so wenig leiden. In der Geschichte kömmt viel zu viel Schlägerei vor, als seien die Menschen nur in diese Welt gesetzt, um einander hinauszuschaffen. Das erweckt falsche Begriffe von unserem eigentlichen Wesen, von unserer häuptsächlichsten und eigentlichen Bestimmung, Herr Croftangry.«
Alle diese Bemerkungen waren jedoch nur allgemeiner Art, und ich faßte den letzten Entschluß, unser Gespräch zum Brennpunkte zu bringen. »Ich besorge also, daß ich einen Mißgriff beging, Euch mit meinem eitlen Manuskripte zu belästigen, Herr Fairscribe; Ihr müßt mir jedoch die Gerechtigkeit erweisen, zu bedenken, daß ich nichts Besseres zu thun hatte, als mich mit der Abfassung jener Erzählungen zu beschäftigen, die ich Euch neulich übergeben habe. Ich kann zu meiner Vertheidigung anführen,
Bei eitlem Treiben hab' ich den Beruf
Noch nie versäumt.«
»Ich bitte Euch um Verzeihung, Herr Croftangry,« sagte mein alter Freund sich plötzlich erinnernd, »ja, ja, ich war sehr grob, ich hatte aber vergessen, daß Ihr selbst bei so eitlem Treiben betheiligt seid.«
»Ich glaube,« erwiderte ich, »daß Ihr Eurerseits zu beschäftigt seid, um meine arme Chronik Euch anzusehen.«
»Nein,« sagte mein Freund, »so schlecht bin ich nicht, ich habe sie Seite für Seite und allmälig gelesen, wann ich einen Augenblick Zeit übrig hatte, und ich glaube, daß ich sehr bald damit fertig sein werde.«
»Und was denkt Ihr davon, guter Freund?« fiel ich fragend ein.
»Ich denke davon, Herr Croftangry,« sagte er, »daß Ihr Euch dabei ziemlich gut durchgeholfen habt. Ich habe zwei oder drei Dinge notirt, die vielleicht Druckfehler, wie ich vermuthe, sind; sonst läßt sich vielleicht noch anführen, daß Ihr nicht so vollkommen die Regeln der Grammatik beachtet, als deren strenge Einhaltung zu wünschen ist.«
Ich sah mir die Noten meines Freundes an, die auch wirklich mir bewiesen, daß ich in einer oder zwei stark auffallenden Stellen solche Verstöße gegen die Grammatik nicht corrigirt hatte.
»Wohlan, ich gestehe meinen Fehler; lassen wir jedoch diese zufälligen Verstöße bei Seite und sagt mir, wie Euch der Stoff und die Schreibart meines Werkes gefällt.«
»Nun!« sagte mein Freund, nachdem er mit ernsterem und wichtigerem Bedenken, als mir gefiel, eine Pause gemacht hatte, »gegen die Schreibart ist nicht viel zu sagen, der Styl ist rein und verständlich, Herr Croftangry, sehr verständlich, und das halte ich für das erste Erforderniß von Allem, was man verstehen soll. Allerdings finden sich hie und da einige Ausschweifungen der Phantasie und Einfälle, die ich mit Schwierigkeit verstand; zuletzt aber bin ich dennoch zu dem Sinn gelangt. Es gibt Leute, die den Kleppern gleichen; ihr Urtheil kann nicht schnell gehen, aber sie gehen sicher.«
»Dieser Euer Ausspruch, mein Freund, ist ziemlich klar; wie gefiel Euch aber der Sinn, als Ihr zu ihm gelangtet? oder glich er einigen Kleppern, die man nur mit großer Schwierigkeit fangen kann, und die alsdann eingefangen sich als solcher Mühe nicht werth erweisen.«
»Ich bin weit davon entfernt, das zu sagen, theurer Herr, in Betracht, daß dieses geradezu unartig sein würde; da Ihr mich aber um meine Meinung fragt, so wünsche ich, Ihr hättet an einen Stoff gedacht, der mehr dem bürgerlichen Leben angehört als alle Eure blutige Arbeit mit Erschießen und Erdolchen und sogar mit Hängen. Man hat mir gesagt, daß die Deutschen zuerst ein Verfahren in Mode brachten, nach welchem sie ihre Helden aus der Liste hingerichteter Verbrecher herausgreifen; jetzt aber sind wir wahrlich auf dem besten Wege, es ihnen zuvor zu thun. Der erste, wie ich aus glaubwürdiger Quelle erfuhr, war ein Herr Schüler, wie man ihn nennt; ein schülerhaftes Stück hat er geschrieben von Räubern und Dieben.«
»Schiller,« sagte ich, »mein theurer Herr; Ihr werdet Schiller meinen.«
»Schiller oder wie Ihr wollt,« erwiderte Herr Fairscribe; »ich fand das Buch an einem Ort, wo ich wünschte, daß ich ein besseres gefunden hätte, d. h. in Cate's Arbeitskörbchen. Ich nahm es in die Hand und begann wie ein alter Narr zu lesen; in dieser Hinsicht kann ich Euch aber versichern, daß Ihr Schiller übertroffen habt, Herr Croftangry.«
»Es wäre mir lieb, mein theurer Herr, wenn Ihr wirklich der Meinung wäret, ich habe mich jenem bewunderungswürdigen Schriftsteller genähert; sogar Eure freundschaftliche Parteilichkeit sollte Euch nicht bewegen, mir zu sagen, daß ich ihn übertroffen habe.«
»Ich sage jedoch, daß Ihr ihn übertroffen habt, Herr Croftangry, und zwar in einem höchst wesentlichen Umstand. Ein Unterhaltungsbuch muß sicherlich solcher Art sein, daß man es nach Belieben in die Hand nehmen und weglegen kann; auch kann ich mit Recht sagen, daß ich niemals mich im Geringsten zu bedenken brauchte, Eure Erzählungen bei etwaigen Geschäften bei Seite zu legen. Allein wahrhaftig, dieser Schiller läßt Euch nicht so leicht fahren. Ich vergaß eine Verabredung in Bezug auf besondere Geschäfte, und kam absichtlich einer anderen nicht nach, damit ich zu Hause bleiben und sein verdammtes Buch durchlesen könne, welches dennoch nur von zwei Brüdern, den größten Schurken, handelte, von denen ich jemals gehört habe. Der eine ist nahe daran, seinen eigenen Vater zu ermorden, und der andere, was Ihr noch für sonderbarer halten werdet, hat es sich in den Kopf gesetzt, seine eigene Frau lüderlich zu machen.«
»Ich erkenne somit, Herr Fairscribe, daß Ihr keinen Geschmack für das Romantische im wirklichen Leben besitzt, und kein Vergnügen an der Betrachtung jener aufregenden Antriebe findet, welche Menschen von feurigen Leidenschaften zu großen Tugenden und großen Verbrechen hindrängen.«
»Nun, was das betrifft, so bin ich dessen nicht so sicher. Aber um den Stoff zu verbessern,« fuhr der Kritiker fort, »habt Ihr Hochländer in jede Geschichte eingeführt, als wolltet Ihr velis et remis in die alten Tage des Jakobitismus wieder zurücksegeln. Ich muß offen mit Euch reden, Herr Croftangry. Ich kann nicht sagen, welche Neuerungen in Kirche und Staat möglicherweise jetzt vorgeschlagen werden, allein unsere Väter waren Freunde von Neuerungen in beiden, wie dieselben bei der glorreichen Revolution gesetzlich begründet wurden, und sie konnten die bunten hochländischen Mäntel ebensowenig als das weiße Chorhemd leiden. Ich wünsche bei Gott, daß dies ganze hochländische Fieber der protestantischen Thronfolge und der calvinistischen Kirche von Schottland keinen Schaden bringe.«
»Beide sind zu fest in den Seelen der Unterthanen begründet,« sagte ich, »um durch alte Erinnerungen leiden zu können; auf letztere blicken wir zurück, wie auf die Porträts unserer Ahnen, ohne dabei an die Fehden zu denken, welche die Originale, so lange sie noch lebten, leidenschaftlich mit einander führten. Ich werde mich jedoch glücklich schätzen, wenn ich auf einen Stoff gerathen kann, welcher die Stelle der Hochlande ersetzen wird. Ich dachte gerade, das Thema sei jetzt etwas erschöpft, und Eure Erfahrung könne vielleicht mir ein anderes angeben.«
»Ha, ha, ha, meine Erfahrung!« unterbrach mich Herr Fairscribe mit einem höhnischen Lachen; »Ihr könntet ebensowohl die Erfahrung meines Sohnes James in Anspruch nehmen, wenn Ihr gerade einen Fall über Mühlzwang wissen wolltet. Nein, nein, mein guter Freund, ich habe mein ganzes Leben lang von der Jurisprudenz gelebt, und mich um nichts Anderes bekümmert; wenn Ihr die Antriebe aufsucht, wodurch Soldaten desertiren und ihre Sergeanten und Corporäle erschießen, oder wodurch hochländische Viehhändler englische Viehmäster erstechen, um sich als Männer feuriger Leidenschaft zu zeigen, so müßt Ihr nicht zu einem Manne wie ich kommen; ich könnte Euch vielleicht einige Kniffe meines Gewerbes und eine oder zwei sonderbare Geschichten von Landgütern berichten, die verloren und wieder gewonnen wurden; um Euch aber die Wahrheit zu sagen, so glaube ich, Ihr könnt mit Eurer Muse der Dichtung, wie Ihr sie nennt, ebenso verfahren, wie mancher ehrliche Mann mit seinen Söhnen von Fleisch und Blut.«
»Und was ist das, mein theurer Herr?«
»Schickt sie nach Indien, sicherlich, das ist der wahre Platz für einen Schotten, um dort zu gedeihen; wenn Ihr nur Eure Geschichte 50 Jahre zurückführt, woran Euch ja nichts verhindert, so findet Ihr dort ebensoviel Todtschießen und Erstechen, als jemals in den wilden Hochlanden vorkam; wenn Ihr Schelme braucht, welche bei Euch so sehr in Mode sind, so habt Ihr ja jene tapfere Kaste von Abenteurern, die ihr Gewissen beim Cap der guten Hoffnung, als sie nach Indien reisten, ablegten, und dasselbe bei ihrer Rückkehr nach England sich wieder zu holen vergaßen. Was ferner große Thaten betrifft, so habt Ihr ja in der alten Geschichte Indiens, bevor Europäer dort zahlreich waren, die wunderbarsten Thaten, welche mit so möglichst geringen Mitteln ausgeführt wurden, als sie jemals die Weltgeschichte darbieten kann.«
Ich fing Feuer bei den Ideen, welche seine Rede erregte. »Ich weiß es,« sagte ich, »denn ich erinnere mich in der hinreißenden Erzählung von Orme an das Interesse, welches sich wegen der geringen Zahl der kämpfenden Engländer mit seinem Berichte verbindet. Jeder Offizier eines Regimentes wird namentlich bekannt, sogar die Unteroffiziere und Soldaten erlangen für ihre einzelnen Personen einen Antheil des Interesses; sie zeichnen sich unter den Eingebornen wie die Spanier unter den Mexikanern aus. Was sage ich? Sie sind wie Homers Halbgötter unter den kämpfenden Sterblichen. Männer wie Clive und Caillaud übten wie Jupiter selbst Einfluß auf die großen Ereignisse. Die ihnen untergeordneten Offiziere sind wie Mars und Neptun; die Sergeanten und Corporäle können sehr wohl als Halbgötter gelten. Alsdann die verschiedenen religiösen Gebräuche des Volkes von Hindostan – der geduldige Hindu, der kriegerische Raschpute, der stolze Muhamedaner, der wilde und rachsüchtige Malaye – ruhmwürdige, unbegrenzte Gegenstände! Der einzige Einwurf besteht nur darin, daß ich niemals dort war, und von allen den Völkern nichts weiß.«
»Unsinn, mein guter Freund; Ihr werdet uns darüber um so deutlicher sagen, daß Ihr von Allem, was Ihr erzählt, nichts wißt; kommt, wir wollen die Flasche austrinken, und wenn Catie (ihre Schwestern gehen in die Kirche) uns Thee eingeschenkt hat, so wird sie Euch den Umriß der Geschichte der armen Menie Gray erzählen, deren Bild Ihr in dem Damenzimmer sehen werdet; sie war eine entfernte Verwandte meines Vaters, welcher jedoch einen hübschen Antheil an der Erbschaft der Cousine Menie empfing. Gegenwärtig ist Niemand mehr am Leben, welcher durch die Geschichte verletzt werden könnte, obgleich man es für das Zweckmäßigste hielt, dieselbe zu ihrer Zeit zu unterdrücken; sogar das Geflüster darüber veranlaßte meine arme Cousine, in großer Zurückgezogenheit zu leben. Ich erinnere mich ihrer noch sehr genau von meiner Kindheit her. Es lag eine große Sanftmuth, aber auch etwas Langweiliges in ihrem Wesen.«
Als wir das Damengemach betraten, wies mein Freund auf ein Gemälde, welches ich schon früher bemerkt hatte, ohne daß es jedoch mehr als einen vorübergehenden Blick auf sich zog; jetzt betrachtete ich dasselbe mit mehr Aufmerksamkeit. Es war eines jener Portraits aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, in welchem die Künstler die Steifheit des Reifrockes und des Brokates dadurch zu überwinden suchten, daß sie die Figur mit einer Phantasie-Draperie umhüllten, deren Falten wie ein Mantel oder ein Schlafrock nachlässig geworfen waren, wobei jedoch das Corsett beibehalten wurde, und den Busen in einer Weise zeigte, welche erwies, daß die Mütter wie ihre Töchter diese Kleidungsart so vortheilhaft für ihre Reize zu benutzen verstanden, als es die Natur jener Moden nur immer erlaubte. Diesem fügte der wohlbekannte Styl jener Zeit, sowie das Antlitz und die Gestalt der dargestellten Person beim ersten Anblick wenig Veranlassung zur Erregung von Theilnahme hinzu. Es war das Bild eines hübschen Weibes von ungefähr 30 Jahren; das Haar war einfach um den Kopf gewunden, die Gesichtsbildung regelmäßig und die Gesichtsfarbe schön. Als ich aber genauer hinblickte, besonders nachdem mir ein Wink gegeben war, das Original sei die Heldin einer Erzählung gewesen, konnte ich im Ausdruck einen sanften Trübsinn entdecken, welcher erlittene Qualen und Unrecht mit jener Ergebung auszusprechen schien, womit die Frauen die Beleidigungen und die Undankbarkeit derjenigen erdulden können und bisweilen erdulden, denen sie ihre Liebe geschenkt haben.
»Ja, sie war eine ausgezeichnete und mißhandelte Dame,« sagte Herr Fairscribe, als er, wie ich, den Blick auf das Bild heftete – »sie hinterließ unserer Familie nicht weniger als 5000 Pfd., und sie besaß, wie ich glaube, bei ihrem Tode die vierfache Summe; dieselbe ward aber unter ihre nächsten Verwandten vertheilt, wie es auch gerecht war.«
»Allein ihre Geschichte, Herr Fairscribe,« sagte ich, – »nach ihrem Blick zu urtheilen, muß dieselbe viel Trauriges darbieten.«
»Das dürft Ihr sagen, Herr Croftangry, viel Trauriges, und noch dazu Außerordentliches – aber,« fügte er hinzu, indem er eilig eine ihm dargebotene Tasse Thee verschlang, »ich muß an mein Geschäft, wir dürfen nicht den ganzen Morgen beim Kolbenspiele zubringen, und den ganzen Nachmittag Geschichten erzählen. Catie kennt alle Einzelnheiten von den Abenteuern unserer Cousine Menie so gut als ich; hat sie Euch dieselben mitgetheilt, so stehe ich zu Euren Diensten, um mich genauer auf die Data und die einzelnen Ereignisse einzulassen.«
Somit blieb ich denn, ein munterer alter Junggeselle, um eine Liebesgeschichte von meiner jungen Freundin Fairscribe zu vernehmen – einer so hübschen, wohlerzogenen und ungezierten jungen Dame, als jemals eine auf den neuen Spaziergängen von Prince'sstreet oder Heriot-Row einher wandelte, wenn sie nicht von einem Schwarme Anbeter umringt ist, wobei sie sich nach meiner Meinung weniger zu ihrem Vortheile zeigt. Eine so entschiedene Junggesellenschaft, wie die meinige, hat in solchem Tête à Tête ihre Vorrechte, vorausgesetzt, ihr seid vollkommen guter Laune und aufmerksam, oder könnt wenigstens für den Augenblick dieß zu sein scheinen, und ihr wollt nicht die Manieren eurer jüngeren Jahre nachäffen, bei welchem Versuche ihr ohnedem euch nur lächerlich machen würdet. Ich erhebe keinen solchen Anspruch auf Gleichgültigkeit in Gesellschaft einer hübschen jungen Dame, wie jener Dichter ersehnte, welcher neben seiner Geliebten zu sitzen wünschte:
… so ruhig, sonder Pein,
Als könn' ihr kindlich holder Reiz
Nicht Glück und Schmerz verleihn.
Im Gegentheil, ich kann auf Schönheit und Unschuld wie auf Etwas blicken, dessen Werth ich kenne und achte, ohne den Wunsch oder die Hoffnung, sie mir anzueignen, zu nähren. Eine junge Dame kann mit einem alten Junggesellen wie ich ohne Künstelei und Geziertheit reden; wir können vielleicht eine Art Freundschaft gegen einander zeigen, die um so zärtlicher ist, als wir verschiedenen Geschlechtes sind, obwohl dieser Unterschied sehr wenig damit zu schaffen hat.
Nun höre ich, wie meine höchst weise und kritische Nachbarin im Stillen die Bemerkung macht: »Herr Croftangry befindet sich auf dem Wege eine Thorheit zu begehen. Er lebt in behaglichen Umständen – der alte Fairscribe weiß bis auf einen Pfennig, was er besitzt; Miß Catie mit allem ihrem Hochmuth liebt vielleicht das alte Messing, womit man die neue Pfanne kauft. Ich glaubte schon, Herr Croftangry sah sehr lebhaft aus, als er gestern Abend mit uns Whist spielte. Der arme Herr, es müßte mir sicherlich leid thun, wenn er sich zum Narren machte.«
Spart Euer Mitleid, theures Fräulein, nicht die geringste Gefahr ist vorhanden. Les beaux yeux de ma casette sind nicht glänzend genug, um die Brille auszugleichen, welche meinem schwachen Gesicht zu Hülfe kommen muß. Dazu bin ich noch etwas taub, wie Ihr zu Eurem Leidwesen erfahren haben müßt, als wir zusammen spielten; und fände ich nun auch eine Nymphe, welche mich bei allen diesen Unvollkommenheiten heirathen würde, wer zum Teufel würde alsdann Janet Mac Evoy heirathen? Von Janet Mac Evoy will sich aber Chrystal Croftangry nicht trennen.
Miß Catie Fairscribe erzählte mir die Schicksale von Menie Gray, wobei sie keinen Versuch machte, die Gefühle des Kummers und Unwillens zu unterdrücken, welche sich als gerecht und natürlich aus den Umständen der Geschichte ergaben. Ihr Vater bestätigte nachher die hauptsächlichsten Umrisse der Geschichte, und gab mir weiterhin noch einige andere Umstände an, die Miß Catie absichtlich ausgelassen oder vergessen hatte. Ich habe wirklich bei dieser Gelegenheit dasselbe erfahren, was der alte Buchhändler Lintot zu Pope sagte, er pflege die einflußreichen Kritiker, wenn er ein Werk unter der Presse habe, dadurch zu gewinnen, daß er sie bisweilen in einen Probebogen oder in einige Blätter des Originalmanuscriptes blicken lasse. Das Geheimniß unserer Schriftstellerei hat an sich etwas so Bezauberndes, daß wenn ihr irgend Jemanden in euer Vertrauen zulaßt, wie wenig derselbe auch zu solchen Studien geneigt sein mag, ihr stets bemerken werdet, wie ein solcher sich als interessirte Partei betrachtet, und beim Erfolge sich für berechtigt hält, einen nicht unbedeutenden Theil des Lobes für sich in Anspruch zu nehmen.
Der Leser hat gesehen, daß Niemand seinem Wesen nach ein geringeres Interesse an meinen mühsamen Arbeiten nehmen konnte, als mein Freund Fairscribe, da ich ihn zuerst über den Gegenstand um Rath fragte. Seitdem er aber einen Stoff zum Werke geliefert hat, ist er ein höchst eifriger Mitarbeiter geworden; zur Hälfte beschämt, wie ich glaube, aber auch zur Hälfte stolz auf die literarische Gesellschaft, woran er einen Antheil hat, begegnet er mir niemals, ohne mich am Ellbogen zu zupfen und mir einige geheimnißvolle Winke zu geben, z. B.: »Wann wollt Ihr uns noch mehr von der Geschichte mittheilen?« – oder – »das ist keine schlechte Erzählung, die gefällt mir.«
Ich bitte den Himmel, daß der Leser derselben Meinung sein möge.