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8.
Im weiten Umkreis umspannten die Burgen der Nürnberg feindlich gesinnten Ritter die Stadt und, wo auch ihre Warenzüge die Landstraßen befuhren, kamen sie hier wie dort durch gesperrtes Gebiet. Einer der mächtigsten unter ihren Gegnern war Eppelein. Umzog doch der Nürnberger Wald, von dem ein Teil ihm gehörte, die Stadt. Im Süden hatte er sein Schloß Wald, im Westen Gailingen, Illesheim und den festen Hof Steinbach im Taubergrund, im Norden aber sein Schloß Drameysl und, wo er nicht eingesessen war, fand er Unterschlupf bei seinen Freunden, die ihm durch Treueid verbunden waren.
Hatten die anderen Städte, welche Nürnbergs Emporblühen ungern sahen, über den kühnen Raub des silbernen Vogelkäfigs herzlich gelacht und den Beneideten den Schaden gegönnt, so ergab es sich bald, daß auch sie in den nächsten Jahren durch des Gailingers und seiner Verbündeten Treiben in Mitleidenschaft gezogen wurden. So wurden die Städte Weißenburg, Windsheim, Rothenburg, Würzburg und Bamberg, welche eifrigen Handel mit Nürnberg unterhielten, durch die immer zahlreicher werdenden Ueberfälle auf Warenzüge, die zu ihnen kommen sollten, oder auch, die sie aussandten, geschädigt.
Selbsthilfe war schwer möglich und der Kaiser und die Großen im Reiche hatten mit sich selbst genug zu tun. Friedrich der Vierte, der als Burggraf auf seiner Veste zu Nürnberg saß, hatte viel Unfriede mit der Stadt. Hatten sie doch den Turm Luginsland erbaut, um, wie sie sagten, auch dem Burggrafen in Haus und Hof hineinsehen zu können. Urkundlich. So hatte er weder Lust noch Anlaß, dem Treiben der Zwanzig zu steuern, im Gegenteil kam es ihm gelegen. Erst im vorletzten Jahre seines Lebens nahm er Gelegenheit, einem der ihrigen zu Leibe zu gehen, doch dies tat er nur, weil seine Interessen in Betracht kamen.
Wohl erzogen sich die Nürnberger eine städtische Wehrkraft und jeder Warenzug verließ unter starker Bedeckung die Stadt, doch was vermochten ihre Söldner, die weniger um das Gut ihrer Herren als um ihr eigenes Leben besorgt waren, gegen die seit Kindheit geübte Waffenkunst der Stegreifritter, deren erster Angriff stets den Pferden galt, damit sie dann um so leichter die Bedeckung niedermachen oder gefangennehmen konnten.
Die Bauern wieder freuten sich über eine Niederlage der hoffärtigen Städter, waren meist den Adeligen zinspflichtig und bangten um ihr eigenes karges Gut.
So mußten diese zusehen, wie sie sich selbst halfen und sie taten es, meist aber ohne Erfolg. Denn, berannten sie auch einmal diese oder jene Burg, so überfielen die anderen um so eifriger ihre Güterwagen auf den Landstraßen, und was sie am einen gewannen, das verloren sie am anderen. Sie wußten selten, wann und wo ein Ueberfall stattfinden würde, und meist geschah dies, wenn sie sich gesichert glaubten.
So ergriff sie eine stets zunehmende Angst und Verwirrung, die sich ihre Gegner wieder zu Nutze machten. Es kam so weit, daß jedem Ausziehenden, auch wenn er allein und ohne viel Bargeld ging, an den Toren der Rat erteilt wurde:
»Merks! Merks! Der Gaila ist draus,
Er reit zu vierzeht aus,
Der Eppela von Dramaus!«
Und der Reisende merkte es sich wohl, aber es half ihm nichts. Anderen wieder rief man nach:
»Komm g'sund nach Haus,
Der Nürnberger Feind reit aus
Eppela Gaila von Dramaus!«
Die Jugend aber hörte es und rief es auf allen Gassen, um die Leute zu foppen.
Wenige Tage nach dem Raube des Vogelkäfigs flogen bei Nacht, wenn die Tore geschlossen waren, an allen Ecken und Enden, Brandbriefe über die Mauern, in denen der Bund der Zwanzig der Stadt Nürnberg aus diesem oder jenem oft gesuchten Grunde die Fehde ansagte. Die Bernheimer hatten sie in einem Handel übervorteilt, dem Fritz Walch hatten sie in einer Schenke am Weg einen Knecht beleidigt, dem Steinberger von Gunzenhausen wieder hatte ein ihm in der Stadt Verpflichteter den Gruß verweigert und so gab es Anlaß genug zur Rache und Gegenwehr.
Bald auch begannen die Ueberfälle. Als der ersten einer hob Eppelein zwischen Windsheim und Neustadt einen Zug von sechs Wagen auf und warf den Führer, den Nürnberger Kaufmann Haller, in das Verließ zu Obergailing, von wo er sich durch ein schweres Geld lösen mußte. Einen anderen Zug überfiel er zwischen Dombühl und Schillingsfürst, diesmal jedoch ohne Erfolg. Die Nürnberger waren auf der Hut und verfolgten Eppelein und die Seinigen. Bei Walkersdorf aber verschwanden die Verfolgten spurlos. Von dort führte ein unterirdischer Gang nach Obergailing, von dem niemand wußte, so daß sich bald die Mär verbreitete, Eppelein habe sich dem Bösen verschrieben.
Im ganzen Frankenlande aber hörte man bald allerlei von den Streichen des jugendlichen Gailinger Herren.
Einmal hatte Eppelein bei einem Nürnberger Hufschmied sein Roß beschlagen lassen. Der aber tat schlechte Arbeit, obwohl er sich gut bezahlen ließ, und als wenige Tage darauf Eppelein im Stegreif ritt, dabei aber durch städtische Reisige überrascht und geschlagen wurde, verlor sein Tier ein Eisen und lahmte. Mit knapper Not entkam der Ritter seinen Verfolgern. Auf der Flucht berührte er ein Dorf und begab sich zu dem dort wohnenden Nagelschmied, einem armen Manne, der redlich und schwer sein Brot erwarb und eine kranke Frau und fünf unmündige Kinder hatte.
Da sagte Eppelein zu ihm:
»Macht mir fein säuberliche Arbeit, bin kein Knauser nit, denn ein gut beschlagen Pferd ist Goldes wert.«
Als der Schmied das hörte, erwiderte er lachend:
»Ihr möget wohl recht haben, Herr, besonders zu Zeiten, da man um sein Leben reitet, wiegt ein roter Gulden wohl einen guten Nagel auf.«
»Vermein es wohl auch«, gab der Eppelein zurück, »hab es am eigenen Leib erfahren müssen.«
Da der Schmied seine Arbeit gut machte, zahlte er ihm für jeden eingeschlagenen Nagel einen Gulden. Dem redlichen Manne aber dünkte das zu viel. Er habe nur einen Spaß machen wollen, sagte er und wollte dem Ritter das Geld zurückgeben.
Eppelein aber nahm es nicht.
»Behaltet es nur, die Nürnberger werden es mir schon bezahlen!« rief er, lachte und ritt davon.
So tat Eppelein auf seinen Fahrten wohl auch einmal eine gute Tat.
Immer aber verstand es Eppelein, seinen Raubanfällen den Schein des Rechtes zu geben.
So traf er einst im Walde zwischen Nürnberg und Forchheim einen Nürnberger, der eine Schuld in Forchheim eingezogen hatte und dem es sicherer dünkte, sich als Handwerksburschen zu verkleiden und so sein Geld selbst an Ort und Stelle zu bringen, als es Nürnberger Reitern anzuvertrauen. In Haltung und Gebärden aber vermochte er nicht, den Wandergesellen zu spielen. So erkannte Eppelein, als er seiner ansichtig wurde, den Wolf im Schafspelz, ritt hinzu und frug:
»Ei! lieber Mann, weißt, wer ich bin?« Der Kaufmann aber ließ sich nicht so leicht einschüchtern und entgegnete:
»Sollt ich's nit wissen? Haben 's mir zu Nürnberg schon gesagt: So einer aus dem Strauche reitet, das Gesicht mit dem Naseneisen verhängt, und hat die Hand am Schwertknauf, so ist's der Eppele, der von Gailing.«
Da frug der Ritter weiter:
»Was ist's, das du in der Tasche trägst?«
Der andere gab zur Antwort:
»Nit viel, ein Weniges zur Wegzehrung.« Eppelein ahnte es wohl und sah auch am Gesicht des Reisenden, daß er die Unwahrheit gesagt hatte. Da ihm aber der Mut des Mannes gefiel, so sagte er weiter:
»Was hältst du vom Eppelein? Glaubst du, was sie in Nürnberg von ihm sagen?«
Da lachte der Kaufmann und reichte dem Ritter seine Tasche:
»Das halt ich von ihm. Geb ich's nit freiwillig, so nimmt er's und mein Leben dazu.«
Eppelein aber gab ihm die Tasche zurück, nestelte vom Sattelknauf einen Lederbeutel und sprang vom Pferd.
»Sag Du den Nürnbergern, der Appel sei kein Dieb. Er nimmt, was ihm zu Recht zukommt. Reit er zu Nürnberg durch's Tor, so zahlt er dem Torwart seinen Pfennig, reit ein Nürnberger durch sein Gebiet, so nimmt er den seinen. Du aber hast einen wackeren Sinn. So nimm das Schwert und häng den Harnisch um.«
Mit diesen Worten wies er einen seiner Knechte an, dem Kaufmann seine Rüstung und sein Schwert zu geben. Dann fuhr er fort:
»Auch ich hab in meinem Säckel nur ein Geringes zur Wegzehrung. Gerade so wie Du in dem Deinen, und wenn Du's nit glaubst, so schlagen wir uns um die Taschen.«
Dem Nürnberger blieb nichts übrig, als anzunehmen. Nach ein paar flachen Hieben lag er im Gras. So gab er dem Eppelein seine Tasche und nahm dafür die des Ritters. Doch als er sie öffnete, lagen nur ein paar Silberlinge darin.
Da meinte er, Eppelein habe ihn belogen, da er gesagt habe, es sei in seiner Tasche so viel wie in der eigenen.
Der aber zählte die Goldgulden des anderen gemächlich auf seine Hand und meinte:
»Sagtest Du doch, ein Weniges für Wegzehrung sei in Deiner Tasche. Ist's nit so bei mir? Du aber bist ein arger Schelm und Leutfänger, denn nit ich, sondern du hast gelogen, also bin ich im Recht. Damit du aber nit in Gefahr kommst, einen anderen mit meinem Gelde zu betrügen, so behalte ich mein Täschlein auch. Gib her!«
Der Kaufmann tat, wie geheißen. Der Ritter aber gab ihm einen leichten Stoß, schickte ihn des Weges und rief ihm nach:
»Vergiß nit, zu Nürnberg zu sagen, der Appel von Gailing tue nur, was rechtens und wie es auch zu Nürnberg Brauch, das habe er an dir zum andernmal erfahren.«
Nicht immer aber ging es für die, die mit Eppelein zusammengerieten, so glimpflich ab.
So kam er auf einem Ritt nach Illesheim unweit Neustadt an ein Haus, wo eine Bauersfrau am Feuer stand und Fett in einem großen Kessel briet. Da bat er sie um einen frischen Trunk und Atzung. Unwirsch erwiderte die Frau, sie habe nichts im Hause. Eppelein aber ging zum Rauchfang und holte aus ihm einen Schinken, den er beim Eintreten dort bemerkt hatte.
»Du sagtest, Du habest nichts im Hause! Ist das also auch nichts. Scheint Dir doch an solchem Nichts nit viel gelegen, da Du darum vergessen. Mir aber ist solch schmackhaft Nichts gar sehr willkommen!«
So sprach er und behielt den Schinken.
Da wollte die Frau ärgerlich werden und erwiderte:
»Du machst's ja wie der Eppele.«
»Kennst Du denn den Eppele?« fragte der und tat erstaunt.
»Ich kenn ihn nit, aber der ist ein Knab, der noch nit trocken hinter den Ohren, der stiehlt und mordet und hat's mit dem Gottseimirgnädig. So einer bist auch Du!«
Da erboste aber auch der Eppelein, nahm einen Topf vom Tisch, in den die Bauersfrau zuvor von dem heißen Schmalz getan, und stülpte ihn derselben über den Kopf, daß ihr das noch warme Fett über das Gesicht und den Leib lief.
»So einer Dich wieder fragt, sag Du, jetzt kenn' ich den Eppele, aber der hat's nit mit dem Gottseimirgnädig, denn wie er bei mir war, hab ich die Engel im Himmel pfeifen hören, daß es mir brühwarm über den Leib geronnen ist.«
So sagte er lachend, ließ die Bauersfrau mit dem Topf über dem Kopf stehen, schwang sich mit seinem Schinken auf sein Roß und ritt auf und davon.
Ein andermal begab sich Eppelein mit Häublin von Bernheim und Dieter von Wiesentau von Gunzenhausen nach Weißenburg. Er wollte sich ein neues Pferd kaufen, da sein altes am rechten Hinterfuß lahmte und unbrauchbar geworden war. Es war Pferdemarkt und das Geschäft in vollem Gang, als die Ritter eintrafen. Auf dem Marktplatz bemerkten sie einen Juden, der mit einem Städter um ein edles Roß feilschte. Eppelein erkannte auf den ersten Blick, daß es kein besseres für ihn gäbe. Da stieg er vom Pferde, trat hinzu, prüfte die Fesseln des Tieres und die Sehnen an den Kniebeugen, strich über das seidig glänzende, schwarze Fell und frug nach dem Preise.
»Zweihundert Mark in Silber«, erwiderte der Jude, und ob er es kaufen wolle.
Eppelein aber sagte: »Nein!«
Da pries der Jude dem Städter das Tier von neuem. Doch als dem das Tier zu teuer war und er nicht anbeißen wollte, wandte sich der Jude an Eppelein:
»Nu, Herr Ritter, will er nicht zahlen für das Pferd zweihundert in Silber. Soll ich's ihm schenken? Gott der Gerechte, is es nicht so viel wert als das Euere? Is es nich ein feines Pferd?«
Eppelein, der auf eine List sann, wie er das Roß billiger haben könne, gab keine Antwort.
Da fuhr der Jude fort, indem er Eppeleins Roß betrachtete, und schmeichelte ihm, weil er so des Ritters Fürsprache zu erlangen hoffte:
»Ein feines Pferd, ein gutes feines Pferd, das Ihr da habt. Möcht ich wohl mit Euch tauschen. Gott soll mich strafen! Will ich nich sagen, es is mein Pferd so viel wert wie das Euere, fehlt aber nich viel und wird der Herr seine Freude haben.«
Als Eppelein diese Worte vernahm, drehte er dem Juden daraus sofort einen Strick und meinte, er solle dem Roß seinen Sattel und sein Saumzeug antun, dann wolle er es einmal reiten und prüfen.
Diensteifrig beeilte sich der Jude und, als es geschehen, schwang sich Eppelein in den Sattel. Als aber das Roß den Reiter spürte, bäumte es sich und schlug und galoppierte dann etliche Male willig um den Platz.
»Sagte ich nich, daß es so viel wert wie das Euere?« jubelte der Jude und freute sich schon, als der Städter darauf seinen Beutel zog.
Da gab Eppelein dem Pferd den Sporn und rief dem Juden zu:
»Sagtet Ihr doch, dies Roß sei dem meinen gleich, wenn auch nicht ganz. Mir verschlägt's den Vorteil nicht. So behaltet das meine dafür und wenn einer Euch nach Eueren Kunden fragt um Empfehlung, so saget ihm, der Eppelein habe eines von Euch!«
Ehe noch der Jude erkannte, daß er einen schlechten Tausch gemacht habe, sprengten die Ritter lachend davon.
Eppelein aber sollte den Schelmenstreich später nicht zu bereuen haben.
So trieb der Gailinger allerorts seinen Schabernack mit den Leuten. Die Städter aber seufzten unter der Plage. Bald war er hier, bald dort. Wohl hatten die von Nürnberg Kundschafter und Spione überall im Lande, die den Eppelein und seine Freunde beobachten sollten, um dann nach der Stadt zu melden, wo er sich aufhielt. So glaubten sie, danach ihre Wege wählen zu können, um ungehindert an Ort und Stelle gelangen zu können. Doch oft genug kam es vor, daß er gerade da, wo sie es nicht vermuteten, ihre Züge überfiel und beraubte. So schrieben sie ihm Teufelskunst zu, da er durch die Luft reiten könne, und Angst und Schrecken verbreitete sich weit im Land.
Das aber hatte seine eigene Bewandtnis.
Eppeleins Knecht, Pankratz Pfetzer, genannt Sperrdiestraß, ein wilder, junger Geselle, an Mut, List und Gestalt dem Ritter beinahe gleich, war diesem der liebste. So gab er ihm ein dem seinen ähnliches Pferd, kleidete ihn in die gleiche Rüstung und sandte ihn mit etlichen Knechten immer dahin, wo ihn die Nürnberger nicht vermuten konnten. Saß er auf Drameysl, so war Pfetzer in der Gegend von Gailingen und anders. Die Nürnberger aber hielten den Pankratz für den Ritter selbst.
Da sollte ihnen aber eines Tages eine große Freude werden.
Ein Nürnberger Kaufmann, namens Stöber, führte einen Warenzug über Forchheim das Wiesenttal hinauf nach Pottenstein. Da er bei Drameysl vorbei mußte, fürchtete er einen Ueberfall, und, um nicht alles zu verlieren, nahm er gute Deckung mit und teilte seinen Zug in drei Teile. Eppelein, der hiervon nicht genügend unterrichtet war, sandte Pankratz zu Tal, der den Vortrab anfiel. Die Nürnberger wehrten sich wacker, und, als die erste Nachhut eintraf, gewannen sie bald die Oberhand. Von allen Seiten eingekeilt mußten sich die Ritter ihrer Haut wehren. Endlich aber unterlagen sie der Uebermacht, da ihnen der Weg nach der Burg abgeschnitten war und sie ihrem Herren keine Nachricht zukommen lassen konnten. Pankratz, der Tollkühnste von allen, erhielt einen Hieb mit dem Streitkolben, der ihn vom Pferde warf, und blieb tötlich verwundet liegen. Nach geraumer Zeit erst und unter schweren Verlusten gelang es den Gailingern, sich durchzuschlagen und über die Wiesent zu entkommen. Des vermeintlichen Eppelein Leichnam aber brachten die Sieger im Triumph nach Nürnberg.
Da erboste sich Eppelein und schwor ihnen blutige Rache. Im Lande aber war große Freude. Allerorts segnete man diesen Tag, die Nürnberger aber veranstalteten Dankgottesdienste und gedachten den St. Margaretentag, der in diese Zeit fiel und den sie zu Ehren der Heiligen durch eine Kirchweih feierten, besonders festlich zu gestalten.
Des Eppeleins Leichnam sollte in der Rüstung auf dem Scheiterhaufen ausgeglüht werden und wurde bis zur festgesetzten Stunde im Verließ an der Henkerbrücke aufbewahrt.
Hiervon hörte Eppelein und machte sich auf, um den Nürnbergern den Spaß zu verderben. Bei Nacht erstieg er mit einigen Knechten den Turm, durchbrach ein Fenster, erschlug den Wächter und öffnete den Sarg.
Die Knechte führten des Pankratz Leichnam nach Drameysl zur Bestattung, Eppelein aber legte sich gewappnet und gerüstet an dessen Statt und erwartete so den Morgen.
Als nun die Nürnberger das erbrochene Fenster sahen und den erschlagenen Wächter, fürchteten sie, der Teufel habe den Ritter geholt. Da sie den aber regungslos im Sarge liegend fanden, nahmen sie einen Racheakt an und brachten den Sarg vor das Laufertor hinaus, wo der Scheiterhaufen errichtet war. Ganz Nürnberg hatte sich versammelt, dem Schauspiel beizuwohnen. Schon waren sie im Begriff, den Sarg auf den Holzstoß zu stellen, als von der Stadt her das Feuerhorn erklang. In der Dielingsgasse Urkundlich. und an drei anderen Stellen zugleich war ein Feuer ausgekommen. Hell loderten die Flammen und mächtige Rauchwolken wälzten sich über die Stadt. Eine große Verwirrung bemächtigte sich der Versammlung. Jeder lief und beeilte sich, in die Stadt zu kommen, weil er fürchtete, es könne gerade sein Haus sein, das in Flammen stand.
Diesen Augenblick hatte Eppelein ersehen, stieß den nur lose aufgenagelten Sargdeckel herunter, sprang heraus und zu gleicher Zeit stürzten sich die Verbündeten, die in Verkleidung dem Schauspiel beigewohnt hatten und unter dem Sammetwams den Harnisch trugen, auf die erschreckte Menge, die in Heulen und Wehklagen ausbrach und davonlief. Eppelein aber stand auf dem Holzstoß, wirbelte sein blitzendes Schwert im Kreise und rief ihnen nach:
»Merkt Euch, der Eppelein ist geweiht gegen Hieb und Stich, und, da Ihr ihm seinen Leib habt verbrennen wollen, zündet er Euch ein Feuer dafür an, Ihr Pfeffersäck, Ihr Tuchflicker, Ihr Methfässer!«
Als aber die Nürnberger zur Stadt kamen, hatten sie genug mit Löschen zu tun und dachten nicht daran, sich zu sammeln und gegen die Ritter zu ziehen. Sie schlossen, als der Letzte herein war, die Tore, doch waren die Zwanzig längst auf Forchheim zu verschwunden.
Das Feuer aber verbreitete sich und wütete zwei Tage und zwei Nächte zum Entsetzen der Einwohner. Urkundlich
Jetzt ging es von neuem an mit Raub und Mord, bis endlich die Nürnberger, die vom Kaiser keine Hilfe zu erhoffen hatten, beschlossen, sich auf eigene Hand ihr Recht zu verschaffen.
Da wurde ihnen die Nachricht gebracht, der Eppelein säße auf Gailing und hielte Kindstaufe. Zwei von den ihrigen hatte er auf der Landstraße aufgehoben, den Tetzel und den Mendel, die sollten seinem Sohne Pate stehen.
Eilends packten da die Nürnberger auf und rückten gegen Drameysl, von dem sie wußten, daß es dem Eppelein am liebsten war, und wollten es ihm verbrennen.
Das aber war eine harte Nuß.
Drameysl, auf der Höhe am linken Ufer der Wiesent in einer flachen Mulde gelegen, war von Wall und Graben umgeben, aus festem Stein gefügt und mit Wurfschleudern und Armbrüsten wohl versehen.
Dort lagen sie eine Woche und setzten der schwachen Besatzung hart zu.
Eppelein wußte nichts davon, sondern erfuhr es erst, als er den Täufling nach Schloß Wald bringen wollte. Da machte er sich mit wenigen Knechten auf, ritt Tag und Nacht und kam an, als der Turm schon Feuer gefangen hatte.
Ingrimmig warf er sich auf die Uebermacht, wäre aber unterlegen, hätten nicht zu gleicher Zeit die Belagerten einen Ausfall gemacht. So blieb den Nürnbergern nichts übrig, als die Fersen zu zeigen. Eppelein warf die ganze Schar über die Hänge ins Wiesenttal hinab und viele büßten dabei ihr Leben ein. Mit Hilfe seiner Bauern und Knechte löschte er das Feuer, obwohl viel Hab und Gut dabei verloren ging. Doch was er verloren, das nahm er den Nürnbergern andernorts doppelt und dreifach.
Doch nicht nur mit Nürnberg lagen die Zwanzig in Fehde, auch Würzburg hatte unter ihren Plackereien viel zu leiden. Hier lauerte Eppelein am Main den Frachtschiffen auf, sperrte die Durchfahrt durch eine Eisenkette, überfiel ein Schiff und versenkte es so, daß die nachkommenden nicht durch konnten und ihm zum Raube fielen.
Einmal hatte er einen reichen Handelsherrn geplündert. Die Würzburger aber waren auf der Hut und sandten ihm Reiter nach, die Eppelein und die Seinen bald erreichten und, nachdem sie ihnen den Raub abgenommen, auseinandertrieben.
Auf der Verfolgung geriet Eppelein von seinen Leuten ab und als die Würzburger das bemerkten, jagten sie alle hinter ihm her, um seiner habhaft zu werden. Da scheute Eppeleins Pferd vor einem Abgrund am Steinberge zwischen Würzburg und Karlstadt. Schon jauchzten die Verfolger und umstellten ihn von drei Seiten. Da riß Eppelein sein Roß empor, gab ihm den Sporn und mit einem mächtigen Satz sprang es in den Main, schwamm hindurch und kam wohlbehalten am anderen Ufer an.
Keiner von den Verfolgern wagte es, ein gleiches zu tun, und da weit und breit keine Brücke war, hatten sie das Nachsehen und mußten sich des Gailings Hohnlachen gefallen lassen, der ihnen von drüben zurief: »Ihr Söldner seid nit ehrenwert, denn Euer Keiner hat ein so guet Pferd!«
Auch Rothenburg litt viel unter Eppeleins Raublust.
Dort hatten sie den Heinz Toppler zum Bürgermeister gewählt, der mit starker Hand die Dinge leitete, dem Eppelein aber nicht beikommen konnte, denn dieser fand auf dem Lande überall Schutz und Unterschlupf.
Ja, einmal wäre Toppler beinahe selbst in des Raubritters Hände gefallen. Das geschah unweit Diebach. Eppelein hatte den Bürgermeister, der von Dombühl kam, aufgehoben, fürchtete aber die Rache der mächtigen Stadt, da seine Burgen zu nahe bei derselben lagen, und wäre seinen Gefangenen gern wieder losgeworden, trotz des hohen Lösegeldes, welches ihm seine Beute hätte einbringen können. Er wußte auch, daß Toppler dazumal bei dem Burggrafen von Nürnberg in Gunst stand. Da kamen sie auf dem Ritt an ein Wirtshaus, und Toppler, der ein Freund des Weines und des Würfelspieles war, wünschte einen Trunk zu tun.
So kam Eppelein auf den Gedanken, den Toppler um seinen Leib würfeln zu lassen.
Saß da ein feister Mönch am Tisch, der mit einem Bauern würfelte. Den bat er um die Steine und schob sie im Becher dem Bürgermeister zu:
»Da, Herr Toppler! Weiß wohl, habt manches Mal um Geld und Gut gewürfelt, so werfet die Steinlein jetzo um Euch selbst! Habt Ihr mehr Augen denn ich, so seid Ihr frei!«
Da ergriff Toppler lachend den Becher und warf aus. Acht Augen fielen und Eppelein ergriff das Gefäß. Der rollte und schüttelte den Becher und warf zehn Augen auf den Tisch.
Da glaubte der Toppler verloren zu haben. Eppelein aber nahm den Stein, der fünf Augen gezeigt hatte, und prüfte denselben von allen Seiten. Dann lachte er und gab dem Klosterbruder die Würfel zurück:
»Möcht wohl wissen, Herr«, sagte er zu dem, »wer Euch die Tonsur geschnitten. Der muß sich an Euch versehen haben. Wüßt auch nit, wie einem so frommen Mann ein Bleiklümplein in den Stein geraten. Das ist wie mit der Tonsur, denn Beides sitzt am unrechten Ort.«
Da zahlte der Mönch und machte sich aus dem Staub.
Den Toppler aber gab Eppelein frei.
»Wär's mit rechten Dingen zugegangen, hält' ich wohl weniger geworfen, als Ihr«, sagte er dabei.
Wenn Eppelein und Toppler sich aber wiedersahen, ging einer dem anderen aus dem Wege, denn Eppelein hatte dem Toppler, der ihm zum Abschied Vorhalt machte, wegen seines gottlosen Wandels, zur Antwort gegeben:
»Herr Toppler, ein jeder in seine Taschen. Ihr schröpft Euere Mitbürger und möchtet gern König sein, und wo ein Blutegel Nahrung findet, da findet ein zweiter auch noch einen Blutstropfen. Was verschlägt's? Da schröpf ich eben mit. Nichts für ungut. Aber eine Krone mag ich nicht tragen, die ist zu schwer.«
Toppler verstand, daß der Ritter ihn durchschaut habe, und manchesmal mag er später an des rauhen Gesellen Worte gedacht haben, als er, der »König von Rothenburg«, wie ihn die Mitwelt nannte, im Rathausverließ seiner Vaterstadt saß, bis ihn der Tod dort herausholte.