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Aus dem Tagebuch einer demi-vierge.

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I.
Vorlesung.

G eschlossen sind die schweren Portièren,
um der Tagessonne den Eingang zu wehren,
doch durch den purpurnen Vorhang bricht
in dämm'rigen Strömen das rote Licht.

La demi-vierge auf dem Sopha liegt,
den Lockenkopf in die Kissen geschmiegt.
Wie lüstern die grauen Augen schau'n
unter den üppigen Augenbrau'n.

Auf dem niedrigen Tabouret vor ihr
sitzt lässig bequem ein Kavalier,
und mit vibrierend klangvollem Tone
liest er: Boccaccio, Decamerone.

Aus den vergilbten Blättern hervor
steigt ein phantastischer, toller Chor
verliebter Männer und listiger Frau'n,
die gar unheimlich lebendig schau'n.

Und aus der längst gestorb'nen Zeit
weht ein glühender Hauch von Zärtlichkeit
durch des kleinen Zimmers schweigenden Raum
wie ein verhauchender Wollusttraum.

La demi-vierge, in des Bannes Haft,
reckt sich und streckt sich so katzenhaft,
und lächelnd die weissen Zähne sie zeigt.
Das Buch fällt zur Erde: – – die Stimme schweigt! –


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