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51

»Es ist möglich. Ich habe unterwegs meine Brieftasche einige Male geöffnet. Die Miranda hat es gesehen und kann es ihm gesagt haben.«

»So war es mit der Einladung nicht eigentlich auf Dich, sondern auf Dein Geld abgesehen.«

»Was Du sagst! Ist er ein Spieler?«

»Wenn er nur das wäre! Er ist ein raffinirter Bösewicht. Er scheut vor Nichts zurück, vor keinem Morde, vor keinem andern Verbrechen.«

»Donnerwetter! Solltest Du Dich nicht irren?«

»Gar nicht. Ich bin eben nur dieses Menschen wegen hier. Ich habe sine Rechnung mit ihm quitt zu machen, bei welcher es sich um viel, sehr viel handelt. Ich kann Dir jetzt nur so viel sagen, daß der Name Robin ein falscher ist. Der Mann heißt Walker und war früher professioneller Mörder und Spitzbube. Einen meiner Begleiter hat er beraubt und die Nase abgeschnitten. Einem reichen Pflanzer, welcher mit unten in der Gaststube sitzt, hat er um seine Plantage gebracht, wobei zwei brave Menschen verschollen sind, die man höchst wahrscheinlich ermordet hat.«

»Donner und Doria. Da muß ich mir diesen Menschen doch einmal genauer ansehen.«

»Thue es lieber nicht. Es könnte zu Deinem Schaden ausfallen. Er ist gewaltthätig. Ich werde Dir noch mehr erzählen, habe aber jetzt keine Zeit. Ich muß hinaus zu ihm. Wir haben einen anderen Spitzbuben bis hierher verfolgt, welcher hinaus zu ihm ist, um dort Zuflucht zu suchen. Da dürfen wir keine Zeit verlieren. Uebrigens bist Du bei dieser Angelegenheit auch mit betheiligt. Hast Du nicht den Namen des Menschen erfahren können, in dessen Gesellschaft sich jene Magda Hauser befand?«

»Er stand im Fremdenbuche. Sie war als seine Schwester bezeichnet. Das war aber jedenfalls eine Lüge, denn er hieß nicht Hauser, sondern –«

»Sondern Roulin?« fiel Steinbach ein.

Günther sprang erstaunt auf.

»Roulin, ja, so hieß er. Kennst Du ihn etwa?«

»Ja.«

»Herrgott, welch eine Fügung! Endlich eine Spur! Und zwar durch Dich! Wer hätte so Etwas gedacht! Weißt Du, wo der Kerl wohnt?«

»Im Todesthale. Jetzt aber ist er nicht dort, sondern hier. Er war vor zwei Stunden unten in der Gaststube und ist hinaus zu Robin. Er ist eben jener Schurke, den wir verfolgen.«

»Alle Teufel!«

»Er war jetzt mit einer Indianerhorde droben in den Bergen am Silbersee, wo er Magda Hauser umbringen lassen wollte. Sie sollte von den Indianern am Marterpfahle getödtet werden.«

»Das muß ein gräßlicher Irrthum sein.«

»Es ist Wahrheit. Ich selbst habe sie gerettet. Sie war bereits an den Pfahl gebunden. Sie wurde von vier Indianern bewacht, welche ich erschossen habe.«

»So ist das Gräßliche also wahr, wirklich wahr?«

»Ja, wirklich.«

»Herrgott! Und dieser Kerl war da, war hier, war in diesem Hause?«

»Und ist nun hinaus zu Robin.«

»Und Du willst hinaus?«

»Ja.«

»Oscar, ich begleite Dich!«

»Das muß ich ablehnen. Ich kann Dich nicht gebrauchen.«

»Aber ich muß diesen Menschen haben!«

»Keine Sorge! Auch ich will ihn haben, und ich werde ihn bekommen. Ich weiß jetzt noch nicht einmal, ob ich meine Begleiter mitnehme. Begleitung kann mir unter Umständen die ganze Sache verderben.«

»Und dennoch gehe ich mit. Du mußt mich mitnehmen!«

Es hatte sich Günthers eine außerordentliche Erregung bemächtigt. Steinbach antwortete beschwichtigend:

»Beruhige Dich! Zunächst hast Du gar keine Veranlassung, mit einzugreifen, später magst Du das thun. Es versteht sich nämlich ganz von selbst, daß Du Dich uns anschließest.«

»Ganz natürlich. Ich möchte mich auch beruhigen, wenn ich nur wüßte, daß Magda außer Gefahr ist.«

»Das ist sie. Sie befindet sich unter sichrem und hinreichendem Schutze in Mohawk-Station.«

»Ah, das ist doch ganz nahe von Yuma!«

»Freilich!«

»Und dort war ich! Hätte ich das gewußt.«

»Um Dich noch weiter zu beruhigen, theile ich Dir mit, daß Dein Kamerad sich bei ihr befindet.«

»Wie kannst Du das wissen?«

»Hast Du nicht den Namen Zimmermann vorhin genannt?«

»Ja.«

»Carl von Zimmermann. Nicht wahr, er ist es?«

»Er ist es. Aber, Mensch, Du erscheinst mir jetzt grad wie eine Gottheit, welche zur rechten Zeit vom Himmel herniedersteigt, um den Bedrängten zu erretten!«

»Ich habe Dir ja meine Hilfe angeboten; Du aber hast sie abgewiesen.«

»Wer konnte das denken!«

»Am Besten ist es, Du gehst einmal mit hinab und siehst Dir meine drei Begleiter an. Wir werden dann berathen, was zu thun ist. Willst Du?«

»Natürlich. Komm!«

Als sie aus dem Stübchen traten, musterte Steinbach mit einem eigentlich ganz unabsichtlichen Blicke die Wände des Bodenraumes. Dabei zog er rasch den Fuß zurück und brummte bedenklich:

.

»Hm! Sonderbar.«

»Was hast Du?«

»Schau, hier ist eine Thür.«

»Jedenfalls zu einem eingemauerten Schranke.«

»Die Mauer ist nicht so dick, daß sie Platz für einen Schrank böte. Ich denke mir vielmehr – hm, Du hast auch einen Schrank in Deiner Stube. Ich besinne mich, daß er jenseits dieser Mauer an ganz derselben Stelle steht. Mach Deine Stube noch einmal auf.«

»Hast Du vielleicht Mißtrauen?«

»Eine so sonderbare Vorrichtung muß stets Mißtrauen erregen.«

»Gegen die Wirthin?«

»Die halte ich nicht für gefährlich. Aber ihr Zustand kann sehr leicht von Anderen benutzt werden.«

Sie kehrten in das Zimmerchen zurück. An dem Schranke stak der Schlüssel. Sie öffneten und fanden, daß der Schrank keine Hinterwand hatte. Diese bestand vielmehr in der Thür, welche hinaus auf den Vorplatz führte. Sie konnte sowohl von Innen als auch von draußen geöffnet werden. Und als sie nun die Schrankthür untersuchten, fand es sich, daß diese kein Schloß, sondern nur einen Riegel besaß, welcher zwar mittelst des Schlüssels aber auch von Innen zurück- und wieder vorgeschoben werden konnte.

»Da siehst Du es!« meinte Steinbach. »Eine sehr bequeme Einrichtung für Einbrecher. Man liegt im Schlafe, und die Kerls kommen durch den Schrank herein. Hat Dir Robin dieses Logis empfohlen?«

»Ja.«

»Speciell dieses Stübchen?«

»Er hat mich besonders darauf aufmerksam gemacht.«

»Hm! Komm mit hinab. Wir wollen auch diese Angelegenheit besprechen.« – –

Wenn man den Weg verfolgte, von welchem die Wirthin gesprochen hatte, so kam man an mehreren Block- und Steinhütten vorüber, in denen Goldsucher hausten, und dann in den Wald. Dieser zog sich auf die Berge hinauf und zwischen dieselben hinein. Der Weg wand sich von Thal zu Thal, einzelne kleine Seitenpfade abzweigend, und endete schließlich an dem Vorplatze eines ziemlich großen, steinernen Bauwerkes, welches in Folge seiner massiven Bauart früher jedenfalls als Bollwerk gegen die Indianer gedient hatte.

Jetzt waren die schießschartenähnlichen Fensteröffnungen vergrößert worden. Man hatte sie mit Glasscheiben versehen. Der erweiterte Eingang bildete ein geräumiges Thor. Wilder Wein und Hopfen zog sich bis zum Dache hinauf, und vor der Erkerstube an der einen Ecke stand eine riesige Eiche, welche bestrebt zu sein schien, mit ihren gewaltigen Aesten das ganze Haus zu umarmen.

Man hätte denken sollen, daß die Räume des Hauses dunkel seien, aber sie waren im Gegentheile sehr hell, da man die nach dem Hofe gehenden Mauern durchbrochen und da ein Söllerwerk angebracht hatte, welches dem Lichte freien Eintritt gestattete.

Auf diesem Söller saß eine junge Dame, welche vielleicht vierundzwanzig Jahre zählen mochte. Sie war ganz in Weiß gekleidet, als ob sie sich in irgend einer Großstadt und nicht in einem abgelegenen Walde von Arizona befinde. Da die Aermel fehlten und die Taille auf Brust und Rücken sehr tief ausgeschnitten war, und da ferner der Rock des Kleides keine Falten hatte, sondern sich eng und innig an die Hüften und Beine schmiegte, so waren die Körperformen ganz genau zu sehen.

Und schön war sie, wunderbar schön, aber von jener herausfordernden Schönheit, welche den moralisch reinen Character eher abstößt als anzieht. Das Gesicht war edel gezeichnet, aber diese edlen Konturen verliefen in Linien, deren Gesammtwirkung eine ganz entgegengesetzte war. Die stark entwickelten, äußerst üppigen Lippen, das Kinn und der etwas kurze, starke Hals ließen vermuthen, daß das Naturell dieser Dame mehr auf physischen als auf geistigen Genuß gerichtet sei.

Das war Donna Miranda, die Directrice des Hauses. Sie saß bei einer Stickerei, aber sie stickte nicht. Sie hielt die Augen halb geschlossen und schien zu träumen.

Sie wurde durch leise Schritte gestört. Eine junge Negerin kam herbei und blieb wartend stehen. Miranda öffnete die Augen. Der Blick, welchen sie auf die Dienerin warf, war kein guter. Es war, als wenn eine Bulldogge aus ihrer Ruhe gestört wird. Auch ihre Stimme klang scharf und unsympathisch, als sie kurz fragte:

»Was willst Du?«

»Missus gut sein mit Milly,« antwortete die Schwarze, welche Milly hieß. »Milly hat zerbrochen einen Teller. Hier sein die Scherben.«

Sie hatte die Hände auf den Rücken gehalten. Jetzt nahm sie sie nach vorn und zeigte die drei Stücke, in welche der Teller zerbrochen war. Mirandas Gesicht röthete sich stark. Sie mußte außerordentlich jähzornig sein.

»Was hattest Du mit dem Teller zu schaffen?« fragte sie.

»Milly wollte darauf legen Brod für Missus, da fiel Teller aus Hand.«

»Kannst Du nicht aufpassen, verdammte Creatur! Wo hast Du Deine Augen und Deinen Verstand? Her mit den Scherben!«

Die Schwarze reichte sie ihr hin und bat:

»O, Missus, nicht schlagen arme Milly!«

»Nicht schlagen? Siehst Du nicht, daß es einer von den guten Tellern ist? Ich will Dich lehren, aufzupassen. Hier hast Du die Stücken!«

Sie holte aus und warf sie ihr mit aller Gewalt in das Gesicht. Die Negerin stieß einen Schrei aus und fuhr sich mit den Händen nach dem Auge. Der eine Scherben hatte ihr eine tiefe Wunde in die Wange gerissen, und die Spitze des andern war ihr verletzend in das Auge gedrungen.

»O, o, mein Auge!« rief die Arme. »Milly nicht sehen können. Milly nun blind werden. Missus nicht gut sein mit arm Milly!«

»Was? Nicht gut? Das wagst Du zu sagen, verdammte Kröte? Hier hast Du noch Etwas!«

Sie schlug ihr den an den Ecken mit Silberblech beschlagenen Stickrahmen in das Gesicht, daß die Arme vor Schmerz zum zweiten Male aufkreischte.

Da öffnete sich hinten eine auf den Söller gehende Thür. Ein junger Neger trat heraus. Als er Milly weinen sah, kam er schnell näher.

»Was sein mit gut Milly?« fragte er.

»Missus mir Teller in Augen werfen und Stickrahmen in Gesicht schlagen.«

»Milly herzeigen!«

Er zog ihr die Hände vom Gesicht und betrachtete die Verletzung. Dann wendete er sich an Miranda:

»Missus nicht schlagen sollen. Milly vielleicht blind werden an einem Auge. Wenn Milly zerbrochen den Teller, dann ihn bezahlen, aber nicht wieder sie schlagen und werfen!«

Das war freilich zu viel für den Character der weißen Dame. Sie griff nach der Glocke, welche auf dem kleinen Tischchen lag und schellte heftig mehrere Male, dabei nach Sennor Robin rufend.

Unten ließen sich mehrere dienstbare Geister sehen, welche sich aber beim Anblicke der zornigen Herrin sofort wieder zurückzogen. Oben aber kam der Gerufene aus seinem Zimmer heraus auf den Söller.

»Was giebt es, liebe Miranda?« fragte er.

»Ich bitte Dich, mich gegen diese Bestien zu beschützen.«

»Was haben sie gethan?«

»Das Frauenzimmer hat mir eine ganze Masse Geschirr zerbrochen, jetzt nun zum so und so vielsten Male. Geht das so fort, so können wir aus dem Pantoffel trinken und vom Stiefelknechte speisen. Und als ich sie bestrafte, kam der schwarze Mensch herbei, stellte mich zur Rede und wagte es sogar, mir zu drohen.«

»Was? Drohen?«

»Nein, Zeus hat nicht drohen, hat nur bitten,« erklärte der Schwarze.

»Lügner!« rief die Herrin. »Hast Du nicht gedroht, Dich zu rächen, wenn ich Deine Liebste nochmals bestrafe?«

»Nein, nicht rächen gesagt.«

Wer dem Schwarzen in das ehrliche Gesicht blickte, der konnte wohl sehen, daß er die Wahrheit sagte. Robin aber gab sich gar nicht die Mühe, ihn zu betrachten.

»Ah, drohen!« rief er. »Das fehlte noch. Da, Du schwarzes Viehzeug, will ich Dir zeigen, wie man eine solche Drohung aufnimmt!«

Er schlug ihn mit der Faust zweimal in das Gesicht, daß der Neger zu Boden stürzte und ihm das Blut aus Mund und Nase drang. Die Negerin warf sich auf ihn, Zeus aber schob sie weg, stand auf und ging fort, ohne ein Wort zu sagen. Aber als er sich mit der Geliebten in der Dienerstube befand, sagte er:

»Jetzt alle sein! Jetzt nicht mehr leiden diese Behandlung. Jetzt mich rächen. Sein Herr noch bei Missus draußen.«

»Ja,« antwortete Milly.

»Jetzt ich gehen und nehmen Geld, viel Geld.«

»Um Gott und Jessus! Nicht stehlen, Zeus!«

»Nein, nicht stehlen, sondern nur wiedergeben armen Mann, dem es gehört. Missus nicht wird gehen in ihr Zimmer. Zeus nicht sein werden erwischt.«

Ein jedes Zimmer war mit dem Söller durch eine Thür verbunden; die ganze Zimmerreihe hing aber auch unter sich zusammen. Daher gelang es Zeus, nach der Stube zu gelangen, welche Miranda bewohnte, ohne daß er von der Herrschaft, welche sich noch auf dem Söller befand, gesehen worden wäre.

Dort gab es einen kleinen Damenschreibtisch, in welchem das Geld lag, welches er haben wollte. Er kannte das Fach genau, in welchem er es gesehen hatte. Aber als er hinzutrat, fand er zu seiner Enttäuschung, daß der Schlüssel abgezogen war.

»Zeus muß warten, bis Schlüssel wieder da!« flüsterte er sich selbst zu.

Er wollte zurückschleichen. Da drang durch die offene, nach dem Söller führende Thür ein Wort herein, welches ihn stutzen machte:

»Er muß sterben!«

»Wer? Soll Zeus etwa sterben?« dachte der Neger. »Muß horchen!«

Er schlich sich katzenleise näher, bis hinter die Thür. Robin und Miranda befanden sich kaum drei Fuß weit von ihm entfernt. Er hörte jedes Wort.

Robin hatte das Vorige gesprochen. Miranda meinte in nachdenklichem Tone:

»Eigentlich ist es schade um ihn. Er ist ein sehr hübscher und wohlgebildeter Mann.«

»Hübsch und wohlgebildet! Das ist Dir an einem Manne wohl die Hauptsache?«

»Ja, ich gestehe es offen. Was nützt es mir, wenn ein Herr ein Wunder von Berühmtheit und Klugheit ist, wenn ich mich nicht mit Appetit und Genuß von ihm küssen lassen kann!«

»Das ist sehr aufrichtig.«

»Ich bin stets offenherzig.«

»Also auch Reichthum fällt bei Dir nicht in's Gewicht?«

»Doch, obgleich ich gestehe, daß mir ein armer aber hübscher Liebhaber weit angenehmer ist als ein reicher aber häßlicher.«

»Wie steht es da mit mir?«

»Hm! Du bist weder reich, noch jung, noch hübsch.«

»Dennoch darf ich Dich umarmen!«

»Nur Deinetwegen. Weil es Dir Genuß bereitet. Körperlich habe ich gar keine Zuneigung zu Dir; ja, offen gestanden, ich muß mir Mühe geben, Deine Liebkosungen ohne Unmuth zu ertragen. Uns verbindet aber ein anderes, ein geistiges Band; das ist fester als der sinnliche Genuß.«

»Welches Band wäre das?«

»Die Gleichheit unserer Seelen. Wir sind zwei ausgeprägte, diabolische Naturen. Nicht?«

»Hm!«

»Oder giebst Du nicht zu, daß Du ein Teufel bist?«

»Bist Du einer?«

»Ja, und ein ganzer! Ich kann mich an der Qual und an dem Unglücke eines Andern förmlich weiden.«

»Hm! Auch ich weine nicht, wenn Andere um Hilfe rufen. Dennoch ist mir nicht die Freude am Unglücke Anderer die Hauptsache, sondern der Gewinn, welcher dabei für mich abfällt.«

»Natürlich, mir auch. Wie viel wird heut Abend für mich abfallen?«

»Das ist jetzt schwer zu beantworten. Wie viel meinst Du, daß er in seiner Brieftasche hat?«

»Neunzig- bis hunderttausend Dollars.«

»Alle tausend Teufel! Wenn Du Dich nicht geirrt hast, so wäre das ein Fang. Ich möchte wissen, woher er es hat. Als Goldgräber kann er es nicht verdient haben.«

»Pah! Goldgräber! Dieser Sennor Günther ist kein Goldgräber; er ist etwas ganz Anderes als er scheint. Seinen Diamantring will ich gar nicht erwähnen; aber sein Auftreten ist dasjenige eines Cavaliers. Darum beklage ich es, daß er sterben muß.«

»Er hat Dir wohl unterwegs seine Zärtlichkeiten gewidmet?«

»Eben nicht, obgleich ich mir große Mühe gegeben habe, wie ich offen gestehe. Er ist, wie bereits gesagt, ein schöner Mann, und ich wäre mit dem größten Vergnügen einmal für eine Stunde lang die Seinige gewesen. Aber er war kalt wie Eis.«

»Du hast ihm nicht gefallen!«

»Pah! Du willst mich ärgern; das aber soll Dir nicht gelingen. Ich gefalle einem Jeden, nämlich wenn ich will. Mir scheint, daß sein Herz bereits anderweit engagirt ist. Vielleicht gehört er zu denjenigen ehrbaren Männern, welche denken, eine Sünde zu begehen, wenn sie einmal eine Andere küssen. Meiner Ansicht nach ist jedes Weib für jeden Mann und jeder Mann für jedes Weib da. Das liegt ja im richtigen Wesen der Liebe, welche keine Schranken kennt. Doch, wir kommen von der Hauptsache ab. Wie wollt Ihr ihn denn fassen?«

»Durch den Schrank.«

»Durch den Schrank? Das verstehe ich nicht.«

»Ach so! Du hast noch nichts davon gehört. Seit Du bei mir bist, hat sich kein solcher Fall zugetragen. In das Giebelstübchen bei Sennorita Emeria kann man nicht nur durch die Thür gelangen, sondern auch durch einen Kleiderschrank, welcher eine Thür im Zimmer hat und eine außerhalb desselben auf dem Vorplatze. Wir warten ab, bis er schläft, und dringen dann durch den Schrank in die Stube. Das Uebrige ist bald abgemacht.«

»Hast Du denn den Schlüssel zum Schranke?«

»Ja.«

»Emeria weiß davon?«

»Nein. Es ist ein Nachschlüssel.«

»Aber was in dem Zimmer geschieht, das weiß sie.«

»Auch nicht.«

»Laßt Ihr denn die Leiche liegen?«

»Gott bewahre! Die wird fort geschafft.«

»Aber wenn früh der Miether fehlt, muß es doch der Wirthin auffallen.«

»Sie hat stets geglaubt, er sei ihr durchgebrannt.«

»Ach, so sind derartige Fälle bereits dagewesen?«

»Oft schon,« lachte er. »Wir vergießen niemals Blut. Der Mann wird erwürgt. Das hinterläßt keine Spur.«

»Wann geschieht es heut?«

»Nicht vor Mitternacht.«

»Und Du bist selbst dabei?«

»Natürlich! Meinst Du etwa, daß ich fremde Leute hinaufschicke, die ihm das Geld abnehmen und mir ganz gemüthlich damit verschwinden? Ich – – horch!«

Die Thorglocke wurde geläutet. Jetzt war es für den Neger Zeit, zu verschwinden. Er eilte so schnell wie möglich zurück. Als er zu Milly kam, fragte sie:

»Hast Du das Geld?«

»Nein. Schlüssel war weg.«

»Dank Jessus! Du nun nicht bist Dieb.«

»Nein, aber Master und Missus sein Mörder.«

»O, was Du sagen.«

»Ja. Wollen morden gut Master Günther, der hab geben so gut Trinkgeld an Zeus.«

»Du hast träumen!«

»O, Zeus nicht träumen; Zeus hören. Zeus wohl auch noch mehr hören. Zeus nicht bleiben bei Herrschaft, die sein Mörder. Zeus wieder horchen.«

Im Hofe wurde Pferdegetrappel vernehmbar. Es waren zwei Reiter gekommen. Diese Beiden waren – Leflor aus Wilkinsfield und Bill Newton, der einstige Derwisch. Als Walker-Robin sie erblickte, stieß er einen Ruf der Ueberraschung aus.

»Ihr, Master Leflor?« sagte er vom Söller hinab. »Schnell herauf, und willkommen! Ich werde Euch gleich Eure Zimmer anweisen lassen.«

»Das laßt nur bleiben. Wir reiten gleich wieder fort.«

»Unsinn!«

»O doch! Ich komme gleich hinauf.«

Die Pferde waren außerordentlich abgetrieben, und auch den beiden Reitern sah man die Anstrengung an. Sie ließen den Thieren Wasser und Futter geben und kamen die Stiege herauf, welche zum Söller führte. Walker bot Leflor die Hand und wollte sprechen. Dieser aber warnte leise:

»Pst! Still! Gehen wir in ein Zimmer, wo uns Niemand hören kann!«

»Ihr thut ja recht geheimnißvoll!«

»Habe auch Ursache dazu.«

»O, die Angelegenheit, wegen welcher ich Euch den weiten Weg machen ließ, ist zwar wichtig und heimlich, hat aber nicht solche Eile, wie Ihr zeigt.«

»Es giebt noch andere Angelegenheiten. Also, bitte, ein Zimmer, Master Walker!«

»So kommt.«

Er führte sie in seine Stube. Miranda ging auch mit. Die beiden Angekommenen sanken vor Müdigkeit auf die Sitze. Leflor fragte:

»Ist Euch in den letzten Tagen etwas Unangenehmes widerfahren?«

»Nein.«

»Dann waren sie also noch nicht da, und wir kommen zur rechten Zeit, Euch zu warnen.«

»Warum? Das klingt ja bedenklich.«

»Ist es auch in hohem Grade. Wir kommen directen Weges vom Silbersee.«

»So, so! Seid Ihr also da droben mit Bill zusammengetroffen, Sir?«

»Ja. Er war dort gefangen, und es glückte mir, ihn herauszuangeln.«

»Gefangen? Verdammt! Das ist doch nicht möglich! Wie ist es denn gekommen, Bill?«

Der einstige Derwisch zuckte die Achseln und sagte:

»Daran war dieser verfluchte rothe Burkers schuld. Der Streich ist nämlich vollständig mißglückt.«

»Seid Ihr des Teufels?«

»Die Kerls sind alle gefangen. Jetzt wird wohl Keiner mehr leben. Die Maricopa's haben Alle umgebracht.«

»Das sind doch unsere Verbündete!«

»Jetzt nicht mehr. Sie haben mit den Apachen Frieden geschlossen.«

»Diese Nachricht ist freilich verteufelt schlecht.«

»Es kommt noch schlechter. Ihr sollt nämlich überrumpelt werden.«

»Von wem?«

»Von Wilkins.«

»Welchen Wilkins meint Ihr?«

»Nun, aus Wilkinsfield.«

»Alle Donner und Wetter! Ist dieser Mensch etwa wieder aufgetaucht?«

»Ja freilich. Wir selbst sind ihm dazu behilflich gewesen.«

»Wo denn?«

»Am Silbersee. Er ist ja der Vater der berühmten Taube des Urwaldes.«

»Höre ich denn recht? Da schlage doch der Teufel hinein! Und er will mich überrumpeln?«

»Ja, mit Apachen, mit Sam Barth – – –«

»Dem Dicken?«

»Ja, und Jim und Tim – – –«

»Denen ich damals entkommen bin?«

Er war aufgesprungen und ging in der Stube auf und ab. Sein Gesicht war leichenblaß geworden.

»Sie Alle kommen, Alle!« sagte Leflor. »Und noch Andere dazu. Da ist ein Jäger, den sie den Fürsten der Bleichgesichter nennen – – –«

»Habe von ihm gehört. Kommt der auch mit?«

»Freilich. Auch Roulin wird kommen.«

»Seid Ihr verrückt?«

»Nein. Er, der Weiße, welcher mit den Maricopa's zum Silbersee kam, um ein Mädchen abschlachten zu lassen, der Esel. Er ist an Allem schuld. Die Verfolger sind hinter ihm her, und es steht zu erwarten, daß er in seiner Dummheit sich hierher wenden wird.«

»Er sollte einen vortrefflichen Empfang haben, wenn er käme!« grollte Walker. »Wer hätte das gedacht, Alles, Alles stand und ging so gut, und jetzt bricht es auf einmal mit Macht herein. Kann man denn nichts Ausführliches hören?«

Leflor, dem der gesprächige Förster Rothe Alles erzählt hatte, machte den Berichterstatter und theilte ihm mit, was er wußte. Als er geendet hatte, ging Walker abermals nachdenklich im Zimmer auf und ab. Dann blieb er stehen und sagte:

»Der Stoß läßt sich pariren.«

»Möchte wissen, wie!«

»In der Weise, daß ich dem Gegner einstweilen meine Höhle überlasse und in die seinige einbreche. Dadurch werde ich zum Angreifer. Und Ihr wißt, daß der Angreifer stets im Vortheile ist.«

»Hm! Der Gedanke ist nicht übel. Also nach der Höhle des Gegners wollt Ihr? Nach dem Silbersee?«

»Fällt mir gar nicht ein! Sagtet Ihr nicht, daß Almy Wilkins und jene Magda Hauser nach Mohawk-Station geschafft worden seien?«

»Ja.«

»Nun, so gehen wir dorthin.«

»Donnerwetter!« rief Leflor wie electrisirt. »Ihr wollt die Mädels abfassen?«

»Freilich.«

»Herrlich! Was thut Ihr mit ihnen?«

»Das weiß ich noch nicht; es wird sich später finden. Ich habe das Gefühl, als ob wir die Herren der Situation sein werden, wenn wir die Mädchens in unserer Gewalt haben.«

»Das ist gewiß! Ich will Euch sagen, Master Walker, daß ich einst um Almy's Hand angehalten habe. Sie aber wies mich ab. Jetzt endlich hätte ich eine günstige Gelegenheit, mich zu rächen.«

»Ihr wollt also mit?«

»Auf alle Fälle!«

»Ist mir lieb. Je mehr Kräfte bei einem solchen Unternehmen, desto eher und sicherer glückt es. Aber habt Ihr denn auch Zeit dazu?«

»Bin ich so weit hergekommen, kann ich auch noch einige Meilen machen.«

»Sehr gut. Nur befürchte ich, Ihr werdet von dieser Parthie doch noch absehen.«

»Warum?«

»Ich habe Euch kommen lassen, um Euch Etwas mitzutheilen, was Euch wohl nicht sehr gefallen wird.«

»Wohl in Beziehung auf Wilkins und Wilkinsfield?«

»Ja, freilich.«

»Nun, wir werden ja sehen! Wer kommt?«

Walker war an das Fenster getreten, welches nach dem Wege zu führte. Von dort her hatte man den Hufschritt eines Pferdes gehört. Er berichtete an Miranda:

»Alfonzo, unser Bote kehrt zurück. Er wird uns sagen, ob Günther bei der Sennorita Quartier gefunden hat. Zugleich bringt er Einen mit, von dem wir soeben gesprochen haben – Roulin.«

Unten klingelte es, und dann hörte man das Thor öffnen und wieder schließen.

»Master Leflor, habt Ihr Sennor Roulin bereits einmal gesehen?« fragte Walker.

»Niemals.«

»So werdet Ihr Euch wundern. Paßt auf!«

Nach wenigen Augenblicken trat Roulin und Bill herein. Es geschah, wie Walker gesagt hatte. Leflor sprang entsetzt von seinem Stuhle auf, streckte die Hände abwehrend aus und rief:

»Herrgott! Stehen die Todten auf? Arthur Wilkins, Du bist es, Du!«

»Habe nicht die Ehre!« lächelte Roulin, indem er sich ironisch verbeugte.

»Nicht? Du mußt mich doch noch kennen!«

»Habe den Sennor noch nie gekannt.«

»Wäre das möglich?«

»Gewiß!«

»Dann giebt es hier eine Aehnlichkeit, welche ganz beispielslos dasteht!«

»Diese Aehnlichkeit,« lachte Walker, »hat Euch so sehr billig zu Wilkinsfield geholfen.«

»Wieso?«

»Davon später. Jetzt zu Herrn Roulin.«

Seine Miene veränderte sich. Sie wurde finster, zürnend. Seine Stimme klang hart wie die Stimme eines Vorgesetzten, welcher einem Untergebenen die Thür zeigt:

»Sagt mir doch einmal, Sennor Roulin, was Ihr für Dummheiten macht! Ich höre, daß – – –«

»Dummheiten?« fiel Roulin ihm ein. »Welche?«

»Ich höre, daß Ihr nach dem Silbersee gegangen seid?«

»Ja. Ist das ein Fehler?«

»Ganz gewiß.«

»Ihr habt denselben Fehler begangen, da Ihr den rothen Burkers mit seinen Leuten hinaufgeschickt habt. Wir sind also quitt, und Ihr habt mir wohl nichts vorzuwerfen.«

»Ihr gingt hinauf einer Dummheit wegen.«

»Welche Dummheit meint Ihr?«

»Ein Mädchen abzuschlachten.«

»Dummheit ist es, das zu glauben. Ich wollte sie nur einschüchtern, um sie mir gefügig zu machen. Dummheit aber war es, die Schätze stehlen zu wollen. Ihr seht, wir sind wenigstens quitt.«

»Euer Unternehmen mißlang!«

»Das Eurige auch. Wir sind abermals quitt, und ich kann nicht ersehen, aus welcher Ursache Ihr mir Vorwürfe machen wollt.«

»Ich glaube, Ihr wollt mich schulmeistern!«

»Fällt mir nicht ein. Von uns Beiden hat keiner das Recht, den Andern zu hofmeistern.«

»Meint Ihr? Da irrt Ihr Euch. Ich bin es, dem Ihr Alles zu danken habt.«

»Ganz richtig! Und Ihr habt hingegen Alles mir zu verdanken. Wir sind quitt. Wir haben uns Dienste geleistet. Aber mir scheint, Ihr seid bei schlechter Laune. Da werde ich gehen. Ich bin nicht gewohnt und habe auch heut nicht die Absicht, mich so von oben herab behandeln zu lassen. Adieu, Sennores!«

Er spielte seine Rolle sehr gut, so gut, daß Walker sich gezwungen sah, nachzugeben und einzulenken. Er ergriff ihn beim Arme und sagte:

»Unsinn! Fortlaufen! Das fehlte noch! Es stürmt jetzt Alles auf mich ein, so daß es kein Wunder ist, wenn ich einmal die gute Laune verliere. Setzt Euch, und laßt mit Euch reden!«

»Na, meinetwegen. Darf man denn auch reden?«

»Warum nicht?«

»Ich meine, ob alle Anwesenden von unserer Angelegenheit hören dürfen?«

»Alle,« antwortete Walker, warf aber einen bedeutungsvollen Blick auf Bill, den früheren Derwisch. Er wollte diesen nicht dadurch beleidigen, daß er sagte, Bill dürfe es nicht hören.

Roulin verstand den Wink und meinte:

»So werde ich Euch zunächst bitten, einige Wachen zu Pferde gegen Prescott zu senden, um uns schleunigst Nachricht zu geben, wenn unsere Feinde kommen.«

»Kommen sie bereits heut?«

»Sam der Dicke kam nur zwei Minuten später als ich zu Sennorita Emeria, und ich täusche mich nicht, wenn ich annehme, daß er nicht lange auf die Andern gewartet hat.«

»Sapperment! Da können sie ja an jedem Augenblicke hier sein!«

»Natürlich!«

»Bill Newton, wie ists? Wollt Ihr diese Wache mit thun? Ihr und Alfonzo?«

»Ja, Sennor.«

Er stand auf und ging. Nur wenige Augenblicke später sah man die beiden Genannten davonreiten.

»Er ist fort,« meinte Walker, »folglich können wir nun über Alles sprechen. Sennorita Miranda ist meine Vertraute. Sie darf Alles hören. Also, Sennor Roulin, zuerst Eure Flucht und Verfolgung und sodann die Wilkinsfield'sche Angelegenheit, bitte!«

»Nun, die Sache ist folgende: Ich lernte eine junge Dame kennen, eine wirkliche Schönheit. Sie betrug sich im höchsten Grade kopfscheu gegen mich. Ich gab mir die größte Mühe, ihr irgend einen Beweis von Zuneigung zu entlocken, doch vergebens.«

»Sie hatte ihr junges Herz wohl bereits an einen Andern verschenkt?« lachte Donna Miranda.

»O nein. Sie gestand mir, daß sie bisher nur ihre Eltern geliebt habe, mir aber trotzdem nicht das kleinste Plätzchen in dem Herzen, welches Ihr da erwähnt habt, einräumen könne. Ich gestehe aufrichtig, daß ich ernstlich vergafft war. Ich beschloß, Alles anzuwenden, sie zu der Meinigen zu machen. Half Liebe nichts, so wollte ich Strenge anwenden. Die Maricopa's hatten einen Zug nach dem Silbersee beschlossen. Ich machte diesen Zug mit und nahm auch Magda mit, indem ich ihr eröffnete, daß sie auf dem Grabe eines Häuptlings geopfert werden solle. Ich erwartete, daß die Furcht sie gefügig machen werde.«

»Wer ist denn eigentlich diese interessante Dame?«

»Sie heißt Magda. Mehr darf ich nicht sagen.«

Er erzählte nun von dem Zuge hinauf in die Berge und von dem Mißlingen seiner Absicht. Er hatte Magda nichts zu Leide thun wollen, wie er behauptete. Man hatte sie nach der Insel geschafft und an den Pfahl gebunden, einestheils um sie gegen ihn gefügiger zu machen und anderntheils aus Rücksicht auf sie von der Besatzung des Missionshauses günstige Bedingung zu erlangen, und wie sie auf der Insel auf eine geradezu unbegreifliche Weise verschwunden waren.

»Verdammt!« rief Roulin. »An dem Allen ist dieser sogenannte Fürst der Bleichgesichter schuld. Was hat sich dieser Kerl in die Angelegenheiten Anderer zu mischen?«

»Mit ebenso wenig Recht, wie Ihr und wir dieses thun,« lachte Walker.

»Uebrigens hätte ich an Eurer Stelle den Silbersee nicht so schnell verlassen.«

»Oho! Ich merkte, wie es stand. Die Maricopa's machten mit den Apachen gemeinsame Sache. Es stand mit Gewißheit zu erwarten, daß man über mein Fell herfallen werde. Wenn Fuchs und Wolf Freundschaft schließen, so ist das Schaf stets übel daran.«

»Wart in diesem Falle etwa Ihr das Schaf?« fragte Donna Miranda.

»So ziemlich. Darum machte ich mich von dannen. Ich glaubte freilich nicht, daß man so schnell und auch so hitzig hinter mir her sein werde. Ich merkte bereits am folgenden Morgen, daß ich verfolgt wurde und habe mein Pferd fast todt geritten, um in Distanz zu bleiben. Noch vor der Stadt Prescott habe ich eine Finte geritten, um die Kerls von der Spur abzubringen. Sie haben sich aber, wie es scheint, nicht irre machen lassen.«

»So albern sind die Männer, die Euch verfolgten, freilich nicht. Ihr reitet vom Silbersee in schnurgerader Richtung auf Prescott zu. Das ist genug für sie. Ihr könnt zehn Bogen oder Kreise oder Umwege reiten, sie wissen doch, welches Euer Ziel ist. Ihr habt Euch in dieser Angelegenheit nicht sehr geistreich gezeigt. Den größten Fehler aber habt Ihr dadurch begangen, daß Ihr zu uns kommt. Ihr bringt dadurch Eure Verfolger uns auf den Hals.«

»Ihr werdet sie schon wieder los werden.«

»Auf welche Weise denn?«

»Das ist lediglich Eure Sache. Ihr habt mich jetzt schon einige Male so getadelt, daß ich es nun einmal Euch überlasse, zu beweisen, daß Ihr klüger seid als ich.«

»Das Unsrige werden wir freilich thun, trotzdem aber befinden wir uns natürlich in Verlegenheit. Ihr konntet jede andere Richtung einschlagen, nur nicht diejenige, welche zu uns führt.«

»Wie klug! Erstens verlieren solche verfluchte Kerls niemals eine Spur, und zweitens wissen sie ja nun, wer ich bin, und von den Maricopa's und dem Mädchen werden sie erfahren haben, wo ich wohne. Sie brauchten also nur nach dem Todesthale zu reiten, um mich dort zu erwarten.«

»Was könnten sie Euch thun? Gar nichts! Daß das Mädchen geopfert werden solle, war ja nur ein Scherz.«

»Ihr vergeßt, daß Wilkins dabei ist!«

»Pah! Fürchtet Ihr etwa diesen?«

»Natürlich!«

»Warum denn?«

»Das fragt Ihr mich? Ihr? Ihr habt wohl Alles vergessen, Master Walker?«

»O, mein Gedächtniß ist sehr gut, und ich wüßte auch gar nicht, was ich in Beziehung auf diesen Wilkins vergessen haben sollte. Aber die Botschaft, welche Ihr mir vor einigen Monaten schicktet, war allerdings so befremdend, daß ich augenblicklich hier Monsieur Leflor benachrichtigt habe, schleunigst zu mir zu kommen. Wollt Ihr jetzt vielleicht sagen, was der Brief, welchen Ihr mir schriebt, eigentlich zu bedeuten hatte. Er war so geheimnißvoll abgefaßt.«

»Er konnte in falsche Hände gerathen; darum durfte ich nicht deutlich sein. Master Leflor weiß doch, in welcher Weise er zu der Plantage in Wilkinsfield gekommen ist?«

»Ja. Durch Kauf natürlich.«

»Aber durch was für einen Kauf! Er hat ja kaum die Hälfte des Werthes bezahlt. Er mußte sich also denken, daß es mit dieser Angelegenheit eine wohl nicht ganz gewöhnliche Bewandtniß habe. Weiß er, wie Ihr in die Besitztitel der Plantage getreten seid?«

»Nein. Werde mich hüten, das den Leuten auf die Nase zu hängen. Jetzt wird er es aber wohl erfahren müssen. Nicht?«

»Ja, es ist das sehr nothwendig.«

»Mir aber höchst unangenehm. Uebrigens finde ich gar keinen Grund, davon zu sprechen. Die Sache wurde seiner Zeit zwischen uns Beiden abgemacht, Master Roulin, und ich sehe nicht ein, warum sie nicht auch nur bei uns bleiben soll.«

»Wie denn, wenn jener Arthur Wilkins sich in Wilkinsfield einstellt?«

»Seid Ihr des Teufels!« rief Walker erschrocken.

»Und der Oberaufseher Adler auch?«

»Das ist ja gar nicht möglich. Beide sind ja todt!«

»Todte stehen zuweilen auf!«

»Unsinn! Macht keine dummen Witze!«

»Es ist mein Ernst. Beide leben noch.«

»Wie? Sie leben?«

Walker sprang auf und stellte sich im höchsten Grade betroffen vor Roulin hin. Auch Leflor fühlte sich nicht etwa freudig überrascht, obgleich er die Angelegenheit in ihrem ganzen Umfange nicht kannte. Er sagte:

»Es kann mir eigentlich sehr gleichgiltig sein, ob die beiden Männer noch leben oder nicht, denn – – –«

»Langsam, langsam!« fiel Walker ihm in die Rede. »Ihr wißt nicht Alles. Wenn Arthur Wilkins wirklich noch lebte, würdet Ihr ihm Wilkinsfield abtreten müssen.«

»Wieso? Ich habe es ja bezahlt.«

»Aber nicht an ihn, sondern an mich.«

»Was ändert das?«

»Sehr viel. Er hat mir nämlich die Pflanzung nicht verkauft.«

»Macht keine dummen Witze!«

»Es ist nicht Spaß, sondern es ist Ernst. Ich traf diesen Wilkins in Santa Fé und war erstaunt über die ungeheure Ähnlichkeit, welche er mit meinem Bekannten Roulin hier hatte. Ich schloß mich ihm mehr an und erfuhr von ihm seine ganzen Angelegenheiten. Er zeigte mir sogar seine Papiere. Da war ein sehr guter Fang zu machen. Ich verführte ihn zu einer Reise in das Todesthal, wo Roulin damals eben begonnen hatte, eine alte Quecksilbergrube neu zu bebauen, und trug diesem meinen Plan vor. Er ging darauf ein. Roulin jagte Wilkins eine Kugel durch den Kopf, brachte seine Leiche bei Seite und bemächtigte sich seiner Papiere. Wir ritten nach Santa Fé, wo Roulin nun als Wilkins galt; seine Aehnlichkeit unterstützte das. Er verkaufte mir Wilkinsfield und auch die Schuldforderung an seinen Oheim. Ich ging nach Wilkinsfield und verkaufte meine Ansprüche an Euch. Auf diese Weise seid Ihr in den Besitz der Pflanzung gekommen, Master Leflor.«

Der soeben Genannte machte ein Gesicht, als ob er aus einem Traume erwache.

»Soll ich das wirklich glauben?« fragte er wie abwesend.

»Ich ersuche Euch darum!«

»Ihr seid ein – ein – – Mörder?«

»Wenn Ihr es so nennt, ja,« lachte Walker.

»Und – und – – Betrüger?«

»Auch das. Aber das ficht Euch doch nichts an. Wie ich Euch kenne, ist Euer Gewissen nicht so zart, daß es bei so einer Angelegenheit in Krämpfe oder gar in Ohnmacht fallen möchte.«

»Das ist hier Nebensache. Ihr könnt Euch denken, daß ich ganz starr vor Erstaunen bin!«

»Das wird nicht sehr lange dauern.«

»Ich bin also eigentlich Euer Mitschuldiger!«

»Bis jetzt noch nicht, doch werdet Ihr es werden.«

»Dazu habe ich verdammt wenig Lust!«

»So verliert Ihr Wilkinsfield.«

»Da wäre ich ruinirt. Ihr müßt wissen – na, ich will es nicht beschönigen – ich habe ein Wenig flott gelebt. Meine Pflanzung ist zum Teufel. Ich besitze nur noch Wilkinsfield.«

»So seid Ihr ja ein Bettler, wenn es an den Tag kommt, daß der Kauf keine Rechtskraft besitzt.«

»Eine verfluchte Geschichte! Hört, Ihr seid zwei Patrone! Es ist nicht grad eine große Ehre, Bekannter von Euch zu sein!«

»Nein,« lachte Walker. »Dennoch will ich nicht hoffen, daß Ihr aus moralischem Schmerz in das Wasser lauft, um Euch zu ersäufen. Bis jetzt hat die Sache gar keine Gefahr. Es wittert nur von Weitem. Ich weiß nicht, was dieser Roulin will. Arthur Wilkins ist todt und Adler, sein Oberaufseher, auch. Dieser Letztere kam nämlich nach dem Westen, um nach Wilkins zu suchen. Er fand unglücklicher Weise seine Spur und gelangte nach dem Todesthale. Dort aber fiel er natürlich in Roulins Hände, welcher sehr kurzen Prozeß mit ihm machte.«

»Ihn tödtete?« fragte Leflor.

»Natürlich!«

»Nun, so ist die That zwar ein Verbrechen, aber es steht doch für mich nichts zu befürchten.«

»Mehr, als Ihr denkt,« fiel hier Roulin ein. »Es ist nämlich in Wirklichkeit so, wie ich bereits vorhin sagte: Wilkins und Adler leben noch.«

»So habt Ihr sie nicht getödtet?« rief Walker.

»Nein.«

»Donnerwetter! Seid Ihr verrückt?«

»Verrückt wohl nicht. Ich hatte zwei sehr gute Gründe, den Beiden das Leben zu lassen.«

Walker war vor Erregung leichenblaß geworden. Er starrte Roulin an und rief:

»Gründe – Gründe! Also doch! Sie leben noch?«

»Wie ich schon sagte! Ja!«

»Dann seid Ihr der größte Dummkopf und Erzesel, den es nur geben kann!«

»Vielleicht doch nicht!«

»Sie leben! Sie leben! Noch kann ich es nicht glauben! Es ist mir unmöglich! Könnt Ihr einen Schwur ablegen, daß es wahr ist?«

»Jeden Schwur, den Ihr nur wollt.«

Da faßte er Roulin an beiden Armen und schrie:

»Verdammter Narr! Ich sollte Euch sogleich mein Messer in die Gurgel stoßen! Wißt Ihr, daß Ihr nicht nur mich und diesen Sennor, sondern auch Euch selbst in die allergrößte Gefahr bringt!«

»Das weiß ich!« antwortete Roulin sehr ruhig. »Aber ich bitte Euch, nehmt Eure Hände von mir weg! Ich bin kein Knabe, mit dem man machen kann, was Einem beliebt. Droht Ihr mir mit Eurem Messer, so habe ich auch das meinige und die Pistolen dazu!«

»Was! Wollt Ihr auch noch aufbegehren!«

»Ich verlange, daß man mich höflich behandle.«

»Soll ich einem Menschen, der so kopflos handelt, auch noch Höflichkeiten sagen?«

»Das ist nicht nöthig. Ihr sollt weder sehr höflich, noch aber so grob wie bisher sein. Das Letztere verbitte ich mir allen Ernstes! Ich pflege zu wissen, was ich thue.«

»Als Ihr die Beiden am Leben ließet, habt Ihr nicht gewußt, was Ihr thatet.«

»Sehr genau habe ich es gewußt!«

»Ah! Meint Ihr die beiden Gründe, von denen Ihr vorhin spracht?«

»Jawohl, diese meine ich.«

»Nun, so habt doch einmal die Gewogenheit, sie uns zu sagen, mein bester Sennor Roulin!«

Er sprach höhnisch und im höchsten Grimme. Roulin hingegen antwortete in ruhigem, wie geschäftlichem Tone:

»Ihr wißt doch, daß es in einem Quecksilberbergwerk nicht sehr gesund ist – –?«

»Da« weiß ich. Was aber soll das?«

»Die Ouecksilberdünste zerfressen die menschlichen Eingeweide, darum ist es so sehr schwer, Arbeiter zu bekommen. Und bekommt man ja welche, so hat man einen geradezu horrenten Arbeitslohn zu zahlen – –«

»Das geht mich gar nichts an und das gehört ja auch ganz und gar nicht hierher!«

»Es gehört sehr wohl hierher. Ich fand keine Arbeiter. Da brachtet Ihr mir diesen Arthur Wilkins. Ich sollte ihn tödten. Ich war nicht so dumm, ihn zu erschießen, sondern ich steckte ihn in meine Quecksilbergrube, wo er arbeiten mußte.«

»Alle Teufel! Wenn er nun entfloh?«

»Pah! Er ist gefangen und kann nicht heraus. Er arbeitet für mich, und wenn er faullenzt, so bekommt er Prügel und Kostentziehung.«

»Und Adler, der deutsche – –?«

»Genießt ganz dasselbe Glück.«

Da trat Walker einen Schritt von ihm zurück und sagte unter einem sichtbaren Grauen:

»Roulin, Ihr seid ein Teufel!«

»Ah! Gefalle ich Euch jetzt?«

»Ihr seid wirklich ein Teufel! Ich tödte die Leute, welche mir im Wege find, aber ich lasse sie nicht eines so langsamen, entsetzlichen Vergiftungstodes sterben.«

»Jeder thut, was ihm beliebt. Ich habe noch mehr solcher Arbeiter, welche nie mehr das Tageslicht sehen werden. Die Hoffnung auf Erlösung erhält sie dennoch ziemlich bei Kräften.«

Es war ein wirklich teuflisches Lächeln, unter welchem er dies sagte. Auch Leflor graute es vor ihm. Die schöne Miranda aber nickte ihm zu und sagte:

»Sennor, Ihr seid ein tüchtiger Kerl. Entweder muß der Mensch sehr gut oder sehr schlecht sein. Einen Mittelweg kennt der Charakter gar nicht. Ich gestehe Euch, daß Ihr mir gefallt!«

»Sehr viel Ehre! Ich hatte, wie ich bereits erwähnte, noch einen zweiten Grund. Wenn ich Euch denselben auch noch mittheile, so könnt Ihr daraus ersehen, daß ich nicht nur sehr aufrichtig, sondern auch ebenso furchtlos bin. Spitzbuben dürfen einander niemals ganz trauen. Auch ich traute Master Walker nicht ganz. Wenn ich Wilkins und Adler nicht tödtete, so hätte ich in ihnen zwei sehr gute Waffen gegen ihn in den Händen gehabt. Darum blieben sie leben.«

»Verdammter Kerl!« fuhr Walker auf.

»Pah! Ich war vorsichtig! Das ist Alles!«

»Aber ein Zufall konnte oder kann die Beiden befreien!«

»Das ist unmöglich.«

»Sprecht Ihr denn mit ihnen?«

»Darüber mache ich keine Bemerkung. Ich erinnere Euch überhaupt daran, daß ich verfolgt werde und daß die Verfolger jeden Augenblick hier sein können. Wir dürfen nur das Nöthigste sprechen.«

»Leider, leider,« stimmte Walker zornig bei. »Wenn dies nicht wäre, so würde ich mit Euch anders reden. Wie nun, wenn die Verfolger nach dem Todesthale gehen, he?«

»Ich bin überzeugt, daß die Apachen und Maricopas hingehen werden. Diese Magda wird sie hinführen. Und das ist der Grund, daß ich zu Euch komme. Ihr sollt mir helfen.«

»Ah so! Ihr macht die Dummheiten und wir sollen diese Fehler wieder gut machen! Horch!«

Man hörte Hufschlag. Die beiden Sicherheitswächter kehrten zurück. Alfonzo kam herauf in das Zimmer und meldete, daß zwei Reiter binnen einer Stunde hier sein würden. Aus seiner Beschreibung ging hervor, daß Steinbach und Sam Barth im Anzuge seien.

»Was thun wir?« fragte Roulin.

»Es bleibt uns nichts Anderes übrig, als ihnen das Feld einstweilen zu überlassen,« antwortete Walker.

»Unsinn! Wir machen sie sogleich unschädlich!«

»Unvorsichtiger könnten wir gar nicht sein. Diese Beiden kommen, um zu recognosciren. Kehren sie nicht zurück, so haben wir die Andern auf dem Pelze. Man weiß in der Stadt, daß sie hier sind. Hier im Hause dürfen sie also nicht verschwinden. Ich habe heut Abend in der Stadt zu thun. Wir reiten jetzt hin, natürlich auf einem Umwege. Für Euch Beide, die Sennores Leflor und Roulin, habe ich eine Venta, wo Ihr Euch verbergen könnt und – –«

»Doch nicht etwa diejenige der Sennorita Emeria?« fiel Roulin ein.

»Nein, denn dort sind ja Eure Verfolger abgestiegen.«

»Und was thue ich?« fragte Miranda.

»Du behandelst die Beiden, wenn sie ja Eintritt verlangen, auf das Freundlichste.«

»Was antworte ich aber auf ihre Fragen?«

»Sie müssen Vertrauen zu Dir fassen, denn durch Dich sollen sie gefangen werden. Darum mußt Du ihnen scheinbar die Wahrheit sagen. Du weißt nur, daß ich Robin heiße. Ein Fremder, nämlich Sennor Roulin, dessen Namen Du aber nicht kennst, ist gekommen, und ich bin mit ihm sogleich spazieren geritten, werde aber nach Mitternacht oder gegen Morgen mit ihm wieder zurückkehren. Wende Deine ganze Liebenswürdigkeit auf, um besonders diesen Fürsten der Bleichgesichter an den Angelhaken zu bekommen!«

»Soll ich ihn einladen, unser Gast zu sein?«

»Ja, gewiß. Eine weitere Auskunft giebst Du ihm aber nicht. Jetzt kommt, Sennores! Alles Uebrige können wir während des Rittes besprechen.«

Sie gingen hinab in den Hof, wo die Pferde standen. Dasjenige Walkers wurde aus dem Stalle geholt und schnell gesattelt. Die Dienerschaft erhielt die nothwendig erscheinenden Befehle und dann ritten die Männer Walker, Leflor Roulin, Alfonzo und der einstige Derwisch durch eine Hinterthür hinaus in das Freie und in den Wald hinein, wo sie einen weiten Bogen machten, um Steinbach und Sam nicht zu begegnen.

Walker hatte zwar gesagt, daß sie während des Rittes sprechen könnten; dies war aber nicht gut möglich. Der Abend nahte und unter den Waldbäumen war es bereits fast dunkel. Ein Jeder hatte also seine ganze Aufmerksamkeit auf sich und sein Pferd zu richten. Darum verlief der Ritt sehr langsam und unter Schweigen. Es dauerte lange, sehr lange, ehe sie das Ende des Waldes erreichten und nun war es auch nicht Zeit zu langen Verhandlungen.

Walker befand sich an der Spitze. Er ritt nicht direct auf die Stadt zu, sondern er machte einen Bogen, bis sie auf der anderen Seite die ersten Häuser erreichten. Dann blieb er halten und schickte Alfonzo nach der betreffenden Venta voran; er sollte dafür sorgen, daß sie nicht gesehen würden.

Erst nach einer Weile forderte Walker die Anderen auf, ihm nun weiter zu folgen. Sie gelangten an eine niedrige, aus rohen Steinen aufgeführte Mauer, in welcher sich eine Pforte befand. Sie war geöffnet und da stand Alfonzo.

»Ist Alles in Ordnung?« fragte Walker.

»Alles, Sennor. Die Pferde bleiben hier im Garten.«

Sie stiegen ab und zogen die Pferde durch die Pforte in den Garten, wo die Thiere im Grase werden konnten. An der jenseitigen Seite desselben öffnete sich ein Hof. Walker schritt auf ein Nebengebäude zu und da durch eine kleine Thür. Dahinter lag ein Stübchen, in welcher sich ein alter Tisch und einige roh gezimmerte Stühle befanden. Eine Lampe brannte, und ein Mann, der nicht sehr Vertrauen erweckend aussah, erwartete die Angekommenen. Er schien solche Besuche sehr oft zu bekommen, denn er grüßte ganz vertraulich und fragte:

»Also nicht in das Gastzimmer?«

»Nein,« antwortete Walker. »Auch wollen wir hier ungestört sein.«

»Sehr wohl! Was trinken die Sennores?«

»Wein.«

Der Wirth ging und brachte bald das Verlangte, worauf er sich entfernte.

»So! Jetzt endlich können wir wieder sprechen,« sagte Walker. »Setzt Euch also und schenkt Euch ein!«

Dieser Aufforderung wurde natürlich Folge geleistet. Roulin war der Erste, welcher sprach:

»Was aber gedenkt Ihr denn nun mit dem Fürsten der Bleichgesichter und mit dem dicken Jäger zu thun?«

»Unschädlich werden sie natürlich gemacht.«

»Wann, wie und wo?«

»Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Ich werde später einmal nach der Venta der Sennorita Emeria gehen, dort erfahre ich, was zu thun ist.«

»Dort wird man Euch einfach festnehmen.«

»Oho!«

»Bedenkt, daß die Gefährten der Beiden sich dort befinden.«

»Die bekommen mich gar nicht zu sehen. Emeria ist meine Freundin. Sie giebt mir Auskunft.«

Er wollte natürlich nicht sagen, daß ihn ein noch ganz anderer Zweck nach der Venta führte. Jetzt nun wurde erzählt und berathen. Roulin fühlte sich sehr befriedigt darüber, daß Magda Hauser sich in Mohawk Station befand. Dort wollte er sich ihrer wieder bemächtigen.

»Und ich beanspruche die ›Taube des Urwaldes‹ für mich!« erklärte Leflor. »Nur unter dieser Bedingung will ich Euch nicht nachtragen, daß Ihr mich eigentlich betrogen habt.«

»Wir werben die Papago-Jndianer an,« sagte Walker, »und überfallen mit ihnen die Maricopa's. Vielleicht erretten wir da unsere Leute mit dem rothen Burkers vom Martertodte.«

»Den haben sie wohl bereits erlitten,« meinte Leflor.

»Wohl nicht. Der Indianer nimmt seine Gefangenen am Liebsten mit in sein Dorf, damit die Bewohner desselben das Schauspiel auch mit genießen. Darum denke ich, daß noch Rettung möglich ist.«

»Wann reiten wir?«

»Vielleicht schon morgen früh. Aber ich mache zur Bedingung, daß, wenn wir nach dem Thale des Todes kommen, Wilkins und Adler sterben müssen.«

Ueber diese Punkte wurde noch lange hin und her verhandelt. So kam Mitternacht heran, und Walker verließ mit Alfonzo und dem einstigen Derwische die Venta.

Steinbach war mit Sam in der Nähe von Walkers Wohnung angekommen, als es bereits dunkel war. Sie hatten nichts mehr zu besprechen, da ihr Plan bereits beschlossen war. Die ganze Fronte des Hauses war finster, ein Fenster ausgenommen, welches sich erleuchtet zeigte.

Die Beiden stiegen von ihren Pferden und Steinbach zog an der Klingel. Bald wurde das Thor geöffnet, aber nicht ganz, sondern nur ein Wenig. Man konnte nicht sehen, wer es war, aber eine männliche Stimme fragte:

»Wer ist da?«

»Zwei Fremde. Wohnt hier Sennor Robin?«

»Ja.«

»Ist er daheim?«

»Nein.«

»So ist er verreist?«

»Nein. Er ist ausgeritten und wird wiederkommen. Was wünschen die Sennores?«

»Wir wollten mit ihm sprechen. Ist Donna Miranda auch mit fort?«

»O nein; die ist zu Hause.«

»Können wir nicht wenigstens mit ihr sprechen?«

»Jawohl. Kommt in den Hof.«

»Habt Ihr nicht ein Corral am Hause?«

»Gewiß, hier links.«

»So werden wir lieber unsere Pferde dort unterbringen.«

»Warum Sennores? Wir haben ja Hof und Stall.«

»Unsere Thiere sind das Freie gewöhnt.«

Er hatte seine bestimmte Absicht, daß er die Pferde lieber im Corral unterbrachte. Nachdem dies geschehen, traten sie ein. Der dienstbare Geist schloß die Thüre hinter ihnen zu und führte sie in den Hof. Erst dort sagte er:

»Ich muß der Donna Eure Namen nennen, Sennores.«

»Wir heißen Steinbach und Bart.«

»Und was seid Ihr?«

»Reisende.«

»Es giebt so verschiedene Arten von Reisenden – –?«

»Das ist sehr richtig, mein Lieber, aber die Art, zu welcher wir gehören, werden wir der Donna selbst mittheilen.«

»So folgt mir jetzt.«

Er war nicht befriedigt worden. Nur Miranda wußte, wer die beiden Erwarteten seien. Die dienstbaren Geister wußten es nicht, hätten es aber so gern erfahren, da sie der Beiden wegen so eigenthümliche Verhaltungsmaßregeln erhalten hatten.

Die zwei Jäger wurden nach oben geführt; wo die Dame in größter Neugierde ihrer wartete. Sie war ganz begierig, die beiden berühmten Jäger, deren Todesurtheil bereits unterzeichnet war, kennen zu lernen. Als diese eintraten, saß sie in dem besten Zimmer des Hauses auf einer rothen Sammet-Ottomane, aus deren weichen Polstern ihre helle Gestalt mit dem lichten Gewande eigenartig hervorleuchtete. Sie stand nicht auf, sondern nickte nur vornehm, als sich die beiden grüßend verbeugten und fragte:

»Was wünschen die Sennores?«

»Wir kamen, um mit Sennor Robin zu sprechen,« antwortete Steinbach.

Erst bei dem vollen, sonoren Klange seiner Stimme nahm sie ihn in das Auge. Ihr Blick hatte sich im ersten Moment mehr mit Sam beschäftigt. Sie hatte noch nie eine so zum Lachen reizende Gestalt wie diejenige des kleinen Jägers gesehen.

Als nun ihr Auge an der hohen, mächtigen Figur Steinbachs emporstieg, röthete sich ganz unwillkürlich ihre Wange. Ein solches Beispiel männlicher Schönheit und Vollkommenheit war ihr noch nie begegnet. Ganz ohne daß sie es eigentlich beabsichtigte, erhob sie sich von ihrem Sitze.

»Sennor Robin ist leider nicht daheim.«

»Das hörte ich bereits. Darf ich fragen, wann er wohl wiederkehrt?«

»Er hat nichts gesagt, kann also in jedem Augenblicke wieder hier sein. Wollen die Sennores vielleicht auf ihn warten?«

»Es ist dazu zu spät.«

»O, Ihr könnt doch unmöglich in der Nacht wieder durch den Wald nach der Stadt zurück.«

»Noch weniger aber dürfen wir hier incommodiren. Uebrigens ist der Wald uns nicht fürchterlich.«

»Das glaube ich Euch gern. Ihr seht gar nicht so aus, als ob Ihr Euch überhaupt fürchten könntet. Ich bitte Euch, Platz zu nehmen.«

»Wenn Ihr es erlaubt!«

»Na, natürlich erlaubt sie es!« meinte Sam treuherzig. »Sie hat es ja gesagt.«

Bei diesen Worten setzte er sich in den nächsten Sammetsessel, lehnte sich behaglich in das Polster zurück, streckte die kurzen, dicken Beine möglichst weit von sich ab und stöhnte vergnügt:

»Ah! Oh! Das sitzt sich gut! Sennorita, Ihr habt gar keinen Begriff, wie gemüthlich es bei Euch ist.«

»Also es gefällt Euch?« lachte sie.

»Außerordentlich. Am Besten und Meisten gefallt aber Ihr mir.«

»Das ist ein Compliment!«

»Unsinn! Das ist die Wahrheit. Ich denke, Ihr habt Euch doch bereits einmal im Spiegel gesehen?«

»Zuweilen!«

»Na, also! Da müßt Ihr Euch doch über Euch selbst gefreut haben. Die Backen wie Milch, die Stirn wie Schnee, die Augen wie Kohlen und die Lippen wie frisch angeschnittenes Rindfleisch! Appetitlich, verdammt appetitlich! Ich habe Euch übrigens zu grüßen.«

»Von wem?«

»Von Eurer Tante, der Sennorita Emeria.«

»So wart Ihr bei ihr?«

»Ja. Sie hat uns zu Euch gewiesen.«

»Dann seid Ihr mir desto willkommener. Ich ersuche Euch, bei uns zu bleiben. Sennor Robin kann vielleicht auch erst spät zurückkehren. Wenn Ihr mir erlaubt, werde ich Euch Zimmer anweisen.«

»Wir dürfen Eure Güte nicht mißbrauchen,« antwortete Steinbach höflich.

»Unsinn! Mißbrauchen!« entgegnete Sam. »Man sieht es ihr an, daß sie es gern thut. Nicht wahr?«

»Sehr gern!« antwortete sie lächelnd.

»Das steht Euch im Gesicht geschrieben. Aber sagt mir doch einmal, ist Sennor Robin allein ausgeritten?«

»Nein.«

»Wer noch?«

»Ein fremder Sennor, welcher sein Gast ist.«

»Seit wann?«

»Seit heute Nachmittag.«

»Kommt auch dieser wieder zurück?«

»Gewiß. Ich habe ihm sein Zimmer bereiten müssen.«

»Wer ist er?«

»Ich habe den Namen nicht gehört. Ich war nicht hier, als er kam. Er hat sich nur sehr kurze Zeit hier aufgehalten, dann sind Beide fort. Ich glaube, es handelte sich um einen Pferdekauf. Also, darf ich erwarten, daß Ihr meine Einladung annehmt?«

Dieses Mal antwortete Steinbach:

»Ich befürchte. Euch zu beleidigen, wenn ich Euren Wunsch nicht als Befehl betrachte.«

»So kommt für einige Augenblicke mit mir! Ich werde Euch die Gemächer zeigen.«

Sie schritt voran und führte die Beiden nach dem linken Flügel des Gebäudes, wo sie ihnen zwei nebeneinander liegende kleine Stuben anwies. Diese Letzteren waren sauber, aber höchst einfach möblirt. Ein Tisch, ein Stuhl, eine Matratze als Bett mit einer Pferdedecke zum Zudecken, ein Krug mit Wasser und eine Waschschüssel, das war Alles – aber genug für jene Gegend und jenes Klima.

»Jetzt können sich die Sennores einstweilen ein Wenig vom Staube reinigen,« sagte sie. »Ich werde dann senden, wenn das Abendmahl bereitet ist.«

Sie brannte für jeden eine bereitstehende Kerze an und entfernte sich dann.

»Himmeldonnerwetter!« fluchte Sam, als sie fort war. »Die ist schön!«

»Meint Ihr, Dicker?«

»Ja, ganz wie gemalt! Ich bin förmlich weg in sie!«

»O weh! Was soll da aus der Auguste werden?«

»Heirathen thu ich sie.«

»Wenn Ihr weg in diese hier seid?«

»Na, wenn ich auch einmal weg bin, ich komme doch sicherlich auch wieder. Aber, daß wir die Hauptsache nicht vergessen: er ist da, dieser Roulin. Und daß auch wir eingeladen würden, zu bleiben, das hätte ich nun freilich nicht vermuthet.«

»Ich auch nicht. Mir kommt diese Einladung sogar ein Wenig verdächtig vor. Wenn ich mich hier umsehe, so bin ich im Zweifel darüber, ob wir erwartet wurden oder unerwartet gekommen sind.«

»Hm! Weil man sichtlich auf Besuch vorbereitet gewesen ist.«

»Ja. Ihr seht hier Alles so in Stand gesetzt, als ob man gewußt habe, daß Gäste kommen würden. Sogar frisches Wasser ist hergestellt worden.«

»Na, uns konnte man doch nicht erwarten. Jedenfalls handelt es sich da um andere Ankömmlinge.«

»Meint Ihr? Denkt doch einmal daran, daß dieser Roulin uns hat irre führen wollen.«

»Wäre daraus Etwas zu schließen?«

»Natürlich. Er hat gewußt, daß er verfolgt wird. Er durfte annehmen, daß Diejenigen, welche im Stande waren, den Weg vom Silbersee herab hinter ihm zu bleiben, seine Fährte auch bis hierher festhalten würden. Er war also sehr wohl im Stande, unsere Ankunft hier anzumelden.«

»Verteufelt! Am Ende ist er mit Walker fort, um Spießgesellen zu holen, welche über uns herfallen sollen.«

»Das ist sehr leicht möglich.«

»So wären wir in eine Falle gegangen!«

*


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