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Viertes Kapitel.

Vergeblich blickten Elspats Augen auf den entfernten Pfad vom frühesten Lichte des Morgens bis zum spätesten Schimmer der Abenddämmerung. Kein sich erhebender Staub erweckte die Erwartung von nickenden Federn und schimmernden Waffen; der einsame Reisende zog unbekümmert in seinem braunen niederländischen Rock und dem schwarz- oder rothgefärbten Mantel vorüber – Letzteres dem Gesetz gemäß, welches die bunten Farben der gewürfelten Kleidung untersagte. Der gesunkene Muth des Galen, welcher durch die strengen, obgleich vielleicht nothwendigen Gesetze gebrochen war, die ihm das Tragen seiner Kleidung und seiner Waffen untersagten, und ihm nach seiner Meinung ein Geburtsrecht nahmen – dieser gebrochene Muth zeigte sich in dem gesenkten Haupte und dem Ausdruck der Niedergeschlagenheit bei dem Vorüberziehenden. Bei solchen Wanderern mit gedrückter Stimmung erkannte Elspat nicht den leichten und freien Schritt ihres Sohnes, der nach ihrer Voraussetzung gleichsam wie neugeboren ein jedes Zeichen sächsischer Sklaverei abgeworfen haben würde. Jede Nacht warf sie sich, wenn die Dunkelheit kam, auf ihr ruheloses Strohlager, nicht um zu schlafen, sondern um zu wachen. Die Tapfern und Furchtbaren, dachte sie, gehen bei Nacht umher – ihre Schritte werden im Dunkeln vernommen, wenn Alles schweigt, mit Ausnahme des Wirbelwindes und Wasserfalles – das furchtsame Reh kömmt hervor, wenn der Sonnenschein auf den Gipfel des Berges fällt, allein der kühne Wolf wandelt im röthlichen Lichte des herbstlichen Mondes. Sie machte sich vergeblich solche Gedanken; ihres Sohnes erwarteter Ruf trieb sie nicht von ihrem harten Lager, wo sie von seiner Ankunft träumte. Hamish kam nicht.

»Unerfüllte Hoffnung,« sagt der königliche Weise, »macht das Herz krank.« So kräftig auch Elspat von Körper war, begann sie doch zu erfahren, daß derselbe den Mühen nicht gewachsen blieb, denen ihre besorgte und unmäßige Liebe ihn unterwarf. Eines Morgens aber belebte die Erscheinung eines Reisenden auf der einsamen Bergstraße die Hoffnungen, welche schon der sorglosen Verzweiflung zu weichen begannen; der Fremde hatte kein Zeichen sächsischer Unterwerfung an sich; in einiger Entfernung konnte sie sehen, wie der von einem Gürtel gehaltene Mantel in anmuthigen Falten über seinen Rücken fiel, und wie die Feder, welche Rang und edle Geburt bezeugte, auf seiner Mütze wehte. Er trug eine Flinte auf der Schulter, der Degen schwebte an seiner Seite und hatte die gewöhnlichen Zugaben von Dolch, Pistole und Tasche aus Ziegenfell. Ehe noch ihre Augen alle diese Einzelnheiten erkannt hatte, beschleunigte der Reisende seinen leichten Schritt, erhob den Arm als Zeichen der Wiedererkennung, und Elspat hielt einen Augenblick später in ihren Armen ihren geliebten Sohn, der, mit dem Kleide seiner Ahnen angethan, ihren mütterlichen Blicken als der Schönste unter Zehntausend erschien.

Der erste Ausbruch der Liebe ist unmöglich zu beschreiben, Segnungen mischten sich mit den Beiworten höchster Liebe, welche ihre kräftige Sprache gewährt, um das wilde Entzücken der Elspat auszudrücken. Ihr Tisch wurde hastig mit Allem, was sie darbieten konnte, beladen; die Mutter überwachte den jungen Soldaten, als er die Erfrischungen einnahm, mit ähnlichen, wenn auch sonst verschiedenen Gefühlen, wie denjenigen, als sie ihm die erste Nahrung aus ihrer Brust zu trinken gab.

Als die heftige Freude vorüber war, wünschte Elspat die Abenteuer ihres Sohnes seit ihrer Trennung zu erfahren, und konnte nicht seine Keckheit genug tadeln, womit er bei hellem Tage die Hügel in der Hochlandskleidung durchzog, da doch die Strafe so schwer sei und so viele Rothröcke sich im Lande befänden.

»Hege deßhalb keine Besorgniß, Mutter,« sagte Hamish in einem Tone, welcher ihre Brust beschwichtigen sollte, allein dennoch von einiger Verlegenheit zeugte; »ich darf den hochländischen Mantel am Thor vom Fort Augustus tragen, wenn ich Lust dazu habe.«

»O, sei nicht so verwegen, mein theurer Hamish, obgleich der Fehler dem Sohne deines Vaters am meisten geziemt, sei nicht zu verwegen! Ach, man kämpft nicht mehr wie in früheren Tagen mit gleicher Wehr und gleichem Vortheile, sondern man verläßt sich nur auf die Uebermacht und auf die wirksameren Waffen, so daß der Schwache und der Starke durch den Schuß eines Knaben gleicherweise niedergeworfen werden kann. Haltet mich nicht für unwürdig, die Wittwe Eures Vaters und Eure Mutter zu heißen, weil ich so rede, denn Gott weiß es, daß ich Mann gegen Mann Euch den Besten in Breadalbane und noch dazu dem weiten Lorn entgegenstellen würde.«

»Ich versichere Euch, theuerste Mutter,« erwiderte Hamish, »daß ich mich in keiner Gefahr befinde! Habt Ihr aber Mac Phadraick gesehen, Mutter, und was hat er Euch hinsichtlich meiner gesagt?«

»Silber hat er mir genug hinterlassen, Hamish, allein der beste Trost, den er mir gab, war die Kunde, daß Ihr Euch wohl befindet und mich bald besuchen würdet. Hütet Euch aber vor Mac Phadraick, mein Sohn, denn als er sich den Freund Eures Vaters nannte, war es ihm mehr an dem elendesten Rinde in seiner Heerde wie an dem Lebensblut von Mac Tavish Mhor gelegen. Benütze deßhalb seine Dienste und bezahle ihn dafür, denn so muß man mit unwürdigen Leuten handeln, aber befolge meinen Rath und vertraue ihm nicht.«

Hamish konnte einen Seufzer nicht unterdrücken, welcher der Elspat anzudeuten schien, daß ihr Rath zur Vorsicht zu spät komme.

»Was habt Ihr mit ihm vorgehabt?« fuhr sie fort, heftig und erschreckt. »Ich habe Geld von ihm bekommen, und er gibt Nichts ohne Werth; er gehört nicht zu denen, welche Gerste für Streu austauschen; reuet Euch Euer Handel und könnt Ihr ihn abbrechen, ohne daß Eure Aufrichtigkeit oder Mannheit Schande erlange, so gebt ihm sein Silber zurück und trauet nicht seinen schönen Worten.«

»Das geht nicht, Mutter,« sagte Hamish, »auch bereue ich nicht dasjenige, wozu ich mich verpflichtet habe, wenn nicht allein deßhalb, daß es mich veranlaßt Euch bald zu verlassen.«

»Mich verlassen? Alberner Knabe, glaubt Ihr, daß ich nicht die Pflicht kenne, die dem Weibe oder der Mutter eines kühnen Mannes gebührt? Du bist jetzt noch ein Knabe, und als dein Vater vor zwanzig Jahren der Schrecken des Landes war, verachtete er nicht meine Gesellschaft und meinen Beistand, sondern sagte oft, meine Hülfe sei so viel werth als die zweier Diener.«

»So etwas habe ich nicht gemeint, Mutter, aber da ich das Land verlassen muß –«

»Das Land verlassen!« unterbrach ihn seine Mutter, »glaubt Ihr, daß ich einem Busche gleiche, der aus dem Boden wo er wächst mit der Wurzel herausgerissen ist und sterben muß, wenn man ihn wo anders hinträgt? Ich habe andere Winde als die von Ben Croachan geathmet, ich bin Eurem Vater in die Wildnisse von Roß, in die undurchdringlichen Wüsten von Y-Mac Y-Mhor gefolgt. Halt ein, Mann, meine Glieder, so alt sie sind, werden mich so weit tragen, wie Eure jungen Füße den Weg voranzugehen vermögen.«

»Ach Mutter,« sagte der junge Mann mit stockender Stimme, »ich muß über das Meer fahren.«

»Was, über das Meer! Wer bin ich, daß ich das Meer fürchten sollte? Bin ich niemals auf einem Schiff gewesen? Kenne ich nicht den Sund von Mull, die Inseln von Treshornish und die rauhen Klippen von Harris?«

»Ach Mutter, ich fahre weit weg, fern von allen jenen Orten; ich habe mich in einem der neugebildeten Regimenter anwerben lassen, und wir werden gegen die Franzosen nach Amerika ziehen.«

»Angeworben!« rief die erstaunte Mutter, »gegen meinen Willen, ohne meine Einwilligung – das konntest du nicht, das hast du nicht gethan –« dann stand sie auf, nahm beinahe eine Stellung unumschränkten Befehles an und fügte hinzu: »Hamish, das hast du nicht gewagt?«

»Verzweiflung, Mutter, wagt Alles,« erwiderte Hamish in einem Tone betrübter Entschlossenheit, »was sollte ich hier thun, wo ich kaum Brod für mich und Euch erwerben konnte, während die Zeiten immer schlimmer werden? Setzt Euch doch nur hin, und hört mir zu, dann werde ich Euch überzeugen können, daß ich zu Eurem Besten handelte.«

Elspat setzte sich mit bitterem Lächeln, und derselbe strenge und höhnische Ausdruck lag in ihren Zügen, als sie mit festgeschlossenen Lippen seiner Rechtfertigung zuhörte.

Hamish fuhr fort, ohne sich durch ihren erwarteten Zorn außer Fassung bringen zu lassen. »Als ich Euch, theuerste Mutter, verließ, begab ich mich zum Hause von Mac Phadraick, denn ob ich gleichwohl weiß, daß er nach Art der Sachsen schlau und weltlich gesinnt ist, so ist er doch ein kluger Mann, und ich dachte, er werde mir, da es ja ihn nichts koste, den Weg angeben, worin ich unsere Lage verbessern könne.«

»Unsere Lage?« sagte Elspat, indem sie die Geduld bei diesen Worten verlor; »Ihr gingt also zu dem niedrigen Kerl mit nicht besserer Seele wie ein Kuhhirt, um ihn um Rath für Euer Verfahren zu fragen? Euer Vater fragte Niemand um Rath als seinen Muth und seinen Degen.«

»Theuerste Mutter,« erwiderte Hamish, »wie werde ich Euch überzeugen, daß Ihr in diesem Lande unserer Väter lebt, als wären unsere Väter noch am Leben? Ihr geht wie in einem Traume umher, von den Gespenstern derer umringt, welche längst im Grabe liegen. Als mein Vater noch lebte und focht, achteten die Mächtigen den Mann mit der starken rechten Hand, und es fürchteten ihn die Reichen. Er genoß den Schutz von Mac Allan Mhor und von Caberfae und erhielt Tribut von niedrigeren Leuten. Dieß ist vorbei und sein Sohn würde allein einen schimpflichen Tod erleiden, wenn er dasselbe Verfahren einschlüge, wodurch sein Vater Ansehen und Macht unter Allen erlangte, welche den bunten Mantel tragen. Das Land ist erobert – seine Lichter sind ausgelöscht – Glengary, Lochiel, Perth, Lord Lewis, alle hohen Häuptlinge sind todt oder in Verbannung – wir können dieß beklagen aber nicht ändern, Mütze, Degen und Beutel – Macht, Kraft und Reichthum wurden alle verloren auf dem Schlachtfelde von Culloden.«

»Das ist falsch,« erwiderte Espat mit Trotz; »Ihr und Euresgleichen mit feigem Muth, werdet durch Eure feigen Herzen und nicht durch die Kraft des Feindes erdrückt; Ihr seid wie das furchtsame Wasserhuhn, welchem die geringste Wolke am Himmel der Schatten eines Adlers zu sein scheint.«

»Mutter,« sagte Hamish mit Stolz, »macht mir keinen schwachen Muth zum Vorwurf, ich gehe dorthin, wo man Männer braucht mit starken Armen und kühnen Herzen. Ich verlasse eine Wüste für ein Land, wo ich Ruhm erwerben kann.«

»Und Ihr verlaßt Eure Mutter, damit sie in Mangel, Alter und Einsamkeit umkomme?« sagte Elspat, indem sie jedes Mittel versuchte, um seinen Entschluß zu erschüttern, hinsichtlich dessen sie jetzt einzusehen begann, daß er tiefer gewurzelt sei, als sie zuerst geglaubt hatte.

»Das thue ich nicht,« erwiderte er, »ich hinterlasse Euch in Behaglichkeit und sicherem Einkommen, das Ihr noch niemals gekannt habt. Barcaldine's Sohn ist zu einem Anführer ernannt und ich habe mich unter ihm anwerben lassen; Mac Phadraick handelt in seinem Auftrage und wirbt Leute an, und findet dabei seinen eigenen Vortheil.«

»Das ist das wahrste Wort der ganzen Geschichte, wäre alles Andere sonst so falsch wie die Hölle,« sagte die alte Frau mit bitterem Ausdruck.

»Wir aber finden auch unsern Vortheil dabei,« fuhr Hamish fort, »denn Barcaldine gibt Euch eine Hütte in seinem Wald Letter-findreight mit Gras für Eure Ziegen und einer Kuh, wenn Ihr eine haben wollt auf der Gemeindewaide, und mein eigener Sold, theuerste Mutter, wird Euch, obgleich ich entfernt bin, mit mehr als mit Mehl und mit Allem was Ihr sonst brauchen könnt, versorgen. Hegt um meinethalben keine Furcht, ich trete als gemeiner Soldat ein, aber ich will, wenn Tapferkeit und Regelmäßigkeit im Dienste mir es erwerben kann, als Offizier und mit einem halben Thaler täglich heimkehren.«

»Armes Kind,« erwiderte Elspat, indem der Ton des Mitleids sich mit dem Ausdruck der Verachtung mischte, »du traust dem Mac Phadraick?«

»Ich kann das, Mutter,« sagte Hamish, indem die dunkelrothe Farbe seines Stammes ihm über Stirn und Wange flog. »Mac Phadraick kennt das Blut, das in meinen Adern fließt, und weiß, daß er, im Fall er Euch sein Wort bricht, die Tage zählen kann, welche Hamish nach Breadalbane zurückführen werden, und daß er dann sein Leben lang nur drei Mal die Sonne erblicken wird. Ich würde ihn am eigenen Heerde tödten, bräche er mir sein Wort – ich würde das, bei dem Wesen, das uns beide erschuf.«

Der Blick und die Stellung des jungen Soldaten erfüllte Elspat auf einen Augenblick mit Ehrfurcht; sie war nicht gewohnt, eine so finstere und bittere Ausdrucksweise an ihm zu bemerken, die sie an seinen Vater stark erinnerte; sie begann jedoch wieder ihre Vorstellungen in derselben schmähenden Weise, womit sie dieselben begonnen hatte.

»Armer Knabe,« sagte sie, »Ihr glaubt also, daß Eure Drohungen in der Entfernung der halben Welt vernommen oder beobachtet werden! Aber geht, beugt den Nacken unter Hannovers Joch, gegen welches jeder wackere Gale bis zum Tode kämpft. Geht, verläugnet den königlichen Stewart, für welchen Euer Vater und seine Väter, und Eurer Mutter Väter so manches Schlachtfeld mit ihrem Blut gefärbt haben. – Geht, beugt Euer Haupt unter den Degengurt eines vom Geschlechte der Dermid, dessen Kinder,« fügte sie mit wildem Geschrei hinzu, »die Väter Eurer Mutter in ihren friedlichen Wohnungen in Glencoe ermordet haben! Ja,« rief sie wieder mit einem wilderen und gelleren Gekreisch, »ich war damals noch nicht geboren, aber meine Mutter hat es mir erzählt, und ich horchte auf die Stimme meiner Mutter – ja, ich erinnere mich ihrer Worte! Sie kamen im Frieden und wurden empfangen in Freundschaft, und Blut und Feuer entstand, und Todesgeschrei und Mord!«

»Mutter,« erwiederte Hamish in betrübtem aber entschiedenem Tone, »ich habe das Alles bedacht, kein Tropfen des Blutes von Glencoe klebt an der edlen Hand von Barcaldine – der Fluch ruht auf dem unglücklichen Hause von Glenlyon, und Gott hat das Unrecht an ihm gerächt.«

»Ihr sprecht wie der sächsische Priester,« erwiederte seine Mutter »wollt Ihr nicht lieber bleiben und um eine Pfarrerstelle bei Mac Allan Mhor anhalten, damit Ihr Vergebung dem Geschlechte der Dermid predigen könnt?«

»Gestern war gestern,« erwiederte Hamish, »und heute ist heute. Da die Clans niedergeworfen und unter einander gemischt wurden, so ist es wohl gethan und weise, daß ihr Haß und ihre Fehden ihre Unabhängigkeit und Macht nicht überleben. Wer nicht Rache nehmen kann wie ein Mann, darf nicht wie ein Feiger nutzlose Feindschaft hegen. Mutter, der junge Barcaldine ist seinen Worten treu und tapfer; ich weiß, daß Mac Phadraick ihm rieth, er solle mir nicht erlauben, Abschied von Euch zu nehmen, allein er sagte, Hamish Mac Tavish ist der Sohn eines tapferen Mannes; er wird sein Wort nicht brechen. Mutter, Barcaldine führt hundert der tapfersten Söhne der Galen in ihren vaterländischen Kleidern und mit den Waffen ihrer Väter, Herz an Herz, und Schulter an Schulter, ich habe geschworen ihn zu begleiten; er vertraute mir und ich vertraue ihm.«

Bei dieser so fest und entschlossenen Antwort war Espat wie vom Donner gerührt, und versank in Verzweiflung. Die Gründe, welche sie für unwiderstehlich entscheidend hielt, waren wie die Wogen vom Felsen zurückgeprallt. Nach langer Pause füllte sie ihrem Sohne einen Becher und reichte ihm denselben mit dem Ausdruck achtungsvoller Niedergeschlagenheit und Unterwerfung.

»Trink,« sagte sie, »auf das Gedeihen des Baumes an deinem väterlichen Hause, bevor du denselben auf immer verlassen wirst, und sage mir, da die Ketten eines neuen Königs und eines neuen Häuptlings, die deine Väter nur als tödtliche Feinde kannten, an den Gliedern des Sohnes deines Vaters befestigt sind, – sage mir, wie viele Glieder du in dieser Kette zählst?«

Hamish nahm den Becher und blickte sie an, als könne er was sie sagen wolle, nicht recht verstehen. Sie fuhr fort mit erhobener Stimme: »Sagt mir, denn ich besitze ein Recht es zu wissen, wie viel Tage erlaubt der Wille derer, die Ihr zu Euren Herrn gemacht habt, mich anzublicken? mit andern Worten, wie viele Tage sind die meines Lebens? denn wenn Ihr mich verlaßt, so hat die Erde für mich nichts weiter, das so viel werth wäre, deßhalb zu leben!«

»Mutter,« erwiederte Hamish Mac Tavish, »sechs Tage darf ich bei Euch bleiben, und wenn Ihr mit mir am fünften aufbrechen wollt, so werde ich Euch in Sicherheit nach Eurer neuen Wohnung bringen. Bleibt Ihr aber hier, so werde ich am siebenten bei Tagesanbruch von Euch scheiden, denn das ist für mich der letzte Augenblick, um mich nach Dunbarton zu begeben; wenn ich dort am achten Tage nicht erscheine, so bin ich der Strafe als Deserteur ausgesetzt, und als Soldat sowie als Mann entehrt.«

»Eures Vaters Fuß,« erwiederte sie, »war frei wie der Wind auf der Haide – es war eben so vergeblich ihm zu sagen, wohin gehst du, als den unsichtbaren Verscheucher der Wolken zu fragen, weßhalb blasest du. Sage mir, bei welcher Strafe du zu deiner Sklaverei zurückkehren mußt, denn du willst und du mußt gehen.«

»Nenne dies nicht Sklaverei, Mutter, es ist der Dienst eines ehrenwerthen Soldaten, der einzige Dienst, welcher jetzt dem Sohne von Mac Tavish Mhor eröffnet ist.«

»Sage mir aber, was ist deine Strafe, wenn du nicht zurückkehren wirst?« fragte Elspat auf's Neue.

»Die militärische Strafe eines Deserteurs,« erwiderte Hamish, wobei er jedoch, wie seine Mutter sehr wohl bemerkte, unter der Qual eines inneren Gefühles litt, welche sie bis zum Aeußersten anzuregen beschloß.

»Und die,« sagte sie mit angenommener Ruhe, welche ihr strahlender Blick verleugnete, »ist die Strafe eines ungehorsamen Hundes, nicht wahr?«

»Fragt mich nicht mehr,« sagte Hamish, »die Strafe ist für denjenigen nicht vorhanden, welcher sie nicht verdienen will.«

»Für mich aber ist dieß von Bedeutung,« erwiderte Elspat, »denn ich weiß besser als du, daß wo Macht vorhanden ist eine Strafe zu ertheilen, auch der Wille nicht ausbleibt, dieselbe ohne Grund zu verhängen. Ich möchte für dich beten, Hamish, und ich muß deßhalb wissen, gegen welche Uebel ich Ihn, der Niemanden unbeschützt läßt, anflehen muß, deine Jugend und Einfalt zu bewahren.«

»Mutter,« sagte Hamish, »es ist wenig daran gelegen, welchen Strafen ein Verbrecher ausgesetzt werden kann, wenn man entschlossen ist, Verbrechen zu vermeiden; unsere hochländischen Häuptlinge pflegten auch ihre Vasallen zu bestrafen und, wie mir gesagt wurde, mit großer Strenge. War es nicht Lachlan Mac Jan, dessen ich mich von Alters her erinnere, und welchem sein Häuptling den Kopf abschlagen ließ, weil er vor ihm auf einen Hirsch geschossen hatte?«

»Ja,« sagte Elspat, »und er verlor denselben mit vollem Recht, denn er entehrte den Vater des Volkes sogar im Angesichte des versammelten Clans. Allein die Häuptlinge waren edler in ihrem Zorn – sie straften mit der scharfen Klinge und nicht mit dem Stocke. Ihre Strafe ließ Blut vergießen, brachte aber keine Schande. Kannst du dasselbe von den Gesetzen sagen, unter deren Joch du deinen freigebornen Hals gebeugt hast?«

»Nein Mutter, das kann ich nicht,« sagte Hamish mit düsterem Ausdruck, »ich sah wie man einen Sachsen wegen Desertion seiner Fahne, wie man das nennt, bestrafte. Er wurde gegeißelt, ich gestehe es ein – gegeißelt wie ein Hund, der seinen herrischen Herrn beleidigt hat. Ich wurde empört bei dem Anblick, ich gestehe es, allein die Strafe der Hunde ist nur für Solche, welche schlimmer sind wie Hunde, die ihre Treue nicht bewahren.«

»Dieser Schande jedoch hast du dich ausgesetzt,« erwiderte Elspat, »wenn du einen Fehler begehen würdest, oder dein Offizier Anstoß an dir nehmen sollte. Ich spreche nicht mehr mit dir über deine Absicht. Wäre der sechste Tag von der heutigen Morgensonne mein Sterbetag, und du bliebest um mir die Augen zu schließen, so würdest du dich der Gefahr aussetzen, wie ein Hund an einen Pfosten gebunden und gepeitscht zu werden? Ja! wenn du nicht ein Tröpfchen Muth besäßest, mich allein und an meinem einsamen Herde sterben zu lassen, damit der letzte Funken von deines Vaters Feuer und dem verlassenen Herde deiner Mutter zugleich erlösche!«

Hamish durchschritt die Hütte mit ungeduldigem und zornigem Schritt. »Mutter,« sagte er zuletzt, »bekümmert Euch nicht um solche Dinge, ich kann solcher Schande nicht ausgesetzt werden, denn ich werde sie nie verdienen, und würde ich damit bedroht, so würde ich wissen, wie ich vor der Entehrung sterben müßte.«

»So sprach der Sohn des Gatten meiner Liebe,« erwiderte Elspat. Sie änderte den Stoff des Gespräches und schien mit düsterer Ergebung zuzuhören, als ihr Sohn sie an die Kürze der Zeit erinnerte, die sie miteinander zubringen durften; er bat, dieselbe möge ohne nutzlose unangenehme Erinnerungen hinsichtlich der Umstände verbracht werden, unter denen sie bald sich trennen müßten.

Elspat hatte sich jetzt überzeugt, daß ihr Sohn neben andern Eigenschaften seines Vaters auch den stolzen männlichen Geist besaß, der es unmöglich machte, ihn von einem mit Ueberlegung gefaßten Entschluß wieder abzubringen; sie zeigte deßhalb im Aeußern eine scheinbare Ergebung in ihre unvermeidliche Trennung, und wenn sie bisweilen in Klagen und Murren ausbrach, so geschah dieß nur, weil sie nicht gänzlich die natürliche Heftigkeit ihrer Gefühle unterdrücken konnte, oder weil sie bedenken mußte, daß eine vollkommene und unbedingte Ergebung ihrem Sohne erzwungen und verdächtig erscheinen könne, und ihn veranlassen würde, die Mittel, wodurch sie seine Abreise zu verhindern hoffte, zu überwachen und zu vereiteln. Ihre heftige, obgleich selbstsüchtige Liebe zu ihrem Sohne, welche keine Rücksicht auf das wahre Interesse des unglücklichen Gegenstandes ihrer Anhänglichkeit begreifen konnte, glich der instinktartigen Zärtlichkeit der Thiere für ihre Jungen; während sie in der Zukunft etwas weiter als Geschöpfe auf der niedern Stufe des Daseins blickte, empfand sie allein, daß Trennung von Hamish für sie dem Tode gleichkomme.

In dem kurzen ihnen gestatteten Zeitraum erschöpfte Elspat jede Kunst, welche die Liebe ihr eingeben konnte, um ihm den Aufenthalt, so lange derselbe ihm gestattet war, bei ihr angenehm zu machen. Ihr Gedächtniß führte sie in frühere Tage zurück, und ihr Vorrath von Sagen, welche zu allen Zeiten das hauptsächlichste Vergnügen des Hochländers in seinen ruhigen Stunden ausmachen, war durch eine sonst ungewöhnliche Bekanntschaft mit den Liedern der alten Barden und den Ueberlieferungen der berühmtesten Geschichtenerzähler vermehrt. Ihre emsige Sorgfalt auf die Behaglichkeit ihres Sohnes war so unaufhörlich, daß dieselbe ihm sogar lästig wurde; er bemühte sich, sie mit ruhigen Vorstellungen zurückzuhalten, daß sie zu viel persönliche Mühe sich gebe, um das blühende Haidekraut für sein Lager zu suchen, oder ein Mahl zu seiner Erfrischung zu bereiten. »Laßt mich allein, Hamish,« pflegte sie bei solchen Gelegenheiten zu erwidern, »Ihr folgt Eurem Willen, indem Ihr Euch von Eurer Mutter scheidet; laßt Eure Mutter dasjenige thun, was ihr Vergnügen gewährt, so lange Ihr bleibt.«

Sie schien mit den ihretwegen von ihm getroffenen Anordnungen soweit ausgesöhnt, daß sie ihn ruhig anhören konnte, wenn er davon sprach, sie nach dem Gute von Green Colin zu bringen, wie der Herr hieß, auf dessen Eigenthum er ihr ein Asyl verschafft hatte; in Wahrheit aber war sie weit davon entfernt, solche Gedanken zu hegen. Elspat hatte aus den Worten, die während des ersten heftigen Streites fielen, sich den Umstand gemerkt, daß Hamish sich körperlicher Züchtigung aussetze, wenn er sich nicht zu der im Urlaub bestimmten Zeit wieder einfinde. Sie erkannte sehr wohl, daß er sich niemals, im Fall er in die Gefahr solcher Entehrung gerathen sollte, einer solchen Schande durch eine Rückkehr zu dem Regimente aussetzen werde, wo dieselbe ihn treffen könnte. Man kann nicht wissen, ob sie die weiteren wahrscheinlichen Folgen ihres unheilvollen Planes bedachte; allein die Gemahlin von Mac Tavish Mhor war bei dessen Gefahren und Wanderungen mit hundert Beispielen von Widerstand und Flucht vertraut geworden, wodurch ein tapferer Mann in einem Lande voll Felsen, Landseen und Bergen, gefährlichen Pässen und dunklen Wäldern der Verfolgung von Hunderten trotzen konnte. Für die Zukunft war sie deßhalb ohne Furcht; ihr einziger, alle ihre Gedanken in Anspruch nehmender Plan ging nur auf die Anwendung von Mitteln, wodurch sich verhindern ließ, daß ihr Sohn seinem commandirenden Offiziere sein Versprechen halte.

Wegen dieses geheimen Planes wich sie dem von Hamish zu wiederholten Malen gemachten Vorschlage aus, daß sie Beide aufbrechen möchten, um von ihrer neuen Wohnung Besitz zu nehmen; sie widersetzte sich demselben mit Gründen, welche ihrem Charakter so natürlich waren, daß ihr Sohn weder Besorgnisse noch Aerger empfand. »Laßt mich nicht,« sagte sie, »in derselben kurzen Woche von meinem einzigen Sohne und von dem Thale Abschied nehmen, worin ich so lange gewohnt habe. Möge mein Auge, wenn es durch Weinen um dich verdunkelt ist, noch wenigstens einige Zeit den Loch Awe und Ben Cruachan erblicken.«

Hamish gab der Laune seiner Mutter in dieser Hinsicht um so bereitwilliger nach, als einige in einem benachbarten Thale wohnende Personen, welche ihre Söhne für die Aushebung Barcaldine's hergegeben hatten, auf dem Gute dieses Häuptlings versorgt werden sollten; Elspat ging scheinbar die Verabredung ein, daß sie mit diesen zusammen aufbrechen wollen, wenn dieselben nach ihrem neuen Wohnort umziehen würden. Hamish glaubte somit, er habe zugleich den Launen seiner Mutter nachgegeben, und ihre persönliche Lage sowie ihren Unterhalt gesichert. Sie aber hegte in ihrer Seele verschiedene Ansichten und Plane.

Die Zeit von Hamish's Urlaub verlief schnell, und mehr wie einmal machte er den Vorschlag, in solcher Zeit aufzubrechen, daß er leicht und früh Dunbarton erreichen konnte, wo das Hauptquartier seines Regimentes lag. Allein die Bitten seiner Mutter, seine natürliche Neigung, in einer Gegend zu verweilen, welche ihm so lange theuer gewesen war, und vor Allem sein festes Selbstvertrauen auf seine Geschwindigkeit und Körperkraft veranlaßten ihn, seine Abreise bis zum sechsten Tage, dem letzten, zu verzögern, den er bei seiner Mutter zubringen konnte, wenn er die Bedingungen seines Urlaubs erfüllen wollte.



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