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5.
Allmählich wuchs Eppelein in seine Rüstung hinein.
Aus dem schlanken Knaben mit dem welligen, glänzenden Schwarzhaar, das in gerader Linie abgeschnitten über den Nacken fiel, wurde ein prächtiger Jüngling. Hell und voller Tatenlust lachten die blauen Augen, der Mutter Erbteil, in die Welt und über der Lippe und unter dem Kinn sproßte der erste Flaum. Eppelein war nicht übermäßig groß und wenn er auf dem muskelstrotzenden Schlachtroß saß, mochte er unter Anderen sogar klein erscheinen, aber seine Glieder waren geschmeidig, voller Nerv und sein ganzes Leben atmete Jugendlust und Uebermut.
Bald bot sich ihm die ersehnte Gelegenheit, zu beweisen, was er gelernt hatte.
Arnold von Gailing geriet mit der Stadt Rothenburg in Streit um einen Hof, den er am Ausgang des Steinbachtales in dem Taubergrund zu Steinbach besaß Urkundlich. und der auf Rothenburger Gemarkung lag.
Da suchte er nach Kräften den stolzen Bürgern Abbruch zu tun und lustig blitzten die Klingen, rot tränkte das Blut den Boden zwischen Gailnau und der Tauberstadt.
Mit frischer Jugendkraft und voller Begeisterung an dem neuen Leben half Eppelein seinem Vater.
Einmal lag er allein mit zwei Knechten auf Kundschaft im Walde bei Gebsattel, als ein Rothenburger Fähnlein vorüberritt, dem zu Gehör gekommen war, daß Herr Arnold auf dem Wege sei. Bei Diebach sollte der Ueberfall stattfinden, dessen Ausgang bei der Ueberlegenheit der Städter kein zweifelhafter war.
Einer war unter ihnen, der das Schwert wohl zu führen verstand und der, obwohl jung an Jahren, doch im Rate seiner Vaterstadt ein gewichtiges Wort zu reden wußte, der junge Heinz Toppler.
Eppelein, der aus dem lauten Gerede der Vorbeireitenden deren Vorhaben erfuhr, ließ den Trupp vorüber. Dann eilte er auf einem Umweg nach Diebach, wo ihm der Vater mit wenigen Leuten ahnungslos entgegenkam. Dem machte er Meldung und eröffnete ihm seinen Plan.
Nächst Diebach auf dem Wege nach Oestheim befand sich wohl versteckt der geräumige Keller eines abgebrannten Hauses, das seine Besitzer nicht wieder aufgebaut hatten. Spätere Geschlechter wollten hier das Ende eines unterirdischen Ganges erkennen, der nach Obergailing führen sollte. Oft hatte Eppelein in seiner Kindheit dort mit den Bauernkindern gespielt. Dahin führte er den Vater und die Knechte, verbarg die Rosse, vertauschte des Vaters Helm mit dem seinigen, klappte den Nasenschutz Die erste Art des Visiers, eine einfache bewegliche Spange an der Stirnseite des Helmes. herunter und machte ein gar grimmiges Gesicht. Dann ritt er ein Stück des Weges gegen Oestheim zurück und wandte sein Pferd.
Es dauerte auch nicht lange, da brachen die Rothenburger von den seitlich aufstrebenden Höhen und warfen sich auf den vermeintlichen schwarzen Gailing. Nicht gutwillig ergab er sich, zwei der Ihrigen schlug er von den Pferden, dann gelang es den Gegnern, ihn einzuschließen.
Glücklich über den gelungenen Streich nahmen sie ihn in ihre Mitte und hingen sorglos ihre Schwerter an die Sättel, glaubten sie doch nicht, daß ihr Gefangener entweichen könne.
Kaum aber waren sie an dem Kellerloch vorüber, da entriß Eppelein dem ihm zur Seite reitenden Toppler das Schwert, drängte sein Pferd vor und hieb um sich, daß die Funken vom Eisen sprühten.
»Alleweil für Gailing!« stieß er den Feldruf aus, und ehe einige Ordnung in die Reihen der Rothenburger kam und sie die Schwerter fassen konnten, fielen ihnen die Gailinger in den Rücken, so daß nach kurzer Gegenwehr die also Ueberrumpelten die Flucht ergreifen mußten.
Für Gailing aber war die Sache nicht so gut abgelaufen. Herrn Arnold hatte ein Schwerthieb durch den Helm getroffen und schwerwund brachten sie ihn nach der Burg zurück.
Hatte Eppelein seinen Vater vor dem Rothenburger Verließ gerettet, vermochte er ihn doch nicht vor den Folgen der Verwundung zu schützen. Trotz des Pater Isidorus Tränklein und Salben Der Burgpfaff vertrat im Mittelalter die Stelle des Arztes. starb Ritter Arnold am Wundfieber, nachdem er in einem lichten Augenblick Haus und Hof wohl verwahrt, von den Seinen Abschied genommen und dem Eppelein die Sorge für die Mutter und Geschwister anvertraut hatte.
Frau Jute überlebte den Gatten nicht lange. Wenige Wochen später standen die drei Verwaisten Eppelein, Eckenbrecht und die noch im Kindesalter stehende Agnes an ihrem Sarge.
An der Seite ihres Gemahls in der Kirche zu Untergailnau wurde sie bestattet. Von einem geschickten Steinmetzen ließ Eppelein ihre Bilder auf dem Sarkophag aushauen und bewahrte ihnen ein treues Andenken.
Eppelein war zwanzig Jahre alt, als er seine Eltern verlor, doch wußte er sich bereits als Herr zu fühlen, machte einen Umritt zu seinen Burgen, sah nach dem Rechten und ließ sich von seinen Knechten und Hörigen den Treueid schwören.
Von dem Bischof zu Würzburg und den Grafen von Kastell erhielt er Erde und Zweig, als Zeichen, daß sie ihm die Lehen seines Vaters weiterhin zu eigen gaben. Solche Lehenszeichen im Bayr. Nationalmuseum in München.
Unter seinen Mannen aber traf er eine Auswahl der Tüchtigsten und wählte sich von diesen wieder Dreizehn zur nächsten Umgebung.
»Ist eine Unglückszahl die Dreizehn«, sagte er, »werden die Pfeffersäck schon wissen, und wissen sie es nit, so will ich's ihnen beweisen.«
Das waren sturm- und wetterharte Gesellen, die er da um sich hatte, Wolf Wengerle, Kunz Dibold, Franziskus Schott, Hans Vetter, Sebald Boos, Kaspar Keck, Jost Schütter, Jürg Wullweb, Jockel und Hans Kieser, Fritz Weiler, Thomas Rettenbach und Pankratz Pfetzer. Wie in damaliger Zeit üblich, trug jeder seinen Beinamen. So nannten sich auch Eppeleins Knechte Rührdichnicht, Schlagdrauf, Haudenhund, Beißdenstein, Hütdichwohl, Guckhinaus, Pfefferfraß, Tummeldich, Traumirnicht, Flickerstod, Schlingdichauf, Hechtenmaul und Sperrdiestraß.
In den Kämpfen zwischen Ludwig dem Baier und Friedrich dem Schönen hatte sich Nürnberg als kaisertreue Stadt bewährt. Friedrich der Vierte, der auf der Nürnberger Burg saß, trug mit einen Hauptteil an dem endlich günstigen Ausgang der Kämpfe für Kaiser Ludwig. Die Nürnberger selbst aber hatten ihr Fähnlein unter dem kleinen Feldhauptmann Seyfried Schweppermann ins Feld gesandt, dessen Wirken der Kaiser nach der entscheidenden Schlacht bei Mühlberg in der bekannten Weise anerkannte, daß er, als der Vorrat der Eier eines zu viel, dem Schweppermann deren zwei reichte mit den Worten: »Jedermann ein Ei, dem wackeren Schweppermann aber zwei!«
Zum Danke für die geleisteten Dienste stattete er die Stadt Nürnberg mit weiteren Vorrechten aus, erregte aber dadurch den Neid der fränkischen Ritterschaft, die sich durch solche Bevorzugung beeinträchtigt und zurückgesetzt fühlte.
Die Nürnberger hingegen trugen die Köpfe höher und benutzten die Gelegenheit, den Druck, den sie auf die Ritter auszuüben fähig waren, denn derer viel waren ihnen schuldpflichtig, zu verstärken. Da sie zur Ausnützung der ihnen erteilten Privilegien Geld benötigten, sich auch im alten Gewand unter der kaiserlichen Gnadensonne zu ärmlich dünkten, streckten sie die Hände aus nach den ihnen verpfändeten Herrensitzen der fränkischen Ritterschaft.
Das gab viel böses Blut im Lande und führte allenthalben zu Zwistigkeiten, die mit dem Schwert ausgeglichen werden mußten.
Wohl verkündete Kaiser Ludwig den allgemeinen Landfrieden, aber man kümmerte sich nicht viel darum, und die Unbotmäßigen zu ahnden, dazu fehlte dem Kaiser die Zeit.
So trat auch an Eppelein von Gailing eine Forderung heran, die zu begleichen ihm nicht möglich war. Er aber wußte sich mit List zu helfen.
Erschien da eines Tages der Jude Espach vor Obergailing und begehrte den Herrn zu sprechen. Er brachte auch sein Anliegen vor und entfaltete vor Eppelein sein Dokument, in welchem Herr Arnold von Gailing einst die Hälfte seiner Burg Drameysl dem Nürnberger Patrizier Mälzer gegen zwanzigtausend Goldgulden verschrieben mit der Klausel, daß, falls die Schuld nicht beglichen werden könne, binnen zweier Jahre Frist, die andere Hälfte der Burg für den gleichen Betrag in desselben Hände übergehen solle.
Eppelein las wohl das Schreiben aufmerksam durch, dachte aber gar nicht daran, seine gute Burg so leichten Kaufes dem Pfeffersack abzutreten, frug jedoch den Espach, ob er das Geld bei sich trage, denn er vermöge nicht, die Schuld zu begleichen. Auch benötige er das Geld und es sei ihm willkommen.
Der Jude bejahte.
Eppelein aber ahnte, daß der Nürnberger von dem Juden Vorschuß habe, da er ihn sonst nicht geschickt haben würde, und fragte listig weiter:
»Ist's auch des Mälzer Geld?«
Da gab Espach zur Antwort: Nein, das sei sein Geld, und er habe die Summe dem Nürnberger vorgestreckt, da dieser sie nicht flüssig gehabt.
Da lachte der Eppelein und schickte den Juden heim:
»Dein Geld, Jud', ist mir nicht gut genug! Hängt mir zu viel Armleutweh d'ran, mag mich auch an Deinem Wuchergold nit beflecken. Des Mälzers Geld mag ich für mein guet Schloß. Geh heim und sag es ihm.«
Der Espach wollte Ausflüchte machen, aber Hütdichwohl und Sperrdiestraß standen ihm zur Seite und blickten gar grimmig, so daß der Jude das Heimgehen vorzog.
Als er aber zwischen Gailing und Schillingsfürst durch die Tannen ritt, brachen sechs vermummte Reiter hervor, trieben die Begleitung in die Flucht und nahmen dem Juden die zwanzigtausend Goldgulden. Jammernd lief dieser seines Weges und raufte sich Haar und Bart, das Geld aber gab ihm niemand zurück und darum bei Gericht zu klagen, vermochte er nicht, denn er wußte ja nicht, wer ihn beraubt hatte, wenn er es auch ahnte.
Als er so in seiner Not kreischend und immer noch schimpfend nach Dombühl kam, holte ihn ein Gailingscher Reiter ein und rief ihn an. Der alte Scheerbart war es, der immer noch auf Gailings Turm die Wache hielt, obwohl sein Haar längst weiß geworden wie der Winterschnee.
»He! Jud! Halt ein! Da hat sich's unser Herr anders überlegt und will dem Mälzer die Schuld bezahlen. Hier sind die Zwanzigtausend. Ein guter Freund hat's ihm gegeben. Und damit Du sie gut nach Nürnberg bringst, geb ich Dir's Geleit.«
Erkannte der Jude wohl den bösen Streich, den ihm der Eppelein gespielt, so mußte er doch gute Miene zum bösen Spiel machen und sich darauf vertrösten, daß ihm einmal Gelegenheit gegeben werde, vom Gailinger die Schuld mit Zinsen einzuziehen.
So rettete Eppelein ein gutes Schloß und blieb vor den Menschen doch ehrenwert.
Scheerbart setzte den hageren Juden vor sich auf das Roß, schlug ein Tempo ein, daß dem Espach die fleischlosen spitzen Knochen weh taten, und hielt doch nicht ein, ob der auch jammerte und bat, so daß der Jude, als habe man ihn gerädert, gar jämmerlich anzuschauen vor Nürnberg ankam und dort unter des Scheerbarts Aufsicht dem Mälzer das Geld hinzählte.
So hatte Scheerbart seinen Schwur erfüllt, als er einst am Ende des Zuges Illesheim verließ und mit der Faust gegen Osten drohte:
»Jüdlein, Jüdlein, hüte dich! Daß ich dich treff irgendwo auf der Landstraß'.«
Wohlgemut und zufrieden trabte der Alte heim und meldete seinem jungen Herrn den vollbrachten Dienst.