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Am anderen Morgen, dieweil Prinz Cosimo noch schlummerte, war es ihm, als höre er von weitem silbernes Trompetenblasen. Die hellen Töne drangen in die Tiefe seines Schlafes wie Sonnenstrahlen durch geschlossene Fensterladen. Plötzlich aber weckte ihn sein Kammerdiener. »Verzeihen Euer Gnaden,« sagte er aufgeregt, »sie spielen die Brautfanfare, unten an der Wassertreppe ...«
Die beiden alten Männer starrten verwirrt und ratlos einander in die Augen. Paolo, der Kammerdiener, besorgt, ehrfürchtig und schüchtern; Prinz Cosimo, verschlafen, blinzelnd, war so erstaunt, als sei ein hinterlistiger Streich im Werke. Jetzt schmetterten die Trompeten voll herauf, eine jubelnde Melodie.
Rasch erhob sich der Prinz von seinem Lager und eilte ans Fenster. Da lag das Meer im flammenden Frührot vor ihm. Unten an der weißen Marmortreppe letzter Stufe jedoch, daß ihre Fußspitzen von den Wellen genetzt wurden, standen in ihren roten Röcken die zwölf Königstrompeter, hielten die langen silbernen Posaunen geradeaus und bliesen die alte Melodie, mit der in Ravellaska des Königs Braut begrüßt ward.
Draußen auf dem Meere lag das große Schiff Cardinis, Pescaros Standarte wimpelte vom höchsten Mast. Die weißen Segel wurden eben gelichtet, und langsam flog das Schiff an der Horizontlinie dahin.
In diesem Augenblick wurde die Tür aufgerissen und Cesare stürmte herein. Er lachte schon von der Schwelle her in das Zimmer und rief: »Es lebe die Königin Lianora!«
Cosimo trat ihm entgegen. »Du weißt es?« fragte er eifersüchtig. Und Cesare antwortete: »Ich weiß nur, was die Fanfare und was Cardinis absegelndes Schiff mir erzählen, aber ich glaube, das genügt auch für Dummköpfe, denn es ist einfach und deutlich.«
Cosimo schüttelte den Kopf: »So eilig ..., so eilig ...«, und Cesare, der vor ihm stand, betrachtete ihn ein wenig spöttisch und ein wenig mitleidig; denn er wußte, daß der alte Herr sich jetzt zu kränken anfing. Er kannte des Cosimo Empfindlichkeit und wußte, daß dieser jetzt nur mit dem einzigen Gedanken beschäftigt sei, warum denn der König solch einen wichtigen Entschluß gefaßt und ausgeführt habe, ohne sich vorher mit dem Oheim, mit dem ehemaligen Regenten, zu beraten.
Der alte Paolo, der die Lage der Dinge gleichfalls verstand, kam mit unzufriedener Miene heran und hüllte seinen Gebieter in den weichen Morgenrock. Prinz Cosimo ließ sich auf einen Sessel fallen und starrte vor sich hin. Und allmählich nahm sein gütiges, fröhliches Greisenantlitz einen beleidigten, verbitterten Ausdruck an.
Cesare wollte ihn aufheitern und sagte: »Nun wird auch gleich der Ruspoli da sein und uns zum König bescheiden.« Und er krümmte sich wie Ruspoli, ahmte den Zeremonienmeister nach, ging mit unterwürfigen Gebärden auf Cosimo zu und tat so, als wolle er an seinem unsichtbaren Stab in die Höhe klettern.
Ein lautes Pochen an der Türe, Prinz Cesare schnellte empor; da trat auch schon der König mit aller Lebhaftigkeit in das Gemach.
Dem alten Diener entfuhr ein leiser Aufschrei, dann neigte er sich tief zur Erde und machte sich auf den Zehenspitzen davon.
Cesare sprang dem König munter entgegen: »Ich freue mich, Herr Bruder!« rief er schallend und mit neckenden Augen.
Der König aber schritt an ihm vorbei zu Cosimo. Der hatte sich in heftiger Aufregung erhoben, blickte ernsthaft, aber doch halb schon versöhnt, und nun der König ihm beide Hände reichte, nickte er und sagte: »Ich freue mich! Ich bin erstaunt,« setzte er mit Betonung hinzu, »aber ich freue mich.«
Der König lächelte schüchtern, beglückt und verlegen, sah den beiden Prinzen fragend in die Augen, schaute dann zerstreut durch das Fenster, tat unruhig ein paar Schritte hin und her und stammelte: »Ja ... nun ist es ... ja ... allerdings ... aber ... nun aber ...« Damit brach er ab und schüttelte jetzt auch dem fröhlichen Cesare die Hand.
Cesare trat ihm dreist unter die Augen: »Wann hast du dich verlobt, Herr Bruder ...?«
Pescaro warf den Kopf zurück: »In dieser Nacht!«
Cesare blinzelte: »Ich meine abends, oder erst um Tagesanbruch?« Und weil er nicht sogleich verstanden wurde, sagte er: »Also hast du dich verlobt, noch ehe du dort hinunter bist, oder nachher ...?« Dabei wies er mit der Hand nach dem Liebesschlößchen.
Der König wandte sich zu Cosimo und sagte mit großem Ernst: »Ich weiß nicht, Oheim, wieviel Uhr es war, als ich die Prinzessin von Mallorka mir zur Braut wählte, aber ich glaube, daß ich es um eine Stunde tat, in der dieses kleine Haus da unten schon leer und verriegelt gewesen.«
Cosimo und Cesare fuhren zusammen. Der junge Prinz eilte an das Fenster, beugte sich hinaus, sah zur Favorita hinunter, an der alle Laden und Türen geschlossen waren, und er murmelte: »Arme Properzia!« Dann aber sprang er sogleich wieder zu seinem Bruder und rief: »Jetzt zeige uns endlich das Wunderbild. Seit gestern vergehen wir vor Neugierde nach der schönen Lianora.«
Der König zog die Oberlippe herab, preßte den Mund zusammen und sah gerade vor sich hin. Sein Antlitz bekam jetzt wieder diesen Ausdruck kalter, entschlossener Hoheit. Dann sprach er hart und streng zu Cosimo: »Oheim, ich kam, weil ich Euch allein glaubte und mit Euch das Vorgefallene besprechen wollte.«
Cesare verbeugte sich und ging. Der König beachtete ihn nicht. Cosimo stand und wartete. Pescaro aber schritt erregt im Zimmer auf und nieder. Nach einer Weile sagte er: »Verzeiht, Herr Oheim – in dieser Sache konnte ich mir von niemandem raten lassen. Ich konnte und wollte nicht.«
Cosimo erwiderte leise: »Es scheint so!«
Der König wanderte im Zimmer umher. Dann zog er plötzlich aus seiner Brust das kleine Emailbild hervor und reichte es dem Prinzen: »Betrachtet dieses Antlitz!«
Cosimo erhaschte das Bildchen und hielt es mit seiner zitternden Hand gegen das Licht. Der König stand dabei und beobachtete ihn und sah, wie seine alten, morgenbleichen Züge rot und röter wurden, wie sein stiller Atem schneller ging. Und der König lächelte glücklich.
»Wißt Ihr es?« fragte er voll Spannung.
Cosimo schüttelte das Haupt: »Nein, ich weiß es nicht. Und niemand vermag es zu wissen.«
Der König nahm das Bildchen wieder an sich. »Das entscheidet!« rief er. »Diesem Angesicht kann ich den Schrei der Liebe nicht abforschen und nicht abfragen. Das entscheidet. Unergründlich sind die Züge dieses Mädchens, und was ihre Seele spricht, rate ich vergebens.«