Julius Mosen
Georg Venlot
Julius Mosen

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Sechstes Buch.

Erstes Kapitel.

Eines Morgens kam Rudolph, festlich geputzt in das Gartenhaus zu unseren Freunden. Er wurde freundlich bewillkommnet; aber so munter der Geselle auch sonst gewesen war, so schien es doch, als ob er jetzt, mit vielfacher Verlegenheit kämpfend, keine passenden Worte finden könnte, um sein Anliegen über die Zunge zu bringen.

Ich möchte doch wissen, begann Heinrich, was unserem Freunde das Herz drückt; sitzt er doch hier wie eine junge Braut, welche nicht weiß, soll sie zum Zeitvertreib ein Weniges lachen, oder ein rührendes Solo abweinen.

Wenn ihr mir kurze Aufmerksamkeit schenken, und mein Herz erleichtern helfen wollt, so wäre es am besten, ich erzählte euch die ganze Geschichte.

Sie haben geduldige Zuhörer und Freunde vor sich; versetzte Georg.

Wohlan! fing Rudolph an, und verzog den Mund, wie ein Kind, das heimlich ein Stückchen Zucker genascht hat; Gott schuf ein Männlein und ein Fräulein, um von Adam und Eva zu beginnen; da ich nun ein Männlein, obendrein Advocat und Notar, übrigens auch bereits dreißig Jahre alt bin, so möchte es gerade Zeit sein –

Den alten Adam aus, und den neuen anzuziehen! rief mit herzlichem Lachen Georg.

Unterbrecht mich nicht, fuhr Rudolph fort, sonst laufe ich mit meiner Predigt davon! Mit obigen Gedanken saß ich gestern Abend in unserem Grasgarten, welcher eben abgemäht war. Ich ließ musternd in meinen Gedanken die ganze Gesellschaft unserer Freundinnen an mir vorübergehen. Je mehr ich erwog, desto bänglicher wurde mir. In diesem Augenblicke kam die gute Karoline, meine Schwester zu besuchen, oben zum Garten herein. Dich führt mein guter Engel her! sagte ich für mich.

Karoline kam zu mir heran; ich ergriff ihre Hand und vermochte sie, mit genüglichem Sträuben ihrer Seits, sich neben mir auf die Grasbank zu setzen. Nach manchem Hin- und Herreden sprach ich: Karoline, eine Neuigkeit; ich werde mich verheirathen! Mit wem? fragte sie verlegen dagegen, und stand auf; ich aber warf mich vor ihr nieder, und rief verwirrt: Karoline, ich tauge zwar nicht viel, sonst aber bin ich gut, dir aber vor Allem! Küsse und Betheurungen versiegelten unsern Bund.

Damit aber nichts bei dem Vertrage unserer Herzen fehlen sollte, kamen meine Aeltern mit Mathilde heraus in den Garten; ich stellte ihnen meine Braut vor. Das gab ein sich freuen und küssen!–

Mein Vater, immer rasch wie ich selbst, war hurtig zurück in die Stube, schnell im Sonntagsrocke und brautwerbend, ohne daß wir es wußten, bei Karolinens Aeltern, welche bald mit ihm, Freudethränen in den Augen, herüber zu uns kamen.

Seht, Freunde, so ward die Verlobung noch gestern Abend aus dem Stegreife gefeiert, und unsere Mütter gaben ihre eigenen Brautringe her, um uns beide auf ewig zusammen zu ketten.

Unsere beiden Freunde wünschten ihm von Herzen Glück; Rudolph aber fuhr fort: in drei Wochen wird unsere Hochzeit gefeiert, mein Vater schreibt schon seit einigen Stunden an Einladungsbriefen und die Hochzeitbitter rennen und laufen; bei euch, ihr Freunde, wollte ich aber selbst der Herold meines Glücks sein, und euch zu meinem großen Festtage einladen.

Nun habe ich vor der Hand nur noch den Wunsch: euch angehenden Hagestolzen ein gutes Beispiel, das euch zu baldiger Herzens- und Sinnesänderung ermuntern möge, gegeben zu haben.

Du hast deine Sache, versetzte Heinrich, überall gut gemacht. Unsere Freude wegen deines Glückes, unsern Dank für deine Güte, lies auf unseren Gesichtern! und nun stärke dich, du Süßgewordener! mit einem herben Glase Burgunder.

Rudolph nahm das dargereichte Glas und sprach:

Was kann schöner auf Erden sein,
Als in der Freunde holdem Verein
Einen kräftigen Feuerwein,
Und trautes Weib für sich allein!

Seht den argen Renegaten des Hagestolzenthums! erwiederte Georg, er, früher aller Poesie abgethan, erlebt nun in seinen alten Tagen noch das Unglück, Versemacher zu werden!

Das kränkt mich nicht so sehr, entgegnete Rudolph, indem er Hut und Stock nahm, als daß ich euch, ihr Lieben, jetzt verlassen muß; denn auch ein Bräutigam hat seine Sorgen!

So nimm denn, sprach Heinrich, zu deinen übrigen Sorgen, noch tausend Grüße und Glückwünschungen von uns an deine liebe Braut und Doppelältern mit!

So schied denn der fröhliche Bräutigam munter von den Freunden.

Kurz nachher ward an Heinrich ein Brief überbracht. Nachdem er ihn gelesen, sagte er zu seinem Freunde: das wird uns manche vergnügte Stunde machen! Graf Rüderig ist mit seiner Gemahlin wieder auf seinem Schlosse, im benachbarten Ellerhaußen, aus dem Bade zurück angelangt, und meldet mir eben seine Ankunft. Du mußt ihn kennen lernen.

Es ist ein Edelmann, wie man sich nur einen solchen in der gefälligsten Form denken kann. Er ist in meinem Alter und erst seit einem Jahre verheiratet Er ist im Gespräche geistreich, im Umgange gewandt, übrigens ein Verehrer jeder schönen Kunst.

Du malst mir hier ein wahres Ideal von einem Manne, versetzte Georg, und machst mich in der That begierig, eine solche vornehme Bekanntschaft zu machen.

Dennoch, erwiederte Heinrich, ist es leicht möglich, daß sein Wesen dich wenig anspricht. Seine bequeme, gemessene, kalte und dennoch freundliche Weise, in welcher er sich zu geben gewohnt ist, zieht eben so an, als sie abstößt. Wie dem aber auch sein mag, wahr ist es, daß er seinen unermeßlichen Reichthum nur als Mittel betrachtet, sich und Anderen das Leben in jeder Richtung hin angenehm zu machen. Vorzüglich liebt er dramatische Vorstellungen. In seinem Schlosse hat er ein Liebhabertheater errichtet und unter Anderen im vorigen Winter selbst mich vermocht, einmal die Rolle eines alten Polterers in einem Lustspiele zu übernehmen. Hat der Graf eine Leidenschaft, so ist es die für die Bühne.

Ich zweifle nicht, daß er bald sein altes Steckenpferd wieder in Gang bringen wird, und, ich irre nicht, an dir, meinem poetischen Freunde, wird er eine gute Eroberung für das Liebhabertheater machen.

Ich selbst, habe mich nie mit dem Charakter des Grafen völlig aussöhnen können; er ist im Grunde ein angenehmer Egoist, der uns alle nur in sofern zu seinen Ergötzlichkeiten, als wir ihm Mittel dazu sind, hinzu zu ziehen weiß.

Die Gräfin dagegen ist ein sanftes, liebenswürdiges Weib, dessen Nähe auf Jeden wohlthuend einwirkt.

Auf solche Weise bemühte sich Heinrich, seinen Freund in allen Verhältnissen, welche sie umgaben, vertraulich einzuweihen.

Es war das schöne Band edelster Freundschaft, welches diese zwei wackeren Menschen verband.

Selten nur gestattet ein glückliches Geschick, daß sich eine solche innige Vereinigung zwei solcher Seelen verwirkliche; denn fast nie verläßt der Irrthum und Wahn die Menschen so sehr, daß der Beste im Gleichen sich und das Glück seeligen Brüderthums völlig erkennen könnte und dieses edle Gewächs des Himmels zu Blüthen und Früchten unbehindert empor zu pflegen vermöchte.


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