Levin Schücking
Luther in Rom
Levin Schücking

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45. Das Buch Friedrichs II.

Corradina verließ rasch das Gemach und kehrte nach wenigen Augenblicken zurück.

Sie trug ein kleines Buch in der Hand, das in dünne, mit Goldblech überzogene Deckel gebunden war; auf dem Gold waren in Niello-Arbeit allerlei Blumen und Tierfiguren dargestellt; eine Spange aus Goldfiligran schloß es.

»Da ist dies edelste Vermächtnis«, sagte Corradina, als sie das Buch dem deutschen Mönche übergab; »ich hatte es in meiner Gürteltasche geborgen, um mich von ihm nicht zu trennen, als ich meinen Gang mit Livio Savelli antrat; so kann ich Euch's geben.«

Bruder Martin nahm es entgegen und öffnete es. Es enthielt eine Anzahl eng beschriebener Pergamentblätter, in lateinischer, in deutscher, auch in griechischer und in einer Schrift, die Martin nicht zu lesen vermochte – es war arabisch, wie Corradina erklärte. Das Wort des Apostels: »Den Geist dämpfet nicht«, stand auf der Innenseite des Deckels geschrieben.

Als Bruder Martin sich sofort in das Buch vertiefen wollte, sagte Egino, die Hand darauf legend:

»Nicht jetzt, Freund Martin ... Ihr gehört für eine Weile noch uns. Helft und ratet uns zu unserer Flucht, die noch in dieser nächsten Nacht stattfindet ... Und vor allem sprecht, wie steht es um Irmgard und wie kann ich sie sehen? Denn ich, die Brust voll Glück und Seligkeit, kann nicht von hier scheiden, ohne ihr gedankt, ohne sie gesprochen, getröstet zu haben. Das ist unmöglich!«

»Ihr wolltet das tun, trotz der Lebensgefahr, der Ihr Euch dabei aussetztet?« fragte Martin.

»Gewiß will ich; der Gefahr, der ich mich dabei aussetze, kann ich sogar mich freuen, denn daran kann Irmgard ermessen, wie sehr und mit wie heiliger Pflicht ich mich an sie gebunden fühle.«

Bruder Martin sah ihn sorglich an und wendete dann den Blick wie fragend auf Corradina, während Callisto einfiel:

»Wer Euer Freund ist, der muß Euch mit Gewalt von diesem verwegenen Gange abhalten. Ihr wißt es ja doch, daß mein Haus euretwegen vielleicht eben jetzt umspäht und bewacht wird.«

Egino zuckte die Achseln.

»Ich muß!« sagte er. »Es ist etwas in mir, das es mir gebietet. Dem widerstünde ich nicht und müßt' ich durch Flammen gehen um zu Irmgard zu kommen.«

»Und Ihr, Gräfin, Ihr schweigt dazu? Ihr steht mir nicht bei? Sprecht, verbietet es ihm!« rief Callisto empört aus.

Corradina schüttelte den Kopf.

»Ich habe meinem Herrn nichts zu verbieten«, sagte sie leise und gepreßt. »Ich weiß nur das eine, daß, wo ihm eine Todesgefahr dräut, ich an seiner Seite sein muß. Ich werde mit ihm gehen.«

»Corradina, du wolltest!« rief Egino aus. »Das, nein, das kann ich nicht dulden!«

»Und Du wirst es doch müssen, Egino!« antwortete sie. »Ist etwas in Dir, das Dir so mächtig gebietet zu gehen, so ist etwas in mir, das mir gebietet Dich zu geleiten auf diesem Gange. Unsere Schicksale sind verbunden von nun an, für gute und böse Tage. Lehne Dich nicht auf dawider, es fruchtet nichts!«

Signor Callisto wendete sich entrüstet und zornig ab. Nun hatte sich dieser so klar denkende Egino doch noch in einen verrückten deutschen Starrkopf verwandelt! Er verließ das Zimmer und überließ es ihnen sich über die Art und Weise zu besprechen, wie sie ihren Gang ausführen wollten. Es konnte nur im Dunkel des Abends gewagt werden. Nur in irgend einer Verkleidung. Sie konnten gehen wie ein Paar Leute aus dem Volle; Callistos alter Gärtner hatte für Egino, Donna Ottavias Magd, die im Kostüm der Frauen aus den Sabinerbergen gekleidet ging, für Corradina ohne Zweifel einen Anzug herzuleihen. Hätte sich Egino den Anzug eines gemeinen Reiters verschaffen können, es wäre ihm das Liebste gewesen. Aber woher ihn nehmen? Man mußte bei dem am leichtesten zu beschaffenden stehen bleiben. Und so wurde Donna Ottavia gebeten mit dem Gärtner und der Magd zu reden. Sie tat es und nach kurzer Zeit brachte sie selbst den Anzug des Mädchens für Corradina herein.

Um die Zeit der Abendmahlzeit, zwischen sieben und neun nach unserer Zeitrechnung, sind die Straßen Roms am menschenleersten und ruhigsten. Es war diese Zeit, die Stunde der anbrechenden Nacht, welche Egino und Corradina für ihren Gang wählten. Bruder Martin ging; er übernahm es Irmgard zu benachrichtigen. Er wollte am Abend selbst auf dem Quirinal sein und Abschied nehmen von den Freunden, die sodann gleich von dort aus ihren Weg zum Tor von Sant Agnese und in die Freiheit, in die Heimat antreten wollten.


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