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Drittes Kapitel.

Elspath Mac Tavish blickte noch lange auf das Geld, als hätte ihr das Gepräge eine Kunde ertheilen können, wie ihr Sohn dazu gekommen sei.

»Ich liebe diesen Mac Phadraick nicht,« sagte sie zu sich selbst; »von seinem Geschlechte sang der Barde: ›Fürchte sie nicht, wenn ihre Worte laut sind wie ein winterlicher Sturm, sondern fürchte sie, wenn sie wie der Schall eines Drosselgesangs ertönen.‹ Ich kann aber dies Räthsel nur in einer Weise lösen: mein Sohn hat zum Schwert gegriffen, um mit der Kraft eines Mannes dasjenige zu gewinnen, wovon ihn grobe Bauern mit Worten zurückhalten möchten, die allein die Kinder zu erschrecken vermögen.« Diese Vorstellung, als sie ihr einmal in den Sinn gekommen war, schien um so vernünftiger, da Mac Phadraick, wie sie wohl wußte, ein vorsichtiger Mann, in so weit das Treiben ihres Gemahls befördert hatte, daß er ihm gelegentlich Vieh abkaufte, obgleich er wohl wußte, auf welche Weise jener dazu gelangt war; dabei trug er jedoch Sorge, daß der Handel in einer Weise abgeschlossen wurde, wodurch er großen Nutzen bei unbedingter Sicherheit erlangte. Wer konnte so gut wie Mac Phadraick einem jungen Freibeuter das Thal zeigen, worin er sein gefährliches Gewerbe mit der meisten Aussicht auf Erfolg treiben könnte, und wer vermochte die Beute so leicht in Geld zu verwandeln? Die Gefühle, die bei Andern durch den Glauben aufgeregt würden, daß ein einziger Sohn dieselbe Bahn betreten habe, worauf sein Vater den Tod fand, waren den hochländischen Müttern jener Tage unbekannt. Sie dachte an den Tod von Mac Tavish Mhor als an den eines Helden, welcher in seiner eigenen Kriegführung gefallen war, und nicht ungerächt seinen Tod fand; sie fürchtete weniger den Tod ihres Sohnes, als dessen Unehre; sie fürchtete für ihn, daß er sich Fremden unterwerfe und in den Todesschlaf der Seele versinke, der durch eine Stellung hervorgerufen werden müßte, welche sie für Sklaverei hielt.

Der moralische Grundsatz, welcher so natürlich und gerecht der Seele dessen sich aufdringt, der unter der festen Regierung der Gesetze zum Schutze des Eigenthums der Schwachen gegen die Angriffe der Starken erzogen ist, war für die alte Elspat ein versiegeltes Buch und eine verschlossene Quelle. Sie hatte von Jugend an gelernt, die sogenannten Sachsen als einen Stamm zu betrachten, mit welchem die Galen einen fortwährenden Krieg führen; sie hielt somit jede Niederlassung derselben im Bereiche hochländischer Raubzüge als gerechten Gegenstand des Angriffs und der Plünderung. Ihre Gefühle hierüber waren nicht allein durch den Wunsch nach Rache wegen des Todes ihres Gemahles, sondern auch durch den allgemeinen Unwillen bestärkt und bekräftigt, welchen man in den Hochlanden nicht mit Unrecht über das barbarische und gewaltthätige Benehmen der Sieger nach der Schlacht von Culloden nährte. Andere hochländische Clans betrachteten sie ebenfalls als Gegenstände rechtmäßigen Raubes, im Fall derselbe möglich wäre, wegen alter Feindschaften und tödtlicher Fehde.

Die Klugheit, welche die damaligen geringen Mittel erwägt haben würde, um den Anstrengungen der zusammenwirkenden Kräfte einer Regierung Widerstand zu leisten – Mittel, welche bei der weniger festen und organisirten Gewalt die Verheerungen solcher gesetzlosen Freibeuter, wie Mac Tavish Mhor, zu verhindern nicht vermocht hatten – diese Klugheit war dem einsam lebenden Weibe unbekannt, deren Vorstellungen allein von der Zeit ihrer Jugend herstammten. Sie dachte sich, ihr Sohn brauche nur als Nachfolger seines Vaters in Abenteuern und Unternehmungen aufzutreten, alsdann werde eine Streitkraft von ebenso tapferen Männern wie diejenigen, welche dem Banner seines Vaters folgten, sich sogleich um ihn sammeln, um unter dieser wieder entfalteten Fahne zu kämpfen. Für sie war Hamish der Adler, welcher sich nur empor zu schwingen und den ihm natürlichen Platz in den höchsten Lüften einzunehmen brauchte, ohne daß sie begreifen konnte, wie viele Augen seinen Flug überwachen, und wie viele Kugeln auf seine Brust gerichtet werden würden. Kurzum, Elspat sah auf die gegenwärtige Lage der Gesellschaft mit denselben Augen, womit sie die vergangenen Zeiten betrachtet hatte; sie war arm, vernachlässigt, unterdrückt seit den Tagen gewesen, daß ihr Gemahl nicht länger gefürchtet und mächtig war, und sie glaubte, daß die Zeit ihrer Bedeutung wiederkehren werde, sobald ihr Sohn sich entschlossen habe, die Rolle seines Vaters zu spielen. Wenn sie noch weiter ihrem Auge gestattete, auf der Zukunft zu weilen, so geschah dieß nur, um im Voraus anzunehmen, daß sie lange Zeit kalt im Grabe liegen und daß die Todtenklagen ihres Stammes nach altem Brauch für sie verhallt sein würden, wenn ihr schönhaariger Hamish ihrer Berechnung gemäß mit der Hand im Korbe seines vom Blut gerötheten Degens fallen müsse. Seines Vaters Haar war grau, bevor er nach 100 Gefahren mit den Waffen in der Hand starb; der Umstand, daß sie seinen Tod erblickte, und den Anblick überlebte, war eine natürliche Folge der damaligen Sitten, auch war es besser – so waren ihre stolzen Gedanken – daß sie ihn fallen sah, als wenn sie Zeuge gewesen wäre, wie sein Leben in einer rauchigen Hütte von ihm wich – auf einem Bette von verfaultem Stroh gleich dem Leben eines alten Jagdhundes oder eines an Krankheit sterbenden Stieres. Die Stunde ihres Jünglings, ihres tapferen Hamish aber war noch weit entfernt. Er muß, wie sein Vater, glücklich sein und siegen. Und fällt er zuletzt – erwartet ihren Sohn ein blutiger Tod, so wird Elspat längst im Grabe liegen, und wird weder seinen Todeskampf sehen, noch über dem Rasen seines Grabes trauern.

Als solche wilde Vorstellungen in ihrem Gehirn entsprangen, erhob sich der Muth der Elspat auf seinen gewöhnlichen Standpunkt, oder vielmehr auf einen höher scheinenden. Nach der eindringlichen Sprache der Bibel, welche von der Ausdrucksweise im Galischen nicht sehr verschieden ist, erhob sie sich, wusch sich und wechselte ihre Kleider, aß Brod und ward erfrischt.

Sie wartete mit gespannten Gefühlen auf die Wiederkehr ihres Sohnes, dießmal jedoch nicht ohne die bittere Aengstlichkeit des Zweifels und der Besorgniß. Sie sagte sich selbst, daß viel dazu gehöre, wenn er sich in diesen Zeiten zu einem ausgezeichneten und gefürchteten Anführer erheben wolle. Sie erwartete aber ihn beim Wiedersehen an der Spitze einer kühnen Schaar mit spielenden Sackpfeifen und fliegenden Bannern zu erblicken, wobei die edlen Mäntel des Hochlandes frei im Winde, ungeachtet der Gesetze, flattern würden, welche unter strengen Strafen den Gebrauch der National-Kleidung, sowie alle Zubehör hochländischer Ritterschaft untersagt hatten. Für alles dieß gestattete ihre heftige Einbildungskraft nur den Zwischenraum weniger Tage.

Sobald diese Meinung einen festen und ernstlichen Besitz von ihrer Seele genommen hatte, richteten sich ihre Gedanken auf den Empfang ihres Sohnes an der Spitze seiner Anhänger in der Weise, worin sie ihre Hütte für die Rückkehr seines Vaters auszuschmücken pflegte. Lebensmittel konnte sie nicht liefern, und hielt auch dieß für einen unwesentlichen Umstand, denn die glücklichen Freibeuter würden ihr Viehheerden herbeitreiben. Das Innere ihrer Hütte ward aber für deren Empfang in Bereitschaft gesetzt; der Branntwein ward in größerem Maße gebraut und destillirt, als man es bei einer einsam lebenden Frau für möglich hätte halten sollen. Ihre Hütte ward eingerichtet, daß sie gewissermaßen für einen Tag der Freude geschmückt schien. Sie ward gefegt und mit Zweigen verschiedener Art, wie das Haus einer Jüdin am Laubhüttenfest, ausgeschmückt. Das Produkt der Milch ihrer kleinen Heerde ward in so mannigfachen Formen zubereitet, als ihre Geschicklichkeit es gestattete, um ihren Sohn und dessen Genossen zu bewirthen, die sie mit ihm zu empfangen erwartete. Der hauptsächlichste Schmuck, den sie mit der größten Mühe sammelte, war die scharlachrothe, sogenannte Zwergmaulbeere, die sich nur auf sehr hohen Bergen und auch dort nur sehr sparsam vorfindet. Ihr Gemahl, oder vielleicht einer seiner Ahnen, hatte dieselbe als Familienzeichen angenommen, weil sie zugleich durch ihre Seltenheit die geringe Zahl seiner Stammesgenossen, und durch die Orte, wo sie wächst, die ehrgeizige Höhe seiner Ansprüche andeutete.

So lange diese einfachen Vorbereitungen zum Empfange dauerten, befand sich Elspat in einem Zustande unruhigen Glückes. Ihre einzige Besorgniß bestand wirklich nur darin, daß sie Alles zum Empfange von Hamish und der Freunde, die sich nach ihrer Vermuthung ihm angeschlossen haben würden, nicht vollständig ausführen könne, und daß jene sie für die Aufnahme unvorbereitet antreffen würden.

Als alle ihr möglichen Anstalten getroffen waren, blieb ihr keine weitere Beschäftigung, außer der unbedeutenden Sorgfalt für ihre Ziegen; als sie denselben die nöthige Pflege ertheilt hatte, konnte sie allein ihre kleinen Vorbereitungen noch einmal übersehen, diejenigen, welche vorübergehender Natur waren, erneuen, verwelkende Zweige durch frische ersetzen, und sich dann an die Thüre ihrer Hütte setzen, und auf die Landstraße hinblicken, weil sie von der einen Seite von den Ufern des Awe aufstieg, und sich an der andern um die Seiten des Berges über Anhöhen und Flächen wand, über welch letzteren der Plan des Militär-Ingenieurs sie gezogen hatte. Während sie sich so beschäftigte, bildete ihre Einbildungskraft nach den Erinnerungen der Vergangenheit aus den Morgennebeln oder den Abendwolken die wilden Formen einer vorrückenden Schaar von sogenannten dunkelgekleideten Soldaten, d. h. von solchen, welche in die gewürfelten Zeuge ihres Vaterlandes gekleidet waren, und den Namen erhalten hatten, um sie von den scharlachrothen Reihen der brittischen Armee zu unterscheiden. In dieser Beschäftigung verbrachte sie manche Stunde jeden Morgen und Abend.



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