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»Sehen Sie, Doktor, da ist nichts als ein winzig kleiner Keller, nicht wahr? Ein Kohlenkeller ist es mit einer runden eisernen Platte zum Verschluß der Luke. Können Sie sonst etwas darin entdecken?«
Nielsen und der Doktor befanden sich auf ihrer Entdeckungsreise. Es war jetzt heller Tag, und sie waren fest entschlossen, die Katze aufzufinden. Sie mußte sich im Hause befinden – sie konnte nur im Keller sitzen – der Keller aber, der einzige, den es im Hause gab, war leer. Das Tier heulte auch nicht mehr, sondern schien sich nach den Anstrengungen der Nacht zur Ruhe begeben zu haben.
»Wir haben geträumt, mein Lieber,« sagte der Doktor, »sofern nicht etwa Edgar Allan Poes Erzählung von der Katze, die irgendwo zusammen mit einem Leichnam eingemauert worden war, sich verwirklichen sollte. Nicht wahr, das wäre etwas für Sie, Herr Kriminalist! Eine eingemauerte Katze, die mit ihrem Winseln und Miauen die Justiz herbeiruft. Dann wäre der Spuk, den wir in der Nacht hörten, ja gar nichts so Sonderbares. Na, laßt uns wieder ans Tageslicht gehen.«
Sie schritten hinauf und gingen noch einmal um das ganze Haus. Der Flügel, in dem das Speisezimmer lag, war neu angebaut worden und hatte sein eigenes Dach; er war wie das übrige Haus aus braunen Ziegeln erbaut, während der Sockel aus Zementsteinen bestand. Wegen des Luftzutritts waren in den Sockel schmale Fugen eingeschnitten, die mit eisernen Gittern verschlossen waren. Nielsen schritt außen herum und probierte mit einem Stock, ob diese Fugen auf einen Hohlraum gingen.
Plötzlich hielt er inne.
»Doktor,« sagte er, »hier ist ein Raum, der zwar nur niedrig sein kann, immerhin aber hoch genug, um einer Katze Obdach zu gewähren. Sie sollen sehen, da sitzt die Katze drin!«
»Kriechen Sie doch hinein,« versetzte der Doktor ironisch. »Machen Sie sich dünn und kriechen Sie durch das Gitter. Einen andern Weg gibt's nicht.«
»Hm, der Fußboden des Speisezimmers, das an dieser Stelle liegen muß, ist mit Linoleum bedeckt.«
»Wollen Sie das etwa aufreißen?« schrie der Doktor entsetzt.
»Je nun,« meinte Nielsen, »ich wünsche der Sache auf den Grund zu kommen, denn ich will meine Nachtruhe haben – auch würden wir sonst grausam gegen die Katze handeln.«
»Wie in aller Welt meinen Sie aber, daß das Tier dort hineingelangt ist? Die Gitter sind vielleicht weit genug, um eine Maus durchzulassen.«
»O, zum Beispiel durch eine Falltür, die vielleicht unter dem Linoleum versteckt ist,« versetzte Nielsen und schritt auch schon eilig auf die Korridortür zu.
Der Doktor folgte ihm – fast ärgerlich. Wie immer, war er auch jetzt der Widerspenstige von beiden, wenn er auch zugeben mußte, daß Nielsens Vermutung das Richtige treffen konnte.
Das Linoleum wurde entfernt, und – siehe da, es zeigte sich in der Tat im Fußboden eine Falltür, die ohne Stufen in den kellerartigen Raum hinunterführte. Und kaum war das Licht durch die kleine viereckige Öffnung in den Keller gedrungen, als eine lange, dünne graue Katze heraussprang, die, nur noch halblebendig, voller Angst und Scheu mit steifen, ungelenken Bewegungen durch den Korridor in den Garten flüchtete, wo sie verschwand.
»Das war die Katze,« sagte Nielsen.
»Das war sie,« bestätigte der Doktor, »aber wie zum Teufel ist sie da hineingekommen?«
»Wir wollen uns eine Lampe und eine Leiter besorgen,« versetzte Nielsen. »Damit klettern wir dann hinunter. Ich meine, da steckt noch mehr dahinter.«
Es war ein ganz niedriger Keller, zu dem die Luft nur durch die schmalen, vergitterten Fugen Zutritt hatte. Er mochte früher als Weinkeller gedient haben, gegenwärtig war er leer. Nur in einer Ecke stand eine große lange Kiste mit zugenageltem Deckel.
Nielsen trat hinzu, um sie näher in Augenschein zu nehmen.
»Passen Sie auf, es explodiert noch,« scherzte der Doktor. »Wissen Sie was? Hier hat ein russischer Terrorist gewohnt und in diesem Keller seinen Vorrat an Dynamitbomben verwahrt. Dort sieht es übrigens aus, als wäre Kalk verspritzt worden. Richtig, es ist Kalk.«
»Warten Sie einen Augenblick,« sagte Nielsen, »ich werde ein Stemmeisen holen.«
Der Doktor stand mit der Lampe in der Hand und wartete pfeifend, bis Nielsen mit dem Stemmeisen kam. »Sie sollen sehen, Herr Kriminalist, da liegt am Ende gar eine Leiche in der Kiste. Genau wie bei Edgar Allan Poe!«
Nielsen riß den Deckel herunter. »Leuchten Sie hierher, Doktor,« sagte er ein wenig aufgeregt.
Der Doktor – noch immer pfeifend – kam mit der Lampe herbei. Plötzlich verstummte er. »Es sieht wirklich ganz so aus, als ob ...« meinte er, immer noch scherzend, doch plötzlich schlug seine Stimme heiser um – – – »Dort unter dem Kalk – – liegt ein Tuch – – – heiliger Gott, nun hört aber der Spaß auf – – es liegt wirklich eine Leiche in der Kiste!!«
Der Doktor setzte die Lampe auf den Boden, und dann machten sie sich ans Werk. Nielsen schlug mit dem Stemmeisen und einem Stück des losgerissenen Deckels den weißen Kalk in großen Stücken ab. Keiner sprach ein Wort, aber nach wenigen Minuten eifriger Arbeit lag der Leichnam eines Mannes auf dem feuchten Steinboden des Kellers. Sein Gesicht war nicht zu erkennen; man hatte es mit Vitriol oder einer andern scharfen Substanz zerstört. Seine Bekleidung bestand nur aus einem Nachthemd, um das ein alter Schal geschlungen war.
Der Doktor wickelte den Schal ab. »Halten Sie die Lampe dicht heran – so, in dieser Weise,« flüsterte er Nielsen zu.
Nielsen tat es, und der Doktor begann seine Untersuchung.
»Da in der Brust ist eine kleine längliche Wunde. Mord! Der Mann ist ermordet, in die Kiste gepackt und hier heruntergeschafft worden. Und bei dieser Gelegenheit muß sich auch die Katze mit eingeschlichen haben.«
Nielsen erwiderte nichts. Er kniete, über den Toten gebeugt, während der Doktor mit seiner Untersuchung fortfuhr; es war ein Mann mittleren Alters, mäßig groß und außerordentlich wohl gebaut. In seiner Wäsche war kein Zeichen zu finden, doch war sie von feinem Stoff.
»Gut, daß Madame Sivertsen nicht hier ist,« bemerkte Koldby, »sie wäre sicher in Ohnmacht gefallen.«
Diese Bemerkung rief Nielsen in das tägliche Leben zurück. »Wir wollen hinaufgehen,« sagte er.
Aber der Doktor wollte nicht. »Ich muß erst meine Untersuchung beenden. Denn schließlich bin ich doch Arzt von Beruf. Mit einer tödlichen Waffe umgebracht, mit einem Frauenschal umwickelt, in Kalk verpackt und schließlich in eine Kiste eingeschlossen, um vergessen zu werden – – wenn nicht die Katze dazwischengekommen wäre! Das ist Weibeswerk und es scheint erst kürzlich geschehen zu sein – – warten Sie mal – – wie lange kann eine Katze ohne Nahrung leben?«
»Wir wollen hinaufgehen,« wiederholte Nielsen. »Und wenn Frau Sivertsen nach Hause kommt, wollen wir Stillschweigen über den Fund bewahren.«
So stiegen sie hinauf in das Speisezimmer, schlossen die Falltür und deckten das Linoleum darüber.