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Neuntes Kapitel.
Frau Piks Zimmer.

»Ich muß wirklich selbst mit Herrn Pik reden,« hatte Malva, noch ganz bestürmt von der Szene auf dem Markt, sich gesagt. Und einen Augenblick, wo Jan das Haus verlassen hatte, benutzend, war sie durch das Piksche Haus nach einem Raum geschlichen, der ausschließlich den Damen reserviert, ein wahres Gynäzeum bildete, in dessen Vorzimmer die zahlreichen Hausmädchen nachts unausgekleidet und wie eine Herde zusammengepfercht schliefen.

»Da bist du ja endlich!« rief Lina. »Warum hast du acht Tage lang geschmollt? Komm, laß dir mein neues Kleid zeigen.« Sie stand vor einem zu kleinen, am Boden in die Wand eingelassenen Spiegel und probierte ein rosa Tarlatankleid. »In diesem werde ich beim griechischen Popen tanzen, und in dem blauen beim katholischen ›Tanzsegen‹. Nicht dem der Rudowitz! ... Die Damen sind viel zu stolz, uns einzuladen. Papa freilich geht mit Effendi und Graf Severin hin. Nastunia ist wütend darüber. Hast du wohl gemerkt, wie gut sie mit dem Grafen steht? Die reinen Turteltauben.«

Im Schwatzen stieß sie ihre Schleppe leicht mit dem Fuß nach rechts und links.

Auf dem Diwan gelagert, einen Teller Eingemachtes auf den Knieen, war die üppige Frau Pik mit Essen beschäftigt, während zwei junge Dienerinnen sich abmühten, ihr rosa Strümpfe anzuziehen, die ihr zu eng waren. Kammermädchen in rotgestickten Hemden gingen barfüßig ab und zu, ohne sich im geringsten um die unglaubliche Unordnung zu kümmern, die allerhand auf die Möbel, den Boden, die ungemachten Betten geworfene Kleidungstücke in dem Zimmer hervorbrachten.

»Jetzt gebt mir die Taille,« rief Lina und ließ ihre blendenden Schultern sehen.

Die beiden jungen Mädchen, die Frau Pik bestrumpften, ließen ganz ungeniert die Füße ihrer Herrin fahren. Diese streckte sich auf den Diwan, jene aber beeilten sich, eine Taille, die irgendwo herumlag, aufzuraffen.

»Ihr Schafe! Doch die nicht!«

Und Lina warf dem Kammermädchen einen Samtspenzer ins Gesicht, an dem noch zwei verwelkte Rosen hingen.

Dann rief sie lachend: »Siehst du die Rosen, Malva? Wie ich sie jetzt betrachte, habe ich Gewissensbisse ... Effendi hatte sie mir für dich gegeben ... du weißt schon, an dem Tag, als du dich so töricht benommen ... Aber, meiner Treu, Feodora kam, um mich abzuholen, da hab' ich nicht mehr dran gedacht ... Ich bin schlecht, nicht wahr? Aber du bist mir nicht böse!«

Und freundlich strich sie über Malvas Seidenhaar. Eine seltsame Bewegung hatte Malvas Herz ergriffen.

»O,« sagte sie sanft, »das hat nichts zu bedeuten.«

In diesem Augenblick stürmten Nastunia und ihre beiden Brüder lärmend herein. Die Jungen suchten ihr den prächtigen Mohn- und Honigkuchen zu entreißen, den sie in der Küche stibitzt hatte. Als Tymofte Lina im Ballkleid sah, schwenkte er sie herum, doch ärgerlich gab sie ihm eine Ohrfeige. Indes hatte Simeon den stark beschädigten Kuchen erwischt: »Das Fräulein wollte ihn sicher mit ihrem Liebhaber teilen,« grinste er. »O, ich sehe euch täglich, wie ihr auf der Terrasse Süßigkeiten eßt und euch küßt. Das wird ebenso endigen wie mit Tatiana und ihrem Russen ...«

Herrn und Frau Piks älteste Tochter hatte sich nämlich letztes Jahr von einem Russen, den Herr Pik als Agent ruiniert hatte, entführen lassen.

Mit der müden, gleichgültigen Geste der Orientalin sagte Frau Pik: »Kümmere dich nicht um die Angelegenheiten deiner Schwestern.«

Dann ließ sie sich das Streitobjekt bringen, legte es, fettig und klebrig wie es war, auf ihre Kniee, ohne auf ihr hellseidenes Kleid zu achten, und bald hockte sich die wieder versöhnte Familie rund um sie, gemeinsam schnabulierend. Malva benutzte den Tumult, um die Rosen von der Taille zu lösen, und ungesehen trug sie sie, wie einen Schatz, davon.

Sie fühlte sich unsagbar glücklich, leicht und lebensfreudig.

»Hast du mit Herrn Pik gesprochen?« fragte die Tante, als Malva so heiter zurückkam.

»Nein, ich habe mir's überlegt, ich werde spielen.«

Und Theklas Gesicht erhellte sich bei dem Gedanken, daß der edle Vetter seinen Wunsch erfüllt sehen sollte.

Als Malva an diesem Abend gebetet hatte, barg sie die Rosen, die an der koketten Lina Busen verwelkt waren, in einem Seidensäckchen, steckte es unter ihr Kopfkissen und schlief mit einem Lächeln auf den Lippen ein.

*


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