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Nicht nur die schönen Sentenzen Schillers werden ewige Wahrheiten genannt, in der Sprache unserer Schulaufsätze. Auch in der Philosophie werden seit Jahrtausenden nicht nur die Axiome gern ewige Wahrheiten genannt, sondern auch die personifizierte Wahrheit selbst bekommt bisweilen das Epitheton ewig, zeitlos, trotzdem solche Epitheta einer Person am wenigsten zustehen. Inbrünstig ist dieser Gedanke, der sich den christlichen Gott als die summa veritas vorstellt, von Augustinus ausgedrückt worden in einem Satze, der an Schiller erinnert: »Erit veritas, etiamsi mundus intereat.« Descartes, Spinoza, Leibniz, Kant sprechen, mehr oder weniger kritisch, von ewigen Wahrheiten. Aber auch in unsern Tagen, wo doch der Wahrheitsbegriff psychologisch untersucht und als ein relativer Begriff erkannt worden ist, wo der Pragmatismus auf der einen Seite, Nietzsche auf der anderen Seite die einfache Vorstellung Goethes in die Philosophie eingeführt haben – daß nämlich von uns das biologisch Nützliche wahr genannt werde – hört das Gerede von den ewigen Wahrheiten nicht auf; besonders die Logiker wiederholen gern die logische Tautologie, daß die Wahrheit eines Urteils keine Beziehung zur Zeit habe, überzeitlich sei, also ewig. Wir werden noch erfahren, daß Wahrheit und Glaube gar nicht so sehr voneinander verschieden sind, wie die Gemeinsprache unserer Gelehrten glaubt oder für wahr hält. (Vgl. Art. Wahrheit.) Wer nun nicht lehren mag, daß ein Glaube ewige Dauer habe, nicht historisch aus- und umgebildet werde, der sollte auch nicht von ewigen Wahrheiten reden. Die Wahrheit ist nirgends in der Welt außer in den Menschenköpfen, wo sie auch nichts weiter ist als eine besondere Aufmerksamkeit, eine Bejahung von Urteilen und Vorurteilen, die auch ohne diese Aufmerksamkeit oder Bejahung für wahr gehalten worden sind. Das gilt von den banalsten ewigen Wahrheiten ("Vergehen müssen bestraft werden") bis zu dem obersten Grundsatz der neuen Weltanschauung ("Die Energie ist konstant"). Die Wahrheiten sind nicht in der Wirklichkeit, sind nur in den Menschenköpfen (Descartes: Aeternae veritates nullam existentiam extra cogitationem nostram habent; Princ. phil. I. 48), sind eigentlich nur in der Menschensprache, die sich aus- und umbildet von Volk zu Volk, von Geschlecht zu Geschlecht. Es kann also ebenso wenig ewige Wahrheiten geben, als es irgendwo eine ewige Sprache gibt. Auch der Satz von der Erhaltung oder Konstanz der Energie wird (in dieser Form) nicht ewig dauern; und ich meine nicht die Form seiner Worte, sondern die seiner Begriffe.