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22. Kapitel.

»Und der Priester legt die Hände
Segnend auf des Toten Haupt:
Selig ist, wer bis ans Ende
An die ew'ge Liebe glaubt.

Selig, wer aus Herzensgrunde
Nach der Lebensquelle strebt
Und noch in der letzten Stunde
Seinen Blick zum Himmel hebt.

Suchtest du noch im Verscheiden
Droben den Versöhnungsstern,
Wird er dich zur Wahrheit leiten
Und zur Herrlichkeit des Herrn.

Darum gilt auch dir die Freude,
Die uns widerfahren ist.
Denn geboren wurde heute
Auch dein Heiland, Jesus Christ!«

Sternau saß in seinem Zimmer. Er wollte arbeiten, aber es ging nicht, er mußte immer und immer wieder an die letzten Ereignisse denken, und diese Gedanken beschäftigten ihn so sehr, daß er ein Klopfen an seiner Tür überhörte und auf dasselbe erst dann aufmerksam wurde, als es sich wiederholte.

»Herein!« rief er.

Die Tür öffnete sich, und der Arzt wunderte sich, einen fremden Mann zu sehen, der es vergessen zu haben schien, sich vorher anmelden zu lassen.

»Wer sind Sie?« fragte er den Eingetretenen. – »Sie sind Señor Sternau, der Arzt des Grafen Emanuel?« fragte der Fremde anstatt der Antwort. – »Ja.« – »Die Gräfin Rosa de Rodriganda sendet mich.« – »Oh! Wunderbar! Sie ist nach Pons.« – »Allerdings. Sie ist bei mir eingekehrt und schickt mich, um Sie zu bitten, nachzukommen.« – »Weshalb?« – »Das sagte sie nicht. Es war noch eine Dame bei ihr.« – »Das ist richtig. Sie sind ein Gastwirt?« – »Ja. In Elbrida, zwischen hier und Manresa.« – »Sind Sie mit dem Geschirr der Gräfin gefahren?« – »Nein. Sie wollte ihre Pferde nicht unnütz ermüden.« – »Setzen Sie sich. Ich bin sogleich fertig.«

Sternau war hier gewöhnt worden, vorsichtig zu handeln, aber es konnte der Gräfin unterwegs ein Gedanke gekommen oder etwas begegnet sein, daß sie seine Gegenwart wünschte. Er legte also andere Kleider an, schloß seine Möbel zu und ging mit dem Fremden vor das Portal, wo eine zugemachte zweispännige Kutsche hielt. Dann stiegen sie ein und fuhren ab.

Droben am Fenster stand der Advokat mit seinen beiden Verbündeten. – »Er steigt ein«, sagte er hohnlächelnd. – »Jetzt geht es fort«, bemerkte Alfonzo. – »Er ist gefangen«, fügte die fromme Schwester bei. »Gott gab dir den prächtigen Gedanken, daß der Corregidor sich für einen Wirt ausgeben sollte, mein teurer Gasparino.« – »Ich möchte das Gesicht sehen, das er macht, wenn er die Wahrheit erfährt«, lachte Alfonzo.

Unterdessen fuhr die Kutsche eine Strecke auf der Straße nach Manresa dahin, dann aber bog sie nach rechts ein und lenkte nach der Barcelonaer Chaussee hinüber.

»Der Kutscher fährt falsch!« bemerkte Sternau. – »Er fährt richtig«, entgegnete der Fremde. – »Nach Manresa?« – »Nach Barcelona.« – »Ah! Ich denke, daß wir nach Elbrida fahren.« – »Nein. Wir fahren nach Barcelona.« – »Señor, wer sind Sie? Was wollen Sie mit mir?« – »Wer ich bin? Ich bin der Corregidor von Manresa. Was ich will? Sie nach Barcelona bringen.« – »Ah, ein Polizist sind Sie! Was soll ich in Barcelona?« – »Ich weiß es nicht. Der Delegados will mit Ihnen sprechen.« – »Der Präfekt? Worüber?« – »Ich weiß es nicht. Sie werden es hören.« – »Sie haben mich belogen, Señor.« – »Nur eine kleine List, die wir sehr oft anwenden, um Weitläufigkeiten zu vermeiden.« – »Und wenn ich mich weigere, Ihnen zu folgen?« – »Das hilft Ihnen nichts. Blicken Sie durch das Wagenfenster nach rückwärts, so werden Sie sehen, daß uns vier berittene Gendarmen mit geladenen Gewehren auf dem Fuß folgen.« – »Alle Teufel! Das sieht ja aus, als ob Sie einen schweren Verbrecher transportieren.« – »O nein. Das ist nur eine kleine Formalität, Señor. Ich weiß bestimmt, daß Sie heute wieder zurückkehren, aber Sie sind ein Ausländer, und ich muß Sie bringen, daher die Begleitung.« – »Ich selbst würde mich vor dieser Begleitung nicht fürchten, Señor Corregidor, aber ich habe ein gutes Gewissen und gehe also mit, ohne an eine Widersetzlichkeit zu denken.« – »Das ist das beste, Señor. Man darf seine Lage niemals falsch beurteilen oder gar verschlimmern. Vielleicht fahren Sie gleich wieder mit mir zurück. Ich würde mich freuen, Ihre Gesellschaft auch auf dem Rückweg zu genießen.«

Der Beamte war überzeugt, daß sein Gefangener einer langen Haft entgegengehe, aber er mußte so sprechen, um sich die Ausübung seines Amtes möglichst leicht zu machen.

»Weiß man in Rodriganda, wohin Sie mich führen?« fragte Sternau. – »Ja.« – »Wem haben Sie es gemeldet?« – »Einigen Dienern.«

Auch dies war nicht wahr, denn außer den drei Verbündeten wußte kein Mensch, wohin der Wagen gefahren war. Übrigens hatte hiermit das kurze Gespräch ein Ende. Sternau versank in allerlei Vermutungen, und der Beamte schien keine Lust zu haben, eine neue Unterhaltung zu beginnen.

Am späten Nachmittag kam man in Barcelona an, und die Kutsche hielt vor einem düsteren, altertümlichen Gebäude, dessen wenige Vorderfenster mit dicken Eisenstäben vergittert waren.

»Steigen Sie hier aus!« sagte der Beamte.

Als Sternau den Wagen verlassen hatte, bemerkte er zum ersten Mal die vier Gendarmen, die demselben gefolgt waren. Er wurde von ihnen durch einen Torgang in einen düsteren Flur begleitet, dann eine enge, schmale Wendeltreppe emporgeführt und trat darauf in ein großes, ödes Zimmer, das nur ein Fenster, aber viele Seitentüren hatte.

»Warten Sie!« sagte der Corregidor.

Dabei klopfte er an eine der Türen und verschwand hinter derselben, während die Gendarmen zurückblieben, ohne ein Wort unter sich oder mit Sternau zu sprechen. Es dauerte lange, sehr lange, ehe der Beamte wieder erschien.

»Treten Sie hier ein!« sagte er kurz, auf die Tür deutend, aus der er gekommen war, und dieselbe dann hinter Sternau verschließend.

Jetzt befand sich der Arzt in einem Zimmer, dessen zwei Fenster ebenfalls vergittert waren. An drei Wänden standen große Aktenrepositorien, und vor dem einen Fenster erblickte er einen mächtigen Schreibtisch, an dem ein kleines, zusammengetrocknetes Männchen saß, das ihn über eine mächtige Hornbrille hinweg mit giftigem Blick fixierte.

Nach einiger Zeit nahm dieses Männchen einen Bogen Papier und eine Feder zur Hand und fragte:

»Wie heißt Ihr?« – »Sternau.« – »Vorname?« – »Karl Sternau.« – »Aus?« – »Mainz.« – »Wo liegt das?« – »In Deutschland.« – »Ah! Also ein Deutscher! Was seid Ihr?« – »Ich bin Arzt. Aber gestattet mir doch auch eine Frage! Wer seid Ihr, und was soll ich hier?« – »Ich bin Corregidor, so habt Ihr mich zu nennen, und was Ihr hier sollt, das werdet Ihr im Verlauf des Verhörs erfahren.« – »Ein Verhör! Das klingt ja, als ob ich mich in Untersuchung befände!« – »Das klingt nicht nur so, sondern das ist sogar wirklich so«, antwortete das Männchen, ihm mit den Augen schadenfroh zublinzelnd. »Übrigens glaubt nur nicht, daß Ihr hier seid, um Fragen zu stellen. Ich bin es, der fragt, und Ihr seid es, der zu antworten hat. Also Ihr seid Arzt?« – »Ja«, antwortete Sternau, der sich vornahm, sich möglichst fügsam zu stellen. – »Wie alt seid Ihr?« – »Sechsundzwanzig.« – »Seid Ihr bereits einmal bestraft?« – »Nein.« – »Ist das auch wahr?« – »Ja – außer ...« – »Außer? Nun, heraus damit!« – »Außer einer kleinen Ohrfeige, die ich von meiner Mama bekam, als ich noch ein Knabe war.«

Der Corregidor fuhr empor.

»Mann, denkt Ihr etwa, Euren Spaß mit mir treiben zu können? Ich lasse Euch auf der Stelle krumm schließen!« – »Krumm schließen? Pah!« antwortete Sternau, der die Antwort wirklich nur zum Scherz gegeben hatte. – »Pah? Was heißt Pah! Antwortet! Das übrige wird sich finden! Seid Ihr verheiratet?« – »Nein.« – »Habt Ihr Vermögen?« – »Nein.« – »Ah! Wirklich nicht?« fragte der Corregidor lauernd. – »Nein.« – »Wie groß ist Eure Barschaft?« – »Vielleicht dreißig Duros.« – »Gebt einmal her.«

Sternau gab seine Börse hin, und der Corregidor zählte ihren Inhalt durch, dann notierte er die Summe, wie er auch jede Antwort Sternaus aufgeschrieben hatte.

»Wo war in der letzten Zeit Euer Aufenthalt?« fragte er darauf. – »Auf Rodriganda.« – »Und vorher?« – »In Paris.« – »Warum bliebt Ihr nicht in Paris?« – »Weil ich nach Rodriganda gerufen wurde, um Don Emanuel in seiner Krankheit zu behandeln.« – »Habt Ihr ihn behandelt?« – »Ja.« – »Dürft Ihr das?« – »Wer sollte es mir wehren?« – »Ich!« sagte der kleine Mann mit Nachdruck. »Wäret Ihr als Arzt in Rodriganda angestellt? Hattet Ihr eine Vokation?« – »Nein.« – »In Spanien ein Examen bestanden?« – »Nein.« – »In Spanien Einkommensteuer bezahlt?« – »Nein.« – »Und dennoch kuriert, mediziniert und Kranke behandelt! Ah, das erste Verbrechen ist bereits beim ersten Verhör zur Evidenz erwiesen. Ihr könnt jetzt abtreten.« – »Ah, Señor, Ihr sprecht vom ersten Verhör? Soll es vielleicht mehrere geben?« – »Versteht sich! Viele, sehr viele!« – »Und ich? Wo bleibe ich einstweilen?« – »Bleiben? Närrische Frage! Ihr bleibt hier bei mir! Im Korridor zwei, Nummer vier. Das ist bestimmt und ausgemacht.« – »Soll das etwa heißen, daß ich Gefangener bin?« – »Versteht sich!« blinzelte der Kleine. – »Aus welchem Grund?« fragte Sternau, jetzt wirklich erregt. – »Das werdet Ihr später erfahren.« – »Auf wessen Anzeige oder Anklage?« – »Auch das werdet Ihr erfahren.« – »Alle Teufel, Señor, ich habe das Recht eine Antwort zu fordern!« brauste Sternau auf.

Das Männchen krümmte sich vor Vergnügen noch mehr zusammen und antwortete blinzelnd:

»Ja, das Recht habt Ihr, aber ich dagegen habe das Recht die Antwort zu verweigern.« – »Ihr habt gehört und auch aufgeschrieben, daß ich ein Deutscher bin. Ich verlange, mit dem deutschen Konsul zu sprechen!« – »Gut, gut! Werde es besorgen!« – »Sofort, Señor!« – »Schön! Schön!«

Der Corregidor blinzelte den Gefangenen höchst vergnügt an und gab mit einer Klingel ein Zeichen. Darauf erschien ein finsterer, robuster Kerl, der sich Sternau sehr genau betrachtete. Er hatte eine Art Uniform an.

»Dieser Señor will mit dem deutschen Konsul sprechen«, sagte der Corregidor zu ihm. »Führe ihn zum Konsul! Aber schnell, schnell.«

Der Kerl grinste wie ein Walroß, zeigte nach der Tür und sagte:

»Vorwärts! Marsch!«

Das war Sternau denn doch zu kurz und bündig. Er sah sich den Mann an, besann sich jedoch eines Besseren und wandte sich an den Corregidor:

»Darf ich um meine Börse bitten, Señor?« – »Ja«, blinzelte der Gefragte, »bitten dürft Ihr, aber bekommen werdet Ihr sie nicht. Hier darf niemand eine Börse führen. Wir sind nicht auf dem Jahrmarkt. Geht zum Konsul!«

Es war klar, dieser Mensch machte sich über Sternau lustig. Jener sah ein, daß es das beste sei, es zu ignorieren und sich zu fügen. Er war Gefangener, konnte es aber doch nicht ewig bleiben. Er folgte daher ohne fernere Einrede dem Schließer, der ihn abermals eine Treppe emporführte. Sie traten in einen düsteren Korridor, der die Nummer zwei über seinem Eingang führte. Rechts und links waren Gefängniszellen. Bei einer mit vier bezeichneten Tür blieb der Schließer stehen, um aus einem großen Schlüsselbund den betreffenden Schlüssel herauszusuchen. Dann öffnete er zwei hintereinander befindliche Türen, die auf beiden Seiten mit Eisen beschlagen waren.

»Vorwärts! Marsch!«

Dies schienen die einzigen Worte zu sein, die der Schließer reden konnte. Als Sternau gehorchte und eintrat, fielen die beiden Türen hinter ihm ins Schloß. Er war gefangen.

Es war ein eigentümliches Gefühl, das ihn überkam, ein Gefühl, ganz ähnlich demjenigen, das ein Mensch empfindet, der in das Wasser steigt und dabei bemerkt, daß die Flut über ihm zusammenschlägt. Er ist von Luft und Licht abgeschlossen, er ist kein Mensch mehr, kein freies, selbstbestimmendes Wesen, er hat keinen Namen mehr, er wird nach der Nummer derjenigen Zelle gerufen, in der er sich befindet. Er mag sterben oder verderben, ohne sich wehren zu können.

Es war außerordentlich düster in der Zelle, denn sie erhielt ihr Licht durch eine winzig kleine Öffnung, die man mit der Hand kaum erlangen konnte, und die zunächst mit einem engen Eisengitter und dann auch mit einem starken Drahtseil verschlossen war. Sie war sechs Schritt lang und vier Schritt breit. Zwei kleine Matratzen lagen auf dem Boden, die einen ungewöhnlichen Dunst ausströmten. Die eine derselben war leer, auf der anderen aber lag eine menschliche Gestalt, die sich bei dem Eintritt des Doktors erhob.

»Ah, neuer Zuwachs!« hörte er eine schwache Stimme. »Guten Abend!« – »Guten Abend!« dankte Sternau. – »Bist du neu?« fragte der bisherige Besitzer der Zelle.

Sternau hatte einmal gehört, daß Gefangene sich stets mit du anreden. Er beschloß, seinen Kameraden nicht zu erzürnen und antwortete:

»Ja.« – »Weshalb bist du da?« – »Ich weiß es nicht.« – »Ach, mache mir nichts vor.« – »Es ist so!« –»Na ja. So sagt ein jeder. Setz dich!« – »Wohin?« – »Auf die Matratze.« – »Ist sie rein?« – »Hm!«

Diese Antwort sagte Sternau alles, aber er sah ein, daß er mit Zurückhaltung nicht weit kommen werde, und setzte sich daher nieder.

»Was bist du?« fragte der andere. – »Ein Arzt« – »Ein Arzt?« klang die freudige Frage. »Oh, da bitte ich um Verzeihung, Señor, daß ich ›du‹ gesagt habe. Nun glaube ich auch, daß Sie nicht wissen, weshalb Sie hier sind. Wer verhörte Sie? Der Corregidor?« – »Ja.« – »Ein verdammter Kerl! Wissen Sie, wann Sie das Verhör haben werden?« – »Nun?« – »In zwei oder drei Monaten.« – »Das wäre ja fürchterlich!« – »Er tut es nicht anders. Haben Sie Hunger?« – »Nein.« – »Durst?« – »Nein.« – »Der Schließer brachte vorhin doppeltes Abendbrot, und daraus ersah ich, daß ich einen Kameraden bekommen würde.« – »Worin besteht das Abendbrot?« – »Aus trockenem Brot und fauligem Wasser.« – »Das Morgenbrot?« – »Aus nichts.« – »Das Mittagessen?« – »Aus einem Nösel heißen Wassers mit zwölf Erbsen, Graupen oder Linsen darinnen.« – »Was bekommt man sonst?« – »Was noch? Nichts, gar nichts.« – »Wie lange sind Sie bereits hier?« – »Drei Jahre.« – »Alle Teufel! Bei dieser Kost?« – Ja. Diese Kost wird mich auch das Leben kosten. Ich bin krank, todkrank, und darum freue ich mich herzlich, daß Sie Arzt sind, zwar helfen können Sie mir nicht, aber sagen können Sie mir doch wohl, wie lange ich noch leben werde. Gott gebe, daß es bald zu Ende sein möge!«

Sternau war überzeugt, keinen bösen Menschen vor sich zu haben, obgleich er ihn der Dunkelheit wegen nicht zu sehen vermochte. Er fühlte Mitleid mit dem Mann und fragte:

»Wie lange dauert Ihre Strafzeit?« – »Acht Jahre.« – »Oh, ist dies denn auszuhalten! Darf ich fragen, weshalb Sie diese Strafe bekamen?« – »Warum nicht! Ich habe drei volle Jahre hier allein vertrauert, ich bin froh, endlich einmal einen Menschen bei mir zu haben, und werde Ihnen gewiß die Wahrheit sagen: Ich habe im Zorn einen Menschen niedergeschlagen.« – »Tot?« – »Nein. Wollte Gott, er wäre tot gewesen, so gäbe es doch einen großen Schurken weniger.« – »An welcher Krankheit leiden Sie?« – »Jetzt liegt es mir im Rückenmark, vorher war es nur die Seemannskrankheit, das Heimweh nach dem Meer, das alle Kräfte verzehrt und alle Säfte austrocknet, Señor.« – »Sie sind Seemann?« – »Ja. Ich war zuletzt Steuermann.« – »Welch ein Gegensatz! Die freie, offene See und dieses teuflische Loch!« – »Ja, Señor, ich habe geweint und geseufzt, ich habe gewütet und getobt, ich bin mit dem Kopf gegen diese nassen Mauern gerannt, aber es hat nichts geholfen. Und als die Kraft fort war und der Hunger mich mürbe gemacht hatte, da bin ich ruhig geworden, und so werde ich täglich ruhiger werden, bis man mich hinausschleppt und in eine Ecke scharrt, fern von der Stelle, an der die sogenannten ehrlichen Leute begraben werden. Und dies alles habe ich einem Advokaten zu verdanken!« – »Dann sind wir Leidensgefährten. Ich weiß zwar nicht, wessen man mich beschuldigen wird, aber ich irre mich sicherlich nicht, wenn ich annehme, daß an meiner Gefangenschaft auch ein Advokat schuld ist.« – »Von woher wurden Sie eingeliefert?« – »Von Rodriganda.« – »Herr des Himmels, wäre es möglich! Dort wurde auch ich gefangengenommen!« – »Wirklich?« fragte Sternau überrascht. »Wie heißt der Advokat, den Sie meinen?« – »Gasparino Cortejo.« – »Alle Wetter, das ist auch der meinige. Sie haben dort jemand niedergeschlagen, sagten Sie? Etwa diesen Cortejo?« – »Ja. Vielleicht erzähle ich es Ihnen, jetzt kann ich nicht länger mehr sprechen, ich bin zu schwach dazu. Dort in der vorderen Ecke steht der Wassertopf, und daneben liegt Ihr Brot. Gute Nacht!«

Dieser Mann mußte wirklich sehr schwach sein, daß er trotz seiner Freude, nach drei Jahren einen Menschen bei sich zu haben, auf die Unterhaltung verzichtete. Sternau machte es sich auf seiner Matratze so bequem wie möglich; er hatte auf offener Prärie und im Sand der Sahara geschlummert; er hatte zudem ein gutes Gewissen und schlief bald ein.

Als er am Morgen erwachte, fiel das Tageslicht schon in die Zelle, zwar matt, aber dennoch stark genug, die Gegenstände erkennen zu lassen. Sein Kamerad saß bereits aufrecht und wünschte ihm einen guten Morgen.

»Ich habe sie schon längst betrachtet«, sagte er, »und gesehen, daß Sie nicht an einen solchen Ort gehören. Sie möchten vielleicht lieber allein sein, aber ich bitte Sie, mich nicht zu verlassen.« – »Es liegt ja gar nicht in meiner Macht, Sie zu verlassen.« – »Doch. Hier sind alle Gefangenen isoliert, nur ich habe einen zweiten erhalten, weil ich ein Todeskandidat bin. Wenn Sie sich fort melden, werden Sie eine andere Zelle bekommen.« – »Ich werde mich nicht fort melden, sondern gern bei Ihnen bleiben.« – »Ich danke Ihnen. Vielleicht bereuen Sie es nicht.« – »Wann wird die Tür geöffnet?« – »Des Mittags.« – »Da kann man sagen, was man wünscht?« – »Ja, aber man erhält keine Antwort. Ihr Schicksal ist bereits entschieden; es hilft Ihnen weder Bitten noch Drohen, weder List noch Gewalt dagegen.« – »Ich bin Ausländer; ich werde meinen Konsul kommen lassen!« – »Sie werden Ihren Konsul nie zu sehen bekommen. Glauben Sie es mir! Cortejo hat Sie hierhergebracht; der Corregidor ist sein treuer Freund, und beide sind die größten Schurken der Erde.« – »Sie machen mir angst!« – »Ich sage Ihnen die Wahrheit. Ich war ein starker Mensch, voller Lebensmut und Gesundheit. Sehen Sie mich jetzt an. Was ich bin, das haben diese beiden Buben aus mir gemacht!«

Der Gefangene lehnte sich an die Mauer und schloß die Augen. Er war zum Skelett abgemagert. Sternau brauchte ihn gar nicht genauer zu untersuchen, um zu wissen, daß er nur noch wenige Wochen zu leben habe. Sollte dies ein Bild seines eigenen Schicksals sein? Nein, nein und abermals nein! Das nahm er sich vor.

Am Mittag öffnete sich ein Schieber in der Tür, und es wurden zwei Suppentöpfe hereingegeben. Sie enthielten die von dem Gefangenen beschriebene Brühe und mit zwölf Erbsen.

»Schließer!« sagte Sternau, »wollt Ihr nicht die Güte haben ...« – »Vorwärts! Marsch!« donnerte es vor der Tür, der Schieber wurde geschlossen, und Sternau brauchte seinen Satz gar nicht zu beenden.

»So wird es Ihnen täglich gehen, Señor«, sagte der Kamerad, »bis Sie keinen Versuch mehr machen und das werden, was ich geworden bin.«

Am Abend erhielten die beiden wieder Wasser und trockenes Brot. So verging eine Woche und auch die zweite, ohne daß die geringste Änderung eingetreten wäre. Sternau hatte seine Ruhe verloren. Wie stand es auf Rodriganda; wie ging es Rosa? Diese Fragen nagten an ihm. Er konnte nicht essen und trinken, noch schlafen. Der Schließer hörte auf keine Frage. An Flucht war nicht zu denken, die Mauern waren zu dick und das Fenster zu hoch und zu klein.

Und abermals verging eine Woche und wieder eine. Ein Monat war vergangen, und der Christmonat brach an. Da lagen die beiden Leidensgefährten auf ihren Matratzen und sprachen vom schönen Christfest. Dann kamen sie von diesem Thema auf ihre gegenwärtige Lage und auf die Ursache derselben.

»Herr«, sagte Sternaus Unglücksgefährte, »ich bin ein strammer, zuweilen auch wilder Kerl gewesen, ich möchte diesen Cortejo einmal zwischen den Fäusten wissen, die ich früher hatte. Er wäre verloren!« – »Vielleicht kommt er zwischen die meinigen.« – »Ich will es ihm gönnen, denn Sie sind ein wahrer Goliath! Sie sind eigentlich zu einem Seemann gewachsen. Sie, mit einer tüchtigen Handspeiche in der Faust, würden es mit zwanzig Niggers oder zehn Englishmen aufnehmen.« – »Wie kommen Sie auf die Niggers und Engländer?« – »Hm, wollen Sie es wissen, Señor?« – »Ja.« – »Sie werden schlecht von mir denken, aber meinetwegen, ich habe es verdient. Es hat mir längst auf dem Herzen gelegen, und ich wollte es Ihnen erzählen. So mag es denn laufen!« – »Erzählen Sie mir getrost. Es hat ein jeder Mensch seine Fehler.« – »Aber solche nicht. Wissen Sie, was ich gewesen bin?« – »Nun?« – »Zuerst ein braver Seemann, dann aber ein Niggerhändler und endlich gar ein – Seeräuber.« – »Unmöglich!« – »Ja, nicht wahr, Sie glauben nicht, daß der Schwächling, der hier liegt, solch ein Bursche gewesen sein kann? Mein Name ist Jacques Garbilot, und ich war guter Leute Kind. Ich wurde ein wackerer Seemann und blieb es auch, bis ich in schlechte Hände kam. Das war auf dem ›Lion‹, Kapitän Grandeprise. Ich hatte keine Ahnung davon, daß letzterer ein Pirat und Sklavenhändler sei, und erst am zweiten Tag bemerkte ich es, als es schon zu spät war, denn wir befanden uns bereits auf hoher See. Kapitän Grandeprise war ein Amerikaner und ein Teufel, und er verstand es, aus mir ein Teufelchen zu machen. Ich habe manchen Nigger vor Verzweiflung und Heimweh über Bord springen sehen, ich habe den Englishmen, die uns immer aufpaßten, manch Gefecht geliefert; ich habe manchem armen Teufel einen schlimmen Hieb geben müssen; aber die Strafe ist gekommen; Sie sehen mich hier liegen.«

Er schwieg eine Weile, um auszuruhen, und fuhr dann fort:

»Der Kapitän machte Geschäfte mit dem Notar...« – »Mit Cortejo?« – »Ja. Welcher Art diese Geschäfte waren, das wußte ich nicht; aber wenn wir in Barcelona einliefen, so kam der Notar stets an Bord, und dann saßen sie stundenlang über den Büchern.« – »Sonderbar!« sagte Sternau nachdenklich. »Kennen Sie vielleicht einen Kapitän namens Henrico Landola?« – »Nein.« – »Oder ein Schiff namens ›La Pendolo‹?« – »Auch nicht. Was ist mit ihnen?« – »Mit diesem Landola treibt der Advokat auch Geschäfte.«

Sternau hatte keine Ahnung davon, daß Grandeprise und Landola ein und derselbe Kapitän und der »Lion« und die »Pendola« ein und dasselbe Schiff sei. Diese Art von Seeleuten nämlich versteckt sich und ihre Fahrzeuge hinter einer ganzen Reihe verschiedener Namen.

»Das kann sein«, sagte der Gefangene. »Er scheint viel Geld zu haben. Eines Tages hatten wir in Mexiko für ihn ein Geschäft zu machen, und ...« – »In Mexiko?« unterbrach ihn Sternau. »Wo da?« – »In Verakruz. Warum?« – »Weil ich mich für Mexiko interessiere.« – »So! Es galt da nämlich, einen Gefangenen aufzunehmen.« – »Um ihm zur Flucht zu verhelfen?« – »Nein. Wir mußten ihn zum Gefangenen machen.« – »Warum?« – »Weiß es nicht; das war des Kapitäns Sache. Er wurde an Bord gebracht und hinter die Kapitänskajüte eingesperrt, so daß ihn keiner zu sehen bekam.« – »Auch Sie nicht?« – »O doch, Ich fing ihn ja mit. Er war ein schöner, starker Mann mit einer Lanzennarbe in der rechten Wange. Ich glaube, der Kapitän nannte ihn einmal Ferdinand. Er segelte mit uns um das Kap herum und an der Küste von Ostafrika hinauf bis Zeila, wo wir ihn ausschifften und nach Harrar verkauften.« – »Einen Weißen?« – »Ja.« – »Aber das ist ja fürchterlich!« – »Nicht fürchterlicher, als wenn man einen Schwarzen verkauft. Übrigens konnte ich nichts dagegen tun, obgleich das Ding mir später viele Gewissensbisse gemacht hat. Als bei unserer Heimkehr der Kapitän abgehalten wurde, mußte ich an seiner Stelle nach Rodriganda gehen, um Cortejo zu melden, daß jener Mexikaner aufgehoben sei. Er hatte gewollt, daß er getötet werden oder am Fieber sterben sollte, und fuhr mich fürchterlich an. Mir lief auch ein Wort über den Mund, und so schlug er nach mir. Natürlich gab ich ihm einen guten Matrosenhieb zurück. Er stürzte wie ein Sack zur Erde, und ich ging fort. Am anderen Tag kam er nach Barcelona an Bord, und die Sache schien vergessen zu sein. Einen Tag später aber gab mir der Kapitän einen Brief, den ich dem Corregidor bringen und auf Antwort warten sollte. Ich wurde sehr freundlich aufgenommen und dann dem Schließer übergeben, der mich in diese Zelle brachte. Ich habe sie nicht wieder verlassen, denn eines Tages kam der Corregidor an die offene Klappe und verkündete mir mein Urteil. Dies, Señor, ist mein Schicksal!«

Garbilot hatte in jenem leichten Ton gesprochen, der Matrosen selbst bei ernsten Veranlassungen eigen zu sein pflegt. Jetzt schwieg er und legte sich ermüdet nieder. Sternau ahnte nicht, wie nötig ihm die Erinnerung an diese Erzählung sein würde.

Jacques Garbilot wurde jetzt von Tag zu Tag schwächer, und mit seiner Schwäche wuchsen auch der Ernst und die Reue über sein vergangenes Leben. Er gedachte der Ewigkeit und wünschte, seine Rechnung mit Gott auszugleichen.

Der Schließer sah, daß er sich nicht mehr erheben konnte, und tat, was noch niemals getan hatte: er sprach einige Worte mit ihm. Ja, er versprach sogar, ihm einen Priester zu senden.

So verging noch einige Zeit, und das Weihnachtsfest kam heran.

Es war der heilige Christabend. Garbilot lag dem Verlöschen nahe auf seiner Matratze, und Sternau saß bei ihm, um ihn zu trösten und zu beruhigen. Da hörten beide das Geläute der Kirchenglocken. Es brach die Stunde an, wo sich diejenigen, die sich lieben, beschenken. Sternau dachte der Seinen; er dachte an Rodriganda und – er weinte, weinte wie ein Kind.

Plötzlich rasselte draußen der Schlüssel im Schloß, die Tür öffnete sich und der Schließer trat, gefolgt von einem Mönch, ein und sagte zu dem Sterbenden:

»Beichte!« Dann drehte er sich zu Sternau herum und gebot ihm: »Vorwärts! Marsch!« indem er nach der Tür zeigte.

Da erhob sich Garbilot mühsam und bat:

»Laßt mir ihn da! Er ist mein Trost gewesen bisher; er kann auch meine Beichte hören!«

Der Schließer sah den Mönch fragend an; dieser nickte zustimmend mit dem Kopf, und so gab er schweigend seine Einwilligung, indem er ging und die Zelle verschloß.

Der Mönch aber setzte sich auf den Rand der Matratze nieder und betrachtete die beiden Gefangenen im Schein der Laterne, die der Schließer zurückgelassen hatte. Dann begann er mit dumpfer Stimme:

»Ich verkünde große Freude,
Die Euch widerfahren ist;
Denn geboren wurde heute
Euer Heiland, Jesus Christ!«

Bei dem Wort »Heiland« warf er einen bedeutungsvollen Blick nach der Tür, so daß Sternau eine Ahnung bekam, daß er nicht nur allein um des Sterbenden willen hier sei, und fuhr fort:

»Das Volk, so im Finsteren wandelt, siehet ein großes Licht, und über die, die da wohnen im finsteren Land, scheinet es helle!«

Dabei warf er, von Garbilot unbemerkt, einen Gegenstand zwischen die ausgestreckten Füße Sternaus auf dessen Matratze. Dieser griff zu und fühlte – einen großen, schweren Schlüssel, gewiß den Torschlüssel. Ein Gefühl unendlicher Freude durchzuckte ihn, aber er beherrschte sich, denn der Blick des Mönchs hatte ihm gesagt, daß sie beobachtet würden. Nun fuhr der Mönch fort, über die Bedeutung des heutigen Tages zu sprechen, hörte die Beichte des Sterbenden und gab ihm die Absolution. Ein tiefer Frieden breitete sich über Garbilots abgemagertes Gesicht.

»Ich lebe keine Stunde mehr, Gott sei Dank!« flüsterte er. »Bleibt bis dahin bei mir, frommer Vater, und laßt auch meinen Freund nicht fort!« – »Wir bleiben«, antwortete der Mönch, indem er sich tief über ihn niederbog. Dabei brachte er seine der Tür entgegengesetzte Hand in die Nähe von Sternaus Hand und schob ihm etwas zu. Es war eine gefüllte Brieftasche. Sternau steckte sie langsam zu sich, aber so, daß es von der Tür aus nicht bemerkt werden konnte. Er glaubte zu sehen, daß der Schieber um eines Haares Breite geöffnet worden sei. Jedenfalls stand der Schließer dort und lauschte.

Nach einer kurzen Weile begannen die Züge des Sterbenden sich zu verändern, und der Priester griff zum Öl, um ihm die letzte Ölung zu geben. Als diese vollbracht war, streckte Garbilot Sternau die Hand entgegen und sagte:

»Leben Sie wohl! Ich danke Ihnen! Werden sie – frei – und glücklich!«

Es waren seine letzten Worte. Ein konvulsivisches Zittern überflog seinen Körper; ein leiser, leiser Seufzer erklang durch den Raum; und es war vorüber.

Der Mönch betete ein Weilchen bei der Leiche, dann erhob er sich und sprach laut:

»Ja, es galt auch ihm die Freude,
Die uns widerfahren ist,
Denn geboren wurde heute
Auch sein Heiland, Jesus Christ!«

Er sprach noch den Segen über den Verstorbenen, trat an die Tür und klopfte laut. Der Schließer öffnete ihm, und beide entfernten sich. Bald aber erklang der Schlüssel wieder im Schloß und der schweigsame Wächter trat abermals herein. Als er die Leiche sah, fragte er:

»Tot?« – »Ja«, antwortete Sternau. – »Nicht liegenbleiben! Fortschaffen!«

Hierauf betrachtete der Wärter die Riesengestalt Sternaus mit Aufmerksamkeit und fuhr fort:

»Ihn tragen?« – »Meinetwegen«, antwortete der Gefragte so gleichgültig wie möglich, obgleich ihm vor Aufregung alle Pulse hämmerten. – »Aufsacken. Kommen!«

Sternau nahm die Leiche auf die Arme und schritt dem Schließer nach, der langsam voranging. Ihre Schritte hallten laut in dem großen, öden Gebäude wider. Die Beamten, die am Tag hier arbeiteten, waren jetzt daheim bei den Ihrigen, um Weihnacht zu feiern. Der Weg führte über mehrere Treppen nach einem kleinen Hof. Dieser mündete in den finsteren Flur, durch den Sternau vor zwei Monaten in das Gefängnis gekommen war. Der Schließer nahm seinen Schlüsselbund zu Hand und schloß ein schmales, tiefes Steingewölbe auf, in dem neben einem langen Tisch zwei Bahren standen.

»Leichengewölbe«, sagte er. »Tisch legen!«

Es war ein düsterer Anblick, der sich hier den Augen Sternaus bot.

Als Arzt hatte er oft dem Tod das Leben abgerungen, aber auch gesehen, wie dieser Sieger geblieben, wie der Kranke eine Beute desselben geworden war.

Hier aber, im Kerker, im fremden Land, in der Gewalt der Intrige, gegen die die Kraft des Mannes oft nur schwer anzustreben vermag, konnte Sternau sich eines leisen Schauers nicht erwehren.

Bald aber hatte er die Gefühle des Grauens niedergedrückt und die Oberhand über dieselben gewonnen.

»Nun, vorwärts. Die Leiche auf den Tisch!« gebot der Schließer noch einmal mit scharfer Stimme.

Sternau gehorchte, und der Schließer trat selbst mit hinzu, um den Toten auf dem Tisch in die rechte Lage zu bringen. Er hatte den Schlüsselbund im Schloß hängenlassen.

»Vorwärts! Marsch!« kommandierte er, als alles getan war. – »Nein, rückwärts! Marsch!« antwortete Sternau, und seine Faust fuhr wie der Blitz empor und wieder auf die Schläfe des Schließers nieder, der sogleich zu Boden stürzte und besinnungslos liegenblieb.

»Ah, Gott sei Dank. Die alte Kraft ist noch da!« jubelte der Gefangene in sich hinein, ließ den Schließer neben der erloschenen Laterne liegen, verschloß das Gewölbe von außen und eilte durch den dunklen Flur. Glücklich erreichte er das Tor und zog den Schlüssel hervor, zitternd vor Erwartung, ob er passen werde ... Er paßte, Sternau schloß auf und stand auf der Straße. Aus allen Fenstern der umstehenden Häuser strömte ihm Licht entgegen, er war frei. Er war im Dunkel gewandelt, und nun wurde es hell. Sie, die beiden Gefangenen, hatten heute zur Weihnacht ihre Erlösung gefunden, der eine durch den Tod und der andere durch die Freiheit!


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