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Sechzehntes Kapitel.
Seltsame Fest-Vorboten

Während Murmelmayer sich in sein Manuskript vertiefte und in Betrachtungen über eine vergangene Zeit versank, begann um ihn im Klosterhofe ein Leben der Gegenwart, welches bald alle Aufmerksamkeit auf sich zog und festhielt.

Ein großer, eleganter, mit Kisten und Koffern reich beladener Reisewagen kam an und fuhr ohne Umstände und Anfrage nach dem großen Hofraum herein, in dessen Mitte er stille hielt und sich vor allem seiner Passagiere entledigte.

Es waren vier wohlgepflegt, rüstige und in ihrer Lebensart, wie man bald bemerkte, wohldressierte Männer. Über ihre Bestimmung blieb man auch nicht lange im Unklaren.

Nachdem sie drei Wohnräume zu ebener Erde mit Beschlag belegt und zunächst ihre eigenen Koffer unter Dach gebracht, kam der eine, ein Riese von Gestalt, mit bis auf die Brust reichendem Vollbart, nach dem Haustore zugeschritten, wo er ganz resolut für sich – und wenn es sonst jemand hören wollte, auch für andere bemerkte, die Stube neben dem Tore links habe ganz die richtige Lage und Größe und sei ihm ohne Umstände einzuräumen. – Ein zweiter, mittelgroß, um die Lenden wohlgerundet, mit schwarzem, wolligem Backenbart auf den Blasengelwangen und gewohnt, fort und fort eigentümlich wirbelnde Handbewegungen auszuführen, eilte nach der Küche, wo er zum nicht geringen Erstaunen der Wirtin und Monikas die Räumlichkeiten in gewiegten Augenschein nahm und, was deren Ausdehnung anbetraf, zureichend, dagegen die Einrichtung äußerst mangelhaft fand, was indessen, wie er hinwarf, nichts verschlage, da er mit allem vorsorglich versehen sei, nur aber freilich erwarten müsse, das nötige Hilfspersonal vorzufinden. – Der dritte, eine gewöhnliche Diener-Erscheinung mit etwas geröteter, verstauchter Nase, bemächtiget sich eines Kellnern, der, die Serviette über der Schulter, verwundert unter dem Torbogen stand und dem Ereignis mit Staunen zusah; er musste stehenden Fußes die im Klosterhof für Gäste verfügbaren Zimmer sehen lassen, deren Meublement kopfschüttelnd geprüft und mit der Bemerkung abgeurteilt wurde: »Es täte not, dass unsere Herrschaft auch noch Garnituren überschickte!«

Während dieser dritte noch über den Fundus instructus des Klosterhofes Erkundigungen einzog, welche ihn mit Befriedigung an die große mitgebrachte Kiste mit Geschirr und Esszeug denken ließen, war der vierte bereits mit Lucian, den er attrappierte, in die Kellerräume untergetaucht, welche er hinsichtlich ihrer Ausdehnung – einstige Klosterkeller! – superb fand, entgegen seinen Wahrnehmungen bezüglich der vorhandenen Vorräte von Wein und Bier. »Zum Glück«, bemerkte er, »ist meine Herrschaft reich genug, um die Gesellschaft vor Schaden zu behüten; wir haben's ja und bringen's auch gleich mit!«

Nach einer Stunde war sachte und sorgfältig abgeladen, die meisten Kisten in den Keller geschafft, die Koffer in die »Appartements ihrer zu erwartenden Herrschaft« – drei der schönsten Zimmer mit prachtvoller Aussicht im ersten Range; die Angekommenen aber erschienen jetzt in Anzügen, welche hinsichtlich ihrer Bestimmung keinen Zweifel übrig ließen.

Der Riesige mit Vollbart trat aus seinem ebenerdigen Gelass hervor in langem, hellblauem, pelzverbrämtem Rock, einen Sturmhut auf dem Kopf und in der Rechten einen großen Portierstock mit vergoldeter Kugel; er begab sich, wortlos angestaunt, mit dem gemessenen Schritt eines Tragöden, nach dem Toreingang auf seinen Posten. – Der Wohlgerundete mit Backenbart hatte seinerseits, als Zierde seines Standes, die weiße Mütze eines Koches auf dem Haupte, die blendend weiße Schürze um die Lenden und übernahm ohne Installierung das Regiment der neuen Küche-Ära. – Der dritte, Nasenverstauchte, im einfachen Anzug eines Dieners, eilte in die Zimmer seiner Herrschaft, um auszupacken und zu ordnen, während der vierte, Glattrasierte, mit langem, blassem Gesicht, lebhaften schwarzen Augen und orientalischer Adlernase – eine Art »Oberer« über die andern – es erst jetzt der Mühe wert fand, nach dem Herrn des Hauses zu fragen und diesem, der eben von einem Geschäftsgang zurückkehrte und mit krauser Stirne von dem eindringlichen Gebaren Notiz nahm, einen Brief zu überreichen, in welchem die wenigen Worte standen:

 

»Bitte, meine Leute bestens aufzunehmen und schalten zu lassen; es soll Ihr Schade nicht sein. Näheres meldet Ihnen Herr von Altringer, welcher wohl bereits bei Ihnen abgestiegen ist.

Heimann, Bankier.«

 

Meinböck schaute noch verdrossen auf die seltsame Zuschrift, als Hilarius, der ebenfalls einen offenen Brief in der Hand hielt, die Treppe herab kam und vermittelnd zwischen beide trat.

»Herr Meinböck«, sagte er in unverkennbarer Bewegung, »ich bitte die angebotene Aushilfe anzunehmen, sie kommt von guter Seite und wird uns ohne Zweifel von Nutzen sein!«

»Aber so ohne Vorbereitung, ohne alle Umstände …« sagte Meinböck, über Hilarius' Vermittlung ebenfalls verwundert.

»Ganz recht«, fiel ihm Hilarius in das Wort, »und zum Teil bin ich selbst daran schuld.« Er nickte dem Glattrasierten zu, dass alles in Ordnung sei, und zog Meinböck am Arme bei Seite.

»Es war nicht die richtige Art«, fuhr er fort, »wie man da in den Klosterhof einzog und sich's unbefragt bequem machte; es wird auch der Auftrag der Herrschaft nicht so gelautet haben. Aber es ist geschehen, und ich bitte, die Sachen nicht so genau zu nehmen. Der die Diener und Vorräte gesendet hat, ist ein Freund meines Vaters, an den er hier Näheres schreibt. Es werden außer ihm noch andere Freunde kommen, in rascher Aufeinanderfolge; ich habe heute, ja schon gestern darauf vorbereiten wollen. Ich werde über alles Aufklärung geben; über die Sendung der Diener und Vorräte enthält Näheres dieser Brief.«

Hilarius übergab den Brief, in welchem in seltsam lebhafter Weise um die Ehre gebeten ward, zur Bewirtung der Freunde, die wiederzusehen ein außerordentliches Vergnügen sein werde, seinen besonders glücklichen Verhältnissen gemäß beitragen zu dürfen. »Zwar«, schloss das Schreiben, »bin ich im Augenblick durch leichtes Unwohlsein noch an der Abreise verhindert, werde aber rechtzeitig eintreffen, und wäre ich auch nur halb am Leben! Denn der Tag ist zu denkwürdig, das Wiedersehen zu erhebend, die Geständnisse werden Schicksale entrollen …«

Dem Schreiber schien es nicht angezeigt, ein Weiteres mit Emphase auszuführen, er schloss den Brief mit sprudelnd-heißer Begrüßung und Bekräftigung unverbrüchlicher Freundschaft und Treue …


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