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Viertes Kapitel.
Deutschland gegen alle

Der Angriff Deutschlands auf Europa 1939 ist allenfalls erklärbar mit Zuhilfenahme der Soziologie – und der Psychiatrie. Der nachträgliche Überfall auf die schwer vergleichliche – in mehr als einer Hinsicht seltene – Sowjetunion macht Schwierigkeiten auch dann noch.

Gut, die deutschen Erfolge waren in der Friedenszeit, die 1914 endete, außerordentlich gewesen. Vor allem ging es damit schnell – verhältnismäßig schnell. Die nachmaligen Erfolge der Sowjetunion und ihr Tempo seien nicht herbeigezogen. In jenen vierundzwanzig Jahren ist kein anderes Land nach diesen Massen industrialisiert worden. Keines hat sich, in Anbetracht der knappen Zeit, so sehr bereichert. Die Deutschen erstaunten selbst, sie kamen aus der Selbstbewunderung nicht heraus. Aber man muß von sich selbst im Grunde schlecht überzeugt sein, damit das Glück so schlecht vertragen wird. Wäre die Sache »mit rechten Dingen zugegangen«, das heißt normal, und ihnen wohl bekömmlich gewesen, sie hätten von sich nicht all das Aufheben gemacht: die Periode Wilhelms II., die ganz Prahlerei und Überhebung ist, wäre anders verlaufen.

Gleich der erste Nachfolger Bismarcks kündigte den Vertrag mit Rußland: das russische Bündnis mit Frankreich war demgemäß beschlossen. Die Regierungen des prahlsüchtigen Kaisers, vor allem er selbst, haben England herausgefordert, so oft sie konnten: folgte das britisch-französische Einvernehmen. Dem Dreibund des ersten deutschen Kanzlers – Deutschland verbündet mit Österreich und Italien, aber nicht mehr bei Rußland rückversichert – stand seither gegenüber die doppelte Entente dreier Mächte, die zusammen volkreicher und stärker waren als Deutschland mit seinen beiden Freunden. (Italien ist auch zu der Zeit Bismarcks kein überzeugter Freund Deutschlands gewesen, nur der Minister Crispi war derselbe verrannte Ehrgeizige wie später Mussolini.)

Zwei feindliche Gruppen von Mächten werden endlich Krieg haben. Die Drohung hat sich bis 1914 hingezogen trotz Krisen: die Völker nahmen sie merkwürdig leicht. Den Krieg in Europa kannte nach einem langen Frieden niemand mehr; er wurde, so oft er drohte, nicht ernsthaft geglaubt: das war ein Grund des gewährten Aufschubs. Nicht einmal der Nation, die angreifen sollte, wurde es mit vollem Bewußtsein zugemutet. Was einmal geübt ist, wiederholt man, und wäre es das erstemal noch so übel verlaufen. Das deutsche Phänomen wäre unwahrscheinlich, aber zu viele erfahren es jetzt am eigenen Leibe.

Deutschland, im ersten Weltkrieg geschlagen, geht leichten Herzens in den zweiten – nur zwanzig Jahre nach seiner Niederlage. Hätte es fünfzig Jahre aufgehalten werden können, auch Deutschland wäre, lange nach allen übrigen, inzwischen zur Besinnung gelangt. Die zwanzig Jahre sind genau die Zeit der Spannung, in denen ein schwer belehrbares Volk sich zwischen zwei Kriegen fühlt und den nächsten erwartet – ohne ihn wirklich zu wünschen. Aber es handelt wahnsinnig, damit er kommt.

Deutschland hat 1939 unvergleichlich mehr getan als 1914. Es hat, anders als damals, jetzt die ganze Schuld auf sich genommen. Sein Vorwand, der Vertrag von Versailles, besagt geradezu, daß es an der vorigen Entscheidung nicht genug hat und eine neue wünscht. Es nimmt sich einen Führer – oder läßt ihn über sich kommen –, der ohne Grund und Gegenstand wäre, ausgenommen allein den Krieg. Für den Krieg hat er sich selbst bestellt von Beginn seiner Laufbahn.

Im Besitz der Macht, nähert er sich mit jeder seiner Handlungen dem Krieg. Die Aufrüstung allein täte es nicht. (Sie hatte vor ihm begonnen.) Der Terror in Deutschland ist geboten, damit kein Widerspruch laut wird gegen den Krieg. Man gibt vor, den Schrecken weltanschaulich zu gestalten. Hingerichtet, aus ihrem Land vertrieben, gefangen gehalten, ausgebürgert werden Sozialisten, Juden, Intellektuelle, Christen. Ihr Haupttitel bleibt: Kriegsgegner. Verdächtig fremder Freundschaften und eines Gewissens für Europa – einbegriffen Deutschland – damit wird man der Feind und entzieht sich durch die Flucht einem qualvollen Tode, wenn man es noch kann.

Die Arbeiter sind entrechtet worden, der Mittelstand proletarisiert. Verfolgt wird die christliche Kirche, mit ihr jede moralisch bestimmte Vereinigung und die sittlichen Individualitäten. Eine gleichförmige Masse ohne Gedanken, bar jeder eigenen Kraft, ist hergestellt worden als bequemes Objekt einer einzigen Partei. Die allein übrige Partei hatte als Vorwand ihrer Tyrannei den Krieg: oder sie wäre nur dagewesen, um sich zu bereichern. Ihr sinnloses Regiment hätte sie bald verbraucht, sie hätte sich in Diebesbanden auflösen können. Was sie am Leben erhielt, war lange vor dem Krieg der Krieg, das Pressen der Nation in den geistigen – auch schon in den wirtschaftlichen – Zustand des Krieges, die lückenlose Erziehung des Landes für den Krieg.

Die Partei und ihre Führer sind, wenn sonst bei niemandem, gerechtfertigt vor sich selbst seit dem Ausbruch des Krieges. Wer hätte, wenn nicht sie, die gute »Moral« der Nation erzwungen auf diesem hochgehenden Meer des Wahnwitzes. So viele Siege, die keinen Deutschen etwas angehen! Alle die unterjochten Nationen: Feinde für hundert Jahre; aber wer achtet dessen. Die Partei und ihre Führer haben den Deutschen fügsam gemacht bis zu dem Grade, daß ihn nunmehr auch die Niederlagen nichts angehen! Die Front kämpft unverdrossen, indessen das Innere sie vergessen hat. Es ist einzig bemüht, seine brennenden Städte zu fliehen. Die Front flieht auch, in planmäßigen Rückzügen. Das Innere nimmt geordnete Evakuationen vor.

Es dürfte keinen Deutschen wundern. Hierfür – hierfür allein ist zehn Jahre lang gelebt, gewütet, erduldet, und ist immer gehorcht worden. Keine Arbeit, kein Entbehren – »Kanonen statt Butter« – nichts, außer für den einen Zweck. Block und Beil, das vergossene Blut der Empörer, – die Absicht immer dieselbe. Eine Sintflut erlogener Weltanschauung, hergeholter Einbildungen, Glaubenssätze aus dem Tollhaus, – alles ging um das Leben, die ganze lange Zeit.

Jeder Deutsche, dem sein Leben lieb war, stellte sich schwachsinnig oder verlor den Verstand. Bewiesen war ihnen allen, ihr kaum mittleres Land trage in seinen Falten den Sieg über die ganze Welt.

Die unwürdigen und unbrauchbaren Unternehmen bedürfen um so mehr einer großspurigen Ideologie, die in alle Köpfe gerannt wird. Da sitzt sie – und verewigt den Krieg, nachdem es ihr gelungen ist, ihn schwindelhaft zu beweisen. Das Herrenvolk, über seinen Kopf hinweg zum Herrenvolk ernannt, und unterwürfig genug, den Titel anzunehmen, – heute hat es kein Land mehr.

Die Städte liegen in Trümmern, die Bewohner werden abgeführt, nach deutschen Gegenden, die unheimatlich sind, nach fremden Ländern, die sie für erobert halten sollen. Sie könnten sich aus eigener Anschauung überzeugen, daß gar nichts erobert ist als nur der Haß: er schlägt über ihnen zusammen, sie atmen ihn, schlucken ihn, sie ersticken.

Sie, wohlbestalltes Herrenvolk, irren obdachlos durch dasselbe Europa, dessen Völker sämtlich verstreut, in das Elend verschleppt werden – um der Größe des Herrenvolkes willen, und dem ergeht es ebenso. Ihm fällt das Los sogar schlechter. Alle seine kräftigen Männer, die schwächlichen auch schon, sind außer Landes, sind ohne Verbindung mit ihren geflüchteten Leuten, führen an den Fronten ein Leben für sich, bis sie fallen. Sie fallen in unvorstellbaren Mengen wie nicht einmal der geprüfteste ihrer Gegner, und der kämpft in seinem Land, um sein Land. Sie – für Deutschland nicht. Für Hirngespinste.

Das Luftgebilde, sie seien die erwählten Herren, hat sie schwerlich verlassen. Das Falscheste wird am zähesten festgehalten, zufolge der Mühe, die es macht, dank der Vergewaltigung des gesunden Instinktes, die es verlangt. Aber gesetzt, sie gäben ihre Herrlichkeit auf, sogleich tritt die andere Zwangsvorstellung ein. »Die Nation, die verliert, wird aufgehört haben zu existieren, weil –«. Der Scharlatan, der sie führt, hat seine Logik. Wenn er etwas behauptet hat, begründet er es damit, daß er dasselbe noch einmal behauptet. »Weil es wahnsinnig ist, von dieser Schlacht etwas anderes zu erwarten als Sieg oder Untergang.«

Aber was ist es, welchen Namen – welche Sanktionen – fordert es heraus, wenn einer die Nation, die ihm überantwortet war, in »diese Schlacht« führt? In den Krieg, der ein infames Spiel um das Leben ist! Nicht mitgerechnet – da er selbst keine Regung hierfür fände –, daß mehr als nur die eine Nation auf die Glücks- oder Todeskarte gesetzt ist. (Glückskarten sind nicht im Spiel.)

Welcher dürftige Schurke, ein Verbrecher durch Armut des Geistes und Herzens, verwandelt Europa in seine Festung, sein Zuchthaus, und möchte noch verhandeln. Bevor er endgültig geschlagen und abgetan wäre – aber das ist er und betrügt sich nur –, denkt er zu feilschen mit dem selbstverfertigten Elend der Welt: wieviel auf seinen Teil kommt. Nichts, meinte er.

Wie kommt man dahin

Dieser Krieg ist ungeheuerlich – nicht erst durch den Zustand, den die Welt und das Leben nunmehr erreicht haben. Schon die Absicht, die ihn herbeiführte, wiederholt kein dagewesenes Beispiel. Gengis Khan fand keine Nationen abzuschaffen, Attila hat nicht Hunnen hingesetzt, wo Franken wohnten, noch die Überraschten »nach dem Osten« verfrachtet. Der reisende Bandit wird gesucht, der schon einmal hitlersche Bevölkerungspolitik verfolgt hätte.

Überall, wohin er mit seinen Soldaten kommt, läßt er sie von der fremden Nation genau so viele umbringen, daß sein berechnetes Verhältnis der Bevölkerungszahlen nicht gestört, werde. Sein imaginäres Herrenvolk muß das virtuell stärkste sein. Da es von der Ziffer, die eine Wolke in seinem dunstigen Kopf ist, in Wirklichkeit nur die größere Hälfte beträgt, müssen alle anderen Nationen, je nach ihrem Umfang, dezimiert oder halbiert werden. Was übrigbleibt, soll ohne Recht, ohne Staat, als unbewaffnetes Arbeitsvolk sein Dasein fristen. Dies ist der längst vorher ausgesprochene Vorsatz. (Was ihn nicht abhält, seinen Krieg »uns aufgezwungen« zu nennen.)

Weil an einem bestimmten Tage die deutschen Sturmwagen in der Überzahl waren – aber eines anderen Tages wären sie es nicht gewesen –, hört in seinem dunstigen Kopf eine Nation zu existieren auf. Seine eingebildeten deutschen hundert Millionen wären erst voll gemacht mit Hilfe geschändeter, sterbender Völker. Nicht vorgesehen war – da niemand so falsch rechnet wie der Ruchlose –, daß Hungersterben, Tuberkulose und die Lawine der Brandbomben nicht gerade Halt bei dem Herrenvolk machen. Es erfährt dieselbe Verkleinerung des menschlichen Bestandes, eher übertrifft sein Verlust die Schäden anderer.

Franzosen, Zwangsarbeiter in Deutschland, kehren krank in ihr Land zurück – ein hoher Prozentsatz, die Hospitäler sind voll Schwindsüchtiger. Wenn aber nicht einmal dringend benötigte Rüstungshandwerker ernährt, noch vor Kälte geschützt werden konnten, was dann mit dem Teil der Deutschen, der im Krieg entbehrlich und zur Last ist! Man weiß und belegt es durch Zeugnisse, daß sie abgeschafft werden.

Wäre eine menschliche Gemeinschaft dabei angelangt, der Vergasung kranker Kinder zuzusehen – oder davon wegzusehen –, dann geht nichts sie noch an, ihre verfallenen Fronten nicht, kaum das Geschick der Söhne draußen, und die Nation? Von ihr mag einer allein weiterreden. Er hat, er mit seinem schäbigen Gerüst und nichts darin, die Nation verkörpern wollen. Steil abschüssig bis hierher gelangt, stimmt jeder Deutsche zu: er ist die Nation.

Das bedeutet die Stufe von geistiger Auflösung, wo endlich die ehrlichste Wissenschaft irrational vorgeht und Lügen brütet. Sie wollen ein Trost sein. Die Sternwarte Berlin – voreinst war sie namhaft – hat den aufgelösten Deutschen zu melden gewußt, daß sie ein fatales Gestirn entdeckt habe. Dieser Neuling werde ehestens mit der Sonne zusammenstoßen, dann sei »ohnehin alles aus« und der (verlorene) Krieg keine Sorge mehr.

Wenn die Anekdote nicht wahr wäre, verdiente sie doch erfunden zu werden. Sie hält Schritt mit dem geistigen Niedergang, der zuerst kam, dann erst konnte dieser Krieg – und dieser Führer – sein. Der Vernunfthaß ist das Zeichen eines Zeitalters. Der Entschluß zum Irrationalen, weil es aller Pflichten entbindet, Deutschland hat ihn gefaßt, früher als andere. Wenn andere die Probe machten, ließ Deutschland sie weit hinter sich, es beschritt den Weg und ging bis an sein Ende: das wird nunmehr abgehandelt.

Deutschland steht zu Europa – und zu sich selbst – in einem irrationalen Verhältnis. Was es tut, ist falsch, die Voraussetzungen so widernatürlich wie die Folgen. Warum hängt eine deutsche Bestattungskolonne sich an das verunglückte Frankreich, das die sogenannten Sieger verachtet? Der Vorwand, Juni 1940 sei Frankreich erobert worden, ist hinfällig. Da kein deutsches Heer übrig ist, um Frankreich heute nochmals zu erobern, kann auch die vorige Eroberung nicht echt gewesen sein. Sie stehen nicht als Sieger in Frankreich. Eingeschlichene Blutsauger klammern sich an, ohne Recht, nicht einmal mit dem Recht des Stärkeren; dezimieren die Bevölkerung, beseitigen alle Wehrhaften. So hält man sich gegen Vernunft und Augenschein, – die zu quittieren pflegen.

Warum verwüsten die deutschen Zerstörungskommandos jede russische Stadt, die aufgegeben werden muß? Wo ist die Notwendigkeit. Es gibt keine. Jeder Soldat weiß nachgerade, daß sie das Land verlassen werden wie sie gekommen sind, nur sehr verringert an Mannschaft, Gesundheit, Hochgefühl. Was heute noch geschieht an greulichen Taten, fällt zurück auf die Verüber, – die es wissen. Die vernichteten Städte werden sie mit eigener Hand wiederaufbauen müssen, und nichts damit gutmachen. Gleichwohl: Vernichtung.

In Kiew, als sie räumten, erschossen sie 160 000 Menschen, und wie viele vorher? Die Stadt von einer Million Einwohner hat gegenwärtig vierzigtausend. Jemand, der beiwohnen konnte, berichtete, 60 000 zu erschießen habe drei Tage erfordert. Nach dieser harten Arbeit verzehrten die deutschen Soldaten das russische Brot.

Wie kommt man dahin? Wie werden Massenmörder aus Menschen, die zu kämpfen dachten? Jede vernünftige Erwägung spräche wenigstens jetzt dagegen. Natürlich hat sie von jeher gegen das ganze System gesprochen.

Dies alles war möglich geworden, seitdem die Vernunft in Verruf erklärt, das Denken strafbar ist. Die Massenmorde sind ohne Zweck, nicht einmal die überlebte Illusion, als korrigierte man das Verhältnis der Bevölkerungsziffern, könnte sie an diesem Punkt noch erklären. Gleichwohl sind es tote Glaubenssätze, die weiterhandeln, gegen das Wissen, gegen das Gefühl. Der deutsche Führer hat erklärt, Gefühle würden ihn niemals abhalten. Übrigens fühlt er nichts, außer für das Stückchen Ungemach, das er selbst ist. Gestehen, daß es an der Zeit ist, widerlegte Glaubenssätze abzulegen? Das erste Zugeständnis an die Vernunft wäre seine Abdankung.

»Alles andere ist eher möglich, als daß ich die Nerven verliere«, spricht das Geschöpf, und im Untergang begriffen und besessen von schrecklicher Todesfurcht bleibt es dabei zu töten. Nach dem Wegfall jeder Doktrin – sterben wird er wohl nicht aus Lehrhaftigkeit – mordet er von der Bevölkerung einer Stadt den ausgerechneten Prozentsatz, aber die Juden alle, bis auf drei, die von ihm melden sollen.

Dies ist der Führer, den die Deutschen, nicht ohne inneren Zusammenhang, bekommen und behalten haben. Sie schätzen Gründlichkeit als einen ihrer Vorzüge. Auch ein Gesicht der Gründlichkeit ist die Zähigkeit – im Falschen. Wäre es das Rechte, man könnte sich darauf verlassen. Die großen Lügen verlangen, daß eher der Geist aufgegeben als die Wahrheit gesagt wird.

Hitler – jedesmal schreibe ich mit Widerstreben den Namen eines Menschen, der es nicht wert ist – hält zu seinem Glaubenssatz, daß es zwei starke Rassen gebe, Deutsche und Juden: darum rotte er die eine aus. Die Völker der Sowjetunion hat er nicht schwächlich gefunden, so wenig wie das britische Reich. Die Sowjetunion, das sind zweihundert Millionen, zusammengehalten von dem ältesten Urinstinkt für ihr Land und von der lebendigsten Überzeugung einer Gemeinschaft (die gleichfalls bei ihnen das älteste ist).

Das britische Reich, das ist ein Viertel der Erde, und ist kein Reich, wie diese Deutschen es verstehen würden. Es ist eine freiwillige Vereinigung vieler zum Gemeinwohl. Die weit getrennten Länder, die Dominions heißen, wären, jedes vereinzelt, weniger wohlhabend und gesittet, vor allem wären sie hilflos. Sie werden von Großbritannien nicht »kontrolliert«, aber beschützt und zur Macht erhoben. Alle anerkennen sie dasselbe Mutterland – eine Insel mit dreiundvierzig Millionen, und sie sind ein Viertel der Erde.

Das war nie, hätte niemals sein können, ohne das mehr als politische, das menschheitliche Genie Englands. Die vorige Reichskonferenz wurde präsidiert nicht vom britischen Minister: vom General Smuts, Südafrika. Ihn hat Churchill, im Fall seiner eigenen Verhinderung, beauftragt, ihn vor dem Parlament zu vertreten. Vor dem Haus, auf das die Welt blickt, steht kein Brite, kein Angehöriger des Herrenvolkes, denn dort kennt man keines. Transvaal ist, noch zu unserer Zeit, niedergeworfen worden. Es ist aufgerichtet, ist erhoben worden. Sein Minister präsidiert das Reich, für die großbritannische Regierung spricht er zu dem Haus.

Es übersteigt das deutsche Maß, sie haben nicht erfaßt, was da vorgeht. Sie taten noch keinen Blick in das wirkliche Gesicht der Welt, die Züge, die ihre Zukunft trägt, bleiben ihnen dunkel. Das britische Gemeinwohl, die gerechten Verwirklichungen der Sowjetunion, sie konnten beides nur hassen aus Unwissenheit, die Armen.

Sie hätten sonst begriffen, daß ihre Raubkriege, mit aller Schuld, allem Verderben, das sie häufen, lumpig sind und nachhinken. Es wäre schwer, für die öffentlichen Dinge noch unbegabter zu sein als sie. Es ist unmöglich, mit weniger Fug und Recht das Erdrund mit sich zu beschäftigen als nunmehr die Deutschen. Wer nicht erkannt hat, nichts weiß und das Wissen mit Strafe belegt, dem ist der Kampf verboten.

Ihr letzter Raubkrieg kostet die Deutschen ihr Land: nicht, wie sie glauben sollen, daß die Sieger sie ausrotten wollten, ihre Nation aufheben würden. Ihr Hitler fände keinen Sieger, um zu handeln wie er selbst. Er selbst hat das Land, gleich jedem unterworfenen von Männern entblößt. Fremde aus allen Teilen bevölkern es zu Millionen, unlängst waren es vierzehn. Die Zwangsarbeiter besorgen den deutschen Nachwuchs. Wenn die Frontkämpfer heimkehren, die Heimatlosen werden sie selbst sein.

Wie viele heimkehren – und zu wem noch, in welchen Schoß welcher Gemeinschaft noch, – entscheidet der untergehende Hitler mit seiner endgültigen Ausgeburt, dem Himmler. Deutschland wird gegen eingedrungene Armeen schlecht oder gar nicht verteidigt werden. Aber der Himmler ist da, um den Hitler vor den Deutschen zu retten. Sie werden massenhaft fallen im Lande, getrennt von ihren Heeren, die eigens hierfür draußen bleiben müssen, sich abschlachten lassen müssen bis über die Niederlage hinaus.

Soldaten, an der russischen Front gefangen, fürchten von Hitler-Himmler noch mehr, als anderen einfiele. Sie sehen voraus, daß Gestapo und SS die Transportzüge sprengen werden, damit nicht Männer, bewaffnete Männer, im Lande ihr Geschäft stören. Ihr Geschäft, der letzte Auftrag ihres Hitlers, ist Deutschland zu entmannen.

Dahin führt geistige Blindheit, die von einer Nation gewollt oder ihr eingeübt ist. Dahin ein unziemliches Verhältnis zur Welt und Menschheit, eine Selbstbesessenheit, die ein klinischer Fall ist, und die Gründlichkeit im Verkehrten. Dahin führt die Überwindung der Moral.


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