Balduin Möllhausen
Der Majordomo
Balduin Möllhausen

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Vierzehntes Kapitel.
In der Blockhütte.

Kaum befanden sich die Räuber außerhalb der Schußweite, so stieß auch das Kanoe dicht vor dem Alten ans Ufer, der mit einem Gemisch von Überraschung und Neugierde den neuen Besuch betrachtete.

»Ihr hättet sie nur eine Minute länger aufhalten sollen, alter Gentleman,« rief Sidney aus, als er ans Ufer sprang, »hätte gar zu gern ein Wörtchen mit den Schurken gesprochen!«

»Habe mir gleich gedacht, daß nicht viel dahinter sei«, entgegnete der Jäger, indem er sich noch einmal nach den Davonreitenden umwandte, die indessen nicht mehr sichtbar waren. »Aber laßt sie nur gehen,« fuhr er begütigend fort, den Ankommenden der Reihe nach die Hand zum Gruß reichend, »sie werden ihrem Ende früh genug entgegengehen, und wenn ich nicht irre, so findet solche Art ihr Ende am Galgen.«

In diesem Augenblick näherten sich drei schlanke Burschen, dieselben, die kurz vorher die Räuber bedroht hatten. Sie standen in dem Alter von fünfzehn bis zwanzig Jahren, und obgleich sie gemäß der Sitte weißer Jäger bekleidet waren, so verrieten die langen schwarzen Haare, die ihnen bis auf die Schultern reichten, sowie die bräunliche Hautfarbe und die etwas vorstehenden Backenknochen doch zur Genüge, daß indianisches Blut in ihren Adern fließe, wenn auch in anderer Beziehung ihre Verwandtschaft mit der kaukasischen Rasse nicht zu verkennen war.

»Meine Söhne,« sagte der Alte, auf sie weisend, »sie sind Halfbreeds«, fuhr er fort, als er bemerkte, daß Robert sie mit besonderer Teilnahme betrachtete; »glaubt aber nicht, daß ihre Mutter eine der wurzelfressenden kalifornischen Eingeborenen ist«, fügte er lachend hinzu; »nein, sicherlich nicht, sie ist eine so brave Häuptlingstochter, wie nur je eine auf der andern Seite der Rocky Mountains unter den Dakotahs geboren wurde. Doch kommt, meine Hütte ist nicht weit, die Jungens werden die Sorge für den Hirsch übernehmen, so daß wir zum Frühstück noch einige frische Fleischschnitte aufgetischt erhalten. Gebt mir etwas von euren Sachen her, ich werde tragen helfen; seid verdammt feucht geworden; ich rechne, ihr habt einen weiten Weg durch die nassen Binsen zurückgelegt; vermutlich auf der Jagd begriffen; schlechte Art, hier in einem Kanoe zu jagen; aber kommt, oder das kleine Bürschchen dort erfriert in seiner nassen Hülle.«

So erzählte der alte gesprächige Jäger fort, während er sich an die Spitze des kleinen Zuges stellte und die Richtung an dem Flüßchen hinauf einschlug. Eine bedeutende Strecke hatten sie schon zurückgelegt, ehe er seine Begleiter zu Worte kommen ließ und daran dachte, zu fragen, welcher Zufall sie ohne Pferde in sein Jagdrevier geführt habe, oder ob sie die Sporen nur des lustigen Klingelns wegen an ihre Füße geschnallt hätten.

Da ihr Führer etwas so überaus Vertrauenerweckendes an sich hatte, so zögerten die Flüchtlinge nicht, ihm ihre letzten Erlebnisse ohne Rückhalt mitzuteilen, zugleich ihn aber aufzufordern, ihnen zur Wiedererlangung ihrer Pferde behilflich zu sein.

Mit größter Spannung lauschte der alte Mann, während die Freunde abwechselnd erzählten und dieses oder jenes hinzufügten. Nur gelegentlich brach er in ein kurzes Lachen aus, oder schickte einen seiner Lieblingsflüche in die Welt, wenn sie besonders hervorhoben, wie sie ihre Verfolger getäuscht hatten, oder wenn sie das verräterische Benehmen Bootjacks ausführlicher schilderten.

»Anderthalb Dutzend oder gar zwanzig dieser Schurken ist allerdings viel für drei und einen halben Mann,« bemerkte der Trapper mit einem Seitenblick auf Fernando, sobald seine Begleiter ihre Berichte beendigt hatten, »denn wenn ich das bleiche Bürschchen dort für einen halben Mann rechne, so schlage ich es schon sehr hoch an. Nichts für ungut, mein Sohn, wirst seiner Zeit auch schon ein Mann werden«, fügte er gutmütig hinzu, als er gewahrte, daß dem Knaben das Blut in die Wangen geschossen war; »ja, es ist etwas viel; hättet ihnen aber doch ein paar Lot Blei um die Ohren schicken sollen. Kalifornien wimmelt jetzt von Landstreichern, und es wird die höchste Zeit, etwas unter denselben aufzuräumen. Hätte wohl bei euch sein mögen mit meinen Jungens, oder auch ganz allein; euer Bootjack wäre der erste gewesen, dem ich ein viertel Lot Blei zu kosten gegeben. Die Indianer dort drüben sind für gewöhnlich nicht feindselig gegen Reisende gesinnt; aber träge und dumm genug, sich zu Räubereien verleiten zu lassen, wenn sie glauben, dergleichen ungestraft ausführen zu können. Die weißen Räuber sind viel, viel schlimmer, und ihr könnt von Glück sagen, ihnen nicht in die Hände gefallen zu sein.«

»Und wann glaubt Ihr, daß wir wieder im Besitz unserer Pferde sein werden?« fragte Robert, sobald der gesprächige Alte eine Pause machte.

»Denke morgen früh; wollen uns indessen nicht übereilen. Vor allen Dingen etwas leibliche Speise und dann etwas Aufregung;« hier lachte der Trapper herzlich vor sich hin; »ja, etwas Aufregung,« wiederholte er, »habe lange keine Aufregung genossen. Auf jener Seite der Rocky Mountains war es anders; werde aber schon alt, und habe mich deshalb in diesem stillen Talwinkel zur Ruhe gesetzt.«

Unter solchen Gesprächen war die Gesellschaft an einen Hain gelangt, und als sie, dem Uferpfade folgend, die Ostseite desselben erreichte, lag eine von gespaltenen Baumstämmen hergestellte Einfriedigung vor ihr, in deren Mitte sich eine kleine Blockhütte erhob.

»Das ganze Tularetal gehört mir, und dort liegt mein Schloß«, sagte der Trapper mit einer stolzen, selbstbewußten Handbewegung. »Meine Pferde und Kühe werden oberhalb am Flusse, und denjenigen möchte ich sehen, der es wagt, sich in meine Angelegenheiten zu mischen!«

Er war unterdessen, seinen Begleitern voran, über die Einfriedigung geklettert, und gleich darauf stellte er ihnen in einer alten, aber noch sehr rüstigen Indianerin und einer jungen, bildhübschen Halbindianerin seine Frau und seine Tochter vor.

»Sie verstehen Englisch und sogar einige Worte Spanisch«, versetzte er, als die Frauen schüchtern die herzlichen Begrüßungen der Fremden erwiderten. »Was sie aber noch besser verstehen, das ist, ein Stück frisches Fleisch zu rösten. Macht's euch bequem, Gentlemen; seht mein Haus als das eurige an, und wenn ihr Tabak besitzt, so laßt uns eins zusammen rauchen. Geht nichts über eine Friedenspfeife; ich selbst besitze augenblicklich zu wenig Tabak, um euch davon anbieten zu können; höchstens würde ich mit etwas Kine-kinickKine-kinick, Mischung von Sumachblättern und der Rinde der roten Weide. aushelfen.«

Die beiden Frauen brachten einige Holzblöcke und in Bündel zusammengerollte Felle herbei, die sie um das Feuer legten, worauf sich die ganze Gesellschaft behaglich niederließ, um die Zeit bis zum Eintreffen der Söhne plaudernd und rauchend zu verbringen. –

Eine halbe Stunde war verstrichen, und immer heimischer fühlten sich die Fremdlinge in der Gesellschaft des gastfreien Trappers, als dieser plötzlich emporsprang und scharf nach der Ecke des Hains hinüberspähte.

»Bei Gott,« rief er aus, »die Luft ist nicht rein! Ich sehe nur Te-kum-seh; es muß irgend etwas vorgefallen sein, was Independence und Republik veranlaßt hat, zurückzubleiben.«

Der alte Jäger hatte nämlich seinen Söhnen diese Namen beigelegt, um dadurch seine Verehrung und Achtung vor einem berühmten Indianerhäuptling und der unabhängigen Republik der Vereinigten Staaten an den Tag zu legen.

»Ja, ja, die Luft ist nicht rein,« wiederholte er, »Te-kum-seh hätte sich sonst schwerer mit Fleisch beladen. Hm, wäre doch viel verlangt von mir, sollte ich auf meine alten Tage die Büchse noch auf etwas anderes losdrücken, als auf das Wild dieses gesegneten Tales.« Und wie zweifelnd das Haupt schüttelnd, suchte er das, was er zu wissen wünschte, aus der äußeren Erscheinung seines Sohnes herauszulesen.

Der schlanke Halfbreed hatte sich genähert, war leicht wie eine Katze über die Einfriedigung hinweggesprungen, und nachdem er sodann den Frauen das Fleisch zur Zubereitung dargereicht, sagte er scheinbar gleichgültig einige Worte in der Dakotah-Sprache zu seinem Vater.

»Sprich Englisch, Knabe!« herrschte ihn der Jäger an, »und erspare mir die Mühe, den Dolmetscher zu spielen; oder denkst du, die ganze Welt muß deine Muttersprache verstehen?«

Te-kum-seh bediente sich sogleich der englischen Sprache, richtete indessen seine Worte nur an seinen Vater.

»Sie sind ganz in der Nähe«, begann er, und deutete mit der linken Hand nach dem See hinüber; »sie sind ganz in der Nähe, sechzehn Mann, schwer bewaffnet mit Büchsen und Revolvern, und Bootjack ist in ihrer Mitte. Independence und Republik halten sich in den Binsen verborgen, um ihre Absichten auszukundschaften.«

»Ihr seid gerade zur rechten Zeit eingetroffen«, wendete der Jäger sich mit einem glücklichen Lachen zu dem Majordomo und seinen Gefährten; »es wird sie Mühe kosten, euch aus dieser Einfriedigung herauszuholen; die Schurken, es scheint ihnen sehr um euch oder euer Geld zu tun zu sein.«

Ehe dann Robert oder Sidney das Wort ergreifen konnten, fuhr er in demselben Atem zu Te-kum-seh gewendet fort:

»Wie kamen sie, und woher?«

»Die Büsche des Wäldchens hatten sich kaum hinter euch geschlossen und wir waren noch mit dem Zerlegen des Hirsches beschäftigt, da rauschte es in den Binsen. Independence und Republik verbargen sich infolgedessen, während ich ein Stück Fleisch nahm und davonschritt, als ob meine Augen nicht besser wie die eines Maulwurfs gewesen wären.«

»Gut«, sagte der Trapper, beifällig nickend, und Te-kum-seh fuhr fort:

»Sobald ich das Gehölz erreicht hatte, schaute ich zurück und gewahrte sechs weiße Männer und Bootjack die an derselben Stelle nach dem Ufer hinaufstiegen, an der diese Fremden gelandet sind.«

»Diese Landstreicher müssen gute Augen haben, daß sie uns auf dem Wasser nachzuspüren verstanden«, bemerkte Robert, den die Nachricht von der Ankunft der Räuber nicht wenig überraschte.

»Bootjack war bei ihnen«, entgegnete der Trapper; »seinen Luchsaugen konnte es nicht entgehen, daß auf dem Wege, den ihr gezogen seid, die Tauperlen von den Binsen abgeschüttelt waren. Aber weiter, Knabe; das waren erst sieben Mann, wo sind die andern, von denen du sprachst?«

»Sie bogen um das Nordende des Sees herum und lenkten auf die andern zu, die schon bei dem Hirsch versammelt waren. Es waren dieselben, die Euch bereits in der Frühe begrüßten, und außerdem noch andere, die eine Anzahl gesattelter Pferde führten. Es müssen die Pferde derjenigen sein, die zu Wasser kamen; außerdem hatten sie aber noch fünf, die nicht zu ihnen zu gehören schienen.«

»Sie bringen euch Eure Pferde selbst«, wendete der Trapper sich lachend zu den Flüchtlingen.

»Werden sie aber schwerlich gutwillig aufgeben wollen«, bemerkte Sidney verdrossen.

»Gutwillig oder nicht,« versetzte der Trapper, indem er seine Büchse heftig auf den Boden stieß, »es sind eure Pferde, und hergeben sollen sie sie, wenn sie nicht gefangen sein wollen. Aber sage, Knabe,« fragte er Te-kum-seh schnell, »waren keine Eingeborenen vom See bei ihnen?«

»Ich sah keine.«

»Ist auch nicht nötig«, erwiderte der Trapper mit wachsender Lebhaftigkeit; »sie haben den Schurken ihre Boote geliehen, sie haben sie um den See herumgeführt, fürchten aber auf den alten Gale zu stoßen und sind deshalb zurückgeblieben. Verdammt! Wollen uns dadurch das Frühstück nicht verderben lassen. Independence und Republik werden das ihrige schon tun.«

So sprechend stellte der alte Mann seine Büchse zur Seite, und sich dann vor dem Feuer niederkauernd, forderte er die übrigen auf, seinem Beispiel zu folgen und sich selbst zu den Fleischschnitten zu verhelfen, die teils auf den Kohlen oder an einem Stäbchen rösteten, teils in einer eisernen Pfanne von den beiden Frauen mit kundiger Hand zubereitet wurden.

Bald darauf hätte man kaum vermutet, daß ein ernster, gefahrdrohender Zufall die Gesellschaft dort zusammenführte; denn nur die bedenklichen Blicke, die die einzelnen Mitglieder zeitweise nach dem Gehölz hinübersandten, bekundeten, daß die Räuber nicht vergessen waren und daß man mit regster Teilnahme und Spannung der Ankunft der beiden noch abwesenden Halbindianer entgegensah.

Diese erschienen aber nicht, dagegen wurde die Unterhaltung nach Verlauf einer halben Stunde durch den lauten Anruf eines Fremden gestört, der eben aus dem Gehölz getreten war und langsam der Einfriedigung zuschritt.

»Befinden sich die Leute dort, die während der Nacht ihre Pferde auf so unbegreifliche Weise verloren oder ihrem Schicksal überlassen haben?« fragte er, sobald er bei der Einfriedigung eingetroffen war.

»Gewiß«, rief der Trapper zurück, nachdem er seine Gefährten durch einen Wink aufgefordert hatte, ihm die weitere Führung der Geschäfte zu überlassen. »Sie sind hier und würden sich sehr freuen, wenn man ihnen die Pferde zurückgäbe.«

»Ist es nicht genug, daß wir die Tiere aufgegriffen haben? Sollen wir auch noch ihre Reitknechte spielen? Wir lagern dort drüben am See, und wenn sie in unserer Gesellschaft durch den Uvaspaß ziehen wollen, so mögen sie sich uns anschließen. Im andern Falle sollen sie ihre Pferde holen oder wir betrachten diese als unser Eigentum!«

»Hahaha!« lachte der Trapper, ohne sich von seinem Sitze zu erheben, »mit euch durch den Paß ziehen? Oho! Ich bin ein zu alter Fuchs, um in einer solchen Schlinge gefangen zu werden! Darum sage ich Euch: Sind die Pferde nicht hier, wenn die Sonne die Mittagslinie erreicht hat, dann holen wir alle sie gemeinschaftlich. Möchte Euch aber raten, nicht so lange zu warten; es dürfte sonst nicht so glatt abgehen, wie Ihr vielleicht wünscht. Ich besitze übrigens die Gabe, Gesichter, die ich einmal gesehen, später wieder zu erkennen, und Kalifornien ist nicht so groß, daß ein Dutzend Pferdediebe nicht aufzufinden sein sollten!«

»So? Wiedererkennen wollt Ihr; und Pferdediebe sagt Ihr? Gut, alter Narr; sorgt aber auch dafür, daß Eure Augen so lange offen bleiben, bis Ihr sie aufgefunden habt. Es ist manchmal gefährlich, mit fremden Leuten so zu sprechen, wie Ihr es getan habt. Doch hört, auch ich will Euch etwas sagen: Wenn unsere alten Kameraden, die dort bei Euch sitzen und die mit unserem Gelde durchgegangen sind und wahrscheinlich die Absicht haben, sich für den Verlust ihrer Pferde an den Eurigen schadlos zu halten, wenn unsere alten Kameraden also nicht innerhalb einer Stunde bei uns eingetroffen sind, oder Ihr ihnen nicht wenigstens die Türe gewiesen habt, so kann es sich ereignen, daß wir uns selbst zu unserem Recht verhelfen, und unmöglich wäre es dann nicht, daß Eure Hütte in Flammen aufginge. – Seid kein Narr, alter Mann«, fuhr der Fremde fort, als er gewahrte, daß der Trapper einen mißtrauischen Blick über Robert, Sidney und den Arriero hingleiten und dann längere Zeit auf Fernandos offenen Zügen haften ließ. »Seid kein Narr, die Schurken wollen Euch mißbrauchen. Was wir sind, geht Euch nichts an; ich wiederhole nur: die dort sind unsere Gefährten, die sich mit unserer Kasse davongemacht haben, mit dem schwer erworbenen Verdienst eines Jahres in den Goldminen. Wenn Ihr also nicht bei dem Diebstahl beteiligt sein wollt, weist sie so bald als möglich vor die Tür; fangen wollen wir sie dann schon selbst!«

»Bei Gott!« sagte der Trapper, indem er den Hut verlegen auf seinem Kopfe hin und her schob; »der Teufel kann's wissen –«

»Ihr zweifelt doch nicht etwa?« fragten der Majordomo, Sidney und Juan fast gleichzeitig, als sie bei dem ergrauten Naturmenschen, der sich für zu wenig geübt hielt, auf einen bloßen Blick, hinter einem ansprechenden Äußeren den wahren Charakter zu erkennen, deutliche Zeichen des Mißtrauens bemerkten.

»Ruhig«, entgegnete der alte Mann, und seine hellblauen Augen richteten sich wieder forschend auf Fernando. »Knabe, sage mir,« begann er mit ernster Stimme, aber offenbar beruhigt, als er dem unschuldigen Ausdruck in den großen Augen des Angeredeten begegnete, »ist es wahr, was der dort drüben behauptet?«

»Es ist Lüge«, antwortete Fernando ruhig; aber im nächsten Augenblick sprang er auf, und indem die alte Wildheit sich seiner wieder bemächtigte, deutete er auf den Majordomo.

»Er sprach noch nie die Unwahrheit«, rief er heftig und mit gepreßter Stimme; »was er sagt, kann nicht falsch sein!«

»Gut, mein Kind,« versetzte der Trapper freundlich, »ich zweifle nicht an seinen Worten. – Hallo, Fremder!« rief er dann dem Desperado zu, der sich noch immer auf die Einfriedigung lehnte, »fühle mich veranlaßt, Euern Worten keinen Glauben zu schenken! Sagte Euch schon: ich bin ein zu alter Fuchs, um in eine solche Falle zu gehen! Die Leute bleiben bei mir und genießen den Schutz meines Daches, und Ihr bringt ihnen die Pferde. Was das Anzünden meines Hauses betrifft, hahaha! so mögt Ihr immerhin versuchen, wie leicht das Holz desselben brennt! Goddam! nun geht zum Teufel!«

Kaum hatte der Trapper zu Ende gesprochen, so zog der anscheinend unbewaffnete Fremde mit Blitzesschnelligkeit die so lange in seiner Brusttasche verborgen gewesene Hand mit einem Revolver hervor und feuerte ihn gerade auf die um das Feuer versammelte Gruppe ab, und ehe noch Te-kum-seh, der schnellste von allen, seine Büchse ergriffen hatte, war er mit wenigen Sprüngen in dem Gehölz verschwunden.

»Hätte leicht jemanden treffen können,« sagte Gale ruhig, die verstörten Gesichter der Reihe nach betrachtend, »wollen's ihnen aber heimgeben, den Schurken, denn lange dauert's jetzt nicht mehr, bis sie einen gemeinschaftlichen Angriff unternehmen. Ich kenne diese Sorte; ist ihnen jetzt weniger an euerm Gelde gelegen, als sich einer durch uns veranlaßten gerichtlichen Verfolgung oder einem Lynchakt zu entziehen. Sie wollen uns stumm machen, solange sie noch drei gegen einen sind. Aber in die Hütte jetzt; wer weiß, sie können jeden Augenblick eintreffen, und es möchten doch nicht alle Kugeln so harmlos in den Aschenhaufen fahren.« Mit einer Gewandtheit, die man in dem alten Manne kaum vermutet hätte, sprang er sodann empor, welchem Beispiel alle übrigen sogleich folgten, worauf jeder sich beeilte, von den umherliegenden Gegenständen das ihm zunächst Befindliche in Sicherheit zu schaffen.

Sobald alle in die Blockhütte getreten waren, musterte der alte Gale seine Armee. Er erklärte nämlich, daß es wohl am angemessensten sei, ihm auf seinem eigenen Grund und Boden, und obendrein als dem Ältesten, das Kommando zu überlassen.

Es stellte sich heraus, daß er, außer über vier Drehpistolen, nur über vier Büchsen zu verfügen hatte. Juan und Fernando waren mit Pistolen bewaffnet; da indessen der Trapper noch eine lange Doppelflinte besaß, die seine Söhne abwechselnd zur Entenjagd benutzten, der Arriero aber besser mit der Büchse umzugehen verstand, so überließ Robert letzterem seine eigene Büchse, während er selbst die Flinte schußfertig machte und mit dem gröbsten Schrot lud, der in des Hinterwäldlers Häuslichkeit aufzutreiben war.

Nachdem die Waffen zum schnellen Gebrauch bereit gemacht worden waren, wurden auf allen Seiten des Hauses, da, wo es am meisten angebracht war, der Lehm und das Gras auf kurze Strecken zwischen den schwer aufeinander ruhenden unbehauenen Balken herausgestoßen und auf diese Weise Schießscharten hergestellt. Diese verlängerten sich allerdings nicht von unten nach oben, gestatteten dafür aber mehreren Schützen zu gleicher Zeit die Mündungen ihrer Gewehre nebeneinander zu legen und notdürftig auf die sich etwa nähernden Feinde zu zielen.

Alle diese Vorkehrungen wurden schweigend und mit einer großen Geschäftigkeit getroffen, und es war in der Tat noch keine Viertelstunde nach dem Verschwinden des Banditen verstrichen, da erklärte Gale unter zufriedenem Lachen, daß er sich jetzt stark genug fühle, allen Pferdedieben und Räubern Kaliforniens die Spitze zu bieten, und wenn sich der berüchtigte JoaquinDer Räuber Joaquin spielte in damaliger Zeit in Kalifornien eine Art Schinderhannes-Rolle. Ein Preis wurde zuletzt auf seinen Kopf gesetzt und auch für einen solchen bezahlt; doch soll der echte Joaquin später noch in Sonora gesehen worden sein. selbst an ihrer Spitze befinden sollte. Als Sidney dann aber noch der größeren Sicherheit wegen die Haustür schließen wollte, da erhob der alte Jäger Einspruch.

»Die Tür liegt gerade nach dem Fluß hinaus«, bemerkte er, seine Ansicht gleichsam entschuldigend.

»Gerade weil sie nach dem Fluß hinaus liegt,« unterbrach ihn Sidney eifrig, »das Flußbett ist tief genug, um hundert Angreifer zu verbergen, und es ist ein halber Büchsenschuß von dort bis hierher.«

»Gut, mein Sohn«, entgegnete der Jäger, des jungen Riesen Vorsicht lobend; »sehe schon, seid nicht mehr ganz grün im fernen Westen; doch laßt die Tür immerhin offen; ich kenne Independence und Republik. Schleicht sich jemand dorthin, so gebe ich keine Pfeife Tabak für sein Leben.«

Die Indianerin und ihre Tochter hatten die Vorbereitungen der Männer mit Gleichmut beobachtet. Sie vermieden es, gemäß der indianischen Sitte, ohne aufgefordert zu sein, hilfreiche Hand zu leisten oder sich in ihren kleinen häuslichen Arbeiten stören zu lassen. Ihr Vertrauen in die Anordnungen des Oberhauptes ihrer Familie war zu groß, als daß sie hier in einer verhältnismäßig friedlichen Umgebung Furcht empfunden hätten. Nur wenn sich ihre Blicke durch die offene Tür nach dem Ufer des Flüßchens hinüberstahlen, wo, wie sie sehr wohl wußten, Independence und Republik ihren Posten wählen würden, schimmerte aus ihren tiefen, schwarzen Augen Besorgnis um die Söhne und Brüder, die sie aber sorgfältig zu verstecken suchten.

Anders stand es mit Fernando. Er war noch nie Zeuge blutiger Szenen gewesen. Da alles um ihn her darauf hindeutete, daß ein ernster Kampf stattfinden könne, so schien der Gedanke daran ihn wie eine schwere Last zu bedrücken und er scheute sich nicht, das, was er empfand, hinter einer sorglosen Miene zu verbergen.

Die Besorgnis, die aus seinem ganzen Wesen sprach, als er sich hier und dort nützlich zu machen suchte, würde bei jedem andern Knaben seines Alters Veranlassung zu Scherzen über seine Furchtsamkeit gegeben haben. Fernando gegenüber blieb dagegen eine solche Neigung fern. Man fühlte unwillkürlich Teilnahme für ihn, um so mehr, da es bei genauerer Beobachtung nicht in Zweifel gezogen werden konnte, daß seine eigene Person immer das Letzte war, woran er dachte. –

Kaum hatten die Männer ihre Vorbereitungen beendet, als ein jauchzender Ausruf erschallte, der vom Rande des Wäldchens herüberkam.

Die Männer legten die Augen an die Schießscharten, sahen aber nichts. Sie vernahmen dagegen eine mit den heftigsten Drohungen begleitete Aufforderung, daß die Eigentümer der Pferde sich zu ihren Genossen verfügen sollten, und gleichzeitig schlug, zum Beweis, daß die Drohungen ernstlich gemeint seien, eine Kugel in das Giebelende der Hütte.

Eine Antwort wurde nicht erteilt, auch machte niemand Miene, den Schuß zu erwidern.

Es kam den Verteidigern vorläufig eben nur darauf an, sich vor Verwundungen zu bewahren, und ihre Schüsse nicht anders abzugeben, als wenn sie auf Erfolg rechnen durften.

»Hätte nicht geglaubt, meine Hütte jemals verteidigen zu müssen, als ich mir das Fleckchen hier aussuchte«, erzählte der alte Jäger, einen unzufriedenen Blick auf das nahe Gehölz werfend; »verdammt, ich wäre sonst etwas weiter von den Bäumen abgeblieben, und dafür näher an den Fluß herangerückt. Unter den jetzigen Umständen ist die Lage des Hauses keineswegs günstig. Die Schurken können sich überall verbergen und auf uns feuern, ohne so viel von ihren Röcken zu zeigen, wie eine Kugel gebraucht, um ein Loch durchzuschlagen.«

Neues Schießen unterbrach des Trappers Rede, und Erstaunen malte sich in seinen Zügen, als er die Kugeln nicht aufschlagen hörte.

»Die Jungens müssen die Aufmerksamkeit der Hunde auf sich gezogen haben«, versetzte er nach kurzem Sinnen, indem er seine Gefährten der Reihe nach ansah; »der Schall nimmt eine andere Richtung«, fuhr er fort, und aufmerksam lauschte er auf jeden neuen Schuß, der sich vereinzelt hören ließ.

»Achtet auf den Fluß, die Jungens sind wahrscheinlich auf der entgegengesetzten Seite, und die Freibeuter können sich hinter dem Ufer heranschleichen!«

Kaum hatte der Alte ausgesprochen, so wirbelte aus dem Flußbett, wie um seinen Argwohn zu bestätigen, eine kleine Rauchwolke empor, der augenblicklich ein scharfer Knall nachfolgte.

Alle prallten weit aus dem Bereich der Türöffnung zurück; Gale aber lachte, und indem er ausrief: »Das war Republiks Büchse!« trat er dicht an die Tür heran, um sich von der Wirkung des Schusses zu überzeugen.

Er kam gerade zur rechten Zeit, um Bootjack zu gewahren, wie dieser hart am Rande des Wäldchens emporsprang und mit der rechten Hand an seinen linken Oberarm fahrend, hinter den nächsten Bäumen verschwand.

»Hat ihn wenigstens gezeichnet,« sagte der Alte zufrieden vor sich hin, »auch wissen wir jetzt, daß Republik von dieser Seite keinen heran läßt. Aber wo steckt Independence, und was hat ihn veranlaßt, um die Nordseite des Hains herum zu schleichen?« So sprechend schickte er sich an, auf der Leiter nach dem Bodenraum hinaufzusteigen, um von dort aus einen freieren Überblick über die weitere Umgebung zu gewinnen.

Fast ebenso schnell, wie er den Fuß auf die erste Sprosse gestellt hatte, zog er ihn wieder zurück. Man vernahm nämlich das sich nähernde Getrappel von Pferden.

»Bei Gott!« rief er heftig aus, indem er sich an eine der Öffnungen drängte, »die Schurken haben sich zu Pferde gesetzt, um schneller an uns heran zu gelangen!«

»Die Pferde sind entflohen!« versetzte Robert, der vergeblich strebte, einen Reiter unter den zehn oder zwölf wild heranstürmenden Tieren zu entdecken.

Te-kum-seh dagegen flüsterte seinem Vater nur das Wort »Independence« zu, und kaum hatte dieser einen Blick durch die geöffnete Fuge geworfen, so erhellte Freude sein eisenhartes Gesicht, und in ein herzliches Lachen ausbrechend, wandte er sich zu Robert.

»Independence, beim Manitou!« rief er aus, und um seiner Freude noch besseren Ausdruck zu geben, schlug er mit der rechten Faust in seine geöffnete linke Hand. »Der Junge macht mir und seiner ganzen indianischen Gevatterschaft Ehre; hahaha! Bringt nicht nur Eure Pferde, sondern auch noch etliche von denen der Räuber! Verdammt, der beste Streich, den er hätte ausführen können!«

»Ich sehe ihn nicht, obschon die Pferde wohl kaum ohne Leitung einen so regelmäßigen Bogen zu beschreiben vermöchten!« versetzte Robert.

»Independence macht mir und seinen mütterlichen Verwandten alle Ehre«, wiederholte der Trapper mit Stolz. »Wenn Ihr ihn sähet, würden ihn die Schurken dort drüben ebenfalls sehen und ihn zur Scheibe für ihre Büchsen machen. Der Bursche reitet wie ein Komanche. Goddam! Ich wette, er hängt auf der Außenseite des Gauls, der an der Spitze galoppiert.«

Indem der Alte noch sprach, waren die Pferde, verfolgt von vereinzelten Schüssen, schon eine Strecke an der Hütte vorbeigesprengt, und nachdem sie sodann das Blockhaus zwischen sich und das Wäldchen gebracht, näherten sie sich schnell ersterem.

Vor der Einfriedigung, wo sie sich schon ziemlich gedeckt befanden, hielten sie still, und jetzt erst gewahrte Robert den jungen Halbindianer, der so lange an der Seite des Pferdes gehangen hatte, wie er auf die Erde glitt, den Zaun auseinanderriß, die erbeuteten Tiere dicht ans Haus heranführte und sie dort nebeneinander festband.

Sobald die Pferde sich außer dem Bereiche der feindlichen Büchsen befanden, war das Schießen vollständig eingestellt worden. Überhaupt hatten die Räuber, so lange sie feuerten, stets danach getrachtet, ihre eigenen Tiere zu schonen und nur auf das gezielt, auf dem sie den schlauen Halfbreed vermuteten. Diesem Umstande nun, und der Schnelligkeit, zu der Independence die Pferde antrieb, war es wohl zuzuschreiben, daß, außer einigen unerheblichen Streifschüssen, die flüchtigen Tiere keine Verwundungen davontrugen.

Als Independence gleich darauf ins Haus hineinglitt, da berichtete er, daß er außer den fünf noch gesattelten und bepackten Pferden der Reisenden auch noch ebenso viele von den Räubern erbeutet habe.

»Schade, daß du sie nicht alle bringst«, sagte der alte Jäger schmunzelnd, »die Fremden hätten dann sicher und ungestört davonreiten können, ohne daß es in der Macht dieser Landstreicher gelegen hätte, sie aufzuhalten oder einzuholen. Aber sage, Knabe, wie ist es dir geglückt, diesen Streich auszuführen? Hatten die Wegelagerer keine Wache bei ihren Gäulen zurückgelassen?«

»Sie hatten eine Wache aufgestellt«, versetzte der Bursche, »doch ermüdet von dem nächtlichen Ritt war sie eingeschlafen.«

»Goddam!« sagte Gale, »und die übrigen sind zu feige, sich aus dem Walde heraus und in den Bereich unserer Büchsen zu wagen. Wären nur die übrigen Pferde hier, dann könntet Ihr das Tal so ungestört verlassen, als ob noch nie ein Pferdedieb dasselbe betreten hätte.«

»Und dennoch werden wir die Reise antreten müssen«, versetzte Robert, dem alten Jäger dankbar die Hand drückend, »denn wer weiß, wie lange sie dort ausharren, und ich bezweifle nicht, daß sie nach Einbruch der Dunkelheit an die Hütte heranzukommen trachten werden, um ihre Drohung an Euch wahr zu machen. Befinden wir uns erst fern, so setzen sie uns wahrscheinlich nach und belästigen Euch und Euer Eigentum nicht weiter.«

Der Trapper stand eine Weile überlegend da, schob den Filzhut einige Male von dem einen Ohr auf das andere und wendete sich dann zu denjenigen, denen er so freundlich Schutz gewährt hatte.

»In mancher Beziehung mögt Ihr recht haben«, hob er endlich an, »weiß ja auch nicht, ob Ihr viel Zeit zu verlieren habt, lade Euch aber ein, so lange mein Haus als das Eurige zu betrachten, wie es Euch nur immer unter meinem einfachen Dache behagt. – Wollt Ihr aufbrechen, gut, so mögt Ihr es tun, und Independence und Republik sollen Euch begleiten und auf dem nächsten Wege nach dem Uvaspaß führen.« –

»Wir können den Uvaspaß von hier aus erkennen, ein Fehlen des Weges ist kaum denkbar«, unterbrach der Majordomo den alten Jäger.

»Muß das besser wissen«, entgegnete dieser schnell und entschieden, »ist manche Meile von hier bis zum Paß, und mancher Sumpf durchschneidet die Niederung! Nein, die Jungens gehen mit Euch. Könntet Euch festreiten und wäret dann eine leichte Beute für die Landstreicher.«

»Und Ihr und Te-kum-seh wollt es allein mit den Banditen aufnehmen?« fiel ihm Robert abermals in die Rede, »oder seid Ihr überzeugt, daß sie an Euch ihre Rache nicht ausüben werden?«

»Das ist meine Sache, junger Mann«, versetzte der Trapper mit einem Anflug von Unwillen. »Ich sage, Ihr reitet bald, wenn Ihr überhaupt von hier fortgehen wollt. Die Pferde der Räuber bleiben hier, und Te-kum-seh und ich sind Mannes genug, die Hunde bis zum Abend fernzuhalten.«

»Und dann?« fragte Robert besorgt.

»Und dann«, antwortete der Trapper leichtfertig, »und dann werden Kameraden genug bei mir sein, um ein ganzes Regiment solcher Landstreicher aufzuhängen. Ja, ja,« bekräftigte er lachend, als er bei Robert und Sidney ungläubige Mienen gewahrte, »ich will's Euch beweisen; leben noch mehr Rocky-Mountains-Männer in diesem gesegneten Tal, und alle, wenigstens zehn Mann an der Zahl, können hier eintreffen, noch ehe die Schatten der Berge dort drüben mein Haus berühren.«

»Es nähert sich jemand«, sagte Independence jetzt, der die kleine Waldung so lange nicht aus den Augen gelassen hatte.

Alle sprangen an die Fugen und erblickten einen Menschen, der sein Gesicht durch Kohlenstaub entstellt hatte, und zum Zeichen, daß er nicht mit feindlichen Absichten komme, beide Hände emporhob.

»Ein Parlamentär,« bemerkte der Trapper zufrieden, »ja, ein Parlamentär, wie die Offiziere im Fort Laramie solche Boten nennen. Te-kum-seh, Independence, nehmt den Burschen aufs Korn, ich will mit ihm reden, und wenn er eine verräterische Miene macht, dann schießt ihm die Augen aus dem Kopfe.«

Die Angeredeten taten, wie ihnen geheißen war, worauf Gale ohne Zögern ins Freie trat.

»Mein Freund!« rief er dem Abgesandten der Räuber zu, ehe dieser noch Zeit hatte, die Verhandlungen zu eröffnen, »seid so gut und betrachtet Euch den Giebel meines Hauses recht genau. Sind Eure Augen etwas schärfer als die eines Maulwurfs, so werdet Ihr die Mündung zweier Büchsen unterscheiden, die auf Euer Negergesicht gerichtet sind. Geniert Euch nicht,« fügte er lachend hinzu, als er bemerkte, daß der Bandit bei dem Vergleich mit der verachteten und mit Füßen getretenen Rasse eine Bewegung des Unwillens machte, »geniert Euch nicht, tretet einen Schritt vorwärts oder rückwärts, und Ihr seid ein so toter Mann, wie nur je einer von den Wölfen dieses gesegneten Tales verspeist wurde. Hab' übrigens manchen Neger gesehen, dessen Gesicht weißer war, als das Eurige; so, jetzt kennt Ihr meine Ansichten und mögt mir mitteilen, was mir die Ehre Eures Besuches verschafft hat.«

»Einer der Eurigen hat uns die Hälfte unserer Pferde gestohlen!«

»Ganz richtig; tut mir leid, daß er sie nicht alle gestohlen hat.«

»Gebt uns die Pferde zurück, und wir wollen unserer Wege ziehen und den ganzen Vorfall als einen Scherz betrachten!«

»Ein schöner Scherz, hahaha! Bin nicht ganz Eurer Meinung; ist bis jetzt noch kein Scherz gewesen, möchte aber selbst einen Scherz daraus machen!«

»Wohlan, sendet die Pferde, und wir ziehen unseres Weges!«

»Verdammt! Euer Vorschlag ist nicht so übel; ich muß indessen gestehen, daß ich einige Zweifel in Eure Worte setze. Will mir's überlegen; ja, kommt nur nach einer halben Stunde wieder!«

»Treibt uns nicht zum Äußersten!«

»Ich sage, kommt nach einer halben Stunde wieder; und nun geht zum Teufel oder ich lasse Euch Beine machen!«

Mit diesen Worten begab sich der Trapper in das Haus zurück, während der Räuber noch einen mißtrauischen Blick auf die Mündungen der Büchsen warf und dann, als er sah, daß die Waffen zurückgezogen wurden, schnell davonschritt.

Als der Jäger sich wieder bei seinen Gefährten befand, strahlte sein Gesicht noch vor Freude über die Art und Weise, wie er den Räuber abgefertigt hatte. Er ließ sich indessen nicht auf Erörterungen ein, sondern befahl seinen beiden Söhnen, gerade vor der Hütte drei Feuer in Form eines Dreiecks anzuzünden und sie mit grünen, Dampf erzeugenden Reisern zu nähren.

Als dann seine Befehle ausgeführt waren, stellte er sich vor die Tür und spähte, nicht ganz frei von Besorgnis, nach dem nordöstlichen und südöstlichen Rande des Tales hinüber.

Längere Zeit verstrich, ehe die Spannung, die sich in seinen Zügen ausprägte, nachließ; dann aber erhielt sein ausgewettertes Antlitz plötzlich einen triumphierenden Ausdruck, und alle in der Hütte herbeirufend, zeigte er ihnen zuerst drei schwache Rauchsäulen, die in südlicher Richtung, nahe am Fuße der Berge, in die stille und klare Atmosphäre steil emporkräuselten, und einige Minuten später machte er sie auf ein ähnliches Zeichen weiter nördlich aufmerksam.

»Bei Gott, alle zu Hause!« rief der Alte fröhlich aus, »richtige Hinterwäldler; will mich skalpieren lassen, wenn sie nicht in diesem Augenblicke schon im Begriff sind, ihre Pferde zu satteln! Kann ein anderes und kräftigeres Wort mit den Schurken reden, wenn ich ihnen zugleich meine Telegraphen zeige. Verdammt! Müssen sie schon entdeckt haben, denn da ist ja wieder einer von ihnen. Schnell, Te-kum-seh, Independence, auf Eure Posten!« schloß der alte, eifrige Jäger, als er in der Tat einen andern Räuber, der ebenfalls sein Gesicht geschwärzt hatte, bis an die Einfriedigung vorschreiten sah.

»Sie fürchten wiedererkannt zu werden«, rief er noch den in der Hütte Versammelten zu, »würden sonst nicht jedesmal einen andern Boten abschicken.« Und indem er ihnen mit schlauem Lächeln zunickte, trat er dem Räuber, der nunmehr bei der Einfriedigung stehen geblieben war, einige Schritte entgegen.

»Die halbe Stunde ist zwar noch nicht ganz verstrichen«, begann er, nachdem er den Abgesandten von oben bis unten aufmerksam betrachtet hatte, »da Ihr aber Eile zu haben scheint, so bin ich nicht abgeneigt, Euch meine Bedingungen schon jetzt vorzuschreiben!«

Der Räuber nickte, wie um anzudeuten, daß er bereit sei, die angekündigten Bedingungen zu vernehmen, und Gale fuhr in seiner scheinbar harmlosen, wohlwollenden Weise fort:

»Ihr seht die drei Feuer hier vor meiner Tür«, sagte er schmunzelnd, »sie erzeugen hübschen Rauch; auch seht Ihr wohl die drei Rauchsäulen dort und die andern drüben?«

»Ich kümmere mich den Henker um Eure Rauchsäulen«, entgegnete der Angeredete trotzig; »ich kam, um die Pferde in Empfang zu nehmen, und nicht, um mich mit Euch in eitles Geschwätz einzulassen!«

»Immer ruhig, mein Freund«, ermahnte der Trapper, »kein eitles Geschwätz, verdammt! Muß Euch alles auseinandersetzen, um Euch nachgiebiger zu machen. Will Euch vor allen Dingen mitteilen, was die Feuer bedeuten. Sie bedeuten, daß, ehe noch ein halbes Dutzend Stunden verflossen sind, so viel kräftige Burschen hier versammelt sein werden, wie ich gebrauche, um Euch, samt allen Euern Gefährten, den verräterischen Bootjack nicht ausgenommen, an den nächsten Bäumen aufzuhängen. Nun hört auch meine Bedingungen. Eure Pferde mögt Ihr Euch eine Stunde vor Untergang der Sonne holen, nicht früher und nicht später. Wer sich vor dieser Zeit bis in die Nähe meiner Einfriedigung wagt, der wird ohne Umstände niedergeschossen. Betrachtet nur die Schußwunde des Hirsches, den Ihr halb verzehrt habt, was ich Euch von Herzen gönne, und ermeßt, ob unsereins die Büchse zu führen versteht. Ferner: die Fremden begeben sich auf den Heimweg; sollte Euch einfallen, ihnen nachzusetzen, so wißt Ihr, daß Euch wieder nachgesetzt wird, und wenn man Leute Eures Gelichters fängt und lyncht, wird deshalb, wie Ihr wohl einseht, nicht viel Aufhebens gemacht. So, nun geht und teilt Euern sauberen Gefährten mit, was Ihr vernommen habt. Hoffe, sie sahen genug von mir, um mir zuzutrauen, daß ich in ernsten Dingen nicht scherze.«

Der Bandit biß vor Wut die Zähne zusammen, und als der Trapper dann gleichmütig seiner Hütte zuschritt, da schüttelte er drohend die Faust hinter ihm her, und gewiß wäre es nicht bei einer bloßen Drohung geblieben, hätten ihm nicht die Mündungen der Büchsen so verdächtig entgegengestarrt.

Er begab sich zu seinen Genossen zurück, denen eine derartige Botschaft nicht unerwartet kam. Finney schäumte vor Wut; so viel seine Kameraden ihm aber auch in den Racheschwüren beistimmen mochten, so hatten die Signalfeuer in der Ferne, deren Bedeutung ihnen nicht fremd war, doch zu viel Unheimliches für sie, als daß sie jetzt noch Lust verspürt hätten, die geringste ihrer kurz vorher ausgestoßenen Drohungen wahr zu machen. Wären sie im Besitz ihrer Pferde gewesen, die ebenfalls ihre Ankläger werden konnten, so würden sie keine Minute länger in der Nachbarschaft des alten, gediegenen Trappers geweilt haben, der jetzt nur noch den Wunsch hegte, den Majordomo einen tüchtigen Vorsprung vor ihnen gewinnen zu lassen.

»Rechne, die Sache wird ohne Blutvergießen ablaufen«, sagte Gale, als er nach seiner Unterredung mit dem Räuber wieder in die Hütte trat, »es ist besser so; die Schurken verdienen zwar, daß man kurzen Prozeß mit ihnen macht, da sie aber auch ohne unser Zutun den Galgen wohl noch schmücken werden, so wollen wir dem Schicksal nicht vorgreifen. Doch, Gentlemen, beeilt Euch jetzt,« fuhr er plötzlich in verändertem Tone fort, »wenn Ihr tapfer reitet, so könnt Ihr schon bei Sonnenuntergang in der Mündung des Passes sein, also da, wo kein Räuber oder Mörder Euch mehr anzufallen wagt. Meine Jungens sollen Euch bis auf die andere Seite des unsicheren Bodens begleiten, und dann mögt Ihr Euer Heil allein versuchen. Möchte die Knaben gern vor Einbruch der Nacht wieder bei mir sehen, und auf der Ebene seid Ihr ja Mannes genug, Euch zu verteidigen, falls die wenigen, die noch beritten sind, Euch wirklich verfolgen sollten. Könnt mir aber glauben, dergleichen Gesindel ist nur so lange mutig, als es keine Gefahr für seinen eigenen Hals wittert.«

Den Anforderungen des alten Mannes wurde von keiner Seite widersprochen, und eine halbe Stunde später bestiegen Robert, Sidney, Juan und Fernando ihre Pferde, und nachdem sie den herzlichsten Abschied von dem Trapper, dessen Frau und Tochter und jüngstem Sohne genommen hatten, trabten sie in Begleitung der beiden, ebenfalls berittenen Halfbreeds, Independence und Republik, davon.

Kaum hatten sie sich entfernt, so begab sich Te-kum-seh, an Independences Stelle, in das Bett des Kernflusses, während der alte Trapper die Wache in der Hütte selbst übernahm und sich zeitweise von Frau und Tochter ablösen ließ; sie wurden indessen den ganzen Tag über durch nichts gestört. Die Räuber fürchteten offenbar die Drohungen des alten, grimmigen Jägers zu sehr, als daß sie einen Versuch, sich ihrer Pferde wieder zu bemächtigen, hätten wagen mögen.

Die Reisenden verfolgten indessen unangefochten den schwer erkennbaren Pfad, der sich durch feuchte, oft morastige Niederungen hinzog. Ungefähr um die Mittagszeit erreichten sie die Südseite des Sees, wo ihre Führer sich von ihnen trennten, um zu den ihrigen heimzukehren. Ehe sie Abschied von ihnen nahmen, spähten sie noch einmal nach allen Richtungen in die Ferne.

Tiefe, geheimnisvolle Stille ruhte auf der weiten Landschaft. Als ob der Friede seine Heimat in der erhabenen, feierlichen Einsamkeit aufgeschlagen habe, so ruhig und ernst nahm sich ringsum alles aus: die herbstlich gefärbte Ebene, wie die dunkelgrünen Binsenwaldungen und die zwischen denselben durchschimmernden Wasserspiegel; die starren, zackigen Gebirgszüge, die das Tal zunächst einrahmten, wie die prachtvollen, in ewiges Eis gehüllten Gipfel der stolz emporragenden Sierra Nevada. Der Himmel war herrlich blau, die klare Atmosphäre voll Sonnenschein. Zarte Spinnengewebe zogen, vom leisesten, kaum bemerkbaren Lufthauch getragen, hoch über die Reisenden dahin, während unten die wilden Bienen mit summendem Geräusch den verspäteten Herbstblumen ihren letzten Honig entführten. Die Raubtiere pflegten behaglich der Ruhe; die giftige Klapperschlange sonnte sich auf dem warmen Boden noch einmal nach Herzenslust, ehe sie sich der Erstarrung des Winters hingab, während der Jaguar den Schatten der Weidenbüsche aufsuchte. Independence und Republik wendeten ihre Pferde wieder dem Kernfluß zu; der Majordomo und seine Gefährten dagegen wählten die geradeste Richtung durch die stille, sanft ansteigende Ebene nach dem Uvaspaß. –

»Warum betrachtest du so aufmerksam den Flug der Raben und Geier?« brach Robert endlich das Schweigen, sich an den schwarzen Juan wendend.

»Dort liegt ihr geopfertes Pferd«, antwortete der Arriero tonlos, die schwärmenden Vögel mit einem Ausdruck von Haß betrachtend.

»Wessen Pferd?« fragte Robert überrascht; denn er glaubte sich verhört zu haben.

Der Arriero drehte sich erschreckt im Sattel um und sagte mit festerer Stimme: »Das getreue Tier, das ich schon seit Jahren ritt; seine Kräfte reichten nur bis an jene Stelle aus. O Sennor, es griff aus, als hätte es gewußt, um was es sich handelte! Das brave, edle Tier, ich habe es in den Tod geritten.«

Als der Arriero so sprach, neigte er wie in tiefer Trauer sein Haupt auf die Brust, um niemand merken zu lassen, daß seine Augen sich umflort hatten.

Robert kannte des Arrieros eigentümliche Hinneigung zu den Tieren und schätzte ihn deshalb nur um so höher. Als er ihn aber so in Schmerz versunken neben sich hinreiten sah, reichte er ihm freundlich die Hand. »Du hast recht, Juan«, sagte er tröstend, »es war ein edles, braves Tier, ein Tier, das wohl verdient, betrauert zu werden.« –

Der Himmel war blau, die Atmosphäre klar, und als die scheidende Sonne die Kuppen der Sierra Nevada wieder mit den zauberischen, purpurnen Lichtreflexen schmückte, schmale Nebelstreifen dem See und den feuchten Niederungen wieder entstiegen, da führten die Reisenden ihre erschöpften Pferde nach der ersten Höhe des Uvaspasses hinauf, wo eine sprudelnde Gebirgsquelle sie zum Rasten einlud.

Vor ihnen lagen wilde Gebirgsmassen, deren schroffe Abhänge, wie die Zähne von Maschinenrädern, ineinanderfaßten und durch den ungestüm polternden Bach getrennt wurden; hinter ihnen dagegen, wie ein mächtiges Rundgemälde, das stille, weite Tularetal.

Ihre Reise war um einen Tag verzögert worden –

 


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