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12.
Das Jahr 1348 ist in der Geschichte des deutschen Reiches bekannt geworden durch das Auftreten der Pest oder »des schwarzen Todes«, wie die Zeitgenossen die furchtbare Krankheit nannten. Aus dem Orient verschleppt, breitete sie sich rasch in ganz Deutschland aus und forderte fast zwei Jahre hindurch schwere Opfer. Zumal die Städte mit ihrer engen Bauart und ihren ungesunden Verhältnissen bildeten einen Herd, von dem aus sich das Entsetzen über die Lande verbreitete. Zum Teil wurden sie fast vollständig entvölkert.
Man hielt die Seuche für Gottesschickung und tat das ungeeignetste, was man tun konnte, indem man die von der Krankheit Befallenen in die Kirchen trug, in der Hoffnung, daß sie dort gesunden würden. Da aber gleichzeitig an diesen Stätten auch die Gesunden um Errettung flehten, trugen sie die Todeskeime mit hinaus in die bisher verschont gebliebenen Häuser.
Wieder andere taten sich zusammen und zogen singend und betend und sich geißelnd durch das Land. Das waren die Flagellanten, die den Rhein aufwärts wallten, immer neue fanatische Scharen an sich zogen und so das Gegenteil von dem erreichten, was sie bezweckten, durch die Selbstmarter Gott zu versöhnen und die Ausdehnung der Krankheit zu verhindern.
Verödet lag das Land. Wer nicht anders mußte, blieb in seinem Hause. Nur die Pestfeuer schwälten auf den öffentlichen Plätzen, da man darin die einzige Rettung sah, daß man alles, was mit den Kranken in Berührung gekommen war, sofort dem Feuer überantwortete.
Der Acker- und Feldbau lag darnieder. Das Vieh verkam in den Ställen. Eine große Unordnung, ein panischer Schrecken griff überall Platz.
Am sichersten war noch der Adel auf seinen Burgen. Der schloß die Tore, zog die Zugbrücken auf und wachte darüber, daß kein Unberufener über seine Schwelle trete. Aber auch ihm war die Lust am Kriegshandwerk und am Stegreifleben vergangen.
So saß auch Eppelein mit den Seinen auf Burg Gailenreuth und ließ sich nicht mehr blicken. Nur zuweilen ritt er aus, in den Wäldern Wild zu erlegen für die Lebensführung, doch hielt er sich fernab von bewohnter Gegend.
Die Kirche, die Aerzte, die wenigen, die es gab, waren machtlos und drei Viertel der Bevölkerung mußte dem Schrecken erliegen, bis ein Mächtigerer ein Ende machte, der Winter, der mit bitterer Kälte 1349 ins Land zog.
Die Ueberlebenden suchten sich die Ursache der vernichtenden Krankheit zu erklären und das bot ihnen eine günstige Gelegenheit, sich von einer zweiten Plage, wie sie es nannten, zu befreien, der Judenschaft.
Diese hatte mit der Zeit fast das gesamte Geldwesen an sich gerissen, von den Kaisern das Recht erhalten, gegen Zinsen Geld zu verleihen, und die Höchsten selbst hatten ihre Dienste gern in Anspruch genommen, denn Kriege und Römerfahrten und der überhandnehmende Lebensluxus kosteten ungeheuere Summen, zu denen das bare Geld fehlte.
Die Juden aber wucherten lustig darauf los und wie es immer der Fall, daß, von wem man Geld borgt, der einem zum Feinde wird, so war es auch hier.
Der Haß des ganzen Volkes wandte sich gegen die Judenschaft. Schon früher hatte sich die Verachtung kundgetan in den Gesetzen, welche den Juden gegeben wurden, sich in ihrer Kleidung eigentümlich zu tragen, damit man sie jederzeit erkenne.
So trugen sie den roten und gelben Spitzhut, das gelbgesäumte Gewand, später ein glattes, schmuckloses Barett und ihre Frauen blaue Schleifen am Kleid. Ihr Leben lag jederzeit in der Hand des Kaisers, hieß es doch, daß sie dasselbe als von ihm geliehen zu betrachten hätten und daß er es ihnen jederzeit ungeahndet wieder nehmen könne.
So richtete sich damals auch zu Nürnberg die mühsam gedämpfte Erregung der Massen gegen sie. Man sagte, sie hätten die Brunnen vergiftet, besäßen selbst aber ein Gegengift, sie hätten die geweihten Hostien durchstochen und Kinder geschlachtet, um deren unschuldiges Blut zu trinken.
Das alles war erlogen und erdichtet, aber den Mönchen, die in Genußsucht schwelgten und in der Vernichtung der Judenschaft eine willkommene Bereicherung sahen, kam solches gelegen. Sie predigten und eiferten von den Kanzeln wider diesen Erbfeind und forderten das Volk zur Gewalttat auf. Historisch.
Nürnberg war der Hauptsitz der Judenschaft in damaliger Zeit, doch hielt sich hier der Ausbruch der Volksleidenschaft in Grenzen. Hatten sie zu Straßburg 2000, in Bern 3000, in Mainz sogar 12 000 Juden dem Pöbel überliefert, die unter grausenerregenden Martern den Flammentod starben, so ließen sie es in Nürnberg dabei bewenden, die Häuser zu plündern, in denen Juden wohnten, ihre Synagogen zu zerstören und die ersten unter ihnen gefangen zu setzen, um ihnen den Prozeß zu machen.
So lag auch Abraham ben Ismael, der die Handwerker und ihr aufrührerisches Treiben dem Magistrat verraten hatte, im Verließ und in größter Erregung forderte das Volk seinen Tod.
Eingedenk mancher Hilfe, welche die Juden ihm gebracht, wehrte sich der wieder eingesetzte Rat und wandte alles auf, dem bedrängten Judenstamm seine Lage erträglich zu machen. Nur bei ben Ismael gelang es ihm nicht und er mußte den Unglücklichen dem wahnwitzigen Volke ausliefern.
Davon hörte der Eppelein und erachtete die Zeit für gekommen, dem Nürnberger Pöbel, der ihm einst sein Recht verweigert hatte, einen Spaß zu verderben, andererseits aber in Berechnung auf die Dankbarkeit eines Einzelnen seine Taschen zu füllen. Schon hatten sie vor dem Laufertor, auf dem danach so benannten Judenbühel, den Scheiterhaufen errichtet, und an den Mauern der Stadt widerhallte das Rachegebrüll des Volkes, schon führten sie den Juden gebunden herbei, der trotz seiner furchtbaren Todesangst doch nicht ihren Willen tun und seinen Glauben abschwören wollte, wie er sich auch auf der Streckbank nicht dazu verstanden hatte. Das Volk drängte auf Vollzug des Urteils, denn ein Unwetter stand über der Stadt, die Blitze zuckten und beleuchteten in grellem Widerschein das Trauerspiel, das sich vollziehen sollte, der Donner knatterte Schlag auf Schlag und bald mußte der Regen einsetzen, der das Feuer gelöscht und so einen Aufschub nötig gemacht hätte.
Die Henkersknechte legten den Brand an und schon züngelten die ersten Flammen empor, da gab es einen wilden Auflauf von Lauf her. Das Volk drängte in wilder Hast der Stadt zu und die zunächst Stehenden konnten sich nicht klar werden, was das zu bedeuten habe, bis der deutlicher werdende Schreckensruf an ihre Ohren drang:
»Der Teufel kommt, sich sein Opfer zu holen! Rette sich, wer kann!«
Es war aber nicht der Teufel, sondern der Eppelein, der an der Spitze der Zwanzig und ihrer Gesellen wie der Sturmwind selbst heranbrauste und mit der flachen Schwertseite auf die breiten Buckel der verhaßten Nürnberger einhieb, daß die Fetzen flogen und sie niederbrachen, wo er sie traf.
Der Henker wollte in Eile ein neues Scheit auf den geteerten Holzstoß werfen, da entfiel ihm dieses, von einem Hiebe getroffen. Eppelein aber riß den Juden vom Scheiterhaufen, zog ihn aufs Pferd und jagte davon.
Jetzt begann auch ein Platzregen, daß die Letzten, die nicht rechtzeitig unter Dach kamen, bis auf die Haut durchnäßt wurden. Seinen lieben Freunden aber ließ Eppelein melden, er habe sich seinen Teil geholt und sie seien ihm nichts mehr schuldig. Der Jude aber könne ihm noch von Nutzen sein. Sie möchten so lange warten.
Da verwandelte sich der Städter Ueberraschung in eine maßlose Wut, denn keinen Menschen trifft es ärger, als wenn man ihm eine Freude nimmt, auf die er lange geharrt, und sie beschlossen, alles anzuwenden, um des gefährlichen Plackers Herr zu werden.
So bald aber sollte das nicht geschehen.
Des Gailings Macht war beinahe unbegrenzt. Geld stand ihm im Ueberfluß zu Gebote.
Als im Jahre 1364 der Erkinger Truchseß, seiner Schwester Agnes Gemahl, starb, wandte sich die Witwe, die in ein Kloster gehen wollte, an den Bischof von Würzburg und vermachte die ihr noch gehörigen Lehen zu Wald ihrem Bruder Appel zum Namenstag.
Das Schreiben ist erhalten und hat folgenden Wortlaut:
»Dem ehrwürdigen Fürsten, meinem gnädigen Herrn Bischof Albrechten zu Würzburg empfehle ich, Agnes, die Truchsessin, des schwarzen Gailing zu Wald Tochter, mein Gebet. Ich laß Euer Gnaden wissen, daß Herr Erkinger Truchseß, mein Ehewirt seelig, tot ist. Der mein Lehen, die ich von Euer Gnaden an der Veste han zu Wald, bitt ich ew. Gnaden mit allem Vleiß und mit diesem Brieff, daß Ihr meine vorgenannten Lehen an der Veste Wald meinem lieben Bruder Eckelin Gailing zu Wald und seinen Erben verleihet an meiner Statt. Da tut Ihr mir besunder Lieb an dem.
Zur Urkund gib ich Brieff mit meinem eigenen Insigl, das darauf gedruckt, der geben ist, da man zelt anno dei 1364, Februarii 2 p. Jacobi Apli.«