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9.

Eppeleins Roß.

Nachdem Eppelein von Obergailing aus die Rothenburger genügend geplündert hatte, verlegte er sein Wirken wieder in die Gegend von Würzburg und Bamberg. Hier streifte er mainauf, mainab und ließ keinem Ruhe, der des Weges kam, und war es auch ein Angehöriger des Bischofs selbst, so daß endlich der Bamberger, als er keinen Ausweg sah, den Eppelein mit der Burg Gailenreuth bei Muggendorf im Wiesenttal belehnte. Urkundlich. So glaubte er sich den Ruhestörer zu verpflichten, oder ihn wenigstens aus seinem Gebiet fernzuhalten. Er erreichte damit auch seinen Zweck, denn einige Zeit pflegte Eppelein auf seinem neuen Lehen der Ruhe, gab Feste, ließ sich's wohl sein und jagte das Wild in den Wäldern der Umgebung. Hier bot sich ihm Gelegenheit genug, seine Reiterkunst zu üben, und die Bauern im Land erzählten sich allerlei von seinen verwegenen Stücken.

Ritt er von Gailenreuth nach Muggendorf, so mied er Weg und Steg, trieb sein Roß den steilsten Hang hinab oder selbst über einen Felsengrat, der hier ins Tal fiel. Die Wiesent überquerte er nicht auf Brücken, sondern er hetzte sein Tier an schmaleren Stellen über den Lauf des Baches, ohne daß es mit den Hufen das Wasser berührte, und wo dies nicht ging, ritt er mitten durch die Flut, mochte sie auch vom Regen hoch angeschwollen sein.

Auf der Jagd aber trieb er es am tollsten. Er ging den Ebern, Wölfen und Bären mit dem Spieß zu Leib und rannte ihnen denselben durch und durch, ja, man erzählte, er habe einmal einen Hirsch am Geweih erfaßt, sich auf dessen Rücken geschwungen und sei so durch die Wälder geritten, bis das Tier zusammenbrach. Mag vieles daran erdichtet sein, so verbürgten sich andere dafür, daß, wenn ihm auf der Straße ein Wagen entgegenkam, er mit einem Satz über denselben hinweggesprungen sei, und manches Bäuerlein mag arg erschrocken sein, wenn es im Gebüsch knackte und krachte und dann der wilde Reiter hervorbrach und über seinen Kopf setzte.

Immer aber waren seine Hunde mit ihm, eine wilde, heiß lechzende Meute, die heulend und tobend sein Roß umsprang.

Auf Gailenreuth war ein frohes, friedliches Leben eingezogen. Dort waltete Frau Kunigund als tüchtige Hausfrau, schaffte Ordnung, wo es Not tat, denn der Vorgänger hatte gar übel gehaust, erzog ihre Kinder, die Knaben Hans und Hermann und die Mägdelein Agnes und Anna.

Die erfüllten wie einst der Eppelein auf Obergailingen den Burghof zu Gailenreuth mit kindlichem Lärm, tollten um den Ziehbrunnen und wagten sich wohl auch einmal vor das Tor in die Ahornwälder, Blumen und Beeren zu pflücken, doch nur in bewehrter Begleitung, denn wilde Tiere waren zahlreich in den Wäldern.

Zuweilen aber ging es hoch her auf Burg Gailenreuth. Da kamen von den benachbarten Burgen die Freunde des Eppelein, taten sich gut bei Speise und Trank und führten ein paar Tage und Nächte hindurch ein tolles Leben, daß der rauschende Lärm ins stille Waldtal hinunterdrang und die Leute, die dort ihres Weges zogen, furchtsam zur Höhe blickten, denn oft fiel es den Herren ein, in fröhlichem Ritt den Rausch zu vertreiben, und wehe dann dem, der auf dem Wege war. Mit ihm trieben die Wildlinge ihr Spiel und wenn einer sich das nicht wollte bieten lassen, so gab es oft ein böses Ende und manch einer, der sich ihren rauhen Scherzen nicht willfährig erzeigt, lag im Verließ zu Gailenreuth, zwanzig Schuh unter der Erde, in Gesellschaft von Würmern, Ratten und Mäusen.

So griffen sie einst den Juden Espach, der manchen der hohen Herren durch Wucher geschröpft hatte, auf der Straße unweit Muggendorf. Zu gleicher Zeit kam ein Bauer von Leutzdorf des Weges. Da wollten sie sich einen Spaß machen und ließen die Beiden um ihre Freiheit turnieren. Sie legten jedem eine Rüstung an, steckten ihnen als Helmzier je einen Schinken, die der Bauer im Korbe getragen, in den Knauf, gaben jedem eine Mistgabel in die Hand und versprachen, den seines Weges ziehen zu lassen, der zuerst dem anderen den merkwürdigen Helmschmuck herunterhole. Da ritten die Beiden, in ihrer Angst gar lächerlich anzuschauen, gegeneinander, bis es dem Bauern gelang, die Trophäe seines Gegners aufzuspießen. Den besiegten Juden aber entkleideten sie, banden ihn an das Rad der Baumfurter Mühle und tauchten ihn dreimal in das kalte Wasser unter. So habe er die heilige Taufe empfangen, meinten sie, und dürfe jetzt auch Schweinefleisch essen. Das sollte er im Verließ der Burg besorgen. Jäcklein aber führte aus Freude über das Mißgeschick seines Stammesgenossen einen wahren Höllentanz auf. Espach war ein frommer Mann und weigerte sich. Da er aber keine andere Nahrung bekam, als den Schinken seines Gegners im Zweikampf und doch nicht verhungern wollte, blieb er in Haft, bis er die letzte Faser vom Bein gezehrt hatte.

Ein andermal kam eine Bauersfrau des Weges, die zwei Körbe voll Eier zum Markte nach Ebermannstadt trug. Es waren aber mehr faule darunter als frische. Da ritt der Eppelein mit seinen Freunden herzu und frug, ob das gute Ware sei. Die Bauersfrau bejahte es. Da sagte der Ritter, sie könne sich den Weg sparen, er wolle ihr die Eier abkaufen. Da bekam es die Bauersfrau mit der Angst und sagte zitternd, die Eier seien wohl gut für Städtersleut, aber nicht gut genug für so feine Herren.

Da erboste scheinbar der Eppelein und rief:

»Ei, Du Niedertracht! Weißt Du nit, daß die Städter meine Freunde sind? Haben mir doch allzeit ihr Leben teuer bezahlt und mir zu Hab und Gut verholfen. Und Du willst meine Freunde betrügen? So sage ich dir: Auch für Stadtleut sind die Eier nit gut genug, das magst Du selbst ersehen.«

Damit ließ er sie an einen Baum binden, ersuchte seine Freunde, abzusteigen, und nun warfen sie mit den Eiern nach der Frau, daß die gelbe, klebrige Dotterbrühe ihr über den Leib rann. Die Ritter aber hatten ihre helle Freude daran. Dann schickten sie das übelduftende Weib nach Hause, wo sich ihre Leute weidlich über sie lustig machten.

Und ein andermal traf Eppelein die Frau und fragte, ob sie noch immer seine Freunde zu Ebermannstadt betrüge. Sie verneinte es und Eppelein gab zur Antwort:

»So dankst Du es mir, daß ich Dich Ehrbarkeit gelehrt. Sag das meinen Freunden, damit sie erkennen, der Eppelein sei ihrer Achtung wert!«

Ließ es Eppelein für einige Zeit bei solchen Streichen bewenden, so trieben es die anderen, besonders der Dieter von Wiesentau, um so schlimmer, und hatten die Nürnberger vor dem Wildesten ihrer Gegner einige Ruhe, trauten sie dem Frieden doch nicht, hielten sich vielmehr mit aller Vorsicht und brachten mit den fränkischen Städten einen Bund zustande, um mit dem Stegreifleben endgültig aufzuräumen. Auch der Burggraf zeigte sich ihrem Ansinnen, mit kraftvoller Hand einzugreifen, nicht mehr so abhold wie früher. Einige Male schon war es vorgekommen, daß aus seiner Umgebung Klagen wegen Raubanfalls auf offener Heerstraße geführt wurden und auch Kaiser Ludwig, der mehr wie früher in der Heimat weilte, sprach seinen Unwillen aus über das dem Landfrieden hohnsprechende Verhalten der Ritterschaft. Die Nürnberger aber setzten einen hohen Fangpreis aus auf des Anführers Eppelein Kopf. Jedoch keiner wollte ihn verdienen, fürchteten sie doch die Rache seiner Freunde.

Da bat eines Tages der Jude Espach, der eine Geldsumme nach Pegnitz senden wollte, den Burggrafen um Geleit. Dieser war ihm verschuldet und erklärte sich hierzu bereit. Espach aber, der sich den Fanglohn gern verdient hätte, auch dem Eppelein seinen letzten ihm gespielten Streich nicht vergessen konnte und wußte, daß dem Ritter nur durch List beizukommen sei, hatte nichts anderes zu tun, als in allen Schenken und auf allen Gassen von seinem Vorhaben zu erzählen.

So drang die Kunde auch nach Gailenreuth und Eppelein sattelte auf, gegen Lauf zu reiten.

Hiervon erfuhr Espach durch einen verräterischen Knecht des Ritters und machte sich beim Nürnberger Rat anheischig, ihm binnen zweier Tage den Gailing tot oder lebendig zu überliefern, wenn sie in einigem Abstand den Leuten des Burggrafen eine weitere Bedeckung nachsenden wollten. Er hütete sich aber wohl diesen oder jenen sein Geld anzuvertrauen, sondern füllte die Kasette mit wertlosem Tand, sein Geld aber verwahrte er am Gurt und ritt hinterher, um zu warten, bis der Weg für ihn frei sei.

Wohl hatte Eppelein von des Juden Absicht vernommen, nicht aber, daß er unter dem Geleit des Burggrafen nach Pegnitz reite, und da es Espach so einzurichten wußte, daß der Reiterzug erst gegen Mitternacht Lauf verließ, denn das, meinte er, sei die sicherste Zeit und auch ein Staudenhecht müsse schlafen, gewahrten die Raubritter die Wappenzeichen nicht, hielten vielmehr des Burggrafen Leute für Nürnberger Reisige.

Von zwei Seiten griffen sie an, doch fanden sie unerwarteten Widerstand, denn die Burggräfler waren im Waffendienst geschulte Leute, die bei Ampfing und Mühlberg gekämpft hatten und sich auf Hieb und Stich wohl verstanden.

Die halbe Nacht hindurch dauerte das Gefecht, denn die Gailinger konnten, als von Lauf her die Nürnberger Nachhut eintraf und den Kampf aufnahm, in die Enge getrieben weder vor- noch rückwärts und wollten doch ihr Leben nicht so leichten Kaufs aus der Hand geben. An ihrer Spitze schlug sich der Eppelein wacker herum und mancher der Gegner sank unter seinen mächtig geführten Streichen. Immer und immer wieder feuerte er die Seinen an, doch einer nach dem anderen sank vom Rosse und als der Morgen graute, waren nur noch fünf seiner Knechte ihm zur Seite. Da versuchte Eppelein einen letzten Durchbruch. Noch einmal gab es blutige Köpfe auf beiden Seiten, dann schlug der Anführer der Burggräfler dem Ritter das Schwert aus der ermatteten Hand und Eppelein mußte, da der Tag für ihn verloren war, sich und seine Knechte auf Gnad oder Ungnad übergeben.

Zu Lauf banden sie den Ritter mit seinen Knechten auf einen Karren. Sein wackeres Streitroß »Rapp«, triefend von Schweiß und Blut, führte einer der Nürnberger hinterher, und so kamen sie um die neunte Morgenstunde nach Nürnberg.

Frühzeitig schon war dort am Laufertor ein Reiter eingetroffen, der von dem siegreichen Ausgang des Gefechtes Kunde brachte. Als der Zug in die Stadt lenkte, staute sich eine tosende Menge in den Gassen und empfing den gebundenen Eppelein mit wüstem Hohngeschrei. Sie warfen Steine nach ihm, spieen ihm ins Gesicht und wenig hätte gefehlt, daß sie ihn vom Karren heruntergerissen und ihm den Garaus gemacht hätten.

Ruhig betrachtete Eppelein den keifenden Pöbel, nur hin und wieder, wenn einer es gar zu weit trieb, zuckte um seinen zusammengekniffenen Mund ein spöttisch verhaltenes Lachen, und einmal, als ein Pflasterstein ihm gegen den Helm flog, rief er den Rasenden zu:

»Gesindel! Gassenpack! Wohl habt Ihr den Gailing, aber seine Freunde habt Ihr nit, und so ich auch dran glauben muß, hab ich doch ein gut Weilchen auf Euere Kosten gelebt. Euch aber werden sie zum Dank die Dächer anzünden, daß Nürnberg den anderen vom Krämerbunde meldet, daß man nicht ungestraft einen der Zwanzig hängt.«

Darauf wälzte sich ein dröhnendes Hohngeschrei durch die Gassen und folgte dem Wagen, bis sich die Tore der Burg hinter dem Trupp schlossen.

Des Ritters Knechte steckten sie in das gewöhnliche Verließ, ihn selbst aber verwahrten sie zu ritterlicher Haft in einem kleinen abgegrenzten Raum des fünfeckigen Turmes, in den ein vergittertes Fenster spärliches Licht hereinließ.

Als ihm der Wundarzt die im Gefecht erhaltenen Risse und Schrammen gewaschen und verbunden hatte und er allein war, sank er erschöpft auf das harte Holzgestell an der Wand, das ihm zum Lager dienen sollte und auf dem in dürftiger Schicht ein Bündel Stroh ausgebreitet lag.

Immer noch drang aus der Stadt das Freudengeschrei herauf, allmählich erst verstummte es und von der Burg her, durch die Mittagsstille, tönte Saitenspiel und Flötenklang. Dort hielt der Burggraf Tafel. Da ballte Eppelein die Fäuste und hob sie, daß die Ketten klirrten. Eine Träne des Zornes aber stand in seinen Augen. Er wollte schwer sich gewöhnen an den engen Raum seiner vier Wände, mit dem er sich vorerst bescheiden mußte, – er, der stets nur an Freiheit gewöhnt und an ein ungezügeltes Leben. Am meisten aber taten ihm seine Knechte leid, die sich wacker mit ihm um ihr Leben geschlagen hatten und denen man da unten im Verließ selbst das bischen Licht mißgönnte, bis zu dem Tage, da man ihnen den Prozeß machen und sie hängen oder rädern würde, denn mit dem einfachen Mann pflegte man nicht viel Federlesens zu machen. Auch an die anderen dachte er, die draußen auf der Walstatt lagen, bis zum Tode ihrem Herren getreu, und Wehmut stahl sich ihm ins Herz.

Hatten die Nürnberger gedacht, mit dem Anführer auch die Verbündeten zu treffen, so dauerte ihre Freude nicht lange, denn als Eppeleins Freunde von seiner Gefangennahme hörten, setzten sie, wo sie konnten, der Stadt hart zu. Sie überlegten auch, wie sie dem Eppelein zur Flucht verhelfen könnten. Zu dem aber bot sich keine Möglichkeit, denn der Ritter saß im dritten Stockwerk des Turmes und das kleine Fenster war mit Eisenstäben wohl verwahrt. Einmal wohl gelang es in einer stürmischen Nacht Häublin und Hermann von Bernheim, sich mit einigen Leuten an den Graben unterhalb des Turmes zu schleichen und zum Fenster einen Pfeil hinaufzusenden, an dem sich Werkzeug zum Durchbrechen der Stäbe und eine Leine für die Strickleiter befand, die er nachziehen sollte. Das Geschoß blieb auch am Holzwerk haften, wurde dort aber bei einem Rundgang vom Wächter bemerkt, der Alarm schlug, so daß sich die Helfer aus dem Staube machen mußten.

Dieser vereitelte Versuch, Eppelein zur Flucht zu verhelfen, hatte nur eine Verschärfung seiner Haft zur Folge. War ihm bisher gestattet worden, sich frei in seiner Zelle zu bewegen, so weit seine Fesseln reichten, so verkürzten sie ihm jetzt dieselben, daß er nur zwei Schritte hin und wider machen konnte, und zwei Stunden des Tages mußte er am Fenster sitzen, den Rücken gegen das Licht, die Füße links und rechts an den Stein gekettet und an jedem einen Pfundstein befestigt, so daß er sich kaum rühren konnte. Historisch.

Das waren harte Zeiten für den unseligen Raubgesellen, doch wenn er zu Anfang oft getobt und gewettert hatte, daß man es in der Stadt unten hören konnte und meinte, er wolle die Mauern sprengen, beschied er sich mit der Zeit und konnte lange Stunden sinnend durch das schmale Fenster blicken, über Mauer und Graben hinaus in die weite, blaue Ferne, wo er wußte, daß seine Burgen lagen. Oder aber er wälzte sich beim trüben Schein der Tranlampe auf seinem harten Lager und zauberte sich trügerische Bilder der Vergangenheit an der feuchten Mauer vor Augen. Das eintönige Leben und die karge Nahrung setzten dem starken Manne hart zu. Sein schwarzes Haar durchzog sich bald mit grauen Strähnen, der Bart, den er sonst zu scheren pflegte, wuchs wild und ungebärdig um sein Kinn, doch nimmer vermochten diese trüben Stunden seinem Auge das Feuer zu nehmen und sein Mut verzagte nicht. Er hatte so oft dem Tod ins Auge gesehen, daß er sich leicht mit der Zukunft abfand.

Nur wenn er an seine Gemahlin dachte und an die Kleinen, die er auf Gailenreuth gelassen, wollte ihm heiße Sehnsucht ins Herz schleichen.

Als der Burggraf ihm einen Priester sandte, der ihm zusprechen und die Beichte abnehmen sollte, lachte er ihn aus und meinte:

»Was soll ich Dir beichten, Du Kuttenträger! Weiß der liebe Herrgott doch wohl am besten, was ich gefrevelt. Reib Dir Dein eigen Näslein und laß mir den Frieden.«

Entsetzt ob solch gottloser Rede machte sich der Mönch davon.

Ein halbes Jahr später saßen der Burggraf und die Nürnberger auf der Burg zu Gericht. Eppelein leugnete nichts, er gestand alles ein und, wenn sie etwas vergessen hatten, so brachte er sie darauf.

»Damit ja ein jeder unter Euch zu seinem Rechte kommt. Wohl habet Ihr den Eppelein einen Strauchdieb und Ehrlosen gescholten und einen Todfeind. Wollet daran erkennen, wie gut er es mit Euch meinet.«

So sagte er und da er alles freimütig bekannte, konnten sie bald das Urteil fällen. Es lautete, daß er am Halse solle aufgehängt werden und so vom Leben zu Tode gebracht, sein Leichnam aber auf ein Rad geflochten und maltraitieret.

»Aber ein recht fest Stück Hanf müßet Ihr wählen. Habt's ja dazu in der Stadt an Galgenstricken genug, damit das Schnürlein nicht reißet, denn ich bin ein schwerer Mann, hab viel auf dem Buckel, Ihr Herren. Wär auch schad um den Strick und um mein Freud, Euch noch einmal die Zunge zeigen zu können!«

So rief Eppelein seinen Richtern zu, als man ihn wieder in das Gewahrsam führte.

Wohl hatte er für seine Knechte um Gnade gebeten, aber sie wurde nicht gewährt und diese schon vor ihm gerichtet.

Häublin aber ließ ein Schreiben in die Stadt schießen des Inhaltes:

»Ein guter Reitersknecht ist drei schlechte Bürger wert, ein Eppelein aber der guten zehent.«

Und als die Knechte gerichtet waren, hingen in den nächsten Wochen zwölf Bürger der Stadt an den Bäumen in der Umgebung, so daß die Städter ein furchtbarer Schrecken ergriff und keiner sich mehr vor die Tore wagte.

Wenige Tage, bevor Eppelein sein Leben lassen sollte, trat der Burggraf bei ihm ein und wollte ihn bewegen, sich vor seinem Ende reuevoll zu bekehren, da er vielleicht des Kaisers Gnade für ihn zu erlangen hoffte. Da hatten sie ein langes Zwiegespräch.

»Tut mir wohl leid um Euch, Eppelein, daß ihr also enden sollet«, meinte unter anderem Friedrich von Zollern, »hätt' wohl etwas aus Euch werden können, so Ihr bei Zeiten zur Vernunft gekommen. Wart aber ein Erzschelm und habt nit gehandelt, wie es Ritters Brauch.«

»Vermeinet Ihr nit?« erwiderte der Eppelein und musterte spöttisch den hohen Herrn. »Ei, so will ich Euch ein Märlein erzählen, Herr Friedrich. Hatte sich ein Mäuslein gefangen in der Falle und konnt nit mehr entwischen. Da kam die Katz dazu und weinte, weil sie dem Mäuslein nit beikommen und es fressen konnte. Hätte aber zu gern das Mäuslein gehabt. Da meinte sie, wie du hereingekommen, so kommst du auch wieder heraus, und versprach dem Mäuslein, ihm zu helfen, wenn es ihm sage, wie es in die Falle geraten. Das Mäuslein aber lachte: Bleib lieber in meinem Käfig als in Euerem Rachen!«

»Was soll's mit der fabula?« fragte unwillig der Burggraf und Eppelein fuhr fort:

»So ist's mit Euch, Herr Burggraf. Ihr seid die Katz, ich bin die Maus. Wollet mich wohl auch fressen, so Ihr mich hier heraus hättet, daß ich Einer der Eueren werde, ein Abtrünniger am Freund, ein Knecht und Höriger. Bin die Freiheit gewohnt gewesen, Herr, von Kind an, hab allerorts gehandelt wie ein Ritter. Hab nie meine Freund verraten und mir immer nur das genommen, was Ihr Herren uns verweigert.«

»Hättet Euch eben an uns wenden sollen und an des Kaisers Majestät, so Ihr etwas zu wünschen hattet.«

»Hätt uns nit viel genützet. Wir kleinen Herren sind nit in Gunst wie Ihr. Ihr habt allzeit um die Krone scharwänzelt, uns aber beiseite geschoben und gegen uns paktieret. Und saget Ihr, ich hab nit recht gehandelt, so weiset mir das Gegenteil. Hab mir immer an Euch und den Herren Pfeffersäcken da unten ein Beispiel genommen und darnach nit anders handeln können. Nennt Ihr uns doch Taschenklopfer. Habt Ihr nit auch des Kaisers und des Reiches Taschen geklopfet? Wuchert nit der Bürger mit seinem Gelde und raubt seinem Schuldner die Taschen aus? Ist's unrecht Geld, das er erworben, so ist's auch nit Unrecht, daß ich's ihm wieder nehm. Bin darumb kein größerer Dieb als er.«

Da fuhr der Burggraf auf und donnerte mit der gepanzerten Faust auf den Eichentisch, daß er schier zersprang:

»Aber eines Ritters wert ist's nit, es dem gemeinen Wegelagerer gleich zu tun. Bist aus einem edelen Geschlecht und solltest doch wissen, was bei Rittern Brauch!«

»Weiß es wohl«, entgegnete ruhig lächelnd der andere, »aber ist Treue halten etwa nit Ritters Pflicht?«

»Wohl ist es das. Aber wie man es tut und zu welchem Behuf, danach steht die Frage.«

»Ei, Herr! Ihr haltet dem Kaiser die Treue, weil Ihr darin Vorteil für Euere Tasche sehet. Ich bewahre meinem Freund die Treu, weil's eben unsere Väter taten. Hab immer ehrlich abgesagt. Wehrt sich der Bürger nit, so ist's seine Schuld und nit die meine. Schaltet und waltet der Kaiser nit selbst im Reich? Hat er nit seinem Sohn Ludwig die Mark Brandenburg gegeben, als sei's sein eigen? So schalte ich in meinem ererbten Besitz, wie 's mir gefällt und tue weniger Unrecht damit. Was dem Einen gut, das ist dem Anderen recht.«

Da schwieg der Burggraf, denn er konnte des Ritters Rede nicht widerlegen, zuckte die Achseln und ging.

So kam der Tag, da Eppelein gerichtet werden sollte. Am Abend vorher schon hatten sie vor dem Turm auf der Freiung Der freie Platz zwischen dem fünfeckigen Turm und der Amtmannswohnung. den Galgen errichtet.

Zu früher Morgenstunde läutete das Armsünderglöcklein und ganz Nürnberg und wer aus der Umgebung Zeit hatte, strömte herbei, und harrte vor den Toren der Burg, ob er nicht doch noch einen Blick auf das Gerüst erhaschen könne, an dem der Eppelein hängen sollte. Doch die Flügel öffneten sich nur, wenn einer der mehr Begünstigten eingelassen wurde und dann sah man nur die Spieße und das in der Sonne gleißende Rüstzeug der Reisigen.

Eppelein hatte sich mit seinem Leben abgefunden und den geistlichen Zuspruch abgewiesen, jedoch einen Notarius verlangt, seinen letzten Willen aufzusetzen. Auch hatte er für Häublin von Bernheim freies Geleit erbeten, den Freund noch einmal zu sprechen und den Seinen einen letzten Gruß zu senden. Dies aber hatte man ihm nicht gestattet in der Befürchtung, es möge eine List dahinter stecken.

Wohl war es ihm ein wenig schwer ums Herz geworden, als er noch einen letzten Blick getan in die sonnenglänzende Landschaft, wo fern im Lande seine Burgen lagen, auf denen er so manchen frohen Tag erlebt und die er nun nicht mehr sehen sollte. Doch als der Wärter eintrat und mit ihm der Bannrichter Strafrichter, entsprechend dem heutigen Staatsanwalt. und zwei der Schöffen, ihm nochmals sein Urteil zu verkünden und ihn auf dem letzten Gange zu begleiten, war er der Alte gewesen und hatte auf die Frage, ob er noch einen Wunsch habe, geantwortet:

»Ja, den, daß meine Freunde meinen Tod an Euch bitter rächen möchten.«

Dann schritt er festen Schrittes die Stufen hinab und trat ins Freie, wo sich bei seinem Erscheinen ein lautes Murmeln erhob.

Zu Füßen des Galgens bereit stand der Henker in roter Amtstracht mit seinen Knechten und prüfte Strick und Winde.

Nächst ihm hielten der Burggraf und die Häupter der Stadt zu Roß. Die geharnischten Stadtknechte schlossen in dreifacher Reihe mit aufgestemmten Spießen einen Kreis um den Richtplatz. Auch der Jude Espach war unter den Versammelten. Neben seinem Lohn hatte er sich ausbedungen, der Hinrichtung beiwohnen zu dürfen. Dann sollte er sofort seinen Fanglohn erhalten.

Spöttischen Blickes musterte Eppelein seine Umgebung. Dann wollte er sich ruhig, als ginge es zu minder schwerer Fahrt, die Lederkappe Eine solche wird im Kriminalmuseum des fünfeckigen Turmes zu Nürnberg gezeigt. über das Haupt ziehen lassen, als er stutzte und den Arm des Henkers zurückhielt.

Unter der Menge hatte er den Schultheiß Muffel erblickt, der gleich den anderen hoch zu Roß saß, aber nur schwer die Zügel zu meistern vermochte, denn das Tier tänzelte, bäumte sich und schlug aus und der Schaum stand ihm vor dem Maule, so daß zwei Knechte es nur mit Mühe am Platz zu halten vermochten. Als aber das Tier Eppeleins ansichtig wurde, wieherte es laut vor Freude, und der Ritter erkannte in ihm seinen Hengst »Rapp«, der ihn so oft zu lustigem Ritt und heißem Streiten getragen. Für schweres Geld hatte der Schultheiß das Pferd auf der Gant erstanden, doch wurde ihm seine Freude über den Besitz arg vergällt, denn das Tier war von ungebärdiger Leidenschaft und wollte keinen im Sattel dulden, der es nicht zu reiten verstand wie sein einstiger Herr.

Da wandte sich der Eppelein noch einmal an den Burggrafen:

»Einen Wunsch, Herr, hätte ich wohl noch. Zum letzten Mal einen Ritt zu tun auf meinem getreuen Rapp, den ich dort erblicke. Werdet es mir nit verwehren, seid Ihr doch auch von Adel und ein Rittersmann und werdet so meinen Wunsch zu schätzen wissen.«

Der Burggraf nickte Gewährung und der Schultheiß, dem es nicht ungelegen kam, denn er gedachte Eppeleins Kunst etwas abzuschauen und zu lernen, wie man das ungefüge Tier im Zaume halte, stieg aus dem Sattel und ließ das Roß dem Verurteilten zuführen.

Eppeleins Absicht aber war eine andere. Er wollte den Nürnbergern den Spaß verderben, denn es dünkte ihm eines Ritters unwert, am Galgen zu sterben. Auch tat es ihm weh, daß ein Krämer fürderhin auf seinem Roß reiten sollte. So schien es ihm doch besser, mit seinem Tier den Hals zu brechen, als zum Gespött seiner Feinde am Seil zu baumeln.

So schwang er sich, von den Fesseln befreit, mit leichtem Schwung auf des Rosses Rücken.

Als dieses den Herrn merkte, bäumte es sich hoch, schlug aus und ging in Trab. Hei! War das eine Augenweide, wie der Ritter mit Schenkeldruck das Tier lenkte und die Zügel meisterte mit geübter Hand, daß es in leichtem Galopp zuerst, dann pfeilschnell im Umkreis der Mauern dahinflog, zwei-dreimal hin und wider, daß die Nahestehenden ängstlich zurückdrängten und heimlich dem Burggrafen grollten, daß er solchen Unfug gestattet habe.

Dem Eppelein aber wuchs der Mut, als er sich so frei von Banden fühlte und die frische Luft atmete, daß ihm die Lunge und das Herz schwoll.

Schon einmal hatte der Burggraf ihn gemahnt, abzusteigen, doch Eppelein hörte nicht darauf. Er beugte sich zu des Tieres Ohr und ließ einen feinen Zischlaut hören.

Da stutzte das Roß, seine Muskeln spannten sich, seine Augen sprühten Feuer, hoch auf richtete sich der Ritter im Sattel und rief:

»Ihr Herren! Hab' lang genug hier gesessen, das paßt mir nit mehr! Hängt den Espach an den Galgen, damit das Volk sich nit umsonst gefreut!« Und ehe die zunächst Stehenden Hand anzulegen wagten, sprengte er gegen die Mauer. Nur einer der Henkersknechte sprang vor und wollte sich dem tobenden Roß in die Zügel werfen, doch von Eppeleins Fuß getroffen, stürzte er brüllend zu Boden. Das gewaltige Tier aber stieg in mächtigem Bogen in die Höhe und setzte weit über die Mauer und den Graben.

Hatte Eppelein erwartet, einen Todessprung zu tun, so wollte es ihm ein Höllenspiel dünken, daß er unverletzt drüben ankam und das brave Tier leicht nur in die Kniee gehend den Boden berührte.

Ein tosendes Wutgeschrei drang von der Stadt herüber, als die Nürnberger sich gefaßt hatten und das Wunder sahen. Pfeile und Speere umschwirrten ihn. Da erfaßte er einen im Flug, warf ihn mit mächtigem Arm zurück und rief:

»Merkt's Euch, Ihr Jammersleut, die Nürnberger hängen keinen, sie hätten ihn denn.«

Dann sprengte er davon.

Als die erste Ueberraschung über die verwegene Tat sich gelegt hatte, sandte der Burggraf seine Reiter zur Verfolgung, bis die aber durch die Menge der draußen Harrenden sich den Weg gebahnt, hatte der Eppelein einen guten Vorsprung. Auf Sankt Sebald und den anderen Kirchen zogen sie die Glocken, Dies geschah stets, wenn ein Verbrecher ausgebrochen war, um die Umgebung aufmerksam zu machen. Wut, Angst und Entsetzen ergriff das des vollzogenen Urteils Meldung erwartende Volk. Eppelein aber war schon außer Sicht und ritt in gestrecktem Lauf Forchheim zu.

Es war am Morgen des nächsten Tages, daß von Burg Gailenreuth herab Frau Kunigund mit ihren Kindern zu Tale stieg, der Baumfurther Mühle zu. Sie trug ein schwarzes Gewand, ein feuchter Glanz umflorte ihre Augen, denn sie vermeinte ja, daß sie am gestrigen Tage zu Nürnberg ihren Gatten verloren habe. Die Kinder aber, die nichts von alledem wußten, lachten und tollten und fragten, ob nicht bald der Vater wiederkäme, mit ihnen zu spielen.

»Ihr armen Waisen«, sagte da Frau Kunigund, »Euer Vater hat eine gar weite Reise getan und wird sobald nicht heimkehren, vielleicht auch nie.«

Die Kleinen aber verstanden nicht, was die Mutter meine, und freuten sich des Sonnenscheins, der Blumen und der bunten Falter, die hin und her über die glitzernde Wiesent flogen.

Da ließ die Rittersfrau sie gewähren und suchte am Rain hinter dem Gebüsch ein Plätzchen, wo sie der heiteren Jugend ihre heißen Tränen verbergen konnte.

Wohl hatte sie oft ihrem Gatten gezürnt und ihm Vorhalt gemacht wegen seines gottlosen Lebens und den im Turm Schmachtenden durch Wort und Tat ihre schlimme Lage gemildert. Manch einer auch verdankte ihrem guten Herzen und ihrer Fürsprache die Freiheit. Und doch hatte sie dem herben Gesellen nicht gram sein können, denn das Adelsblut in ihr gab auch ihr den Stolz auf Ritterbürtigkeit. Doch wo sie konnte, sprach sie ein mildes Wort und hatte versucht, des Gatten ungestüme Leidenschaft im Zaume zu halten. Der Tod aber hatte jeden Gedanken an das Unrecht ausgelöscht und so verzieh sie ihm und hätte Alles darum gegeben, wenn sie ihn wiedergehabt.

.

Auf einmal kamen die Kinder herbei und schrieen durcheinander:

»Der Vater! Mutter! Mutter! Der Vater kommt!« Frau Kunigunde wollte es nicht glauben, dachte an Mittagsgespenster, erhob sich aber doch, um nachzusehen, wen die Kinder für den Vater gehalten. Sie mochte ihrem Blick nicht trauen, als sie wirklich Eppelein gewahrte, der auf den Füßen taumelnd, matt und bebend die Straße von Muggendorf herauflief.

Er aber wurde der Gattin und der Kinder kaum gewahr, winkte ihnen wie geistesabwesend zu, eilte zur Mühle und donnerte mit den Fäusten gegen die Türe:

»Wasser und Wein, Müller! Eilet, es tut not!« so rief er und der Müller brachte alsbald das Gewünschte. So lief Eppelein von Frau und Kindern gefolgt die Straße zurück.

Dort lag unter einem Felsen der brave Rapp mit blutenden Beinen und schon brechenden Augen und wieherte doch, als er seinen Herrn zurückkehren sah. Frau Kunigund war wie im Traum, verstand von Allem nichts, meinte aber vorwurfsvoll:

»Ein Jahr, Appel, sahst Du mich und die Kleinen nit und, da Du heimkehrst, gilt all Deine Sorge einem Pferd.«

Eppelein aber, der niedergekniet war, dem sterbenden Tier die Wunden zu kühlen und zu verbinden, sah ernsten Auges seine Gattin an und erwiderte:

»Ihr, Frau und Kinder, danket es dem treuen Tier, daß Ihr mich wiedersehet. Hinge wohl längst auf der Freiung zu Nürnberg, wäre das Tier nit gewesen. Ueber die Mauer trug es mich und lief tagaus, tagein, auf weitem Weg, den Verfolgern zu entgehen. Bis hierher hat es sich gehalten. Vergönnet ihm die Linderung und meinen letzten Dienst. Wohl nimmer gibt es solches Roß.«

Da knieten die Kinder nieder und streichelten das edle Roß, Frau Kunigund aber hob seinen Kopf und bettete ihn in ihrem Schoß. So endete der arme Rapp in ihren Armen. In Eppeleins Augen aber standen Tränen, als er sein Roß so enden sah.

Zum Andenken ließ er später an dieser Stelle einen Stein errichten und darauf die Worte meißeln: »In der Not ist ein guet Pferd besser den zwanzig Freund.«

So ehrte er das Andenken seines treuen Kameraden, und Jahrhunderte hindurch war noch der Stein bei der Baumfurtermühle zu sehen, obwohl Wind und Wetter die Inschrift ausgewaschen hatten.

In seinem Wappen aber führte der Eppelein von da ab das Bild eines Pferdes.

 


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