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Sechsunddreißigstes Kapitel.
Verlobung.

Am nächsten Tage waren Jan und sein Vormund im unvermeidlichen Frack erschienen, die offizielle Werbung um Helene anzubringen.

Man hatte die Ringe gewechselt, und wenn die Verlobung geheimgehalten wurde, so geschah das aus verschiedenen Gründen. Erstens aus Rücksicht für Frau von Rudowitz, die vor Allerheiligen, dem Zeitpunkt der Hochzeit, Siebenbürgen nicht verlassen konnte. Dann auch aus Rücksicht auf Effendis Vergangenheit, die ja genug von sich reden gemacht hatte, von der aber niemand sprach, da jeder sie kannte oder – zu kennen glaubte.

Die Neuheit seines Standes als Bräutigam versetzte Jan Korab in große Unruhe, erweckte in ihm unwillkürlich die Erinnerung an – Vergangenes. Doch machte er sich darüber sofort Vorwürfe, nannte es eine Treulosigkeit gegen Helene ... An solchen Tagen wanderte er zu Fuß aufs Geratewohl durch die Felder, sprach sich Vernunft ein, schalt sich, rief sich unerbittlich alle demütigenden Einzelheiten von Malvas Verrat ins Gedächtnis und fluchte der Treulosen von neuem.

Helene, die mit der Herrichtung der Ausstattung, der Wahl ihrer Toiletten vollauf beschäftigt war, strahlte und dachte nur noch daran, sich schön zu machen, Jan zu gefallen.

Von Zeit zu Zeit fühlte sie Gewissensbisse darüber, daß sie nicht alles, was sie von Malvas Lage wußte, Jan mitgeteilt hatte. Aber dann kam sie ein Lachen an: war das wirklich ihres Amtes? Und immer wieder sagte sie sich, daß auch sie Anspruch auf Glück habe.

Früher fand man in den slavischen Gutshäusern noch Spinnstuben, wo die Töchter des Kleinadels am Spinnrad fromme Lieder sangen, während die Pagen und Junker ihnen eifrig zuhörten. Manchmal führte das zu einer Heirat. So zum Beispiel am Ende des achtzehnten Jahrhunderts zu der der blonden Justine Krzyzanowska mit den Kornblumenaugen, deren entzückende Stimme und scheue Anmut das Herz des jungen Nikolas Chopin, des bescheidenen Hofmeisters beim Grafen Friedrich Skarbek, gewann. Er erhielt ihre Hand, und dieser Ehe entsprang der berühmte Komponist.

Heute spinnen die Kammerfrauen nicht mehr, doch machen sie wundervolle Stickereien. Die Baronin war sehr stolz auf ihre geschickten Stickerinnen, die seit Wochen die Batist- und holländischen Leinenstoffe, die sie ihrem Mündel bestimmte, mit feinen Arabesken zierten. Außer den Haufen von wappengeschmückter Haus- und Tischwäsche, den Taschentüchern, deren Gewebe unter Spitzen verschwand, fielen besonders gestickte Vorhänge auf, die so harmonisch in der Farbe, von so origineller Zeichnung waren, daß sie der ganz eigenartigen Heimindustrie zur höchsten Ehre gereichten. Um diese Meisterwerke besser zur Geltung zu bringen, hatte Frau von Torna zuerst die Wäsche auf kreisförmig aufgestellten Tischen aufbauen, dann die Stickereien und Vorhänge künstlerisch ringsum drapieren lassen, so daß sie in der Sonne glänzten und in allen Regenbogenfarben spielten.

Das Glanzstück der Aussteuer war jedoch der Brautschleier. Er war mit einer ans Fabelhafte grenzenden Silberstickerei versehen, und so fein gewebt, daß er sich leicht durch den Trauring ziehen ließ.

»Wenn Sie artig sind,« hatte die Baronin lachend zu Effendi gesagt, »bereite ich Ihnen eine Überraschung.«

Und sie hatte ihn in den Aussteuersaal geschleppt, wo Helene im Kreise der geschäftigen Dienerinnen den Brautschleier über ihr Goldhaar breitete.

Sie war so blendend schön, daß Frau von Torna einen begeisterten Ausruf des jungen Mannes erwartete. Statt zu bewundern, blieb Jan aber, wie hypnotisiert, vor den Bergen von Tisch- und Bettzeug stehen. Und plötzlich waren Torna-Gora, Helene, die Baronin, die Kammerfrauen, alles für ihn verschwunden. Er war wieder in »Grüntann«, im Waldhaus, sah die Verwirrung der armen, kleinen Malva an dem Tag, als die beiden groben Nachbarn ihr so spöttisch vorgeworfen hatten, daß sie in damastenen Tischtüchern geschlafen, während ein Laken den Frühstückstisch bedeckte.

»Nun, Effendi, sehen Sie denn nicht die schöne Frau Korab Pascha?«

Rasch hatte er aufgeblickt und eine Entschuldigung gestammelt.

Helene aber hatte zornig den Schleier heruntergerissen, auf die Gefahr hin, ihn zu zerfetzen.

»So lassen Sie ihn doch, liebe Baronin,« hatte sie gerufen. »Sehen Sie denn nicht, daß dieser musterhafte Landwirt sich vor allem für das Praktische interessiert?«

Sie erriet, daß er von irgend einer dunklen Erinnerung der Vergangenheit umstrickt war, und ihre Blicke, die sie zur Milde zu zwingen suchte, prüften die schwermütigen Augen des jungen Mannes.

Sie hatte sich ihm genähert.

»Kann man, schöner Träumer, den Gegenstand Ihres Sinnens erfahren?« fragte sie mit neckender Stimme.

»Es kann ja kein andrer als unsre Zukunft sein,« antwortete er mit etwas erzwungener Galanterie.

In demselben Augenblick war der Baron mit zwei lärmenden Windhunden erschienen. Da beugte sich Helene zu Jan: »Gelogen, Korab Pascha,« sagte sie und versuchte zu lachen; »wenn meine Gedanken einmal von Ihnen weg, in andrer Richtung gehen sollten, verspreche ich, es Ihnen zu sagen.«

»Nun, mein lieber Effendi,« sagte der Baron, »kommen Sie morgen mit uns? Es gibt eine Riesentreibjagd im Wald ... meine Leute sind schon vorausgeschickt. Der Jagdpavillon wird für zwanzig Gäste eingerichtet. Man wird schmausen und, wie die Damen sagen, sogar tanzen; ich hoffe, Herr Anastasius wird nicht fehlen. Das Rendezvous ist im Walde selbst.«

Jan verbeugte sich: »Wir werden auf dem Posten sein, lieber Baron.«

*


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