Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
»Hübscher Anfang einer Existenz!« denkt Jan Korab und betrachtet das elende Loch, das ihn umgibt. »Einerseits mit der Familie überworfen, anderseits geschlagen, und der Beutel leer.«
Es klopft. Gewiß Freund Severin.
Da taucht ein kleiner, brauner Mann in einem prächtigen Pelz, mit lächelndem Antlitz, schwarzen, von Klugheit funkelnden Augen vor ihm auf und überhäuft ihn mit Zeichen der lebhaftesten Sympathie.
»Pik, Geschäftsmann,« sagt er zuerst, sich vorstellend. »Sie erkennen mich also nicht wieder, lieber Herr? Ich war auf dem Schlachtfeld von Plewna, als Sie fielen, ich habe Sie aufgelesen, nach der Ambulanz getragen und bis Jassy begleitet. Ah, man hätte damals nicht viel für Ihr Leben gegeben.«
Mit rascher Bewegung reicht Jan dem Unbekannten die Hand und bittet ihn, auf einem Stuhl am Fuß des Bettes Platz zu nehmen.
»Sie haben also mit uns gekämpft?«
Der kleine Mann macht einen Satz.
»O nicht doch! Ich bin Militärlieferant. Als Osman-Pascha den Wid überschritt, eilte ich von Tirnowo herbei.«
»Was, von Tirnowo!« sagt Jan erstaunt, »Sie lieferten Ihr Getreide den Russen?«
»Ach nein. Hab' ich den Kopf verloren? Ich wollte sagen, von Rustschuk, ja, von Rustschuk. Sie müssen verzeihen, aber mein Gedächtnis hat seit jenen schrecklichen Tagen gelitten. Ich sagte also, daß, als ich Sie nach Jassy gebracht, ich Ihre Aufnahme in ein Lazarett bewirkt habe. Da meine Geschäfte mich aber nach einer andern Richtung riefen, ließ ich Sie in Obhut Ihres Freundes Severin zurück. Und kaum war ich wieder in Czernowitz, so kommt eines schönen Morgens Herr Severin zu mir und erzählt mir gleichzeitig Ihre Genesung und Ihre demnächstige Ankunft hier.«
»Warum ist der verteufelte Severin aber nicht selbst gekommen?«
Herr Pik antwortete mit einem fröhlichen Lächeln.
»Abgereist, lieber Herr, plötzlich telegraphisch nach Brzezany abgerufen. Hat mich aber beauftragt, ihn zu vertreten. Glauben Sie, daß ich mich sehr darüber freue, und daß Sie an mir einen wahren Freund gefunden haben. Mein Haus soll das Ihre sein ... meine Familie ...«
Jan hielt ihn mit einer Gebärde an.
»Sie kennen mich ja aber gar nicht, mein Herr.« Er war wie vor den Kopf geschlagen bei dem Gedanken, daß dieser Leichtfuß von Severin ihn, ohne Geld, auf Gnade und Ungnade an einen Unbekannten auslieferte.
»O,« rief der kleine Mann lebhaft, »wer kennt nicht den Sohn des großen Patrioten Max Korab, den Neffen des gelehrten Anastasius Zenowitz, Abgeordneten im Reichsrat zu Wien? Den ruhmreichen Schützling Osman-Paschas!«
»Ach, mein Herr, ich bin ein Besiegter. Unglückliche Umstände haben meine Beziehungen zu meinem Onkel gelöst, und mein erlauchter Protektor, ein Gefangener der Moskowiter, hat seinen Degen den Zaren übergeben!«
»Der Zar hat ihn ihm zurückerstattet, der Großfürst hat ihn besucht und seiner Tapferkeit alle Anerkennung gezollt, der Sultan ihm den Titel Ghazi, der Siegreiche, verliehen.«
Ein Leuchten ging durch Jans Augen.
»Was die unterbrochenen Familienbeziehungen betrifft,« fuhr Herr Pik fort, »so werden sie sich notwendigerweise in der Folge von neuem anspinnen. Kurz, was Sie, um es rund herauszusagen, brauchen, ist vorläufig ein wenig Kredit. Nun, ich will Sie mit einem hiesigen Bankier bekanntmachen, der auf meine Bürgschaft Ihnen die gewünschte Summe vorstreckt.«
»Sie wollten das wirklich für mich tun!« rief Jan gerührt.
Das Männchen machte eine hoheitsvolle Bewegung.
»Kleinigkeit ... aber die Hauptsache ist in diesem Augenblick, Sie aus dieser Höhle zu bringen, in die Sie durch den Leichtsinn Ihres Freundes geraten sind. Sie scheinen noch nicht hergestellt, Ihre Augen haben Fieberglanz, Ihre Wangen sind eingefallen. Kommen Sie zu mir. Ich biete Ihnen mein Haus an, das warm und geräumig ist. Meiner Frau und meinen Töchtern wird es ein Vergnügen sein, Sie zu zerstreuen.«
Da Jans Gesicht einen etwas hochmütigen Ausdruck annahm, sagte Herr Pik: »Beruhigen Sie sich, Sie sollen uns Pension zahlen.«
Jetzt wurde Jans Stirn heiter.
All sein Mißtrauen war beseitigt, und die Zukunft erschien ihm weniger finster.
»Angenommen,« sagte er, seinem Helfer die Hand reichend. »Sie handeln wie der beste der Freunde.«
»Und ich schmeichle mir, es zu sein.«
Eine Viertelstunde später, nachdem die Rechnung bezahlt, das Gepäck auf den Schlitten geladen war, entführte Herr Pik strahlenden Antlitzes seinen Pensionär.
*