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13.

Eppeleins Beichte.
Die Ratte und der Wurstzipfel.
Des Plackers Reiterstiefel.

Eppelein hatte einen guten Fang getan. Abraham ben Ismael war der Reichsten einer zu Nürnberg, und hatte der Gailing Geld nötig, und das geschah sehr oft, brauchte er sich nur an den Juden zu wenden, der bald erkannte, daß er aus dem Regen unter die Traufe gekommen war. Falls er sich weigerte, so sagte Eppelein nur:

»Ich hab Dich vom Tod errettet, also gehört Dein Leben mir. Und wenn Dein Leben mir gehört, so gehört mir auch Dein Hab und Gut.«

Der dankbare Jude aber gab, was er hatte, und was er nicht hatte, das brachten seine Freunde aus Nürnberg, um dem Glaubensgenossen die Haft erträglich zu gestalten.

Die Erregung über des Eppelein Rittertat aber legte sich zu Nürnberg nicht so rasch. Besonders der Prediger zu Sankt Lorenz, der ein arger Judenfeind gewesen war, verübelte dem Raubritter seine Tat.

Einmal sagte er, daß alles an den Tag komme, was auf Erden Unrechtes geschehe, und auch der Appel von Gailing werde einst vor seinem Richter stehen.

»Darumb nehmet Euch ein Beispiel an solcher Missetat, wie sie der Appel geübt in Stadt und Land. Hütet Euch bei Zeiten nit zu werden wie er, so ein Leutschinder, so ein Ludrian und Nimmersatt«, schloß er und gab den Segen.

Eppelein, der immer noch seine Kundschafter in der Stadt hatte, vernahm davon.

Es war ihm auch kund geworden, daß sein Jugenderzieher und Freund Pater Damian, der einstige Burgpfaff auf Vestenberg, der nach des Herrn Ulricus Tod sich zur beschaulichen Ruhe nach Sankt Lorenz zurückgezogen hatte, dort aber in stetem Widerstreit mit den Herren Fratres lebte, auf unerklärliche Weise verschwunden sei.

Man brachte es damit zusammen, daß der wackere Alte mit gar bösen Worten gegen die Judenhetze und insbesondere auch gegen der Mönche Fanatismus und Völlerei geeifert hatte.

So hoffte Eppelein zu gleicher Zeit etwas zu erfahren. War ihm doch selbst der Burgpfaff auf Gailenreuth mit Tod abgegangen und gedachte er, seinem Freund und Gönner die Stelle anzutragen, damit er dort zuweilen auch die Stola mit dem Jagdwams vertausche und eine Sau im Forst erlege zur Freud und Befriedigung seiner alten ritterlichen Leidenschaft.

Da beschloß der Eppelein einmal nachzusehen und begab sich in der Kleidung eines Bettelmönches nach Sankt Lorenz. Bevor er aber zur Beichte ging, wollte er den Mesner sprechen, der ihm als ein einfältiger Mensch bekannt war, aus dem er wohl mancherlei herausbringen könne.

Dieser aber war nicht zur Stelle, und so setzte sich der Ritter in einen der Kirchenstühle und gedachte einen kleinen Schlaf zu tun, denn der Ritt von Drameysl her hatte ihn ermüdet.

Kaum aber war er ein wenig eingenickt, als ihn ein leise pfeifender Ton von der Mauer her weckte, und da Eppelein näher zusah, bemerkte er in einer Nische des Gemäuers eine mächtige Ratte, die ein Stück Brot im Maule trug und sich damit davon machte.

Ei, dachte da der Gailing, sollten die Herren Fratres ihre Vorratskammer in der Kirchenmauer haben? Und er beschloß, abzuwarten, ob das Tier sich wieder sehen lasse.

Es dauerte auch nicht lange, so kehrte es zurück und verschwand in einer Mauerritze, durch welche ein schwacher Lichtschein drang.

Als der Ritter hinzutrat, um das Ding näher zu betrachten, vernahm er ein schwaches Stöhnen und erkannte bald an dem Ton, daß es der gesuchte Pater Damian sein müsse, schwang sich behend auf den Sims, so daß er den Mund an den Spalt legen konnte und rief hinunter:

»He! Der Eppelein ist hier! Pater Damian? Seid Ihr's, der da unten mit den Ratten zu Nacht ißt?«

Da kam die Antwort herauf:

»Ja, Herr! Gott dank es Euch, so Ihr mir aus dem vermaledeieten Loch heraus helfet. Die Mönche haben mich hier eingemauert, weil ich ihnen das Maul wollte verbinden, und soll ich hier das Ende meiner Tage bleiben.«

Eppelein rief zurück:

»Geduldet Euch noch eine Nacht, so wird Euch Hilfe werden.«

Da hörte er Schritte im Kirchenraum und sprang flugs herunter, denn es war der Prediger, der kam, den Reuigen die Beichte abzunehmen. Es war aber nur ein Sünder da, der Eppelein.

Der kniete nieder im Stuhl und beichtete, was Zeug hielt. Log auch wacker darauf los: Er habe einst ein Schloß besessen und sei ein arger Missetäter gewesen, habe die Kaufleute auf der Straße geplackt und niedergeworfen, habe gemordet, wer sich widersetzt, andere ins Verließ gelegt und habe sie dort ihr Leben schmachten lassen. Es ließe ihm jetzt aber keine Ruhe und so habe er dem bösen Leben abgesagt und sei ein Mönch geworden.

Der Pater, als er von so viel Missetat gehört, wollte sich erzürnen und hielt dem Reuigen eine Predigt, daß er auf Erden keine Vergebung fände für seine Sünden, und nannte ihn einen Gottlosen und Teufelsmenschen.

Da aber drehte der Eppelein den Spieß um und meinte:

»So ich auf Erden kein Vergeben finde, so will ich, da es auf eines mehr nicht ankommt, wieder ein Strauchdieb werden und ein recht vergnügliches Leben führen. Damit Ihr aber wisset, heiliger Mann, wer bei Euch im Beichtstuhl knieet, so höret, ich bin der Appel von Gailing, der Leuteschinder, Ludrian und Nimmersatt!«

Da packte den Pater ein Grausen und er flüchtete aus der Kirche, denn er vermeinte, der Eppelein müsse ihn im Nacken greifen, so kalt rann es ihm über Schulter und Rücken.

Der Ritter aber lachte und machte sich davon. Am nächsten Morgen war am Rathaus ein Schreiben angeschlagen, vor dem die Gaffer standen und es sich von solchen, die der Schrift kundig waren, vorlesen ließen:

»Ich, der Appel von Gailing und Dramaus, Herr zu Illesheim und Wald, tue meinen liebwerten Freunden und Gönnern zu Nürnberg kund davon, daß ich meines Wandels genug habe und, da ich solcher Kunst teilhaftig, fürder in Gestalt einer Ratte unter Euch weilen will. Habe auch als solche schon mein Nest gefunden und daselbst ein merkwürdig Erscheinen gehabt, das Ihr selbst Euch verschaffen könnet, so Ihr in der Sankt Lorenzkirche wollet nachsehen. Wird Euch zur klaren Erkenntnis kommen, daß der Pater in selbiger Kirchen ein gottwerter Mann und im Recht, so er Euch gekündet, daß alle Missetat an den Tag kommen muß. Wollet nur recht aufpassen und werd ich Euch ein Zeichen geben, wie es Rattenart, damit Ihr erkundet, wo der Mönch seines Leibes Atzung aufbewahret!«

Die Nürnberger konnten der Worte Sinn nicht recht verstehen, gingen aber nach Sankt Lorenz und harrten der Dinge.

Es dauerte auch nicht lange, so rief einer, der nahe dem Mauerriß gestanden:

»Die Ratte! Herbei! Die Ratte! Und trägt einen Wurstzipfel im Maul. Wart, du frecher Staudenhecht, diesmal entrinnst du uns nit!«

Da begann eine wilde Jagd im Kirchenschiff. Hin und her huschte das Tier in seiner Angst und unter die Röcke der neugierigen Weiber, daß sie aufschrieen und in Ohnmacht fielen.

Die Männer aber waren wacker hinterdrein und schlugen mit den Stöcken nach dem vermeintlichen Eppelein. Das Tier entging bald seinen Verfolgern und schlüpfte zur Türe hinaus, lief über den Marktplatz zwischen die Körbe und Tonnen der Händler, und ein gewaltiger Tumult kam auf, bis ein des Weges kommender Handwerksbursche mit einem wohlgezielten Schlag das Beutestück erlegte.

Da war eine große Freude unter dem Volk, den Burschen hoben sie auf die Schultern, trugen ihn umher und feierten ihn als ihren Erretter. Der aber wußte nicht, was ihm da geschah und meinte, die Nürnberger habe allesamt der Sankt Veitstanz gepackt.

Andere wollten ihre Neugier befriedigen und erfahren, wie die Ratte zu dem Wurstzipfel gekommen sei, denn es schien ihnen absonderlich, daß solch unheiliges Zeug in einer Gotteskirche zu finden sei. So schafften sie Spitzhacken herbei und erweiterten den Mauerriß in der Kirche.

So fanden sie den armen Pater Damian und ihre Wut richtete sich gegen die heiligen Brüder von Sankt Lorenz ob solcher Missetat, denn der Pater war ihnen mit seiner Leutseligkeit immer lieb und wert gewesen.

In den Stein unter der Nische aber ließen sie sogleich zum ewigen Gedenken an des Eppeleins Ende von einem geschickten Steinmetzen eine Ratte hauen, die einen Wurstzipfel im Maule trug. Es dauerte keine acht Tage, da ließ ihnen der Eppelein vermelden, das sei ein Irrtum gewesen. Er habe sich's doch anders überlegt, und da ihm sein früheres Leben besser gefallen, sei er nach Dramaus zurückgekehrt. Die Ratte, die sie mit so viel Heldenmut erlegt, müsse ein anderer gewesen sein, vielleicht gar der Belzebub in eigener Person. Dem Pater in Sankt Lorenz aber möchten sie sagen, er habe recht gehabt: Alle Schandtat käme an den Tag, aber wohl auch einmal käme es bei einer Pfaffenkutte auf, wenn man sie bei Licht besähe, daß sie zerschlissen sei.

In Nürnberg war über den Streich geteilte Stimmung. Die einen ärgerten sich, die anderen lachten. Und da der Lacher mehr waren, so lachten endlich auch die ersteren.

Das Bildnis in Stein aber ließen sie bestehen. Man sieht es heute noch.

Den Pater Damian nahm der Eppelein auf seine Burg. Dort lebte er noch ein heiteres Dasein und ist einige Zeit später sanft in Gott verblichen.

Da war einst Eppelein wieder zu Nürnberg bei des Harnischmachers Haubenschmidt Bruder, der des immer noch im Verließ Schmachtenden Geschäft weiterführte. Dieser hatte einen Gesellen, namens Baltzer Fries, der sich gern ein gut Stück Geld verdient hätte, um einen eigenen Hausstand zu gründen. Der verriet es dem Rat, und bei Nacht, da der Gailing sich wohl geborgen wähnte und den Schlaf des Gerechten schlief, ließ der das Haus umstellen und verlangte Einlaß.

Als aber Eppelein solches vernahm, huschte er in die Kleider und tat eine schön geätzte Rüstung an, die in des Meisters Waffenkammer unter anderen stand. Nur seine Reiterstiefel hatte er nicht anziehen können und verbarg diese unter dem Bettkasten.

Nach vielen Umständen und Scheltereien öffnete der Haubenschmidt endlich das Haustor, und mit gezogenen Schwertern und eingelegten Spießen strömten die Reisigen herein, fanden aber vom Eppelein keine Spur, denn der stand mit gefälltem Gatter unter dem anderen Rüstzeug.

Nur die Reiterstiefel bemerkten sie und brachten sie triumphierend dem Rat.

Der aber meinte, wo die Stiefel seien, sei auch der dazu gehörige Mann, und sandte die Knechte ob ihrer Dummheit zurück, ordentlich nachzusehen. Der Eppelein mußte ja noch in der Stadt sein.

Der aber saß im Keller in einem Faß und der Haubenschmidt hatte alte Lumpen über ihn gehäuft, so daß sie ihn nicht fanden oder auch nicht finden wollten, denn sie fürchteten sich vor ihm und keiner wollte sein Leben wagen und der erste sein, dem der Ritter das Maul stopfe.

Am folgenden Morgen ließ nun der Rat, damit ein jeder aufmerksam werde, am Vestnertor die Stiefel annageln. Da wollte jeder, der vorüberging, gern wissen, was das zu bedeuten habe, und der Torwart wußte zu melden:

»Das sind des Appel von Gailing Stiefel. Wer den Mann dazu bringt, gleichviel tot oder lebendig, ist des Dankes der Stadt gewiß und ist eine Belohnung ausgesetzt von 10 000 Mark in Silber!«

Als nun der Eppele, als Patrizier gekleidet, zum Tor hinaus wollte, fragte auch er, als er seine Stiefel sah, den Torwart nach des Bildes Bedeutung.

Auf die Antwort hin meinte er:

»Möcht doch genauer mir das Lederzeug besehen!« holte dieselben mit der Lanze herunter, betrachtete sie von innen und außen, schlug sie dann dem erschrockenen Wärter rechts und links um die Ohren und rief:

»Saget den Herren vom Rat, der Eppele habe sich seine Stiefel selbst geholt, die ihm zur Schlafenszeit durch eines vermaledeiten Spitzbuben Hand abhanden gekommen und daß er den zu finden wisse, und müsse er ganz Nürnberg darob zu oberst und zu unterst kehren.«

Damit sprengte er davon.

Der Torwart aber schlug Lärm und da gerade ein Fähnlein Reisiger herzugeritten kam, an die siebzig Mann stark, setzten die dem Eppele nach.

Das gab ein Jagen feldaus feldein. Oft hatten sie den Ritter umstellt und glaubten ihn gefangen, aber er schlug sich immer durch.

Da war ein großes Geschrei im Lande und die Bauern kamen herbei mit Schweinsspießen und Mistgabeln, aber der Gailing brauchte nur das Schwert zu heben, so stoben sie auseinander wie die Spreu im Winde.

Die Jagd aber zog sich weiter und weiter ins Land hinein, Tag und Nacht, und immer blieben die Nürnberger ihm auf der Spur, bis sie ihn endlich am Hohenstein in eine Sackgasse trieben.

Ein paar seiner Gegner schlug er nieder, dann trieb er wie einst zu Würzburg sein Roß in den Main und entkam seinen Verfolgern, rief ihnen aber zum Abschied zu:

»Wohl saget Ihr, der Appel reit allzeit zu vierzehet aus. So merket Euch, er reit auch mal allein gegen siebenzig und ficht doch seinen Strauß.«

Damit sprengte er davon.

 


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