Julius Mosen
Georg Venlot
Julius Mosen

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Zweites Kapitel.

Es war Nacht. Die Wohnstube des altern Venlot war spärlich von einer Lampe erleuchtet. So viel bei dem schwachen Lichte sich erkennen ließ, zeigte Alles ringsum von einer gewissen Wohlhabenheit. An der gefirnißten Wand prangten bunte Bilder; über dem weißen glänzenden Tische in der Ecke hing ein schöner Spiegel im vielfach geschnörkelten Rahmen, mit vielen, Pfauenfedern besteckt, und blankes Zinngeschirre leuchtete in langer Reihe vom Gesimse herunter. Selbst an der geringsten Gerätschaft im Zimmer war eine gewisse saubere Zierlichkeit, welche auf ein gemächlicheres Leben hindeutete, als man sonst bei einem Landmanne zu finden glaubt, nirgends zu verkennen.

Auf dem Bette an dem einen Ende des Gemachs lag der Hausherr; neben ihm saß seine Ehefrau, welche leise vor sich hinweinte. Nach langem Schweigen, begann endlich die bekümmerte zu sprechen: ich bitte dich herzlich, theurer Mann! theile mir dein Leid mit. Du weißt es ja, wie ich alle Noth eben so gern als unser Glück mit dir stets getheilt habe! Als wir noch arm waren, oft kein Stückchen Brod miteinander zu essen hatten, und ich wohl oft verzagen wollte, warst du immer so froh und heiter; jetzt aber, da uns Gott überall geseegnet hat, unsere Schreine voll kostbarer Waare, unsere Kästen voll Geld sind; jetzt, da uns nichts mangelt, was zur Leibes Nothdurft und Nahrung gehört, bist du auf einmal ganz anders, finster, trüb und niedergeschlagen geworden! Rede doch, lieber Mann! –

Wo ist Georg? jammerte der Beängstigte; wo ist mein Sohn? Er ist immer noch nicht da? Mein Gott! Mein Gott! Was wird es ihm helfen, auf der hohen Schule zu sein, zu lernen, seinen Verstand auszubilden, und tüchtig zu werden! Er kommt nicht, er wird verloren sein!

Im Vorhause ertönten jetzt kräftige Schritte, die Thür ging auf, und Georg trat herein. Mein Sohn! schrie der Kranke auf, und hob sich vom Lager empor.

Vater! Mutter! rief Georg, und lag in den Armen seiner Aeltern.

Laß ab von mir, frommes Kind! Du mußt mir verzeihen, nicht wahr Georg? seufzte der Vater.

Mit diesen Worten stand er auf, nahm die Lampe, faßte Georg beim Arme, und führte ihn mit sich hinauf in eine Kammer.

Nachdem er die Thüre sorgfältig verschlossen hatte, wandte er sich zu Georg, und begann mit zitternder Stimme: »du wirst dich noch erinnern können, wie wir vor Zeiten noch so arm waren, daß wir kaum uns zu ernähren vermochten. Du warst damals ein zwölfjähriger Knabe, als die große Theuerung in das Land kam. Schon ging der Winter zu Ende; die Lebensmittel stiegen zu unerhörten Preisen; und wir hungerten.«

»Damit nichts fehlte, um mich auf das Aeußerste zu treiben, warf heftiges Fieber deine Mutter auf das Krankenlager, so daß ich stündlich ihrem Tode entgegensah. In wüster Angst rannte ich hinaus an das Ufer des Rheinstroms, warum? weiß ich selbst nicht. Weinen konnte ich nicht mehr. In stiller Verzweiflung stand ich dort.«

»Wie ich nun also gedankenlos hinunter starrte in den brausenden Wellengang des Stroms, fühlte ich einen leisen Schlag auf meine Schulter. Ich wandte mich um, und ein langer freundlicher Mann stand vor mir da.«

»Ich bin ein Menschenfreund, begann er zu reden, und suche der leidenden Menschheit zu nützen; denn im Grunde bin ich sehr mitleidig. Wenn du mir vertraust, so soll noch zur Stunde dein Weib gesund, und du der reichste Mann im Rheingau sein.«

»Gnädiger Herr, sprach ich, demüthig meine Mütze unter dem Arme, können sie mir helfen, so will ich ihnen ewig dankbar sein.«

»Ich bin Kaufmann, fuhr der Fremde fort; wenn ich dir helfe, – denn es ist mein Grundsatz: nie Etwas umsonst zu thun! – so bitte ich mir dafür, eine kleine Gegengefälligkeit aus. Siebenmal sollst du das größte Netz auswerfen in den Strom, und siebenmal, vom Golde des Nibelungenhorts gefüllt, es wieder herausziehen, und zugleich dein schönes Weib gesund sein, wenn du mir nach Verlauf von sieben Jahren, von der nächsten Mitternacht an gerechnet, dasjenige zu eigen giebst, was von dem Deinigen bei deiner Heimkehr dir zuerst in die Augen fallen wird.«

»Zweifle nicht, redete der Fremde weiter, an der Erfüllung meines Versprechens! Ich weiß Vieles und Mancherlei! Alle Schätze, welche das Meer und die Erde verbirgt, kenne ich.«

»Meine Seele war betäubt. Wie im Traume sagte ich: gnädiger Herr, ich stehe ihnen für diese Hilfe mit Allem zu Gebote!«

»Sogleich faßte er mich bei der Hand, stach mit einem Stachel, oder Messer, – ich weiß selbst nicht, was er mit mir vornahm, – schnell in meine linke Hand, und saugte mit eiskalten Lippen das hervorquellende Blut auf.«

Unfern von dieser Stelle hing ein Fischernetz zufällig an einem Baumaste zum Trocknen herunter. Er hieß mich es, herbeiholen, und kunstgerecht an eine bezeichnete Stelle am Ufer auswerfen. Mit seiner Beihülfe – denn der Zug war sehr schwer, – brachte ich das Netz wieder heraus.«

»Als ich es, am Lande leerte, fand ich darinnen siebenzehn große Beutel voll Goldstücke.«

»Nun, mein Theuerster, sprach lächelnd der Kaufmann, wie gefallen dir diese Fische? Petrus hat nie bessere gefangen! Noch sechs solche Züge stehen dir zu Gebote! Zu gehöriger Zeit werde ich mich übrigens wieder einstellen! Mit diesen Worten war er, ich weiß nicht wie, mir aus den Augen.«

»Ich Unsinniger aber fiel wie rasend über das Gold her, im Gefühle meines Reichthums überglücklich. Das funkelte mir in die Augen und in die Seele! So viel ich von meinem Schatze tragen konnte, nahm ich zu mir; das Andere verscharrte ich unterdessen im Sande, und ging alsdann schwerbeladen, taumelnd und träumend auf meine Hütte zu.«

»Schrecklich sollte ich erwachen; denn wie ich um die Felsenecke des Thales herumgehe, kamst du, mein Georg, mir freudig entgegen gesprungen und schriest Vater, unsere Mutter ist wieder ganz gesund!«

Mit ängstlicher Theilnahme hatte bis jetzt Georg dem Vater zugehört, kaum hatte er Odem zu holen gewagt, regungslos stand er vor ihm. Wie er aber jetzt mit gepreßter Stimme sprach: und der fremde Kaufmann war ein Seelenkäufer, der Satan, ihm habe ich dich verkauft, ich Elender, und in dieser Nacht sind die sieben Jahre um! stürzte Georg in seine Arme, und rief: es ist ja unmöglich, was du sagst!

»Mein armes Kind,« jammerte liebkosend der Elende, »wohl habe ich später oft dasselbe gedacht; denn die Noth und der Kummer hatten mich damals, ich weiß es noch genau, halb wahnsinnig gemacht; auch habe ich wenige Jahre nachher, da eine bedeutende Erbschaft uns anfiel, das schändliche Nibelungengold wieder heimgezahlt, und dem Bösen in den Rheinstrom hinabgeworfen; aber vor drei Tagen in der Abenddämmerung kam der Schreckliche wieder zu mir, und heischte dich, als die wohlbedungene Waare, zu seinem Dienste.«

Vater, und wie sollte etwas Böses an mir Gewalt haben, wendete Georg ein, wenn ich selbst nichts Böses in mir trage?


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