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Viertes Kapitel.
Herr Croftangry sagt Clydesdale Lebewohl.

Gesunken, ach, von dem was einst es war,
Entwürdigt war's zu einem Wirthshaus gar.

Gay.

Ein flinker Spaziergang von ungefähr einer Stunde brachte mich nach Duntarkin, welches ebenfalls beträchtliche Veränderungen erlitten hatte, obgleich es nicht wie das Hauptgebäude gänzlich eingerissen war; ein Hof dehnte sich vor dem niedlich aussehenden kleinen Wittwensitze zwischen den Resten der Stechpalmhecken aus, welche einst den Garten der Dame geschützt hatten. Eine breite, roh aussehende, neu angelegte Heerstraße hatte sich in das kleine Thal statt des alten Fahrweges eingedrängt, welcher so selten gebraucht wurde, daß er beinahe gänzlich mit Gras bedeckt war. Landstraßenaufseher begehen oft den groben Mißgriff, daß sie die Breite, welche für eine nach der Hauptstadt führende Landstraße erfordert wird, auch bei Gelegenheiten anbringen, wo ein bloßer Zugang in irgend einen entlegenen und wenig bevölkerten Distrikt nothwendig ist. Ich sage nichts von den Kosten; die Landstraßenaufseher und diejenigen, welche den Straßenbau unternommen haben, mögen die Sachen nach Belieben unter sich ausmachen. Groß aber ist die Zerstörung der durch Wälder erzeugten Schönheit, wenn die Breite der Straße ihr Verhältniß zu dem von ihr durchschnittenen Thale übersteigt und natürlich die landschaftliche Bedeutung von Wald und Wasser oder zerklüftetem und mannigfachem Boden vermindert, welche sonst in's Auge fallen und Vergnügen erzeugen müßte. Ein laufender Bach zur Seite einer dieser appischen oder flaminischen Straßen ist wie ein Rinnstein – der kleine Hügel ist bis auf eine bloße Bodenanschwellung vermindert – die romantische Bodenanschwellung ist zum Maulwurfhaufen, d. h. beinahe zu klein, um den Blick auf sich zu ziehen, geworden.

Eine solche Ungeheuerlichkeit hatte die ruhige Einsamkeit von Duntarkin vernichtet, und ihr Gefolge von Kies und Staub, sowie die Gedankenverbindungen von Einspännern und Postkutschen in die entlegensten Punkte des mittleren Theiles von Clydesdale eingedrängt. Das Haus war alt und verfallen, und sah aus, als ob es wegen seiner selbst Kummer empfinde, und seine Herabsetzung erkenne; das Schild aber war groß, neu und glänzend angestrichen; es zeigte ein Wappenschild mit drei Weberschiffen im buntgestreiften Felde, mit einem Gewebe, welches sich als Helmzier zum Theil entfaltete, und mit zwei gewaltigen Riesen als Wappenträgern, von denen jeder einen Weberbaum in der Hand hielt. Die Aufhängung dieses ungeheuerlichen Wappens vor dem Hause hätte die Mauer in Gefahr bringen oder sicherlich die Aussicht auf ein oder zwei Fenster versperren müssen. Es war deßhalb abgesondert vom Hause auf einem eisernen Rahmwerk angebracht und auf zwei Pfosten mit soviel Holz und Eisen aufgehängt, daß man davon eine Brücke hätte bauen können; dort hing das Schild, krachend, seufzend und kreischend bei jedem Windzuge und erfüllte vielleicht auf fünf Meilen hin die Nester der Drosseln und Hänflinge, der alten Bewohner des kleinen Thales, mit Schrecken.

Als ich in das Haus trat, empfing mich Christie Steele in eigener Person, wie es schien ungewiß, ob sie mich in der Küche abladen oder mich in ein besonderes Zimmer führen solle. Da ich Thee mit etwas Wesentlicherem, als Brod und Butter, verlangte, und von Essen und Schlafen sprach, führte mich Christie zuletzt in das Zimmer, wo sie selbst gesessen war, wahrscheinlich das Einzige worin ein Feuer brannte, obgleich es schon Spätherbst war. Dieß entsprach meinem Plane, und als sie im Begriff war ihr Spinnrad wegzunehmen, bat ich, sie möge die Güte haben zu bleiben, um den Thee mir anzumachen; ich fügte hinzu, daß ich den Schall des Rades liebe und sie nicht im geringsten bei ihrer häuslichen Arbeit zu unterbrechen wünsche.

»Ich weiß nicht, Herr,« erwiederte sie in trockenem Tone, der mich in die Zeit vor zwanzig Jahren zurückführte, »ich bin keine jener munteren Wirthinnen, welche die Klatschereien der Gegend erzählen und sich dadurch beliebt machen; ich wollte ein Feuer für Euch im rothen Zimmer anmachen, wenn Ihr aber hier bleiben wollt, so darf derjenige sein Zimmer wählen, welcher dafür bezahlt.«

Ich bemühte mich sie zum Gespräch zu verleiten; obgleich sie aber mit steifer Höflichkeit antwortete, so konnte ich sie nicht zur Gesprächigkeit bringen, und sie blickte mehrere Male nach ihrem Rade und der Thüre, als wolle sie einen Rückzug antreten. Ich war deßhalb zu einigen besondern Fragen genöthigt, welche Interesse für eine Person haben konnten, deren Ideenkreis wahrscheinlich nur sehr beschränkter Art war.

Ich sah mich im Zimmer um, es war noch dasselbe, worin ich meine arme Mutter zum letzten Mal gesehen hatte. Der früher erwähnte Verfasser der Familiengeschichte that sich auf die Verbesserung etwas zu gute, die er im Wittwensitze Duntarkin angebracht hatte; bei seiner Verheirathung, als seine Mutter vom Wittwensitz Besitz nahm, hatte er »mit großen Kosten und Ausgaben die Wände des großen Besuchzimmers (desselben worin ich jetzt saß) mit Holz auslegen, dasselbe mit Schnitzwerk verzieren, die Decke mit Gyps belegen, einen Kamin bauen und denselben mit Gemälden, sowie mit einem Barometer und Thermometer schmücken lassen.« Besonders aber hatte er, worüber sich seine gute Mutter hauptsächlich freute, sein eigenes Porträt über dem Kamingesimse von geschickter Hand malen lassen. Wahrlich, er war noch dort vorhanden, mit einem Gesicht, welches ich ihm nach dem Zeugniß seiner Handschrift zu ertheilen geneigt war – finster und streng, jedoch nicht ohne einen Zug der Schlauheit und Entschlossenheit; in eiserner Rüstung, obgleich er wahrscheinlich niemals eine solche trug; die eine Hand ruhte auf einem Buch, die andere auf dem Griff seines Degens, obgleich er nach meiner Meinung niemals Kopfschmerz vom Lesen oder Gliederschmerz vom Fechten bekommen hatte.

»Das Gemälde ist auf Holz gemalt, Madame?« fragte ich.

»Ja Herr, sonst würde man es nicht dagelassen haben, man hat Alles fortgetragen, was nicht nagelfest war.«

»Herr Treddles Gläubiger, scheint Ihr sagen zu wollen,« fragte ich wieder.

»Nein,« erwiederte sie trocken, »die Gläubiger einer andern Familie, welche reinere Bahn gemacht haben, als diejenigen jenes armen Mannes, weil, wie ich glaube, dort weniger zu haben war.«

»Vielleicht einer älteren Familie, an die man sich wahrscheinlich mehr erinnert, und die man mehr bedauert, als die bürgerlichen Eigenthümer?«

Christie richtete sich auf ihrem Stuhle auf, und rückte ihr Spinnrad zu sich hin. Ich hatte einen interessanten Stoff für ihre Gedanken, um dabei zu verweilen, herbeigeschafft, und ihr Spinnrad lieferte bei solchen Gelegenheiten die mechanische Begleitung, indem dessen Umdrehungen ihr bei der Darlegung der Ideen zu Hülfe kamen.

»Mehr bedauert – mehr vermißt? Ich konnte ein Mitglied der alten Familie sehr wohl leiden; von Allen will ich das aber nicht sagen. Warum sollte die Familie mehr bedauert werden als die Treddles? Die Baumwollenfabrik brachte dem Lande großen Vortheil; selbst die Knaben der ärmsten Bauern hatten es gut; sie konnten schon im fünften Jahre genug für den Lebensunterhalt verdienen. Eine Witwe mit drei oder vier Kindern war ein reiches Weib zur Zeit der Treddles.«

»Aber die Gesundheit dieser armen Kinder, gute Freundin, ihre Erziehung und religiöser Unterricht –«

»Was die Gesundheit betrifft,« erwiderte Christie, indem sie mich finster anblickte, »so müßt Ihr sehr wenig von der Welt kennen, Herr, wenn Ihr nicht wißt, daß die Gesundheit des armen Mannes, ebenso wie seine Jugend und Kraft, dem Geldbeutel des reichen Mannes zur Verfügung stehen. Noch niemals war ein Gewerbe so ungesund, daß die Männer einander nicht geprügelt hätten, um Arbeit dabei zu bekommen, wenn sie täglich zwei Pfennige mehr als den gewöhnlichen Lohn bekamen. Aber für die Knaben wurde hinsichtlich der Luft und Körperbewegung gut gesorgt, und ein sehr achtbarer junger Mann hörte ihnen den Katechismus ab und gab ihnen Unterricht im Lesen. Was bekamen sie denn zuvor? Vielleicht wurden sie an einem Wintertage herbeigeholt, um im Walde Schnepfen u. dgl. aufzujagen und die hungernden Kinder bekamen dann vielleicht ein Stück Brod und vielleicht auch nicht, je nachdem gerade der Verwalter und Kellermeister bei Laune war – das war Alles was sie bekamen.«

»Diese alten Besitzer waren also nicht gütig gegen die Armen?« fragte ich etwas bitter, denn ich hatte erwartet, das Lob meiner Ahnen zu vernehmen, obgleich ich daran zweifelte, daß mir mein eigenes aufgetischt würde.

»Sie waren nicht böse gegen die Armen, und das ist etwas. Sie waren gerechte, anständige Leute; arme Geschöpfe, die dreist genug zum Betteln waren, erhielten Almosen und einen Willkommen. Die Croftangry's gingen aufrecht vor Gott und Menschen und, wie ich zuvor sagte, thaten sie wenig Böses, wenn sie auch wenig Gutes thaten. Sie erhoben ihre Pachtrenten und gaben dieselben wieder aus, sie ließen sich ihre Zinshühner bringen und verspeisten dieselben; sie gingen des Sonntags zur Kirche, verbeugten sich höflich gegen die Leute, welche ihre Mützen abnahmen, wenn sie vorbeikamen, und blickten so grimmig wie die Sünde die Bauern an, welche die Mütze auf dem Kopfe behielten.«

»Ist das ihr Wappen, was Ihr auf dem Schilde habt?«

»Was, das bemalte Brett, das an der Thüre kreischt und stöhnt? – Nein, das ist das Wappen von Herrn Treddles, obgleich es einem ordentlichen Wappen ebenso ähnlich ist, wie ein Bein einem Arme – ich habe mich genug über das alberne Ding geärgert, welches so viel Geld kostete, daß man damit das ganze Haus von den Grundsteinen bis zum Dachgiebel hätte ausbessern können. Bleibe ich aber hier, so will ich einen anständigen Schild mit einer darauf gemalten Punschbowle haben.«

»Ist es denn ungewiß, ob Ihr hier bleibt, Madame?«

»Redet mich nicht mit Madame an,« sagte die mürrische alte Frau, deren Finger jetzt den Faden in einer Weise drehten, welche Nervengereiztheit anzeigte. »In dem Lande war kein Glück, seid Lucky zur Madame und die Madame zur Mylady wurde; und was mein Hierbleiben betrifft, wenn Ihr's wissen wollt, so kann ich hier bleiben, wenn ich hundert Pfund Sterling als Kaufgeld für das Pachtrecht bezahle, und ich kann mich fortscheeren, wenn ich das Geld nicht habe; dann heißt es, guten Abend Christie.«

Das Rad drehte sich mit ungemeiner Schnelligkeit.

»Euch gefällt das Gewerbe einer Wirthin?«

»Das kann ich gerade nicht sagen,« erwiderte sie, »allein unser würdiger Pfarrer ist von dessen Rechtmäßigkeit überzeugt, und ich bin jetzt daran gewöhnt, und habe mein gutes Einkommen, obgleich ich niemals eine falsche Rechnung machte und Niemandem die Mittel gab, um seine Vernunft in meinem Hause zu erniedrigen.«

»Wirklich,« sagte ich, »in dem Fall ist es kein Wunder, daß Ihr die hundert Pfund zum Ankauf des Pachtrechtes erspart habt.«

»Wie könnt Ihr wissen,« sagte sie spitzig, »daß ich nicht hundert Pfund eigenes Vermögen haben könnte? Wenn ich es nicht habe, so ist es gewiß nicht meine Schuld; aber ich will Nichts von Schuld sagen, denn das Geld kam in den Beutel derjenigen, die auf alle meine Dienste vollkommenen Anspruch besaß.« Hier zupfte sie wieder heftig am Flachs und das Spinnrad machte schnelle Umdrehungen.

»Dieser alte Herr,« sagte ich, indem ich meine Blicke auf das Porträt heftete, »hat sicherlich eben so gut wie Herr Treddles sein Wappen malen lassen, d. h. wenn das Bild in der Ecke ein Wappenschild ist.«

»Ja, ja, ein Wappenschild, alle wollen ihr Wappenschild haben, es fehlt keinem armen Landjunker; so kann man auch das Wappen, wie man es nennt, des Hauses Glentanner auf einem alten Stein am westlichen Ende des Hauses sehen; um den Croftangry's aber Gerechtigkeit zu erweisen, so machten sie damit nicht soviel Lärmen, wie der neue Herr Treddles; wahrscheinlich waren sie besser daran gewöhnt.«

»Wahrscheinlich war das der Fall. Sind noch einige von der Familie am Leben, Wirthin?«

»Nein,« erwiderte sie, alsdann fügte sie nach einem Augenblick Bedenken hinzu, »wenigstens nicht so viel ich weiß,« und das Rad, welches einige Zeit stillgestanden war, begann sich wieder zu drehen.

»Vielleicht sind einige in's Ausland gegangen?« bemerkte ich.

Sie blickte jetzt auf und sah mir in's Gesicht. – »Nein, Herr, der letzte Gutsherr von Glentanner, wie er damals hieß, hatte drei Söhne; John und William waren hoffnungsvolle junge Herrn, sie starben aber in der Jugend, der Eine an Schwäche in Folge der Masern, der Andere verlor sein Leben an einem Fieber. Für viele wäre es gut gewesen, wenn Chrystal ebenso aus der Welt gekommen wäre.«

»So? dann ist der Junge wohl der Verschwender gewesen, der das Gut verkauft hat? Wohlan Ihr solltet nicht so böse auf ihn sein; bedenkt, die Noth kennt kein Gebot und weiterhin Wirthin, war er auch nicht schuldiger als Herr Treddles, den Ihr so sehr bedauert.«

»Ich wünschte seiner Mutter wegen, daß ich dieß glauben könnte, Herr Treddles war aber ein Kaufmann, und obgleich er dadurch kein besonderes Recht zur Verschwendung erhielt, so hatte er doch einige Entschuldigung hinsichtlich derselben, weil er sich einbildete, daß er viel Geld mache. Jener unglückliche Bursch aber, verschlang sein ganzes Erbtheil, als er doch wissen mußte, daß er wie die Ratte in einem Käse lebe, und jedenfalls jeden Tag von seinen Mitteln zehre – ich mag nicht mehr daran denken.« Hierauf sang sie einige Verse einer Ballade, allein Heiterkeit lag weder in der Stimme noch im Ausdruck.

Er hat verschwendet und so beendet
Den Reichthum, den sein Haus gewann;
Das Land und das Geld hat er fortgeschnellt,
Drum schweigt von dem alten Edelmann.

»Kommt, Dame,« sagte ich, »das ist eine lange Gasse ohne Ausgang, ich will Euch nicht verhehlen, daß ich etwas von diesem armen Kerl Chrystal Croftangry gehört habe; er hat seinen wilden Hafer ausgesäet, wie man zu sagen pflegt, und ist jetzt ein gesetzter, achtbarer Mann geworden.«

»Wer hat Euch das gesagt?« fragte sie, indem sie mich scharf anblickte.

»Nicht vielleicht der beste Richter über seinen Charakter in der Welt; er hat es mir selbst gesagt, Frau.«

»Und wenn er Euch die Wahrheit sagte, so war das eine Tugend, die er früher nicht übte,« erwiderte Christie.

»Der Teufel,« sagte ich in beträchtlichem Aerger; »alle Welt kennt ihn als einen Mann von Ehre.«

»Ja ja, er würde Jedermann mit seinen Flinten oder Pistolen erschossen haben, der gewagt hätte ihn einen Lügner zu schelten. Wenn er aber einem ehrlichen Gewerbsmann das Versprechen gab, ihn am nächsten Termin zu bezahlen, hielt er dann sein Wort? Und wenn er einem armen albernen Mädchen versprach, sie für ihre Schande zu entschädigen, sagte er dann die Wahrheit? Und was ist das Anders, als daß er ein Lügner war, und noch dazu ein ganz boshafter, spitzbübischer Lügner.«

Mein Unwille erhob sich, ich suchte ihn jedoch zu unterdrücken; ich hätte auch wirklich meiner Quälerin, durch eine zornige Antwort, nur einen Triumph gewährt. Zum Theil begann ich schon zu beargwöhnen, daß sie mich kenne; sie bezeugte jedoch so wenig Aufregung, daß ich meinen Verdacht nicht für gegründet halten konnte. Ich fuhr deßhalb in so gleichgültigem Tone wie möglich fort: »Wohlan, Wirthin, ich sehe, Ihr wollt von diesem Chrystal nichts Gutes glauben, als bis er zurückkehrt, einen guten Pachthof auf dem Gute kauft und Euch zu seiner Haushälterin macht.«

Die alte Frau ließ ihren Faden fallen und faltete die Hände, als sie mit dem Ausdruck der Besorgniß zum Himmel blickte. »Der Herr,« rief sie aus, »behüte uns? Der Herr verhüte das in seiner Gnade! O, Herr, wenn Ihr wirklich diesen unglücklichen Mann kennt, so überredet ihn, sich niederzulassen, wo die Leute die guten Eigenschaften kennen, die er nach Eurer Angabe sich erworben hat, und wo Niemand etwas von den Streichen seiner früheren Tage weiß; er pflegte ja stolz genug zu sein! Bewirkt, daß er nicht hieher kömmt, sogar wegen seiner selbst; er hatte ja sonst einigen Stolz.«

Hier zog sie wieder das Spinnrad dicht an sich heran und begann den Flachs mit beiden Händen zu zupfen.

»Laßt ihn nicht hieher kommen, damit er nicht verächtliche Blicke von seinen alten liederlichen Gesellen bekömmt, und die anständigen Leute nicht sieht, unter denen er die Nase so hoch, sowohl in der Kirche wie auf dem Markte trug; laßt ihn nicht in seine Geburtsgegend zurückkehren, damit die Nachbarn auf ihn nicht mit Fingern weisen und sagen, was er ist und was er war, und wie er ein gutes Vermögen verschwendete und liederliche Weibspersonen in die Thür von seines Vaters Haus brachte, bis seine Mutter dort nicht mehr wohnen konnte; und wie eine Magd seines eigenen Hauses voraussagte, daß er ein Thunichtgut und ein verlorner Sohn sei, und wie ihre Vorhersagung sich erfüllte, und wie –«

»Halt, Wirthin, wenn es Euch beliebt,« sagte ich, »Ihr habt mir jetzt soviel gesagt, als ich behalten kann, und mehr als ich meiner Sicherheit wegen wiederholen darf. Ich kann mit dem Herrn, von welchem Ihr sprecht, mich ziemlich frei unterreden; würde aber eine andere Person ihm Eure Botschaft überbringen, so möchte ich nicht für seine Sicherheit einstehen. Und jetzt, da ich sehe, daß dieß eine schöne Nacht sein wird, so will ich nach N. gehen, wo ich morgen eine Postkutsche, um nach Edinburg zu fahren, erwarten muß.«

Mit diesen Worten bezahlte ich meine mäßige Rechnung und nahm Abschied, ohne daß ich entdecken konnte, ob die vorurtheilsvolle und hartherzige alte Frau den Verdacht hegte oder nicht, daß ihr Gast dieselbe Person wie jener Chrystal Croftangry sei, gegen welchen sie so großen Widerwillen hegte.

Die Nacht war schön und kalt; als ich aber vorgab, nachsehen zu wollen, wie das Wetter sei, hätte es ebenso wohl wie in einer Sündfluth regnen können, denn ich brachte nur deßhalb die Entschuldigung vor, um der alten Christie Steele zu entwischen. Die Pferde, welche auf dem Korso zu Rom ohne Reiter ein Wettrennen halten, tragen an sich, um ihren Eifer anzuregen, ihre eigene Sporen, nämlich kleine Stahlkügelchen mit scharfen vorragenden Stacheln, welche an lose ledernen Riemen befestigt, in der Heftigkeit des Laufes einherfliegen, und das Pferd dadurch zum schnellen Lauf antreiben, daß sie dasselbe, auf seine Seiten schlagend gleichsam anspornen. Die Vorwürfe der alten Frau übten auf mich dieselbe Wirkung und trieben mich zu einem schnellen Schritte an, als sei es dadurch möglich gewesen, meinen Erinnerungen zu entgehen. Ich glaube nicht, daß ich in meinen besten Lebenslagen, als ich eine oder zwei Wetten über angestrengte Spaziergänge gewann, so schnell ging, wie damals, zwischen dem Wappen der Treddles und dem Flecken, wo ich für die Nacht einkehren wollte. Ungeachtet der Nachtkälte war ich warm genug, als ich in meinem Gasthof anlangte; ein erfrischender Portertrank und die Ruhe einer halben Stunde waren erforderlich, um an Christie und ihre Meinungen nicht weiter als an diejenigen eines andern gemeinen und vorurtheilsvollen alten Weibes zu denken. Zuletzt beschloß ich die Sache als Kleinigkeit zu behandeln; ich verlangte Schreibmaterialien und legte eine Anweisung für hundert Pfund in ein Couvert mit folgenden, auf letzteres geschriebenen Versen:

Chrystal der Thunichtgut,
Chrystal die Teufelsbrut,
Schickt der Frau Steele dieß Geld,
Damit sie ihn stets im Gedächtniß behält.

Diese neue Art, den Gegenstand zu betrachten, gefiel mir so sehr, daß ich nur die vorgerückte Zeit bedauerte, welche es mir unmöglich machte, einen expressen Boten mit dem Briefe nach seiner Bestimmung abzusenden.

Doch mit dem Morgen kam ein kält'res Sinnen.

Ich bedachte, daß ich ihr das Geld und wahrscheinlich noch mehr, wegen deß meiner Mutter geleisteten Vorschusses, schuldig war, welchen Christie, in einem Augenblick großer Noth, hergegeben hatte, und daß die Uebersendung der Summe in einer so possenhaften Weise, eine so empfindliche Person an der Annahme einer Schuldzahlung verhindern könne, die ihr mit Recht gebührte, und hinsichtlich welcher es mir geziemte, sie vor allen andern abzutragen. Ich opferte somit meine vier Verse mit wenig Bedauern; (dieselben sahen nämlich besser beim Kerzenlicht und unter dem Einflusse eines Porterkruges, als beim Tageslicht und unter dem niederschlagenden Einflusse der Theekanne aus) und beschloß Herrn Fairscribe's Vermittlung anzunehmen, um das Pachtrecht des kleinen Gasthofes anzukaufen und dasselbe der Christie in einer Weise zu übertragen, welche ihrem Gefühle am annehmlichsten sein würde. Ich brauche hier noch hinzuzufügen, daß mein Plan gelang, und daß die Wittwe Steele noch jetzt Wirthin im Treddleswappen ist. Leser, sage deßhalb nicht, daß ich zurückhaltend gegen dich gewesen sei; habe ich mir selbst auch nicht alles Böse nachgesagt, was ich hätte nachsagen können, so habe ich dir wenigstens eine dazu fähige Person angezeigt, welche sehr gerne die Lücken ausfüllen und alle meine Vergehen, sowie mein Unglück erzählen wird.

Mittlerweile gab ich jeden Gedanken auf, einen Theil meines väterlichen Gutes wieder an mich zu bringen, und beschloß Christie Steele's Rath zu befolgen, so hart derselbe auch klingen mochte.



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