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6.
Die nächste Zeit benutzte Eppelein dazu, immer wieder seine Burgen zu besuchen und Ordnung zu schaffen, wo es Not tat, und es tat immer Not.
Da sein Bruder Eckenbert im Kloster Sankt Burkhardt zu Würzburg die Weihe empfangen hatte, seine Schwester Agnes aber des Truchseß von Erking Gemahlin geworden war, blieb er bis auf einige Güter, welche Agnes in ihre Ehe nahm, der einzige Erbe der Gailingschen Herrschaft. So gehörten ihm Dorf und Schloß Illesheim, Schloß Röllinghausen, einige Güter zu Klein-Windsheim, die Dörfer Schwebheim und Weinersheim, die Orte Breit und Helprechtshofen, Schloß Wald an der Altmühl zu Gunzenhausen Urkundlich überliefert., außerdem ein Teil des Nürnberger Waldes, denn die Rothenburger Chronik weiß zu melden:
»Die wäldt umb Nürnberg seindt Eckling Gailing gewest.«
Ferner besaß er einige kleinere Lehen in Hochbach, die Rottenheimerhube zu Windsheim, die Schwäbleinshube zu Seinsheim und die Walzhube zu Ergersheim. Auch war er Herr zu Steinbach, Obergailnau und Drameysl. Desgleichen.
Bei solchem über das ganze Frankenland verteilten Besitz war es schwer, auch nur einigermaßen auf einen geregelten Gang der Verwaltung zu achten. Wohl hatte Eppelein überall seine Vögte, doch arbeiteten diese in ihre eigene Tasche, denn auch der kleine Mann gewöhnte sich mehr und mehr an ein Wohlleben, das in den Städten und auf dem Lande Hang zum Luxus und Hoffart brachte. Sah sich doch der Adel genötigt, bei der zunehmenden Teuerung seinen Frauen in einem Gesetz vorzuschreiben, wie sie sich einfacher und bescheidener tragen sollten. Urkundlich überliefert.
Ist die Katz aus dem Haus, tanzt auf dem Tisch die Maus. Das galt auch bei Eppelein. War er auf Gailingen, so wirtschafteten seine Leute nach eigenem und selbstsüchtigem Dünken auf Illesheim, Wald und Drameysl und umgekehrt. Man merkte allenthalben, daß die leitende und sorgende Hand einer Frau fehlte. In Küche und Keller, in Schränken und Kammern war ein wildes Durcheinander.
Die Spinnen bauten sich behaglich ihre Netze in den Winkeln, Ratten und Mäuse aber führten ein herrliches Dasein in Keller und Speicher.
Daß er nicht der Richtige dazu, merkte bald auch der Eppelein, und er gedachte, sich eine Frau zu nehmen. Da hielt er Umschau auf den Burgen, aber keines der adeligen Fräulein wollte ihm recht behagen. Die eine war ihm zu hoffärtig, die andere nicht schön genug, allen aber fehlte, was er am dringendsten benötigte, bares Geld und eine reiche Aussteuer.
Was sie besaßen, das brauchten die Herren selbst zum Leben und wollten davon ihren Töchtern nichts abgeben. Die meisten auch konnten es nicht.
Da geschah es, daß Eppelein wieder einmal nach Nürnberg kam und Agnes Tetzelin, seine Jugendfreundin, auf der Straße sah. Sie war zur Jungfrau erblüht, ihr mädchenhaftes Antlitz zur vollendeten Schönheit gereift. Von Dienerinnen umgeben, reich gekleidet, wie es einer Patrizierin anstand, schritt sie über den Marktplatz, als Eppelein sie gewahrte. Da beschloß er, sie zu seiner Gattin zu machen.
Am Abend desselben Tages noch suchte er sie wie ehedem am Gartenzaun auf und sprach mit ihr über seine Absicht. Auch sie hatte den schmucken Ritter nicht vergessen, ermunterte ihn bei seinem Vorhaben, wäre auch gerne Burgherrin geworden.
Als Eppelein auf der Rückkehr wieder durch Nürnberg kam, begab er sich kurzerhand zu Agnes' Vater und brachte sein Anliegen vor. Bei dem aber kam er schlecht an.
Der Bürgerstolz kannte keine Grenzen mehr. Geld mußte in die Truhen kommen und nicht der Vater noch dazu geben, wenn er seine Tochter verheiraten wollte. Ein Ritter war den vornehmen Herren in den Städten nicht mehr gut genug. Es hätte schon ein Graf sein müssen. Diese aber dachten nicht daran, die Töchter der Krämer zu ehelichen, und wenn sie dieselben auch mit Gold behingen. Daher gab man seine Tochter dem Ebenbürtigen lieber, dem Sohne eines befreundeten Handelsherren in der Stadt oder einem der reichen jungen Leute zu Regensburg, Würzburg oder anderenorts.
Der Tetzel war ein in Nürnberg sehr angesehener Mann. Er hatte eines bekannten und begüterten Gärtners Tochter zum Eheweib, Urkundlich. war selbst vermögend, hatte viel dazugearbeitet, im Jahre 1330 eine Stiftung gemacht und das Kirchlein Sankt Peter am Siechgraben zu bauen angefangen. Desgleichen. Da er in den Rat zu kommen hoffte, suchte er Verbindung mit anderen bekannten Geschlechtern, hatte sie auch gefunden und seine Tochter dem jungen Ulrich Mendel versprochen.
Als daher Eppelein dem Alten seine Absicht vortrug, lachte der ihn aus, und obwohl der Ritter ihm darlegte, was er an Hab und Gut besaß, und das war zu damaliger Zeit kein Geringes, wies ihm jener die Türe und verbot ihm jeden weiteren Umgang mit seiner Tochter.
Da gab es heiße Tränen in Schön-Agnes' Augen und manches harte Drohwort von des Ritters Lippen. Doch dachte Eppelein nicht daran, so ohne weiteres nachzugeben.
Was der Vater nicht will, das tut vielleicht der Rat der Stadt Nürnberg, dachte er.
So sandte er einen Boten an denselben mit einem Schreiben des Inhaltes:
»An einen hochweisen, wohllöblichen und hochgeehrten Rat
der freien und gueten Stadt Nürnberg!
Ist mir bekannt worden, daß ihr habet in Eueren Mauern ein ehrbar Jungfrau, nomine Agnes, die Tetzelin, so mir guet von Herzen und einig, mein Ehewirtin zu werden. So man nit weiß, was die Zeiten bringen und es wohl von Nutz und Frommen für Euer Stadt und Bürger, ein Fürsprech zu haben draußen im Land, tue Euch kund und zu wissen, daß mir besagte Agnes lieb und wert und ich gar wohl geneigt, selbige zu meiner Eheliebsten zu nehmen, sie wohl zu halten und in Ehren. So mir Vater besagter Agnes ein Heiratsgut mitgäbe von zehenttausend Gulden und ein wohl gefüllt Schränklein mit Weißzeug und was sonst eines Ritters Frau Not tut, erkenne mich bereit, genannt ehrbar Fräulein in meinen Armen zu empfah'n und ein Hochzeitsfest zu bereiten, wie es Stadt und Land Nürnberg anhero nit gesehen. Sollte mir aber ein wohlweiser und hochlöblicher Rat nit geneigt sein, so werd ich demzumtrotz doch ein Fest anrichten, mir mein Brautgab mit eigener Hand holen, auch mir den Eidamskuß zu eigen machen von Frau Agnes' schönen Lippen und ein Brautfackel anzünden, daß selbige im Lande leuchtet, so weit man sehen kann vom fünfeckigen Turm.
Dies bescheiden Ersuchen lege mit untertänigstem Gruße zu Füßen und zeichne Euerer ehrbaren Gesamtheit zum Gruß und in aller Freundschaft:
Appel von Gailing auf Illesheim und Dramaus, Herr zu Wald und Steinbach!«
Als sie das lasen, da steckten die Herren zu Nürnberg die Köpfe zueinander und beratschlagten und disputierten, lachten aber über die Frechheit und Drohung des Ritters und sandten ihm die Antwort zurück:
»An den ehrenwerten Herren und Ritter Apollonius von Gailing auf Illesheim und Dramaus, Herrn zu Wald und Steinbach!
Ist nit Nürnberg Art, Eines der ihren zu verschachern gegen den Willen ihres Vaters. Ist besagte Jungfrau Agnes Tetzelin dem ehrbaren und allgeachteten Herren Ulricus Mendel zu Nürnberg versprochen und der Hochzeitstag auf Pfingstsonntag festgesetzt. Kann der Rat der freien Stadt Nürnberg fürder nichts daran deuteln und ändern. Ist auch nit befugt hierzu, stellt vielmehr dem Herren von Gailing anheimb, so zu tun, wie er willens, und fürcht sich auch nit vor Raub und Brand, sozumalen er in Gunst bei seinem kaiserlichen Gebieter und Herrn.
Solches erbietet zur geneigten Erachtung und Kenntnis der freien Reichsstadt Nürnberg hoher Rat.«
Da wußte nun Eppelein, daß er keine Aussicht mehr habe, Agnes auf seine Burg zu führen, trachtete auch nicht mehr danach, denn er hatte indessen in der Schwester Kunigund seines Freundes Götz von Jachsberg eine andere Wahl getroffen. Doch ärgerte ihn die hochfahrende Art der Pfeffersäcke und er ließ an einem Pfeil befestigt dem Turmwächter am Frauentor zu Nürnberg ein letztes Schreiben an den Rat durch das Fenster schießen, des Inhaltes:
»An den unweisen und nicht ehrbaren Rat der Krämerstadt Nürnberg!
Ist mir kund worden, daß Ihr Pfeffersäck und Tuchflicker, Ihr Holzschnitzer und Wucherer dem wohlgemeinten Ansuchen des edelen und ehrbaren Herren Appel auf Gailing zu Illesheim und Dramaus, Herrn zu Wald und Steinbach und andererorts nit wohl möget willfahren. Tut er Euch kund und zu wissen, daß er auf Agnes Tetzelin mag verzichten, sich aber trotzdem sein Brautgeschenk holen wird am Pfingstsonntag zur zehenten Stund des Morgens. So er solches in Händen, wird er auch nit eine Fackel anzunden, so zumalen er erkannt, daß ihm Euer aller Gemeinheit nit wert erscheint der Zeit, so man braucht einen Funken Feuer aus dem Stein zu schlagen. Gibt Euch aber fürder zu erkennen, daß er Euch Fehde ansaget von der Stund und nit will schonen Euer und der Euerigen Leben und Gut, Holz und Wald, Wies und Feld. Gibt Euch auch zu merken und darnach zu achten:
Eppela Gaila von Dramaus
reit allzeit zu vierzehet aus!«
Seinen Freunden aber sandte er daraufhin Boten und ließ sie auf Walburgisnacht des Jahres 1339 auf Schloß Drameysl entbieten, wo er ihnen wichtige Botschaft zu vermelden habe.
Es ging drunter und drüber im Reiche. Friedrichs des Schönen Bruder Leopold von Oesterreich hatte nach dessen Gefangennahme in der Mühlberger Schlacht sich an Karl den Vierten von Frankreich gewandt und ihm seine Unterstützung angeboten, falls er sich um die deutsche Kaiserkrone bewerben wolle. Dieser war dazu bereit, doch brachte es der Bischof von Mainz, Berthold von Buscheck, durch seinen Einfluß dazu, dies zu hintertreiben. Hingegen sprach Papst Johann der Zwölfte über Kaiser Ludwig, als dieser ihm gegenüber seine Rechte auf Oberitalien geltend machen wollte, den Bann aus und wiegelte die Polen auf, in die Mark Brandenburg, welche Ludwig seinem gleichnamigen Sohne gegeben hatte, mit Heeresmacht einzufallen. Diese wurden zurückgeschlagen und jetzt versöhnte sich Ludwig mit Friedrich und entließ ihn auf Treueid aus der Haft auf Trausnitz, damit er unter seinen Anhängern zum Frieden rate. Dies war am 13. März 1325 geschehen. Dann hatte der Kaiser seinen Römerzug unternommen, war in Mailand eingezogen und gegen Rom gerückt. Da der Papst die Krönung aber nicht vollzog, erklärten die deutschen Fürsten 1338 auf dem Kurverein zu Rhense, daß, wen die deutschen Kurfürsten zum König gewählt hätten, auch deutscher König und römischer Kaiser sei ohne die Zustimmung des Papstes und Krönung in Rom.
Als Ludwig von seinem Italienzug zurückkehrte, beschenkte er die ihm treu gebliebene Geistlichkeit reichlich, gründete etliche neue Klöster und räumte durch Zugeständnisse den Herzögen und dem hohen Adel, den Grafen und Freien, eine bedeutende Machtstellung ein. Auch die Städte, welche zu dem Römerzug das Geld vorgestreckt hatten, erhielten neue Rechte und Privilegien, sowie eine eigene Gerichtsbarkeit.
Nur die kleineren Herren und Ritter gingen leer aus und, um sich ihre Stellung gegenüber den Bevorzugten zu sichern, taten sie sich in Bündnissen zusammen.
Einen solchen Bund zu gründen, war auch Eppeleins Absicht und es geschah in der Nacht auf den ersten Mai nahe bei Drameysl im sogenannten Druidenhain, Druiden hießen die keltischen Priester. Vielfach verwechselt wird der Name mit Druden = Zauberer und Hexen. wo sie sich in der Hexennacht ungestört wähnten, denn die Bauern der Umgebung mieden zu solcher Stunde den verrufenen Ort.
Eine wilde Schaar war es, die dort zur Mitternachtsstunde auf den Steinen saß und ein Bäuerlein von Wohlmannsgeseeß, das dort zur Geisterstunde einen Schatz hatte heben wollen lief heim und meldete, dort hielten die Druden ein Bankett bei Kinderfleisch und Menschenblut.
Fast alle, an die Eppelein den Ruf hatte ergehen lassen, waren zugegen, seine Jugendfreunde Dieter, Häublin und Hermann von Bernheim, Dieter von Wiesentau, dann der Schlüsselberger Konrad von Neideck, Albrecht Eisenhut, Albrecht und Rudolf die Kämmerer, Hermann Nest, Fritz Walch, Raban von Neuenstein, Adam von Crailsheim, Fritz von Gattendorf, Hans von Kräenheim, Walter von Lohenstein, Steinberger von Gunzenhausen, Götz von Jachsberg, sein Schwager und Dietmar Rot Urkundlich.. Als letzten nahmen sie in den Bund den Juden Jäcklein Desgleichen., der sich gegen seine Vaterstadt Nürnberg verschworen hatte und ihnen von Nutzen war, da er ihnen das in der Fehde Geraubte in klingende Münze umsetzen sollte.
So schlossen sie auf Treueid den Bund der Zwanzig gegen Nürnberg, Windsheim, Weißenburg, Rothenburg, Bamberg und Würzburg, ihre Rechte zu wahren gegen alle Uebergriffe, sich mit Gewalt zu versehen gegen Gewalt, die Straßen zu sperren, für vogelfrei zu erklären und zu nehmen Ware und Gut, Leib und Leben ihrer Gegner innerhalb ihrer Gemarkung. Sie schwuren sich Treue auf Leben und Tod, einander zu helfen, wo einer in Not, brüderlich den Gewinn zu teilen und zu rächen, wo einer oder eines Knecht von Feindeshand gefallen oder ihm ein Unrecht geschehen sei von Seiten der Städte.
Wohl war nicht alles Recht und Gesetz, was sie taten, aber die unruhige Zeit, ihre gefährdete Stellung, die Ueberlieferungen ihrer Vorfahren zwangen dazu und, was die Großen allenthalben taten, warum sollte das dem Kleinen verwehrt sein, denen keine hohe Stellung, kein großer Name Schutz bot zur Wahrung ihrer Rechte.