Balduin Möllhausen
Der Majordomo
Balduin Möllhausen

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Zweites Kapitel.
Eine glückliche Familie.

Die Schatten der westlichen Berggipfel dehnten sich über das ganze Tal von Cuesta aus. Nur die östlichen Höhen glühten noch, von den letzten Strahlen der scheidenden Sonne berührt, in rosenfarbigem Feuer.

Matt blökend schritten die Schafe den Schutz gewährenden Hürden zu; Pferde und Rinder, die sich schon größtenteils gelagert hatten, gaben gelegentlich durch heftiges Geläute der am Halse hängenden Glocken ihre Gegenwart zu erkennen, wenn sie, um die lästigen Moskitos zu verscheuchen, unwillig die Köpfe schüttelten; ein leiser Ostwind rasselte heimlich mit den Samenkapseln der herbstlich gefärbten Kräuter; wo aber das schon eingeerntete Getreide gestanden hatte, da trieben sich Hunderte von Rebhühnern umher. Emsig suchten und pickten sie die reifen Weizen- und Maiskörner auf, die bei der Arbeit den fruchtschweren Ähren entfallen waren, während hoch oben, bald im Schatten, bald im Sonnenschein, breitschwingige Fledermäuse laut zirpend in unberechenbaren Zickzacklinien umherflatterten und beim Ergreifen der von ihnen verfolgten Insekten wie vor lauter Übermut sich fliegend überschlugen.

Es war ein wundervoller Herbstabend. Von der Stadt herüber ließ sich, vom Lufthauch getragen, zeitweise der Klang von Geigen, Flöten und Gitarren vernehmen; dazwischen erschallte fröhlicher Gesang und Gejauchze, oder auch das gellende Kommandowort eines Vortänzers, der den im Freien abgehaltenen Fandango leitete. Einzelne Musketenschüsse, die gelöst wurden, um die Feier der sich fast täglich wiederholenden Abendunterhaltung des tanzlustigen Völkchens zu erhöhen, weckten das Echo ringsum in den Schluchten, und wenn man scharf lauschte, dann verstand man sogar die Worte des Refrains, mit dem die regelmäßigen Pausen in dem Aufspielen eines wilden Walzers ausgefüllt wurden:

    Der Wein und die Mädchen voll Glut unsrer harren,
Vergeudet das Gold bei dem Klang der Gitarren!
Und hebet die Füße und wirbelt im Kreise,
Denn Lieben und Trinken und Tanzen macht weise!

»Hurra! Solo! Solo! Mille Caramba! Solo!« ertönte eine Stimme lauter als alle übrigen. Die Musik hatte schon wieder angestimmt, und im Takt sangen die Tanzenden:

Und hebet die Füße und wirbelt im Kreise,
Denn Lieben und Trinken und Tanzen macht weise!

Sonst war es still um der Rancho; die Fledermäuse zirpten aber fort und fort, und zwischendurch meckerte eine alte Ziege, die das Vorrecht hatte, gleich einem verzogenen Hunde, alle Gemächer des Hauses nach Willkür durchwandern zu dürfen.

»Jedesmal, wenn ich diesen Walzer höre, tritt mir die Zeit unserer ersten Bekanntschaft lebhaft vor die Seele«, sagte Esteban zu seiner Gattin, die neben ihm unter der Veranda vor der Haustür saß und ihre Aufmerksamkeit gleichmäßig zwischen ihrem Gatten, ihrem Sohne, einem fünfjährigen Knaben, der zu ihren Füßen spielte, und einem Säugling auf ihrem Schoße teilte.

»Gerade dieser Walzer wurde aufgespielt, als wir zum erstenmal in unserm Leben zusammen tanzten«, entgegnete Juanita sinnend, indem sie ihr schönes Antlitz, dessen Weiße durch die rabenschwarzen Haare doppelt blendend erschien, ihrem Gatten zukehrte.

»Caramba!« rief Estevan lachend aus, während er den Arm um seine Gattin schlang und sein Gesicht schmeichelnd an das ihrige legte; »Caramba! Du mußt mich vom ersten Augenblick an außerordentlich schön und liebenswürdig gefunden haben, daß du sogar die Musik unseres ersten Walzers so genau im Andenken behalten hast.«

»Schön?« fragte Juanita lachend zurück; »schön und liebenswürdig? Ha ha ha! Wie eitel du bist. Ich will dir aber auseinandersetzen, was mir an dir gefiel: Vor allen Dingen tanztest du am besten von der ganzen Gesellschaft, die an jenem Abend in El Paso versammelt war; dann ärgerte es mich, daß einzelne, die dich ausdrängen wollten, dich deiner braunen Farbe wegen für einen Indianer ausgaben, und dann endlich muß ich einräumen, daß ich die schöne bräunliche Farbe deiner Haut in der Tat viel einnehmender fand, als die gelben Gesichter der übrigen Burschen.«

»Mit einem Wort, du warst verliebt in mich«, fügte Estevan scherzend hinzu; »hättest du mir damals aber diejenigen genannt, die mich zu einem Indianer stempeln wollten, so würde es ganz gewiß blutige Köpfe gegeben haben.« –

»Was immerhin Grund genug für mich war, zu schweigen«, fiel die junge Frau ihrem Gatten in die Rede, indem sie den Säugling zärtlich küßte, und dem Knaben, der sich an ihre Knie lehnte, um ihn nicht zu kurz kommen zu lassen, mit der Hand durch die schwarzen Locken strich; »es würde mir doch sehr nahe gegangen sein, wäre mein brauner Estevan damals im Handgemenge unterlegen.«

»Es unterliegt sich nicht so leicht, wenn man ein Paar gesunde Fäuste hat und unter den Augen der schönsten Sennorita am ganzen Rio Grande kämpft«, versetzte der Ranchero, nun ebenfalls kleine Schmeicheleien an die Kinder spendend. »Übrigens habe ich dir schon oft genug erklärt, daß die braune Farbe nicht notwendigerweise die unmittelbare Abstammung von einem Indianer oder einer Indianerin voraussetzen läßt. Meine Eltern und meine Großeltern waren so weiße Leute, wie nur je welche die gesunde Luft Neu-Mexikos einatmeten. Meine Urururgroßmutter mag allerdings eine Eingeborene gewesen sein, und war sie dies wirklich, so kann es nicht überraschen, daß meine Hautfarbe dunkel ist. Es ist nämlich eine eigentümliche, vielfach beobachtete Tatsache, daß in der vierten, fünften und noch weitern Generation häufig auffallende Familienähnlichkeiten mit fast vergessenen Vorfahren auftauchen.«

»Häufiger aber doch wohl gleich in der ersten Generation«, entgegnete Juanita, den Knaben an sich ziehend und, indem sie die Hand unter sein Kinn legte, sein Gesicht aufwärts kehrend; »denn sieh nur, unser Juan ist fast noch brauner als sein Vater, wenn er auch nicht so schön wie sein Vater zu werden verspricht.«

»Während das kleine Geschöpf auf deinem Schoße wieder die zarte Hautfarbe und die entzückend schönen Augen seiner Mutter besitzt«, fügte Esteban hinzu, indem er den Säugling mit etwas ungeschicktem Griff zu sich herüberzog und quer über seine Knie legte.

Beide Eltern ergingen sich nun in Liebkosungen ihrer Kinder und schienen darüber die ganze übrige Welt zu vergessen.

    »Der Wein und die Mädchen voll Glut unsrer harren,
Vergeudet das Gold bei dem Klang der Gitarren,
Und hebet die Füße und wirbelt –«

flüsterte ein Windstoß den glücklichen Eltern zu, und dann war es wieder still.

»Sie scheinen mit ihrem Walzer gar nicht zu Ende kommen zu können«, bemerkte Juanita, als ob die leisen, durch die Entfernung gedämpften Worte des Gesanges sie wieder an die Gegenwart erinnert hätten; »und wirbelt im Kreise, denn Lieben und Singen und Tanzen macht weise!« ergänzte die junge Frau gleich darauf, mit heller Stimme singend, den Vers, dessen Ende ihnen durch den neckischen Luftzug entführt worden war. »Ja, macht sehr weise«, wiederholte sie mit schalkhaftem Ernst sprechend; »aber sage, zuckt es dir noch nicht in den Füßen?«

»Der Walzer ist ein schöner Tanz, und vergebens müssen die Musikanten ihn gewiß nicht so oft hinter einander aufspielen«, erwiderte Estevan, behaglich zwei Zigaretten anzündend und seiner Gattin eine davon reichend; »es zuckt mir allerdings zuweilen in den Füßen, wenn ich die liebe bekannte Melodie höre und dabei an unsern ersten Tanz denke; aber ich ziehe doch vor, hier zu sitzen und mich an dir und unseren Kindern zu erfreuen. Es ereignet sich selten, daß wir ganz allein zu Hause sind.«

»Sind denn wirklich alle unsere Leute zum Fandango gegangen?« fragte Juanita verwundert.

»Alle miteinander, groß und klein, alt und jung«, antwortete Estevan nachlässig.

»Auch Manuel?«

»Auch Manuel, trotzdem er weiß, daß er dort kein willkommener Gast ist.«

»Auch Gonzalez und Guzman?« fragte die junge Frau weiter.

»Du kennst Gonzalez wie Guzman nur wenig, wenn du ihnen dergleichen zumutest«, entgegnete der Ranchero lachend; »Gonzalez mit seinem Hochmut würde sich nie auf einem Fandango blicken lassen, ebensowenig wie Guzman, der lieber einen Finger einbüßt, als daß er einen Real für einen Tanz oder ein Glas Wein hingäbe. Nein, sie gingen ins Gebirge, um Antilopen zu jagen.«

»Es ist auffallend,« versetzte Juanita nach einer kurzen Pause, »daß diese beiden Menschen, die doch so ganz entgegengesetzte Neigungen haben, und in früheren Zeiten sich gegenseitig offenkundig mieden, jetzt so viel mit einander verkehren. Ich fühle mich dadurch unwillkürlich zum Mißtrauen gegen sie angeregt; auf Dankbarkeit von ihrer Seite wirst du ohnehin nie rechnen dürfen.«

»Du solltest dich doch endlich an die Eigentümlichkeiten der beiden Sonderlinge gewöhnt haben,« erwiderte Estevan sorglos, indem er seiner Gattin den Säugling wieder darreichte und dafür den kleinen Juan auf seinem Knie reiten ließ, »sie sind heimatlos, und da sie für ihr Brot redlich arbeiten, der eine von ihnen sogar noch mit uns verwandt ist, so tun wir am Ende nicht zu viel, wenn wir mit ihren Schwächen Geduld haben und ihnen eine Heimat gönnen.«

»Wenn sie nur freundlicher gegen uns und unsere Kinder wären«, bemerkte die junge Mutter mit vorwurfsvollem Tone; »Gonzalez zum Beispiel hat mich noch nie gerade angeblickt, wenn er mit mir sprach; er sieht so finster aus, daß Juan sich förmlich vor ihm fürchtet.«

»Und doch erfüllt es dich stets mit Unwillen, wenn Manuel sich unsern Juan zum Freunde zu machen sucht«, versetzte Estevan lachend.

»Freilich, weil er als Vagabund bekannt ist«, antwortete Juanita schnell.

»Weshalb ich deinen Widerwillen gegen ihn auch gerechtfertigt finde«, fügte Estevan hinzu. »Gonzalez kennen wir dagegen schon lange, und ich behaupte, daß er nicht so böse ist, wie er, seinem Äußern nach zu schließen, zu sein scheint. Außerdem erhält er den finsteren Ausdruck hauptsächlich dadurch, daß seine Augenbrauen sich über der Nase berühren. Hätte Guzman mir übrigens vor einiger Zeit nicht etwas sehr übelgenommen, so würde das Verhältnis zwischen ihm und Gonzalez bis auf den heutigen Tag dasselbe geblieben sein, und er sich dem hochmütigen Arriero gewiß nicht mit so viel Unterwürfigkeit genähert haben. Es ist eine Art kleinlicher Rache, die er durch seine scheinbar freundlichen Beziehungen zu Gonzalez an mir auszuüben glaubt«, schloß der Ranchero mit einem gutmütigen Lachen.

»Rache?« fragte Juanita, unbewußt ihren Säugling fester an sich ziehend. »Rache? Was hast du ihm getan, daß er an Rache denkt?«

»Etwas höchst Unschuldiges«, antwortete Estevan und ließ zugleich den ungeduldigen Knaben von seinem Knie gleiten; »Guzman gesellte sich nämlich vor einigen Monaten zu mir, als ich gerade damit beschäftigt war, die mir aus dem Nachlaß meines Vaters zugefallenen Papiere zu durchblättern. Du weißt, mein Vater sammelte mit einer gewissen Leidenschaft Altertümer, vor allem aber Schriften und Dokumente, die aus den Zeiten der ersten Spanier herstammen. Ich zeigte Guzman mehrere der alten vergilbten Pergamente. Unter anderen auch den Plan eines verschütteten Bergwerks im Sandia-Gebirge, und eine Beschreibung der Stelle in den Ruinen der Stadt Gran Quivira, auf der von den Missionaren große Schätze vergraben sein sollen. Als ich ihm erklärte, daß diese Dokumente durchaus wertlos seien, daß namentlich die Umgebung von Gran Quivira von Schatzgräbern förmlich durchwühlt worden wärenTatsache., und die Angaben, die außerdem noch unvollständig waren, offenbar auf alten Sagen beruhten, da bat er sie sich auf Grund ihrer Wertlosigkeit von mir zum Geschenk aus. Ich verweigerte ihm die verlangten Gegenstände, weil ich sie als Andenken auf unsere Kinder zu vererben beabsichtige. Da ging er im Zorn von mir und beschuldigte mich der Ungefälligkeit, der Lieblosigkeit.«

»Sollten die Dokumente wirklich so ganz ohne Wert sein?« fragte Juanita, nachdem sie den Liebling auf ihrem Schoß eine Weile sinnend betrachtet hatte; »unsere Kinder könnten gewiß etwas Reichtum gebrauchen.«

»Reichtum macht nicht glücklich«, versetzte Estevan in seiner behaglichen sorglosen Weise; »sind unsere Kinder aber dereinst töricht genug, die Dokumente für etwas anderes als ein paar Stückchen beschriebenes Pergament zu halten, so mögen sie ihr Glück immerhin versuchen. Was meinst du, Juan? – Juan! Juan! Wo steckt der Junge? Caramba!« rief Estevan aus, indem er aufstand und sich nach allen Richtungen hin umschaute.

»Manuel kommt, und die Pferde!« antwortete der Knabe, der sich unter dem Schutz der tiefen Dämmerung unbemerkt davongeschlichen hatte und so weit gelangt war, daß er um den nahen Felsvorsprung herumblicken konnte. »Manuel und die lieben, lieben Pferde! Ich reiten, ich reiten, ich ein Arriero!« jubelte das Kind und eilte, so schnell es seine kleinen Füßchen nur zu tragen vermochten, vollständig um die Talecke herum.

»Manuel mit den Pferden?« rief Estevan aus, indem er dem Knaben nachfolgte; »Caramba! ist es denn Winter, daß die Tiere eines Obdachs bedürfen? er ist sonst doch nicht sehr dafür, die Herden aufzustallen.«

Das Getrappel von einigen Dutzend Pferden, die in diesem Augenblick um die Talecke herumbogen und auf das Gehöft zugaloppierten, ließ ihn das Selbstgespräch abbrechen. Er wartete nur noch so lange, bis er sich durch einen Blick überzeugt hatte, daß der jubelnde Juan vor Manuel auf dem Sattel saß, worauf er zu seiner Gattin zurückkehrte und es dem Vaquero anheimstellte, die Herde in die an die Ställe stoßende Einfriedigung zu treiben und diese dann abzuschließen.

Als Manuel sich nach kurzer Zeit, den kleinen Knaben auf dem Arm, der Haustür näherte, richtete Estevan in mißbilligendem Ton die Frage an ihn: warum er die Pferde nicht auf der Weide gelassen habe?

»Verzeiht, Sennor,« entgegnete der Vaquero, den Knaben vorsichtig auf die Erde stellend und seinen Hut mit mexikanischer Höflichkeit ziehend, »ich weiß sehr wohl, es steht mir nicht zu, eigenmächtig Bestimmungen über das Eurige zu treffen. Ich war aber unten in der Stadt, und da ich dort vernahm, daß in den letzten Tagen vielfach die Spuren von umherstreifenden Indianern im Gebirge entdeckt worden seien, eine Fandangonacht mir indes sehr geeignet für die Räubereien der Eingeborenen erscheint, so zog ich es vor, wenigstens die Pferde in Sicherheit zu bringen. Ich bin aber bereit, sie auf Euern Befehl sogleich wieder auf die Weide zu treiben.«

»Laßt nur«, versetzte Estevan, durch den höflichen Ton des Vaquero besänftigt; »etwas Vorsicht schadet nie. Es wäre übrigens das erstemal seit fast einem Jahre, daß die Steppenräuber sich wieder in unser Tal gewagt hätten. Warum aber tanzen die Leute noch länger, wenn sie Gefahr in der Nähe wissen?«

»Es gab eine Zeit, Sennor, in der auch wir den Klängen der Gitarren nicht zu widerstehen vermochten, und wenn es unserm Leben gegolten hätte«, entgegnete Manuel bescheiden schmunzelnd. »Es ist den jungen Leuten daher kaum zu verargen, daß sie ihr Leben genießen und sich durch Musik und Wein berauschen lassen. Übrigens bin ich nicht der einzige, der durch die Gerüchte zur Vorsicht gemahnt wurde; denn ich bemerkte mehrere Vaqueros, die nicht nur die Pferde, sondern auch die Rinder der Stadt zutrieben, und wenn es Euch recht wäre, Sennor, dann möchte ich den Hunden auf diese Nacht eine Stelle bei der Einfriedigung anweisen.«

»Macht's wie Ihr wollt«, antwortete Estevan sorglos; »ich denke, die Comanches haben meine Büchse noch in gutem Andenken und achten mein Eigentum. Auch müssen Guzman und Gonzalez bald heimkehren, und eine bessere Besatzung, als wir dann auf der Rancho bilden, hatte gewiß selten ein Militärposten aufzuweisen.«

»Mit Ausnahme Guzmans«, fügte Manuel wie im Scherz hinzu.

»Guzman wird sein Eigentum im Fall der Not schon zu verteidigen wissen, und seine beiden Pferde befinden sich ja unter den meinigen!« rief Estevan lachend zurück, indem er den kleinen Juan auf den Arm nahm und seiner Frau in das Innere des Hauses nachfolgte.

Hier nahmen die Kinder dann wieder ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch, und eine Stunde war noch nicht verstrichen, da lagen alle im tiefsten Schlafe.

Sie schliefen so ruhig, so glücklich und so frei von jeder Besorgnis. Warum hätten sie auch besorgt sein sollen? Über Estevans Bett hingen ja eine geladene Büchse, zwei Pistolen und ein breitklingiges Bowiemesser; auf dem Hofe wachten zwei grimmige Hunde, denen sich zur Nachtzeit kein unbekannter Mensch nähern durfte, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, zerrissen zu werden, und dann war ja auch zum Überfluß noch Manuel da, der schon allein um seiner selbst willen einen Eingeborenen nicht auf hundert Schritte im Umkreise geduldet hätte. Er verachtete die rothäutigen Menschen viel zu sehr, und gab oft genug vor, sie schon auf weite Entfernung wittern zu können.

Es war also kein Grund zur Besorgnis vorhanden.

Die Umgebung der Rancho nahm sich unter dem reichgestirnten Himmel so friedlich, so harmlos aus, und wie um bei den Bewohnern das Gefühl der Sicherheit zu erhöhen, trug der unstete Ostwind zuweilen die Klänge der Gitarren und Geigen von der Stadt herüber.

Leise und geheimnisvoll wie ein Elfenreigen schallte die Musik durch die nächtlich stille Atmosphäre, und mehrfach ertönten, als ob neckische Kobolde sich mit hineingemischt hätten, ganz deutlich die Worte des Schlußrefrains. –

Sobald Manuel sich unter der Veranda des Hauses allein sah, lockte er die beiden Hofhunde an sich, und führte sie nach der äußersten Ecke der Einfriedigung hinüber, wo er sie mittels kurzer Lederleinen, von einander getrennt, an die Tragepfosten fesselte. Als er dann zurückkehrte, schlich er leise an die Haustür, prüfte, ob sie verschlossen sei, hüllte sich in seine Decke und streckte sich unter der Veranda so hin, daß er das westliche nahe Plateau, dessen schwarze Umrisse sich scharf vor dem mild erleuchteten Firmament abhoben, stets in den Augen behielt. So lag er ruhig da und lauschte nach allen Richtungen in die Ferne.

Die Unterhaltung zwischen Estevan und seiner jungen Gattin, die wie gedämpftes Murmeln zu Manuels Ohren drang, wurde abgebrochener und verstummte endlich ganz.

»Bueno!« flüsterte der Vaquero, als er nicht länger zu bezweifeln brauchte, daß alle schliefen; »Bueno!« wiederholte er, indem er sich aufrecht hinsetzte.

Seine Blicke hafteten aber unveränderlich an dem schwarzen Felsenrande. Da führte der Wind ihm einige der lustigen Fandangoklänge zu, und abermals wiederholte er:» Bueno!«

»Mögen sie tanzen bis an den jüngsten Tag«, fügte er nach kurzem Sinnen hinzu, und wie vor Zufriedenheit über ein glücklich vollbrachtes Tagewerk wiegte er sein Haupt im Takte zu den Worten, die ihm der Wind zuflüsterte:

    »Der Wein und die Mädchen voll Glut unsrer harren,
Vergeudet das Gold bei dem Klang der Gitarren,
Und hebet die Füße und wirbelt im Kreise,
Denn Lieben und Tanzen und Trinken macht weise!«

 


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