Levin Schücking
Luther in Rom
Levin Schücking

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42. Der Papst geht schlafen.

Lang vor der Stunde, wo sich diese Bilder wie ein Alp auf die Brust Bruder Martins legten, hatte Papst Julius den Kreis derer entlassen, welche ihn in der letzten Abendstunde umgaben und mit denen er in heiteren Gesprächen nach des Tages Mühen die Zeit bis zum Schlafengehen zugebracht. Julius II. war wie kein Theolog, so kein Gelehrter. Man sagte ihm nach, er habe, wie er einst in den Krieg gezogen, von der Tiberbrücke herab die Schlüssel Petri in den Fluß geworfen, um die blanke Wehr zu ziehen. Als Michel Angelo seine Bildsäule für die Fassade von San Petronio in Bologna vollendet hatte, zürnte er, daß ihm ein Buch in die Hand gegeben worden und rief aus: Ich bin kein Schüler, gebt mir ein Schwert in die Hand! Aber er liebte es Leute von Bildung und Gelehrsamkeit um sich zu sehen, und in jenen Erholungsstunden erntete er oft die Bewunderung dieser Männer für seine Welterfahrung, seine Kenntnis der politischen Verhältnisse und seinen Scharfblick in der Beurteilung derselben ein; dabei konnte ihm trotz seines rauhen Wesens seine offene Ehrlichkeit und unumwundene Gradheit im Ausdruck etwas Liebenswürdiges geben, ein Zug, der noch lebendiger hervortrat, wenn man ihn mit seinem Vorgänger verglich.

»Gennaro«, sagte er gedehnt zu dem Leibdiener, der ihn entkleidete, »warst du heute nicht in der Stadt?«

»Ja, Heiliger Vater.«

»Und was spricht man in der Stadt? Vom Tode des Savelli?«

»Vom Tode des Savelli und auch von einem Feste im Palazzo Colonna zu Ehren des Herzogs Alfonso.«

»So, so... man feiert Feste! Alfonso von Ferrara feiert Feste!« murmelte der Papst.

Und dann nach einer Pause fuhr er fort:

»Er hat gefunden, daß der oberste Pontifex ein gutmutiger Alter ist, mit dem sich leben läßt! Nun jubeln und trinken sie! Im Palazzo Colonna jubeln sie! Der Jubel wird ihnen, denk' ich, vergehen, Gennaro, schon morgen, schon morgen – leg mir das Kissen auf die Füße und schieb mir das Licht aus den Augen... mir tut das Licht weh!«

»Was will Eure Heiligkeit sagen?« fragte Gennaro, der wußte, daß er sich um diese Stunde jede Frage erlauben dürfte.

»Was ich sagen will? Daß ich ihm sein ganzes Herzogtum Ferrara nehme. Das will ich sagen, Gennaro. Abtreten soll er mir's, ganz, ganz; nicht einen Rubbio Ackerland soll er davon behalten. Das will ich sagen. Morgen werden's ihm die Kardinäle sagen... diesem Este!«

»Und wird er sich's gefallen lassen? Er wird heimreiten und den Krieg wieder beginnen!«

»Heimreiten? Man wird's ihn lehren!«

»Aber, Heiliger Vater, Ihr habt ihm doch Frieden gegeben und verziehen unter der Bedingung, daß er sich demütige und als Euer Vasall bekenne. Er hat doch darauf Eure Zusage und es ist Unrecht...«

»Unrecht.. Unrecht...« antwortete Julius. »Du Dummkopf, willst Du mir wehren, daß ich's Recht nenne? Ist's nicht Recht, wenn ich's dazu mache? Hat ein anderer zu entscheiden, was Recht oder Unrecht, oder hab ich's? Bin ich Papst oder bist Du es, Gennaro? Gennaro, wenn Du Papst wärest, würdest Du Ferrara nicht wollen? Geh und lies aus dem Buche das Nachtgebet; wir dürfen das Nachtgebet nicht versäumen. Was würde Padre Anselmo sagen!«

Die Stimme des Papstes ging in ein unverständliches Murmeln über; er hatte längst die Augen geschlossen; er bewegte die Lippen noch ein paar Mal und dann entschlief er.

Gennaro schlich auf den Zehen aus dem Gemach.


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