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Art

Ich bin wieder geneigt, das deutsche Wort (die Schwierigkeit seiner Geschichte hat schon Jacob Grimm betont) etymologisch durch das Prinzip der Lehnübersetzung zu erklären; die Herleitungen aus arare und aus ars befriedigen wohl niemand, auch die Gelehrten nicht, die solche Verlegenheits-Etymologien buchen. Grimm hat bereits an das slawische rod erinnert, das von roditi (gignere) herkommt; ich möchte nun – ohne Beweis – vermuten daß das slawische rod entweder (wie robot von Arbeit) eine Entlehnung des deutschen Wortes Art ist, oder daß sowohl Art als rod sehr alte Übersetzungen des lat.  genus sind. Es kann dabei nicht überraschen, daß Art in der Bedeutung, die uns hier allein interessiert, vielmehr ein Ersatz für den Terminus species ist als für den terminus genus; denn die Termini genus und species werden in den Gemeinsprachen nicht scharf unterschieden; erst künstliche Klassifikationen haben, und erst seit Ray, die logischen Unterschiede von Gattung und Art auch auf die Gruppen der Botanik und Zoologie übertragen. Ich bemerke also nur nebenbei, daß der mittelhochdeutsche und der frühneuhochdeutsche Sprachgebrauch Art für Adel, Geschlecht, Abkunft, Natur setzt und daß unser artig, wie es besonders gern im 18. Jahrh. gebraucht wurde, offenbar an franz. gentil angelehnt worden ist. Art im Sinne von Art und Weise hat seinen Weg von der Bedeutung genommen, die der von Natur entspricht. Das Begriffspaar γενος und ε ἰδος bildete sich bei den Griechen, aber erst nach Platon, zu einer strengen Scheidung zwischen dem inhaltsarmem und dem inhaltsreicheren Begriffe aus; die Logik des Aristoteles arbeitete unaufhörlich mit diesem Schema und die ganze Lehre von der Definition wurde darauf gegründet, daß der Artunterschied zur Gattung hinzuzutreten habe, um die species zu bestimmen. Die Römer nahmen γενος und ε ἰδος in vielfältiger Anwendung unter die Worte ihrer Gemeinsprache auf, genus als Lehnwort, species als Lehnübersetzung von ε ἰδος. Auch in der Logik, die man einfach herübernahm, wurde das lat. Begriffspaar verwendet; genus bedeutete das Allgemeine, species das Besondere; nicht ganz klar wurde erkannt, daß beide Begriffe ihrem Wesen nach relativ waren, eigentlich korrelativ, und daß sie sofort konventionell wurden, willkürlich gesetzt, sobald man das abstrakte Gebiet der Logik verließ und bestimmte Naturgruppen Gattungen, engere Gruppen Arten nannte. Im Verhältnis der beiden Gruppen zueinander behielt das Begriffspaar seinen guten alten relativen Sinn; nannte man aber eine Gruppe genügend ähnlicher Individuen eine Art an sich, so hatte man die logische Terminologie verlassen und mußte eine neue Definition für den neuen Artbegriff suchen. Man suchte mehrere Jahrhunderte lang, immer vergebens, weil die Gemeinsprachen niemals darauf ausgegangen waren, eine ordentliche Klassifikation der Tiere und Pflanzen vorzunehmen, und weil, als in der ersten Hälfte des 18. Jahrh. das System der Natur klassifikatorisch in Angriff genommen wurde, besonders durch Linné, die doppelte Namengebung zwar der Ordnungsliebe zu Hilfe kam, eine natürliche Methode aber fehlte, die artunterscheidenden Merkmale zu bestimmen. Mit einem Worte: man gelangte eingestandenermaßen nur zu einem künstlichen Systeme der Natur. Das galt für das ganze System der Gattungen, Ordnungen, Familien, und Arten. Diese künstlichen Systeme sollen in ihrem Werte für die Orientierung nicht unterschätzt werden; ein ordentliches Register gehört zu jeder wissenschaftlichen Tätigkeit, erst recht zu wissenschaftlicher Zusammenarbeit. Es giebt keine Sprache der Welt, die für alle (mehr als 100 000) Insektenarten besondere Namen hätte, keine, die auch nur alle 2000 Arten der Säugetiere besonders nennen könnte. Wie wir keine Sprache hätten, wenn unsere Sinne mikroskopisch genau arbeiteten und unser Gedächtnis jeden Eindruck genau buchte, auf jeden mikroskopischen Unterschied achtete: ebenso hätten wir keine Orientierung ohne ein Register der Natur. Darum besitzt auch der Spezialforscher so selten ein lebendiges Wissen von seiner Wissenschaft; im besten Falle ist er ihr lebendiges Register, d. h. er selbst ist lebendig, das Register führt aber auch er in einer toten Sprache. Was nun aber die Arten insbesondere betrifft, so stand man, wie gesagt, vor der Schwierigkeit, den Artbegriff so zu definieren, daß er nicht mehr relativ war, daß er nicht auf Varietäten mitbezogen werden konnte. Man ging von der Gemeinsprache aus. Die nannte den Pudel einen Hund, das Windspiel einen Hund, hatte dagegen für Pferd und Esel besondere Artnamen, trotzdem – das Beispiel ist von Buffon entlehnt und nicht von einem Laien gewählt – Pferd und Esel einander ähnlicher sind als Pudel und Windspiel. Zu der Zeit vor Darwin einigte man sich endlich darauf, den Artbegriff nur auf Organismen anzuwenden (die Krystalle schloß und schließt man aus) und alle solche und nur solche Individuen unter einer Art (man sagte auch gute Art) zu verstehen, die einander ähnlich waren und sich untereinander fortpflanzen konnten. Die entschiedenen Sätze Buffons – (Hist. nat. IV, 784) wird man heute mit Staunen lesen: »L'espèce est un mot abstrait et général dont la chose n'existe qu'en considérant la nature dans la succession des temps, et dans la destruction constante et le rénouvellement tout aussi constant des êtres ... on pourrait même dire que ces intervalles entre les espèces sont les plus égaux et les moins variables de tous, puisqu'on peut toujours tirer une ligne de séparation entre deux espèces ... Ce point est le plus fixe que nous ayons en histoire naturelle.« Was hat sich nun an unsrem Artbegriffe dadurch geändert, daß Darwin 1859 in seinem Buche Origin of Species lehrte, die Entstehung der Arten sei besser als durch die biblische Schöpfungsgeschichte zu erklären durch die Variabilität der Arten, die Anpassung (die schon Lamarck gelehrt hatte), durch den Kampf ums Dasein und die natürliche Zuchtwahl? Ich glaube, es hat sich an unsrem Artbegriffe nichts verändert, trotzdem ich die wahrhaft grundstürzende Bedeutung des Darwinismus für unsere Weltanschauung, namentlich für die Vorstellung von der Zweckmäßigkeit der Organismen, nicht verkenne. Wenn es freilich nach Haeckel ginge und nach den kleinern Bezirksrednern des Darwinismus, dann wäre der Stammbaum vom Menschen bis zu der Monere hinauf hergestellt, dann wäre der Artbegriff durch Darwin aufgehoben, dann bildete eine endlose Reihe unmerklicher Übergänge die Familie Monere-Mensch, dann wären die Intervalle zwischen den Arten verschwunden und man könnte von diesem Weltbilde, wie in der Musik von einer endlosen Tonleiter ohne Intervalle, sagen: der Wolf heult. Aber dem ist nicht so. Und just die freiesten Naturforscher – von den bibelgläubigen Gegnern rede ich nicht – zweifeln schon lange an der Wahrheit des Darwinismus, nicht an der Großartigkeit von Darwins Hypothese. Die Frage, warum der Artbegriff in gewissem Sinne berechtigt sei, warum uns das Bild der Art überall wieder entgegentritt, nicht aber eine Unendlichkeit von Einzelformen, die nach allen Richtungen hin miteinander zusammenhängen, hat ein so getreuer, freilich aber auch durchaus ehrlicher Darwinist wie Weismann (Deszendenztheorie 2 II, 256) stellen zu müssen geglaubt; und er hat sie nicht ausreichend beantwortet, wenn auch die neuere Hypothese vom Kampfe der Teile im Organismus, der Intraselektion, die korrelativen Abänderungen erklären hilft und die Vorstellung befestigt, daß bestimmte Summen von Variationen in einem einzigen Organismus lebensfähig sind, andre nicht. Es steckt aber offenbar noch etwas andres dahinter, daß es Arten gibt, daß winzige Änderungen, von denen keine einzige zweckdienlich ist, sich zu zweckmäßigen Organbildungen summieren, daß es Leben auf der Erde gibt. Wir kennen die Lösung des Rätsels wirklich nicht; nicht nach Darwin und nicht einmal nach Haeckel. Nägeli's Entwicklungskraft ist nur ein Wort mehr, und noch dazu ein veraltetes, das nicht mehr hätte gewagt werden dürfen in einer Zeit, die in dem Worte Gravitation nicht mehr eine Erklärung des Newton'schen Weltgesetzes sieht, sondern nur noch einen willkürlichen Namen. Was ist nun das Richtige, das auch diesem Gedanken – so fragt Weismann (S. 258) – zugrunde liegt? Dem Gedanken, daß die Art trotz ihres zufälligen Entstehens ein innerlich Bedingtes sei? De Vries hat außer prachtvollen Beobachtungen (an Pflanzen, weshalb die Zoologen mit ihrer etwas andern Sprache ihn nicht ganz verstehen) auch ein neues Wort zur Verfügung: nicht allmähliche Variation, sondern sprunghafte Mutation schafft die Arten; und die Mutationen haben die Tendenz, gute Arten zu züchten. Der Vorstoß, den de Vries gegen den dogmatisch gewordenen Darwinismus unternahm (nicht gegen Darwins Forschungsmethode), ist ernst zu nehmen. »Arten entstehen nicht durch den Kampf ums Dasein, sondern sie vergehen durch ihn.« Und durch Variationen, durch die Auslese werden höchstens Rassen gezüchtet, die immer wieder nach ihrer Stammart zurückzuschlagen trachten, nicht konstante Arten. Wieder hat Weismann ganz recht, wenn er der strengen Scheidung zwischen Variationen und Mutationen entgegenhält, daß diese begriffliche Distinktion für den Entdecker der neuen Tatsachen nützlich und notwendig gewesen sei, daß wir aber auch Summierungen von Anpassungen kennen. Und sehr hübsch ist Weismanns Abweisung der Forderung, daß auch künstliche Züchtung zu konstanten Arten führen sollte, durch die Frage, ob den Arten nützlich sei, was den züchtenden Menschen nützlich scheine. »Was nützt es der Zuckerrübe, daß ihr Zuckergehalt aufs Doppelte wächst, oder dem Anderbecker Hafer, daß er von dem Menschen hochgeschätzt wird?« (S. 273). Die Frage aber, was sich seit der Herrschaft des Darwinismus an unserem Artbegriffe geändert habe, die Frage, warum uns die Arten trotz dem Glauben an ihr zufälliges Entstehen nach wie vor als etwas innerlich Bedingtes erscheinen, diese Frage der Weltanschauung wäre auch dann nicht gelöst, wenn zwischen der Variation von Darwin und der Mutation von de Vries bereits eine Entscheidung getroffen wäre. Der Unterschied dieser beiden Anschauungen läuft nur darauf hinaus, daß die Evolutionisten den Grundsatz aufgestellt haben: natura non facit saltus; daß de Vries (sicherlich mit Recht) diesen Grundsatz nicht durchaus zugeben will; die Evolution kam von der Geologie her, die endlich gelernt hatte, die biblische Katastrophenlehre zu korrigieren, aber doch nicht leugnen wird, daß es neben der allmählichen Änderung der Erdrinde auch Katastrophen gibt. Es ist etwas ganz anderes, ob man nach der Entstehung der Arten fragt oder nach ihrem Bestehen. Darin liegt der Widerspruch, und der Widerspruch steckt wie immer in der Sprache, in den Worten. Hätte Darwin seinen unbestechlichen Scharfblick auf diese Gedankenreihe richten können, so hätte er den Widerspruch im Titel seines grundlegenden Werkes erkennen müssen. Origin of Species; die Tendenz des ganzen Buches ist darauf gerichtet, den Artbegriff zu vernichten, und wenn er ein konsequenter deutscher Darwinist gewesen wäre und lärmende Büchertitel geliebt hätte, so hätte er den Titel wählen können: Das Ende der Arten; er fand aber die Arten mit ihren Intervallen in der Wirklichkeit vor wie jeder unbeirrte Blick und wollte mit seiner Lebensarbeit die Einheit der Typen, gewisse Ähnlichkeiten von Klassen und Familien aus der Blutsverwandtschaft der Arten erklären. Er hätte pedantisch sagen müssen: Ursprung der Ähnlichkeit der Arten. Ganz pedantisch scheint mir dieser Hinweis denn doch nicht. Ich wiederhole, daß die Termini Gattung und Art vom Anfange des 18. Jahrhunderts an erst konsequent auf die Klassifikation von Tieren und Pflanzen angewandt worden sind. Man hat sich durch die Herkunft aus der Logik täuschen lassen und geglaubt, der biologische Artbegriff sei ebenso fest definiert wie der logische. Das war falsch. Der logische Begriff species ist seinem Wesen nach relativ; die Arten der Zoologie und Botanik wurden dadurch nicht relativ, daß der Glaube an ihre Konstanz nicht mehr aufrecht erhalten werden konnte. Nur in seiner logischen Verwendung ist der Artbegriff der Tiere und Pflanzen relativ, insofern man ihn den höheren Begriffen Klasse, Familie usw. unterordnen, den Begriffen Abart, Individuum überordnen muß. Hier hat die logische Regel vom Inhalt der Begriffe ihre strenge Anwendung. Sieht man aber auf den Umfang einer Art, so verlassen wir die Logik, und gerade die Untersuchungen der Darwinisten haben dazu beigetragen, die Definition der Art ins Schwanken zu bringen. Nicht aber so eindeutig zu ändern, daß nun eine neue und bessere Definition zustande gekommen wäre. Es gibt Arten, die in erstaunlicher Weise variieren, wie Tauben und Hunde, es gibt andere fast konstante Arten. Schon Lange (Gesch. des Materialismus 5 II, 253) hat bemerkt, daß der Speciesbegriff sich als ein Produkt derjenigen Zeiten enthüllt, in welchen die Aufmerksamkeit des Menschen vorwiegend auf die großen und höher organisierten Geschöpfe gerichtet war und in welchen man das Mikroskop noch nicht kannte. »Heutzutage paßt dies ganze Netz nur noch am oberen Ende der Tierreihe, und je mehr man nach unten steigt, desto mehr wird der Forscher in Verlegenheit gesetzt ... Hätte der Mensch sein Studium der Naturwesen mit den niederen Tieren begonnen, so würde der von manchen so heilig gehaltene Begriff der species wohl niemals entstanden sein.« Mit den Worten höher organisiert hat Lange sich wohl verhauen; wir wissen nicht, wie hoch, d. h. wie komplex die Insekten, die Schnecken, die früher sogenannten Infusionstierchen organisiert sind. Aber in der Sache hat er schon recht. Wir haben für die ähnlichen Gruppen von Tier- und Pflanzenindividuen aus uralter Zeit Namen überkommen, und diesen Namen hat man sich gewöhnt, den Artcharakter beizulegen; Forschung ohne unmittelbaren Nutzen und die Ordnungsliebe der Klassifikation haben unzählige neue Namen hinzugefügt, die nicht der Gemeinsprache angehören, die aber vermeintlich ebenso den Artcharakter trugen. Man hatte eine feste Definition der Art. Als nun der Generationswechsel beobachtet wurde, und die Variation bis zur Unähnlichkeit, als gar die Deszendenzlehre, also die Blutsverwandtschaft aller Organismen, als Dogma auftrat, da konnte man die alten und die neuen Namen für den praktischen Überblick beibehalten, aber die Namen hatten ihren Artcharakter verloren, weil man die Art nicht mehr definieren konnte. Kein Merkmal paßte mehr auf alle Arten. Die artvernichtende Deszendenzlehre und die artbildende Sprache, die ordentliche Logik und die unordentliche Natur deckten einander nicht mehr. Die Deszendenzlehre ist nur eine logische Forderung, sonst nichts. Die Logik ist immer sauber und nett; die Sprache ist (man verstehe nur richtig) unsauber wie die Natur. Nur daß Sauberkeit, wenn man nicht an die des eigenen Körpers denkt, ein freches Menschenwort ist. Und Sprache ist immer wie Religion ein veraltendes oder veraltetes Wissen; die besten und kühnsten wissenschaftlichen Hypothesen sind Sehnsüchte nach einem kommenden Wissen; darum paßt die Sprache niemals zu den Einsichten oder Ahnungen der bahnbrechenden Forscher. So etwas mag Goethe vorgeschwebt haben, da er, über 80 Jahre alt, zu dem Streite zwischen Cuvier und Geoffroy de Saint-Hilaire in einem ergreifend schönen Aufsatze Stellung nahm, den Ausdruck unité du plan durch den besseren unité du type ersetzt wissen wollte und kurz vorher den Umstand bescheidentlich aufzuklären sucht, wie ein bedenklicher Wortgebrauch bei französischen Vorträgen zu bedeutenden Irrungen Veranlassung gibt, den Streit unklar und verworren macht. »Man glaubt in reiner Prosa zu reden und man spricht schon tropisch; den Tropus wendet einer anders an als der andere, führt ihn in verwandtem Sinne weiter, und es wird der Streit unendlich und das Rätsel unauflöslich.« (Hempel-Ausg. 34, 169.) Wenn ich es wagen dürfte, über diese Kritik des Artbegriffs hinauszugehen, über den Nachweis, daß die Arten etwas ganz anderes seien in der Wirklichkeit als in der Sprache, anders in der Natur als in der Logik, so müßte ich vorerst daran erinnern, was ich (Kr. d. Spr. I, 519 f.) über die Fehler des Gedächtnisses als über eine wesentliche Eigenschaft des Gedächtnisses gesagt habe. Auch die biologische Vererbung kann aufgefaßt werden als das Gedächtnis der Organismen. Wenn nun die Mangelhaftigkeit eine wesentliche Eigenschaft auch des biologischen Gedächtnisses wäre, dann wäre vielleicht die eine Hälfte des Wunders erklärt, daß nämlich die Kinder den Eltern niemals völlig gleichen, daß die Arten variieren. Und weil das psychologische Gedächtnis mit ebenso wesentlicher Mangelhaftigkeit Ähnliches gleich findet, Variationen unter einem einzigen Namen merkt, darum ist es begreiflich, daß die Arten der Sprache und die Arten der Natur wieder à peu près zusammenstimmen. Könnten wir unabhängig von Zeit und Raum, unabhängig also vom principium individuationis, alle die unzähligen Pflanzengebilde, die nach der Deszendenzlehre aus einem Keime entstanden sein sollen, auch in einer einzigen Pflanze zusammensehen, in einem Weltenstammbaume (fast unmöglich läßt sich die Phantasie für das Tierreich durchführen), dann wären möglicherweise an diesem Märchenbaume alle niedersten und alle höchsten, alle ältesten und alle jüngsten Moose und Flechten und Gräser und Sträucher zugleich zu betrachten und nachbarlich so geordnet, daß leise Übergänge zu den abenteuerlichsten Gegensätzen führten. (Oder man könnte sich auch anstatt eines Weltenstammbaumes, wenn mehrere Ursprünge beliebt würden, um das Verschwinden paläontologischer Arten und die Existenz primitiver Arten zu erklären, gleich einen Wald von niederen und hohen, von lebendigen und von versteinerten Stammbäumen vorstellen, wie es Strasburger einmal vorschlug.) Ich fürchte aber, unser wesentlich falsches Gedächtnis würde auch an diesem einzigen Weltenstammbaume immer noch Arten unterscheiden, um sich zurechtfinden zu können. Die Vögel und Insekten würden die Zweige nach Arten wählen. Und wer weiß, ob nicht auch die Säfte des Weltenbaumes den einzelnen Teilen so zufließen würden, als ob es Arten gäbe und Intervalle zwischen ihnen.

 


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