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15.

Wie die Zeit vergeht.

Noch heute ist der Eppelein im Volkesmund. Hier spukt er und dort, die einen sprechen vom Appela, die anderen vom Rapela, jedes Kind aber kennt seinen Namen und weiß von ihm zu berichten. Alle aber haben sie ein fröhlich verschmitztes Lachen um den Mund, wenn die Rede auf ihn kommt.

Des Eppeleins Gestalt ist undeutlich geworden und doch weist allerorts, wo er gehaust, ein weniges noch auf ihn hin.

Zu Nürnberg, im fünfeckigen Turm, zeigt man den Raum, in dem der Eppele ein Jahr lang gesessen. Eine hölzerne Puppe sitzt am Tisch, die den Eppelein darstellen soll und grinst den Eintretenden freundlich an, altertümlich angetan im Hausornat, das Barett auf dem Haupt, die Bundschuhe an den Füßen. Auf dem Tisch steht der Krug, aus dem er getrunken haben soll, am Fenster zeigt man die Stelle, wo er zur Verschärfung der Strafe angefesselt wurde. Wer sich aber ein Bild davon machen will, wie der gefürchtete Buschklepper ausgesehen hat, der betrachte das im Fenster eingelassene Glasgemälde, das nach einem noch vorhandenen Original angefertigt wurde.

Auf der Freiung zwischen dem Turm und der Amtmannswohnung befindet sich die Stelle, wo er seinen berühmten Sprung über den Stadtgraben tat. Es mag uns märchenhaft erscheinen, daß er da, ohne Schaden zu nehmen, hinübergekommen sein soll, doch wird es uns erklärlich, wenn wir hören, daß damals der Graben weniger tief und um vieles schmaler gewesen sei. Zudem ist uns aus dem Mittelalter und aus späterer Zeit verschiedentlich von solchen Sprüngen erzählt worden. So erzählt man Aehnliches auf der Burg Eberstein im Murgtal bei Baden-Baden. Bekannt ist die Sage von Harras, dem kühnen Springer, und in Bern zeigt man auf der Münsterterrasse die Stelle, wo im Jahre 1654 der Student Weinzäpfli auf einem scheu gewordenen Pferd in die Tiefe sprang und unverletzt davon ritt.

Unmöglich erscheint daher, wo der Zufall spricht, ein solcher Sprung nicht.

Schloß Illesheim im Tal der Aisch steht heute noch, wenn auch in veränderter Gestalt. Hingegen ist Schloß Obergailing, oder wie es jetzt heißt, Obergailnau, zwischen Rothenburg und Schillingsfürst vollständig vom Erdboden verschwunden.

Auf kahler Höhe, wo kein Stein mehr darauf hinweist, daß hier des Eppeleins Burg in die Lande gedräut, blieb nur ein tiefes Loch, »Eppeleins Brunnen«, wie es genannt ist. Im Grunde mögen die Steine zum Teil noch liegen, die einst den Mauerkranz gebildet haben. Die Bauern, die auf der grasreichen Höhe ihre Schafe weiden, haben es vergittert, weil oft ein Stück ihrer Herde hinabgestürzt ist. Vielleicht auch hat diese Zisterne zu der Sage von dem unterirdischen Gang geführt, der bei Diebach münden sollte und wo man noch die Stelle zeigt, da der Eppelein ein- und ausritt.

Der Kundige aber findet die Trümmer der Burg dort, wo auf einem vorspringenden Hügelrücken ein altersgraues kastellartiges Kirchlein steht, wohl einst ein Wartturm, dessen Reste wir in dem unteren Teile des Glockenturmes erkennen, der an der Vorderseite eine Schießscharte zeigt. Als man dann später die Trümmer der Burg herunterholte, um sie zum Bau der Kirche zu verwenden, mußte man den Turm erhöhen, damit er über den Dachfirst rage. Deutlich erkennt man das aufgesetzte Stück an einer an dieser Stelle in der Mauer laufenden Kante.

Ein anderer Beweis für diese Behauptung zeigt sich an der Südseite der Kapelle. Dort findet sich über der Eingangstüre eingelassen ein von ungeübter Hand ausgehauenes Wappen in der für die Zeit von 1200–1390 typischen Form des Dreieckschildes mit einem stumpfen unteren Winkel, ausgebogenen Seiten und abgekanteten oberen Ecken.

Das Wappenschild stellt ein ungefüges Tier dar, die verunglückte Zeichnung eines plumpen Rosses. Die Vermutung liegt nahe, daß wir es mit dem Wappenbild des Eppelein zu tun haben.

Auch im Wiesenttal finden wir Eppeleins Spuren.

Dort grüßt hoch vom Hang den Wanderer, der nach Gößweinstein geht, hinter Muggendorf Burggailenreuth, das in grauer Vorzeit Gailnruti hieß. Weißgetünchte, von braunen Balken durchzogene Mauern tragen das spitze Giebeldach des Schlosses, umrauscht und umgrünt von prächtigem, hundertjährigem Ahornwald. Fragt man, so kündet der Kastellan von Eppelein.

Dort hat auch Viktor von Scheffel, der trinkfrohe Romantiker, des Eppelein gedacht und auf ihn die Verse geschmiedet, die über dem Eingang angebracht ins Auge fallen und die er in seinem Exodus cantorum niedergelegt:

Doch seh' ich hoch im Ahornwald
Burggailenreuth dich wieder,
Läuft mir ein Rieseln schauerkalt
Als Warnung durch die Glieder.
An Händ und Füßen eingepflöckt
Im finsteren Verließe,
Lernt ich, wie man die Beine streckt
In diesem Paradiese.

Und weiter wandern wir über die felsige Höhe nach Wohlmannsgeseß. Gar lustig pfeift der Wind über die Höhe und zaust uns die Haare, bis wir eine Mulde erreichen, in welcher der armselige Weiler Trainmäusel liegt. Ein paar Hütten nur stehen hier unregelmäßig ineinander geschachtelt, mit engen Gäßchen und schmutziggrauen Mauern. Dort weist man uns die Stelle, wo des Stegreifhelden Lieblingsveste Dramaus gestanden.

Ungeachtet der Mär, daß um Mitternacht noch der Unhold sein Wesen treibe, hat ein Bauer hier in unsauberem Stall sein Vieh untergebracht. Die Reste des Turmes und ein Teil des Gemäuers sind deutlich erkennbar. Ein Stein darunter trägt die verwaschene Zahl 1774. Möglicherweise hat um diese Zeit hier noch ein Herrensitz gestanden.

Mitten auf den schmalen Wegen, die das Haus umgeben, liegen drei Jauchegruben. Das muß auffallen; und verbinden wir dieselbe durch eine Linie, so finden wir, daß sie die Ecken eines Quadrates bilden. Es sind die traurigen Ueberreste des ehemaligen Wallgrabens, die man zu diesem prosaischen Zweck offen ließ, während man, um Raum zu gewinnen, die übrigen Vertiefungen ausfüllte.

Im Tale unterhalb Gailenreuth liegt die Baumfurter Mühle, wo Eppeleins Roß zusammenbrach.

Vor einiger Zeit noch zeigte man hier den Stein, den der Ritter seinem Rapp zum Gedächtnis gesetzt.

Bei der Wörthermühle unter der Neideck standen zu Anfang des letzten Jahrhunderts noch die Mauerreste eines Hauses, das dem Eppelein gehört haben soll.

Das ist es, was vom Eppelein geblieben. Wir mit unseren strengen Anschauungen fällen leicht ein hartes Urteil über mittelalterliche Zustände und stellen uns den Eppelein als einen schlimmen Raubgesellen und Mordbrenner dar.

Anders hat seine Zeit über ihn geurteilt. Das Fehderecht erlaubte solches Treiben. Selbsthilfe war an der Tagesordnung, und was der Eppelein auch Schlimmes vollbracht, den Namen seiner Nachkommen hat es nicht geschändet. Der Edelsten einer der deutschen Ritterschaft hat es nicht verschmäht, einer von seinem Stamme die Hand fürs Leben zu reichen. Kein Minderer als Götz von Berlichingen hatte eine Gailing zur Gemahlin. In zweiter Ehe war er mit Dorothea von Gailing, der Tochter des Albert von Gailing auf Illesheim vermählt. Sie liegt im Kloster zu Schöntal begraben.

Des Eppelein Geschlecht aber hat noch anderthalb Jahrhundert geblüht.

Sein Sohn Friedrich pflanzte das Geschlecht fort. Dessen Erbe Arnold von Gailing veräußerte im Jahre 1391, wie aus der Windsheimer Chronik ersichtlich, einen Teil des Illesheimer Besitzes an den Bürger Georg Kumpff dieser Stadt.

1435 hören wir von dem Ehepaar Johanna und Heinrich Gailing und deren Nachkommen Georg Gailing von Winersheim und Arnold Gailing, der an dem Turnier von Onoldsbach 1485 teilnimmt. Dessen Schwester war des Bauerngötz Gemahlin.

1521 erscheint noch einmal ein Appel von Gailing, der vielfach mit unserem Helden verwechselt wurde.

Am 30. Mai des Jahres 1525 wurde Schloß Röllinghausen zum zweiten Male und Burg Obergailnau von den aufrührerischen Bauern verbrannt und geschleift.

In diesem Jahre auch hören wir von einem Albrecht von Gailing, der hochfürstlich-brandenburgischer Oberamtmann zu Hoheneck war.

Seine Tochter vermählte er an einen Ritter von Zobel, sein Sohn Bernhard Gailing lebte noch 1531 und starb erst 1542. Mit ihm erlosch die Linie der fränkischen Gailing auf Illesheim. Das Schloß kam an die Redwitz und Zobel.

Das Geschlecht der Berlichingen aber blühte weiter und führte in einer Seitenlinie den Namen der Berlichingen zu Illesheim. Von Hans Pleikart aus dieser Linie hören wir noch im Jahre 1590. Noch heute sind die von Berlichingen ein angesehenes Geschlecht.

Ein Tropfen vom Blute des Eppelein rinnt auch in den Adern seiner Glieder.

Das Volk aber hat sich das Andenken an ihn bewahrt. Spukhaft, in verschwommener Gestalt, ein kleiner gespenstischer Reiter auf kleinem schwarzen Roß treibt er sein Wesen in den Gehirnen der fränkischen Bauern.

Die Ueberlieferung vom Leben und Treiben des Eppelein wird mehr und mehr zur Mythe.

Sic transit gloria mundi!


Möge dieses Büchlein dazu dienen, das Andenken an den lustigen Gesellen wach zu rufen, ein wenig muntere Laune in die Herzen zu säen und nicht zuletzt zu mildern, was man Grausiges und Unmenschliches von ihm erzählt.

Ein kleines Denkmal möge es sein dem

Eppela Gaila von Dramaus

und jeder, der ihn lieb gewonnen und ein wenig über ihn gelacht, fügt einen Stein dazu!

Ende!

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