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13. Kapitel.

Was Señor Gasparino Cortejo betraf, so hatte der Graf sich in Beziehung auf diesen einer kleinen Vergeßlichkeit schuldig gemacht. Der Notar hätte heute gar keine Bitte entgegennehmen können, denn er war ja vor bereits drei Tagen nach Barcelona gereist.

Im Hafen dieser Stadt lag zwischen anderen Schiffen ein Dreimaster, der am Bug und Stern den Namen »La Pendola« führte. Dieses Wort heißt zu deutsch »Feder« oder »Pendel«. Dies war für den Nichtkenner vielleicht ein sonderbarer Name für ein großes, schweres Kauffahrteischiff von drei Masten und mehreren Decks; aber ein Seemann hätte sich über diesen Namen nicht gewundert. Man sah es zwar, daß die »Feder« nicht auf einer amerikanischen Werft gebaut sei, aber sie war doch nach amerikanischem Muster modelliert. Ihr Bug stieg kühn am Vorderdeck empor, und der Kiel lag lang und scharf im Wasser; dazu war die Takelung eine beinahe klipperartige, so daß sich vermuten ließ, die »Feder« sei ein außerordentlich schneller Segler und fliege »federleicht« über die Wogen dahin. Freilich sind solche Schiffe auch leicht zum Kentern geneigt; sie »brechen oft das Rückgrat«, wie der Seemann sich ausdrückt, und es gehört ein mehr als gewöhnlicher Seemann dazu, ein derartiges Fahrzeug zu kommandieren.

Nun, ein nicht ganz gewöhnlicher Seemann war Kapitän Henrico Landola; das wußten alle, die ihn kannten. Und diese sagten einstimmig, daß er trotz seines spanischen Namens ein Amerikaner sei, ein echter Yankee, der sich vor dem Teufel nicht fürchte und, wenn es sein müsse, vorn zur Hölle hinein und hinten wieder hinaus segeln werde, ohne eine Spiere oder Stenge zu beschädigen. Er kannte alle Meere und alle Häfen und galt für einen Mann, dem jede Fracht recht sei, wenn er nur Geld verdiene. Ja, man munkelte sogar, daß er auch eine Ladung Neger nicht verschmähe, obgleich die Sklaverei, auf dem Papier wenigstens, abgeschafft ist und man sich vor den »Kreuzern« sehr in acht zu nehmen hat.

Dieser Mann also lag mit der »Pendola« im Hafen von Barcelona vor Anker und hatte sich heute mit dem Notar Gasparino Cortejo in die Kajüte eingeschlossen, um ungestört über Geschäfte sprechen zu können.

Cortejo saß vor einem großen Stoß von Papieren, die er durchgerechnet hatte. Er legte soeben die Feder weg und sagte:

»Ich bin mit Euch zufrieden, Landola. Mein Part beträgt dreißigtausend Duros, und soviel gedachte ich für dieses Mal nicht zu gewinnen.«

In dem Gesicht des Kapitäns zuckte keine Miene. Er fragte kalt: »Und wie steht es? Soll ich zahlen, oder laßt Ihr das Geld im Geschäft, weil ich es brauche?« – »Behaltet es.« – »Gut, abgemacht. Habt Ihr sonst noch etwas?« – »Ich denke.« – »So schießt los!« – »Hm! Könnt Ihr keinen Matrosen gebrauchen?« – »Brauche immer welche. Was für einen?« – »Den man einmal verliert.« – »Aha! Im Wasser?« fragte Landola mit einem bezeichnenden Lächeln. – »Meinetwegen auch auf dem Land. Nur wiederkommen darf er nicht.« – »Wie damals Don Ferdinando de Rodriganda-Sevilla. Nicht wahr?« – »Pst!« meinte der Notar erschrocken. »Wenn man Euch hörte! Nennt diesen Namen ja nicht wieder!« – »Warum?« – »Don Ferdinando ist ja tot!« – »Ja, schlimmer als tot – verloren – das kann ich beschwören! Wer ist der neue Matrose?« – »Einer, der sich für einen Offizier ausgibt, aber ein Abenteurer ist.« – »Freut mich! Sind mir die liebsten! Wo ist er zu finden?« – »Auf Rodriganda.« – »Ah! Wie bringt Ihr ihn her?« – »Ihr sollt ihn Euch holen.« – »Auch schön. Ist er stark?« – »Sehr.« – »Tapfer?« – »Noch mehr!« – »Jung?« – »Anfangs Zwanziger.« – »Das ist gut! Er wird sich wehren?« – »Jedenfalls!« – »Das wollen wir ihm verbieten! Wieviel zahlt Ihr, Señor?« – »Wieviel verlangt Ihr, Capitano?« – »Dreihundert Duros für alles: Unbemerktes Abholen, ohne Geräusch, spurloses Verschwinden und niemalige Wiederkehr.« – »Ich gehe darauf ein, obgleich ich weiß, daß er Euch beim Verkauf eine tüchtige Summe einbringt. Schreibt Euch also die dreihundert über. Wohin werdet Ihr ihn bringen?« – »Hm, weiß noch nicht. Vielleicht nach Borneo oder Celebes. Die Malaien geben dort gern Gold oder gar Edelsteine für Weiße, die sie ihren Göttern oder Toten zu Ehren schlachten.« – »Ihr seid ein verdammt feiner Pfiffikus, Capitano!«

Der Seemann lachte boshaft und meinte:

»Euch fehlt es auch nicht an dieser verdammten Pfiffigkeit. Wann soll ich den Jungen holen?« – »Könnt Ihr morgen abend eintreffen?« – »In Rodriganda? Ja. Werde einen hübschen Wagen mitbringen. Wo soll ich halten?« – »Ich werde Euch entgegenkommen. Richtet es ein, daß ich Euch Punkt zehn Uhr an der Grenze der Besitzung treffe.« – »Schön. Die Einleitungen überlasse ich natürlich Euch. Es muß wohl ein ungewöhnlicher Kerl sein!« – »Warum?« – »Sonst gebt Ihr Euch nicht solche Mühe. Ein Schlückchen Gift, hm, würde viel rascher sein.« – »Ich hasse das Gift. Es ist unzuverlässig und verräterisch.« – »Unzuverlässig? Hahahaha! Habe eine Art neues Gift entdeckt, prachtvoll!« – »Wo?« – »In einer alten Scharteke. Will sie Euch einmal zeigen!«

Der Kapitän schloß ein in der Kajütenwand eingelassenes Schränkchen auf, schob eine Menge schwerer Geldrollen zur Seite und zog ein Heft hervor, dessen Schrift erkennen ließ, daß es mehrere hundert Jahre alt sei. Der Einband und das Titelblatt fehlten. Er legte es vor sich hin und schlug es auf.

»Herrliches Buch!« meinte er. »Habe es einem alten deutschen Steuermann abgekauft, der es weiß Gott wo aufgegabelt hatte. Stehen alle möglichen Rezepte und Mittel drin, und hier auch das Gift:

*

›Item eyn herrlich Gifft für Tott und Wahnsinn.

Man nimbt eyn Töpfleyn Safft von Antiaris toxicaria, welches genannt ißt Antschaar, eyn halbes Töpfleyn Safft des Strychnos Tieuté, so man nennt javanische Brechnuß, eyn vierteyl Töpfleyn Safft von Alpinia galanga, welches ißt indischer Galgant und ebenso vill Safft des Zingiber cassamumar, genannt gifftiger Ingwär. Das siedet man auff die Hälfften eyn und hebt es in eyn Flaschen auff. Fünff Tropffen davon machen eyn starken Menschen tott; zwey Tropffen awer gäben ihm in Wahnsinn, so er nicht mehr weiß, wer er gewesen ißt.

Diesser Wahnsinn wierd wieder geheylt durch folgenden Trankk:

Man zerstößt eyn Tassenkopff Capsium, welches heyßt die strauchigte Beißbeeren und thut darauff eyn halben Tassenkopff Speichel von eyn Menschen, welchen man zu Totte gekietzelt hat, läßt stehen eyn Wochen und thut darauff eyn Löffel scharpfen Essieg, gießt ab und hebt in eyn Flaschen auff. Zwei Tropffen von dieser feynen Artzeneyen nimbt den Wahnsinn wieder hinfort binnen dreyen Tagen.

Notabene: Kann nur im Landte Asien gemacht werden und ißt erprobt von viellen Menschen, so man Neger, Malays's oder Wildte nennet.‹«

»Könnt Ihr denn diese Schrift lesen?« fragte der Advokat. – »Ja«, antwortete der Kapitän. »Ich verstehe Deutsch.« – »So verdolmetscht mir doch einmal das Zeug!«

Der Kapitän tat es. Als er fertig war, fragte der Notar:

»Und dieses Gift habt Ihr?« – »Ja.« – »Hm! Könnte man wohl einige Tropfen davon bekommen?« – »Für wen?« – »Das geht Euch nichts an.« – »Für den Jungen etwa, den ich mir holen sollte?« – »Nein.« – »So, das ist etwas anderes. Aber das Zeug ist verteufelt teuer. Der Tropfen kostet fünf Duros.« – »Alle Wetter! Aber es wirkt zuverlässig?« – »Auf mein Wort!« – »Kann ich zehn Tropfen haben?« – »Ja. Macht fünfzig Duros!« – »Gebt her, und schreibt Euch die fünfzig über!«

Der Kapitän griff in dasselbe Schränkchen, nahm eine Arzneiflasche und ein kleines, leeres Fläschchen heraus, in das er aus der ersteren genau zehn Tropfen abzählte.

»Hier, Señor! Das ist gerade genug, um zwei tot oder fünf wahnsinnig zu machen. Ich hoffe, Ihr werdet mit mir zufrieden sein!«

Diese Unterredung geschah am zweiten Tag nach der Abreise des Advokaten von Rodriganda. Am dritten, also an dem Tag des Festes, kehrte er dorthin zurück. Als er durch das Dorf fuhr, war er nicht wenig überrascht, den ganzen Ort im Festkleid zu erblicken. Die Häuser waren mit Kränzen geschmückt, und die Bewohner trugen ihre Festtagskleider. Erst auf dem Schloß erfuhr er, was geschehen sei, und ging sofort zu seiner Verbündeten, um sich alles ausführlich erzählen zu lassen.

Als die Dämmerung hereinzubrechen begann und der Arzt mit Rosa sich abermals bei dem Grafen befand, bestand dieser darauf, nunmehr seinen Sohn zu sehen. Sternau blieb so nichts anderes übrig, als sich dem Willen Don Emanuels zu fügen. Dieser fragte, ob er nun seinen Sohn sehen könne.

»Ich werde nach ihm schicken«, meinte er, indem er nach dem Vorzimmer ging. Dann befahl er dem Diener: »Der Graf Alfonzo und der Leutnant Lautreville sollen kommen. Sie dürfen aber nur zugleich eintreten!«

Mariano hatte keine Ahnung von der Intrige des Arztes. Er trug heute nicht die Uniform, sondern ein kleidsames Zivil und stieß unten im Vorzimmer mit Alfonzo zusammen, der ihn gar nicht beachtete. Der Graf hatte bereits die Binde wieder abgelegt und erwartete mit Ungeduld den Sohn. Als die beiden eintraten, fiel sein Auge zunächst auf Alfonzo, glitt aber schnell von diesem ab und auf den Leutnant hinüber. Da erhob er sich, schritt auf den letzteren zu, öffnete die Arme und rief:

»Mein Sohn, ich bin sehend! O komm und freue dich!«

Bei dieser Szene stieg dem Leutnant das Blut siedend heiß empor, aber er mußte sich beherrschen. Wie gern hätte er sich an die Brust dieses Mannes geworfen! Es war ihm unmöglich, eine Antwort zu geben, aber er hatte es auch nicht nötig zu sprechen, denn Alfonzo antwortete an seiner Stelle:

»Das ist ein Irrtum, Vater, Graf Alfonzo bin ich!«

Der sehend Gewordene heftete seinen Blick jetzt schärfer auf den Sprecher und entgegnete:

»Wer treibt hier Scherz mit mir? Ihr seid nicht mein Sohn!« – »Und doch bin ich es«, antwortete Alfonzo. »Erkennst du mich nicht an der Stimme?«

Don Emanuel starrte den Sprecher an.

»Diese Stimme, oh, diese Stimme!« rief er. »Ja, ich kenne sie, aber als ich sie zuerst hörte, dachte ich nicht, daß sie meinem Sohn gehören könne. Aber wer ist der andere?« – »Es ist Leutnant de Lautreville«, antwortete Sternau. – »Der Leutnant! Oh, Señor de Lautreville, sagt, ob dies wahr ist!«

Mariano wollte das Herz brechen, aber er antwortete:

»Erlaucht, es ist so!«

Da stieß der Graf einen Laut aus, von dem man nicht sagen konnte, ob es ein Seufzer oder ein Schluchzen sei. Er berührte keinen von den beiden, sondern drehte sich langsam um, sank auf seinen Sitz und sagte:

»Rosa, teile den Herren mit, daß sie gehen sollen. Nur Señor Sternau bleibt hier!«

Alfonzo und Mariano gingen. Sie erfuhren nicht, was in des Grafen Zimmer noch gesprochen wurde.

Als der erstere das Zimmer der frommen Schwester erreichte, fand er den Advokaten dort. Sie beide hatten seine Rückkehr mit allergrößter Spannung erwartet.

»Nun?« fragte Cortejo. – »Er mag nichts von mir wissen!« lautete die Antwort. – »Ah, ich ahnte es! Weiter!« – »Er wollte den Leutnant umarmen.« – »Dieser war zugegen?« – »Er trat mit mir ein.« – »Alle Teufel, das sieht ja aus wie Berechnung! Was sagte der Graf zu ihm?« – »Er hielt ihn für seinen Sohn.« – »Und als du den Irrtum natürlich aufklärtest?« – »Da gebot er uns beiden, uns zu entfernen. Jetzt sitzt jener Sternau wieder bei ihm.« – »Sollte dieser etwas ahnen oder gar wissen? Es ist ein Glück, daß es heute anders wird. Morgen wäre es vielleicht zu spät dazu!« – »Heute? Was soll geschehen, mein Lieber?« fragte die fromme Schwester. – »Das werdet ihr später erfahren. Je weniger heute davon wissen, desto besser ist es für uns. Geht bei Zeiten schlafen und bekümmert euch um nichts.«

Auch er begab sich nach seinem Zimmer; bald jedoch verließ er dasselbe, und es schien, als ob er sich noch im Park ergehen wolle, denn er verschwand mit den langsamen, ziellosen Schritten eines Spaziergängers nach dieser Richtung hin.

Da Sternau und Rosa bei dem Grafen waren, so waren Amy und der Leutnant aufeinander angewiesen. Die erstere war auch auf eine Viertelstunde zu Don Emanuel gerufen worden, hatte sich aber bald wieder zurückgezogen, da das Gemüt des Grafen sehr gedrückt zu sein schien.

Um der Langeweile zu entgehen, hatte Amy dem Leutnant vorgeschlagen, einen Gang ins Dorf zu machen. Sie hatten die Venta – das Wirtshaus – besucht, wo beim Klang der Pfeifen und Zithern getanzt wurde, und kehrten nun nach dem Schloß zurück. Unweit desselben blieb die Engländerin stehen und fragte in leisem Ton:

»Señor, Sie leiden an einem Geheimnis?« – »Ja«, antwortete er nach einer kleinen Pause. – »Darf man es nicht erfahren?« – »Jetzt nicht.« – »Sie haben kein Vertrauen zu mir, Señor?« – »O doch, welch unendliches Vertrauen!« antwortete er. »Aber es gibt Dinge, die man kaum sich selbst sagen darf.« – »Aber später, darf ich es da erfahren?« – »Miß Amy, Sie werden es sicher erfahren, ganz sicher, wenn ...«

Er stockte.

»Wenn ...? Was wollten Sie sagen, Señor?« – »Wenn ich – wenn ich Sie wiedersehen darf!«

Da nahm sie seine Hand, blickte ihm treu und offen ins Gesicht und entgegnete:

»Sie dürfen! Ich werde auf Sie warten.« – »Wie lange? Oh, wie lange? Sagen Sie es mir, Miß Amy!«

Sie legte ihr Köpfchen an seine Brust und antwortete:

»So lange ich lebe, denn wenn du nicht kommst, sterbe ich.«

Er antwortete nicht, er sagte kein Wort, aber er hielt sie umschlungen lange, lange Zeit, bis sie ihn selbst bat, den Weg fortzusetzen. Er brachte sie noch bis vor die Tür zu ihren Gemächern und begab sich dann direkt nach seiner Wohnung. Er fühlte sich so glücklich, so selig. Er wollte niemand treffen, sondern in der Einsamkeit seines Zimmers mit seinen Gefühlen allein sein.

Inzwischen verdoppelte der Notar, als er den Park erreicht, seine Schritte und gelangte lange vor zehn Uhr zur Grenze. Landola erschien sehr pünktlich. Er hatte einen zweispännigen Wagen und sechs kräftige Matrosen bei sich. Der Wagen wurde unter Bäumen, die ihn verbargen, in die Obhut eines der Leute gestellt, und die anderen marschierten auf Rodriganda zu.

»Wie wird es gehen?« fragte der Kapitän. – »Sehr leicht«, antwortete der Notar. »Es ist Tanz im Dorf, wo sich fast die ganze Dienerschaft befindet. Er ist auch hier, ich habe ihn beobachtet. Eine der hinteren Treppen ist frei. Auf ihr führe ich Euch nach dem Korridor und in seine Zimmer, die unverschlossen sind. Ihr postiert Euch in die Schlafstube, und wenn er kommt, so nehmt Ihr ihn fest.« – »Das klingt leicht. Aber wie kommen wir wieder fort?« – »Auf demselben Weg. Ihr wartet, bis ich erscheine, denn ich hole Euch wieder ab, wenn alles sicher ist.«

Es geschah, wie der Advokat gesagt hatte. Sie erreichten vollständig unbemerkt den hinteren Teil des Schlosses und gelangten von der Treppe, auf der sie die Fußbekleidungen auszogen, auf den erleuchteten Korridor, der verlassen lag, in die Wohnung des Leutnants, in der kein Licht brannte. Dort versteckten sie sich.

Als Mariano ahnungslos aus dem Dorf zurückkehrte, trat er in das Zimmer, daß ihm als Wohnraum diente, und machte Licht. Er riegelte die Tür zu, die nach dem Korridor führte, und begab sich dann in das Schlafzimmer, um sich seiner Oberkleider zu entledigen. Kaum jedoch hatte er den ersten Schritt in den dunklen Raum getan, so erhielt er einen Faustschlag an die Schläfe und darauf einen ebenso wohlgezielten zweiten, daß er die Besinnung verlor, ehe er einen Laut auszustoßen vermochte.

»Holt das Licht heraus«, gebot der Kapitän. »Wir wollen uns den Burschen einmal ansehen.«

Das Licht wurde gebracht, und man beleuchtete Mariano.

»Ah, ein feiner Bursche!« meinte Henrico Landola. »Hm, er sieht irgendeinem ähnlich, den ich kenne. Werde mich wohl noch darauf besinnen. Knebelt ihn, wickelt ihn in das Segeltuch und bindet die Taue fest, daß es ein hübsches, steifes, ruhiges Bündel ist, mit dem wir keine Not haben.«

Das Licht wurde ausgelöscht, und noch war nicht lange Zeit seitdem vergangen, als es leise an die vordere Tür klopfte, die geöffnet wurde, worauf der Notar hereingehuscht kam.

»Habt Ihr ihn?« fragte er. – »Ja.« – »Hat er sich gewehrt?« – »Pah! Das werden wir uns verbitten! Eine Seemannshand weiß gut zu treffen.« – »Er ist wohl noch ohne Besinnung?« – »Das wird sich finden. Kann es fortgehen? Draußen ist es geheurer als hier.« – »So kommt!«

Cortejo führte nun die Seeleute auf demselben Weg zurück, den sie gekommen waren, und sie erreichten den Wagen, ohne von irgendeinem Menschen bemerkt worden zu sein. Zwei Männer hatten den Geraubten bis hierher getragen. Er wurde von ihnen zunächst auf die Erde geworfen. Der Advokat zog darauf eine Blendlaterne hervor, die er ansteckte. Er konnte es sich nicht versagen, sein Opfer noch einmal anzusehen und ihm ein peinigendes Wort mit auf den Weg zu geben. Das Licht der Laterne fiel auf das Gesicht des Gefangenen. Er hatte die Augen offen.

»Ah, Bursche, du bist munter«, grinste der Notar ihn an. »Deine Rechnung mit Rodriganda ist gemacht. Du wirst keinem Menschen mehr schaden. Lebe wohl und vergiß mich nicht.«

Mit diesen Worten schlug er dem Wehrlosen mit der geballten Faust einige Male in das Gesicht und gab das Zeichen, ihn in den Wagen zu heben. Während dies geschah, wurde er von dem Kapitän auf die Seite genommen und gefragt:

»Also wie, Señor? Soll er sterben oder ...« – »Hm, tot ist am besten!« – »Dann verliere ich aber ein Bedeutendes!« – »So schreibt Euch zweihundert Duros mehr auf Euer Konto.« – »Das ist etwas anderes! Für diesen Preis kann man es machen. Da sind die Jungens ja fertig. Gute Nacht, Señor! Ihr laßt Euch doch noch sehen, ehe ich in See steche?« – »Einmal noch, ja.« – »Adieu!« – »Adieu!«

Der Wagen rasselte davon, und der Advokat kehrte nach Rodriganda zurück.

Er nahm dorthin nun die feste Überzeugung mit, daß sein Spiel jetzt gar nicht mehr zu verlieren sei.


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