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Es war um die elfte Stunde der Nacht nach unserer Stundenrechnung.
Livio trat in Corradinas Zimmer; er fand sie zur Abreise gerüstet. Sie trug über dem Mieder eine Camora von warmem Tuch, die lose sitzende Jacke ohne Taille und darüber die lange »Sbernia«, ein weites Übergewand von schwarzem Samt mit dunklem Pelzbesatz. Ihren Kopf bedeckte ein Hut aus dem Stoffe der Camora mit einer Perlenagraffe, sonst schmucklos, ohne Feder.
An ihrem Gürtel hing unter der Sbernia ein Budgetto, eine zierliche Ledertasche, rund geschwellt und schwer. Corradina mußte darin untergebracht haben, was es an barem Gelds und kleinen Bedürfnissen aufnehmen konnte.
»Du bist bereit, sehe ich«, sagte Livio; »es ist in der Tat der rechte Augenblick. In der Burg ist alles stille und drüben im Kloster liegen die Mönche in ihrem ersten tiefsten Schlaf.«
»Ich bin bereit. Welche Diener wirst Du mir mitgeben auf den Weg nach Castell Savello?«
»Niccolo und Giuseppe«, antwortete Livio; »sie halten mit den Maultieren im Schatten des Bogenganges unten im Hofe.«
»Nur sie?«
»Gewiß, nur sie. Glaubst Du, ich hätte unser Geheimnis mehreren anvertraut als es nötig ist? Daß mir daran gelegen, daß die Mönche nie erfahren, ich habe die Hände im Spiele gehabt bei dem Streiche, den wir ihnen spielen, kannst Du selbst denken. Auf Niccolo und Giuseppe kann ich bauen; auch auf den Maurer, der unten harrt, um, wenn wir die Tat vollführt, die Maueröffnung so säuberlich wieder zu schließen, daß niemand, was geschehen, bemerkt und die Mönche an ein Wunder glauben.«
»Und wer wird uns leuchten?«
»Ich selbst. Mein Leibdiener Antonio wartet draußen mit Fackeln.«
»Ruf ihn herein.«
»Wozu?«
»Daß er mir den Reitsack, den ich mit meinen nötigsten Bedürfnissen gefüllt habe, aus meinem Schlafgemach hinabträgt und an den Sattel meines Maultieres schnallt.«
Livio nickte und ging dies Antonio aufzutragen. Corradina nahm noch ihre Handschuhe, faßte nach dem Gürtel, um sich zu vergewissern, daß der Dolch, den sie hineingesteckt, da sei und schritt hinaus. Draußen kam Livio mit der brennenden Fackel des Dieners, der eben ging Corradinas Auftrag zu besorgen.
Livio schritt voraus. Durch einen winkligen Gang kam man, leise auftretend, auf einen Absatz der großen Stiege, die unten im Hofe unter dem denselben umschließenden Bogengang mündete. Corradina hörte das Stampfen von Maultieren und flüsternde Stimmen in einem der Winkel. Sie schritt weiter, Livio folgend, in die Räume des Erdgeschosses hinein ... dann in eine Region, die sie nicht kannte, in der sie nie gewesen war, hinab. Durch eine halbgeöffnete Tür, hinter der sich eine steile Treppe senkte, anfangs aus Steinen aufgemauert, dann in den Felsen gehauen; am Fuße der Treppe Gewölbe, die Wände Felsen, die Decken aus Mauersteinen gewölbt; mehrere dieser Räume folgten sich, geschieden durch mächtige Pfeiler, welche die Gewölbe trugen; hie und da verengt durch Abschläge aus Holzbohlen, die das Alter geschwärzt hatte; der Boden schmutzig, so daß der Fuß bald ausglitt, bald irgend eine Scherbe zertrat, bald weich wie auf modernde Überreste trat. Der letzte Raum war durch eine Mauer im Hintergrunde abgeschlossen. Als der Schein von Livios Fackel, die diese Unterwelt grell und spukhaft mit ihrem roten Schein erhellte, auf diese Mauer fiel, sah Corradina, daß sie kunstlos aus dem verschiedensten Material aufgeführt war, aus Schichten von Ziegelsteinen, von Stücken antiken Marmors, von alten Hausteinen. In der Mitte war eine Öffnung gebrochen, groß genug einen Menschen durchzulassen; die ausgebrochenen Steine lagen aufgeschichtet daneben; auch auf ein Gefäß mit Mörtel und auf Maurerwerkzeug fiel der Fackelschein – es war also, wie Livio gesagt, alles bereit die Öffnung wieder zu schließen, nur der Mann, der dies tun sollte, war nicht sichtbar.
»Ich habe ihn fortgesendet«, flüsterte Livio, »es ist nicht nötig, daß er Dich sehe!«
Corradina antwortete nicht, sie folgte beherzt durch die Öffnung, als Livio ihr voraus sich hindurchgedrängt hatte. Drüben umfing sie ein ähnlicher Raum, wie der letzte diesseits; nur war er kleiner und der gebrochenen Maueröffnung gegenüber führte aus ihm ein Gang weiter in die Substruktionen des Klosters hinein. Livio schritt auch hier noch voraus, etwa zwanzig Schritte weit bis an eine große Ausweitung des Ganges. Diese Ausweitung bildete einen runden Raum, der etwas wie eine unterirdische Kapelle darstellte; ein starker Pfeiler stand in der Mitte und trug das Gewölbe und an diesem Pfeiler war ein kleiner Altar angebracht; er stand über ein paar Stufen erhöht; über der grauen, von keinem Tuche bedeckten Altarplatte erhob sich ein hohes Kruzifix.
Livio streckte die Fackel vor sich in den Raum hinein, und auf eine Stelle der rund einspringenden Wand, welche ihm zunächst lag, deutend, sagte er leise:
»Dies ist die Kapelle der Murati! Da sind ihre Nischen.«
Die Flamme der Fackel schrumpfte ein und brannte weniger hell. In dem Räume herrschte ein eigentümlicher, unsäglich widriger Geruch, eine verpestete Luft, unter deren Einfluß das Licht der Fackel verkümmerte.
»Da sind die Nischen«, flüsterte Livio, indem er auf die Wand deutete.
Rings um die Kapelle waren tiefe Nischen ausgemauert oder ausgehauen; Mauern verschlossen sie von vorn entweder ganz und alsdann war in diesen eine kleine viereckige Öffnung angebracht, die herauszublicken erlaubte und durch welche Speisen hineingeschoben werden konnten; oder die Mauern waren bis zu etwa drei Fuß vom Boden niedergebrochen.
Corradina wurde von einem Schauder erfaßt; sie fuhr zurück.
»O Gott«, sagte sie, »und schmachten Unglückliche hier?«
»Nein«, flüsterte Livio zurück; »es würde alsdann ein Licht auf dem Altare brennen; man zündet ihnen ein Licht an, auf daß sie den Christus, der ihnen nicht hilft, dort erkennen können!«
»Dem sie als Menschenopfer dargebracht werden! Es ist entsetzlich!« flüsterte Corradina, die Wände umher anstarrend und wie vom Schrecken an den Boden geheftet.
Livio hielt die Fackel höher. Ihr Schein fiel auf das häßliche Zerrbild über dem Altar, das dunkel, von Zeit und Staub geschwärzt, mit entstellten Zügen unaussprechlich abschreckend aussah.
»O mein Gott, was haben sie aus ihm gemacht!« flüsterte Corradina, tief Atem holend. »Das, was sie bedürfen, einen Götzen«, antwortete Livio. »Aber stellen wir nicht darüber Betrachtungen an. Hier, hinter dem Pfeiler, siehst Du, führt eine schmale Stiege hinauf – in einen Gang im höheren Stockwerke .. die dritte Tür, weißt Du, ist es.. den Schlüssel hast Du ...«
»Ich hab ihn«, versetzte sie kaum hörbar – »gib die Fackel.«
»Warte, wir wollen die Altarlampe entzünden... ich denke, es wird noch Öl genug darin sein; es würde mir grauen, wenn ich hier allein im Dunkel zurückbleiben müßte.«
Er schob die halb mit einem dicken schmutzigen Öle gefüllte irdene Schale näher zu sich heran, die, als Lampe dienend, auf dem Altare stand, und es gelang ihm den alten halbverbrannten Docht darin mit der Fackel zu entzünden. Er knisterte eine Weile und sprühte kleine Funken, dann begann der dünne Docht heller zu brennen und dürftig den runden Kapellenraum zu erhellen, den Altar, das Christusbild darüber und die Steinfläche des Pfeilers hinter demselben. Als Corradina sich entfernte, um mutig den Gang anzutreten, den sie allein machen sollte, und als sie mit der Fackel hinter dem Pfeiler verschwunden war, warf die Lampe nur noch ein schwaches Dämmerlicht rings umher – es reichte nur eben aus die Rundmauer und darin die Nischen erkennen zu lassen.
Livio setzte sich auf die Stufen des Altars.
Er horchte den eine Treppe leise und vorsichtig aufsteigenden Schritten Corradinas. Sie waren nach wenigen Augenblicken verhallt. Dann war alles still; nur die Lampe knisterte; sie kämpfte mit der Luft in diesem Raume. Auch Livios Brust begann damit zu kämpfen. Er atmete schwer. Und... was war das? Livio glaubte ein unterdrücktes Atmen zu hören; er wendete den Kopf und blickte hinter sich. Es war nichts.
Livio wartete lange.
Auch draußen, oben im Burghofe, warteten die dort harrenden Männer lange.
Die im Schatten des Bogengangs aufgestellten Maultiere begannen mit ihren Hufen immer ungeduldiger die breiten Steinplatten zu stampfen. Zu Niccolo und Giuseppe, die sie an den Zügeln hielten, zu Livios vertrautem Diener Antonio, der einem der Tiere Corradinas ledernen Reisesack aufgeschnallt, war der Maurer, der auf das Erscheinen Livios und den Befehl harrte sich hinab zu begeben und seine Arbeit an der durchbrochenen Mauer wieder aufzunehmen, getreten, um sich das lange Harren durch Plaudern zu verkürzen. Endlich schlichen auch drei wüst aussehende Gestalten mit Ziegenfellen an den Beinen und langen Feuerrohren auf dem Rücken, echte Sciocciaren, wie sie das Sabiner- oder Volsker-Gebirg nicht malerischer und nicht unheimlicher aussehend nährte, aus irgend einem Schlupfwinkel in dem weiten Hof herbei.
»Santo corpo della Madonna!« rief der eine aus, »wenn aus der Sache nichts wird für diese Nacht, Sor Antonio, so soll die Exzellenza es uns sagen lassen, damit wir gehen und schlafen können.«
»Ihr könnt morgen den ganzen Tag schlafen«, antwortete verdrossen Antonio, ein ältlicher magerer Mann mit langsamem, eigentümlich gedämpftem Wesen; »geht zurück, damit die Signora Contessa Euch nicht sieht, wenn sie mit dem Tedesco, den sie zu retten glaubt, kommt. Ihr wißt ja, sie darf nicht ahnen...«
»Wir wissen das, wir wissen das«, sagte ein anderer, »aber wir möchten auch wissen...«
»Benedetto! Ein Mann, der wissen möchte!« unterbrach ihn Antonio. »Je weniger Du weißt, Du Dummkopf, desto besser für Dich. Hast Du das begriffen, so weißt Du genug für Dein Handwerk!«
»Will uns die Exzellenza noch länger warten lassen, so mag sie uns einen Brasero herausschicken«, fiel der dritte der Sciocciaren ein, sich enger in seinen Mantel hüllend.
»Oder einen Brasero mit flüssigem Feuer darin, das den Magen wärmt und wach hält«, sagte der erste.
»Demonio«, sagte hier Giuseppe leise, »das wäre nicht übel, Sor Antonio, denn die Nacht ist kalt und das Warten macht flau im Magen.«
»Wenn diese Hunde, die Contessa Corradina nicht wahrnehmen darf, in ihren Stall zurückkriechen, will ich gehen und holen, was Ihr wünscht«, flüsterte Sor Antonio. »Geht, Lanfranco«, wendete er sich dann zu dem ersten der drei Banditen, »geht und drückt Euch in den Schatten. Ich hol Euch dann einen Wärmkrug herbei, wie Ihr wünscht, aber seid still. Niccolo, gib Deinem Maultiere einen Fußtritt in den Bauch, damit die Bestie das Aufstampfen sein läßt.«
Niccolo riß dem Maultiere am Gebiß den Kopf in die Höhe.
»Bestia. maledetta!« stieß er hervor, »ich stoße Dir ein Eisen in den Leib, wenn Du nicht stehst.« Giuseppe kraulte seinem Tiere den Hals, um es geduldig zu erhalten.
»Cara mia, sorella mia«, sagte er dabei, »Geduld, Geduld, dann sollst du die schönste Gräfin in die Berge tragen, weit, weit, sorella mia, du sollst sie tragen, nur du!«
Antonio hatte sich unterdessen gewendet und schritt, quer durch den Bogengang, der Treppe, die ins Innere hinaufführte, zu, als man oben im Innern des Gebäudes, von fern her und nur wegen der nächtlichen Stille vernehmbar, den schrillen Ton einer Pfeife vernahm.
»Ecco! Sie kommen«, sagten die Männer, die die Maultiere umstanden, und die drei Banditen schlichen davon, um nicht von Livio ertappt zu werden, der ihnen befohlen sich erst zu zeigen, wenn sie außerhalb der Stadt wären.
Auf dem ersten Treppenabsatz, den Antonio erreichte, blieb er stehen. Er hörte den schrillen Pfiff noch einmal.
»Corpo di bacco«, flüsterte er für sich, »das tönt aus den Zimmern des Alten! Es fehlte uns, daß der sich in die Sache mischte!«
Antonio nahm eine der zwei brennenden Fackeln, welche auf dem Treppenabsatz in die Wandringe gesteckt waren, dann stieg er weiter empor, und oben angekommen, schritt er in den Gang hinein, um da aus irgend einem Raume den Wein zu holen, der die Ungeduld der Leute beschwichtigen sollte; doch ehe er die Tür dieses Raumes erreicht hatte, sah er am Ende des Ganges eine Gestalt auftauchen, die ebenfalls eine Fackel in der Hand trug und rasch auf ihn zukam. »Eh Antonio, che cosa c´ è?« rief die Gestalt mit lauter Stimme.
»Giovan-Battista, Du?« antwortete Antonio verdrossen. »Was willst Du? Weshalb bist Du wach und auf?«
»Der alte Signore hat mich geweckt«, sagte Giovan-Battista. »Er sagt, er habe im Hofe den Hufschlag von Rossen oder Maultieren und anderes Geräusch vernommen. Was geschieht, was geht vor?«
»Der alte Signore, scheints, hat Ohren wie ein Maulwurf«, erwiderte Antonio. »Warum steckt er den grauen Kopf nicht in die Kissen und schläft?«
»Frag ihn selbst. Fürs erste sprich und gib Auskunft.«
»Auskunft? Worüber?«
»Über das, was geschieht, weshalb Du hier bist, Sor Antonio?«
»Gehts Dich an?«
»Mich nicht, aber die Exzellenza will es erfahren.«
»So sag ihr, Lanfranco und seine zwei Neffen seien von Albano gekommen und hätten vier Barilen Öl gebracht; ich gehe eben den Burschen einen Trunk Weins zu holen.«
»Du lügst zwar, Sor Antonio, aber ich gehe es ihm zu sagen... Demonio, da ist er selbst!«
Der Herzog von Ariccia kam den Gang herabgeschritten; er schlang eben einen Ledergürtel um das lange Gewand, in das er sich geworfen; es war mit einer Kapuze versehen und er sah aus wie ein Mönch, als er rasch dahergeschritten kam, nur zeigte sich, als er in den Lichtschein der Fackeln gelangte, daß das Gewand von dunkelrotem Samt und für einen Mönch zu kostbar war. »Antonio«, sagte er, mit seinen Raubvogelaugen blinzelnd und die Hand zum Schutze gegen den grellen Lichtschein darüber haltend, »wohin willst Du, was bedeutet das Geräusch im Hofe?«
»Exzellenza«, fiel Giovan-Battista ein, »es ist Lanfranco mit den beiden Neffen, die vier Barilen Öl auf ihren Saumtieren von Albano...«
»Geh mit der Fackel voraus«, unterbrach ihn, ohne auf seine Worte zu hören, der Herzog.
»Exzellenza, geht nicht, sondern laßt Euch von mir berichten«, sagte jetzt Antonio, der im Augenblick berechnet hatte, daß, wenn er den Herzog durch eine Erzählung zurückhalte, er seinem Herrn eine ebenso lange Frist verschaffe, um da unten Corradina und den Deutschen, wenn Livio vielleicht jetzt eben mit ihnen zurückkehre, in den Sattel und fortzubringen.
»Nun, so sprich«, antwortete der Herzog.
»Giovan-Battista darf es nicht hören, Exzellenza.«
»Dann tritt zurück, Giovan-Battista«, befahl der Herzog seinem Leibdiener.
Giovan-Battista zog sich tiefer in den Korridor zurück.
»Mein Herr«, begann jetzt Antonio, »ist in die Gefängnisse unter dem Kloster drüben eingedrungen.«
»Ah – Livio ist da eingedrungen... und ohne es mir zu sagen?«
»So ist es, Exzellenza. Ich habe vor einigen Tagen schon mit einem der Laienbrüder drüben reden müssen, Fra Alessio heißt er und ist ein gutmütiger alter Knabe, der aus meinem Paese, aus Marino daheim und ein Stück von einem Vetter ist, ein Mann, Exzellenza, wie ein Kind, der...«
»Zum Teufel mit Deinem Alessio, weiter, weiter!« rief der Herzog zornig.
»Von Alessio habe ich erfahren, wo sie den jungen deutschen Grafen untergebracht haben, und dann habe ich einen Wachsabdruck vom Schlosse seiner Zelle nehmen lassen – es ist die dritte, wenn man aus der Kapelle der Murati emporsteigt und in den Gang darüber kommt... auch wo die Kapelle der Murati liegt, hat Fra Alessio mir beschrieben...«
»Alles das aus Gutmütigkeit?« fragte der Herzog dazwischen.
»Wie Ihr's nehmen wollt, Exzellenza«, versetzte Antonio; »aus Gutmütigkeit, vielleicht auch ein wenig aus Rührung über fünfzig Scudi, die ich ihm von Conte Livio gebracht und in den Ärmelaufschlag seiner Kutte gesteckt habe.«
»Fahr fort!«
»Darauf hat Conte Livio nach dem Wachsabdruck einen Schlüssel machen lassen, und als er fertig war, heute im Stillen in der Dämmerung einen Maurer in die Gewölbe unter der Burg geführt. Was der Mann da gearbeitet und was er noch arbeiten soll, kann er Euch selber sagen, denn er wartet unten im Hofe auf Conte Livios Zurückkunft...«
»Also Livio ist eben jetzt unten in den Gewölben... er will den Deutschen herausholen... und ist er allein?«
»Nein, die Contessa Corradina begleitet ihn.« »Corradina ist bei ihm ... Santa Madre ... und das alles hinter meinem Rücken! Aber wozu die Maultiere? Wenn er, den Mönchen den Deutschen entführen will, wozu hat er die Maultiere nötig? Haben wir nicht hier in der Burg Verließe, um einen Malfattore darin unterzubringen, und feste Steine, um ihn daran zu schließen?«
»Ich weiß es nicht, Exzellenz«. Contessa Corradina scheint mit dem Deutschen davonreiten zu wollen, begleitet von Niccolo und Giuseppe; doch hat Conte Livio auch Lanfranco und seine Neffen kommen lassen; sie sollen ihnen unbemerkt folgen, und was sie weiter tun sollen... ich weiß es nicht, Conte Livio hat ihnen seine Befehle gegeben, ich kenne sie nicht.«
»Accidente«, murmelte der Herzog zwischen den Zähnen, rasch vorwärts den Gang hinabschreitend. »Dieser tückische Livio, der den Mönchen den Deutschen und mir die Corradina entführen will – Giovan-Battista«, rief er, sich wendend, »wo bleibst Du, Dummkopf? Her zu mir... Antonio, vorwärts, ich will selber sehen, was Dein Herr da unten treibt.«
»Um Euch offen die Wahrheit zu sagen«, flüsterte Antonio, jetzt schon neben der hastenden Exzellenza die nach unten in den Hof führende Treppe niederschreitend, »so ist mir's lieb, daß Ihr gekommen, danach zu sehen... Conte Livio bleibt so über die Maßen lange, daß mir schwere Sorge um das, was ihm zugestoßen sein kann, aufs Herz gefallen ist.«
»Sorge? Was sollte ihm zugestoßen sein?« sagte der Herzog. »Gesetzt auch, er wäre von den Mönchen ertappt worden – er ist nicht der Mann, sich von ihnen den Rückweg abschneiden zu lassen, und ich denke nicht, daß sie auf den Einfall gekommen Livio Savelli den Rückweg abschneiden zu wollen. Wie lange ist's her, daß Livio ging?«
»Eine halbe Stunde fast, Exzellenza.«
»Eine halbe Stunde, Santissima, das ist freilich lange. Und weshalb bist Du ihm nicht gefolgt alsdann, Antonio?«
»Weil er mir's streng verboten hat und weil ich nicht Lust hatte dem Banne zu verfallen, dem ein Conte Livio leichter trotzt, als sein armer Leibdiener Antonio Tarmucci.«
»Trotzdem wirst Du's jetzt auf den Bann ankommen lassen, Antonio Tarumcci«, sagte der Herzog, indem er seine Schritte verdoppelte. »Du wirst den Maurer herbeirufen und Ihr beide werdet mich alsdann den Weg führen, den Livio mit der Contessa Corradina gegangen ist.«
Sie waren unten im Bogengang angekommen. Antonio schritt hastig hinüber, wo die Männer neben den Maultieren standen, winkte dem Maurer und kehrte dann, von diesem gefolgt, zurück; nach wenigen Augenblicken hatten die Räume sie aufgenommen, in denen Livio und Corradina verschwunden waren. Antonio ging mit seiner Fackel voraus, der Herzog folgte, der Maurer und Giovan-Battista mit der zweiten Fackel schlossen sich an auf dem Wege die Treppen hinab und durch die dunklen Gewölbräume.
Sie gingen schweigend; sie erreichten die durchbrochene Mauer, der Herzog von Ariccia trat dicht an die Öffnung, lauschte, streckte den Kopf vor, dann trat er mit einem beherzten Schritt in den dunklen Raum jenseits, indem er, sich zurückwendend, dem Leibdiener seines Sohnes zuflüsterte:
»Es ist alles still. Ich sehe nur einen Lichtschimmer; es muß in der Kapelle sein, von der Du sprachst, Antonio.«