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7.

Wie Eppelein den Nürnbergern den ersten Schabernack spielt.

Warm und friedlich lag der Pfingstsonntag über Franken. Aus der Blüten Kelchen, die sich dem Lenz geöffnet, drang balsamischer Duft und füllte die schimmernde Weite. Ein leises Summen und Surren der Mücken und Käfer war über Wiesen und Feldern und mit fröhlichem Gesang begrüßten die Menschen, die den Tag im Freien zu verbringen gedachten, den Morgen.

Von den Türmen der Stadt Nürnberg wallte der Glockenklang über die Dächer und das Gemäuer hinaus ins Land und vor der Sebalduskirche wogten die festlich gekleideten, bunten Mengen der Bürger, lachten und scherzten und freuten sich der Gnade des Himmels, der dem Tage den hellen Glanz der Sonne beschieden.

Es gab mancherlei zu sehen. Ganz Nürnberg kam zum Stelldichein, denn heute tat ein bekanntes Paar, Ulrich Mendel und Agnes Tetzelin, den Brautgang. Weiß gekleidete Mädchen streuten Rosen über die Prunkteppiche, die vor dem Kirchenportal an der Nordseite bunt ausgebreitet das holprige Pflaster deckten, wo die Brautpaare zur Kirche gingen und das heute noch den Namen »das Brauttor« führt. Weit vor die Tore auch war die Kunde gedrungen, daß Herr Tetzel es sich nicht wolle nehmen lassen, den Festtag seiner viellieben Tochter Agnes zu einem allgemeinen Freudentage zu gestalten, und vom Lande waren zu früher Morgenstunde die Neugierigen gekommen, sich an all dem Prunk und der Pracht einer Nürnberger Patrizierhochzeit zu ergötzen.

Aus allen Fenstern hingen die Wimpel und pendelten über der buntfarbigen, rauschenden Menge, die sich auf allen Straßen und in allen Gassen bewegte. Da sah man die Herren und Damen der Geschlechter in Sammet und Seide, Brokat und Burgundertuch, die Männer mit zierlich gelocktem Haar und gebranntem Bart, die Frauen in kunstvoll juwelendurchwirkter Frisur, die wohl abstachen gegen die einfachere Kleidung der Zünftler und Handwerker. Doch auch diese hatten sich mit Bändern und Blumen herausgeputzt und manches Jüngferlein, das sittsam zwischen den Eltern einherschritt, bedurfte keines Putzes, denn unterm reichen Haarkranz das frische Gesicht war Schmuck genug. Breitbrüstig und keck stolzierten die jungen Patrizier einher, das Schwert am Gehänge, die Pfauenfeder am Barett und ließen sich gern die neidischen Blicke der minder begünstigten Bürger gefallen. Dann wieder gab es ein helles Gerassel, wo die Reisigen auf hohem Roß einhersprengten und sich durch die wogenden Massen zwängten, ihrer Pflicht wohl bewußt, oder es drängten sich die Leute halb ängstlich, halb scherzend gegen die Häuser, wenn mit seinen Knechten einer der Ritter des Landes trotzig und hochgereckt durch die Straßen ritt, denn auch von ihnen war mancher geladen und scheute es nicht, dem Rufe Folge zu leisten, wo Aussicht war auf ein gutes Essen und einen kräftigen Trunk. Dann wieder schaffte sich ein singender und springender Trupp fröhlicher Spielleute Platz und vornher pfiff und hupfte die Nürnberger Jugend. Aus den Erkern aber schauten andere und warfen Rosen und Blüten herunter, auch Süßigkeiten für die Kleinen, und es gab ein kreischendes Getümmel unter den Fenstern, die Straßenjungen kratzten und balgten sich, bis ein Wächter der Ordnung sie bei den Ohren nahm.

Eingedenk der Drohworte des Ritters von Gailing hatte der Rat die Torhüter angewiesen, ihr Augenmerk auf die von außen Kommenden zu richten und besonders darauf zu achten, daß jeder, der einigen Verdacht errege, sich ausweise. Aber keiner, der dazu Anlaß gegeben, hatte sich gezeigt. Auch den Gauklern und Spielleuten, die in Menge herbeigeströmt waren, hatte man die Papiere durchgesehen, sie aber alle ungehindert eingelassen, denn man liebte ihre kurzweiligen Künste. Hätten sie da den vornehmen geistlichen Herrn, der zu Roß durchs Spittlertor einritt, fragen sollen, von wannen er käme? Sollten sie einem Kuttenträger mißtrauen, vor dem die Leute die Kniee beugten, die reichen wie die armen, und der sie mit milden Worten segnete, wo einer herzutrat, ihm den Saum des Habits zu küssen? Das mochte wohl ein Chorherr sein von Bamberg oder Würzburg, da er an güldener Kette das Kreuz trug, ein Abt vielleicht, der von Heilbronn oder Pillenreuth des Weges kam.

Vor dem Bauhof, der sogenannten Peunt, in welchem sich auch die Wechselstube befand, drängte sich die Menge, heiß und dicht, und heischte Einlaß. Hier verwahrte man ein seltenes Geschmeide, den silbernen Vogelkäfig, wie man es nannte, einen Gitterkasten, in welchem nur einmal im Jahre die Nürnberger Gold- und Silberarbeiter ihre kostbarsten Kunstwerke auszustellen pflegten. Heute befanden sich in demselben Waren im Werte von 6000 Gulden, darunter ein Almandin, der allein seine vierhundert kostete. Urkundlich. Ein Diener des Rates stand mit seiner Helmbarde dabei und sorgte für die Ordnung. Hierhin lenkte auch der Geistliche sein Roß, stieg ab und band das Tier an einen in der Mauer eingelassenen Ring. Dann stieg er die Treppe hinauf und ließ sich von dem Diener Erklärungen geben, drückte auch sein Erstaunen aus über so viel Kunstfertigkeit, wie er ähnliche Wunder nur in jenen fernen Ländern gesehen habe, die er einst durchwandert, als er zum heiligen Grabe gewallfahrt sei. Da lauschten die Umstehenden seiner Rede und sperrten die Mäuler auf und ihre Blicke hingen an den hellen Augen des Mannes, aus denen es wie Begeisterung flammte. Sah man ihm doch an, daß er weite Wege gegangen sei, denn braungebrannt war sein Antlitz unter dem schwarzen Haar.

Da kam im Nebensaal ein Tumult auf. Drei Bauern hatten dort miteinander Streit bekommen und hieben mit Fäusten und Knotenstöcken auf einander ein, knufften und stießen sich und wer herbeigeeilt war, der unverhofften Belustigung zuzusehen, bekam wohl auch einen kräftigen Stoß ab, was für ihn wieder Anlaß gab, sich in den Streit zu mengen. Das dauerte so eine Weile, bis der geistliche Herr dem Ratsdiener bedeutete, er solle den Streit schlichten, er wolle so lange das Kleinod bewachen. Der tat es denn auch mit starken Fäusten und setzte die Ruhestörer an die Luft. Als aber die Menge zurückdrängte, die unterbrochene Beschau fortzusetzen, war kein Mönch und kein silbernes Vogelhaus mehr zu sehen, nur eine Kutte lag auf dem Boden.

Das gab einen Auflauf und ein Geschrei. Alles rannte der Türe zu, klagte und rief, und bald verbreitete sich die Kunde von dem kühnen Raub in der Stadt. Durch das Frauentor aber sprengte zu gleicher Zeit ein wilder Reiter, ritt den Torhüter nieder, der ihm den Weg vertreten und den silbernen Kasten entreißen wollte, und was Zeug hielt, zur Stadt hinaus.

Von Mund zu Mund ging die Kunde, und die Erregung war groß, besonders unter den Ratsherren, die den frechen Räuber wohl kannten, der sein Brautgeschenk geholt zur zehnten Stunde des Morgens.

Dem Volke aber mußte es erst der fahrende Sänger verkünden, der wenig später zur Stadt kam und nach des Herrn Tetzel Haus frug, wo er dem Brautpaar ein Liedlein singen wolle, daß er den Appel von Gailing draußen auf der Landstraße gesehen habe, einen silbernen Käfig in der Hand, wie er nordwärts ritt.

Die drei Bauern, die den Streit veranlaßt, saßen versöhnt am Markt in einer Schenke, ließen sich freihalten und mußten den Neugierigen immer wieder von vorn erzählen, wie die Sache sich zugetragen habe. Es ahnte niemand, daß es Guckhinaus, Tummeldich und Sperrdiestraß waren, des Gailingers verwegenste Knechte. Häublin von Bernheim aber hatte unweit der Stadt auf Eppelein gewartet und ihm die Geschmeide abgenommen.

Im Hause des Herren Tetzel hatte sich die Erregung bald gelegt. Dort ging es hoch her und man hatte Besseres zu tun. Als die Tafel beendet war und einzelne Paare sich schon im Reigen zu drehen begannen, bat der fahrende Sänger, der Einlaß gefunden hatte, um die Erlaubnis, des jungen Brautpaares Ehre zu besingen. Gern ward es ihm gestattet und er trug ein Lied vor, in dem er zum Schluß dem Paare Glück und Segen wünschte.

Als er geendet und für sein Lied klingendes Entgelt einheimste, stellte ihm Herr Tetzel außerdem einen Wunsch frei wie das der Brauch. Da verlangte der junge Mann einen Kuß vom Rosenmund der schönen jungen Frau. Lachend ob so viel Bescheidenheit gewährte ihm das Herr Tetzel. Agnes tat gar schämig, doch alles, auch der junge Gatte drängte, dem Sänger den Wunsch nicht zu versagen. Da bot sie ihm die Lippen, ihr Herz aber pochte dabei, denn sie wußte wohl, wessen Lippen auf den ihrigen lagen. Das erfuhren die anderen erst am nächsten Morgen, als am Rathaus der geleerte silberne Vogelkäfig hing und darin ein Schreiben. Jeder der vorüberkam und lesen konnte, las es, den anderen sprach es ein Kundiger vor, und ein großes Lachen verbreitete sich in der Stadt, bis der Käfig und das Schreiben auf des Rates Geheiß entfernt wurde.

Gar weidlich erbosten sich da die Herren, als Herr Stromer den Inhalt meldete:

»Dem hochlöblichen und allweisen Rat der freien und guten Stadt Nürnberg tue ich kund und zu wissen, daß ich mir gestern, wie angegeben, mein Brautgeschenk geholt. Ist nit meine Schuld, daß Ihr das wertvoll Kästlin so schlecht habet bewachen lassen. Vermeinte daher, daß Ihr es mir wolltet in Wirklichkeit zum Geschenk machen. So hab ich's mir nommen und sage meinen alleruntertänigsten Dank dafür und Gruß. Dank auch dem Herren Tetzel für das schundig Trinkgeld, das er meiner Sangeskunst geboten, auch Frau Agnes Mendelin für den Brautkuß, der mir gar wohl gemundet, ob es Herren Ulricus auch gereuen möge.

Das Euch, Ihr Pfeffersäck und Gwandschneider zum Gedenken an den

Eppelein.«

Wenige Zeit darauf führte er Kunigunde von Jachsberg als Herrin auf seine Burg Obergailnau. Zur Brautgabe brachte er ihr ein kostbares Gehänge, das ihm der Jude Jäcklein zu Forchheim aus den Juwelen des silbernen Käfigs hatte verfertigen lassen. Den wertvollen Almandin aber trug er seitdem als Kleinod im Schwertknauf, und wenn man ihn danach fragte, so gab er zur Antwort:

»Damit ich die Nürnberger nit vergeß, hab ich mir das Steinlein da eingelassen.«

 


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