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XXIII.
König Doramas.

. Noch nicht vierhundert Jahre sind es her, und es war gerade in den Apriltagen, wo ich den Ritt ins Innere von Gran Canaria machte, als diese Berge und Schluchten widerhallten vom Todesschrei eines heldenmüthigen Volkes. Drüben am Meere lag Telde mit seiner Palmenpracht, wo der Löwe der Wandschen sein Lager hatte. Wie kühn und glorreich kämpften er und die Seinigen! Wie heldenhaft war sein Fall! Doch auch hier ging es wie auf den anderen Inseln: nachdem der Landfeind Treffen auf Treffen verloren hatte, wurden die Wandschen schließlich durch Wandschen besiegt.

Die Angriffe begannen zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts, als der Normannenritter Bethencourt die beiden westlichen Inseln, Fuerteventura und Lanzarote, erobert hatte. Er landete mit einem stattlichen Heere auf Gran Canaria. Sofort strömten die Bewohner zu Tausenden herbei und beobachteten die Fremdlinge. Der benachbarte König, der zu Arwinewin wohnte, erschien zu Unterredungen, und alles ließ sich friedfertig an, bis die Normannen anfingen, prahlerisch und beleidigend aufzutreten. Da schwangen die Canarier ihre langen Lanzen, eine Schlacht entbrannte, und bald lagen Bethencourts beste Männer am Boden. Mit dem Reste segelte er eilig nach der kleineren Insel Palma. Auch dort blutig zurückgewiesen, versuchte er sein Glück noch auf dem entlegenen Ferro. Hier freute sich der Fürst der fernher kommenden Männer und empfing sie mit Freundschaft. Klug und liebreich wußte Bethencourt Vertrauen einzuflößen, und als der Arglose an nichts weniger dachte, wurde er plötzlich mit Hunderten seiner Unterthanen ergriffen, aufgehoben, in die Schiffe geschleppt. Man machte die Unglücklichen zu Gelde, indem man sie in die Sklaverei verkaufte.

Das war damals der Brauch so. Man landete unvermuthet, machte sofort Jagd auf Viehheerden, auf Weiber und Kinder, und versammelten sich die Vertheidiger und wollten angreifen, so waren sie leicht zu bethören, indem man den Raub wiedergab und friedlich verhandelte. Denn diese Wandschen waren gar zu redlich und gutherzig. Hatte man sie in Sicherheit und Freundschaft eingewiegt, so wurden sie überfallen, theils erschlagen, theils gefesselt und in die Schiffe gebracht. Blinden Heiden brauchte man ja – das war allgemeiner Glaube – ebensowenig Treue und Glauben zu halten, als hätte man mit einer Heerde wilder Thiere verhandelt. Die starken behenden und gelehrigen Canarier aber waren gesucht auf allen Sklavenmärkten.

Zwanzig Jahre nach Bethencourt faßten die Portugiesen den Entschluß, sich der werthvollen Inseln zu versichern. Sie schifften aus Gran Canaria tausend Mann wohlbewaffneter Soldaten aus. Die Eingeborenen aber stürmten von ihren Anhöhen herunter, drangen mit vernichtenden Schlägen auf die Feinde ein, und die ganze portugiesische Ausrüstung wurde zunichte. Jetzt hatten sie sich für vierzig Jahre Ruhe verschafft. Ihre Kraft und Klugheit machte sie furchtbar, obwohl ihre Waffen nur in Steinwürfen bestanden, in Lanzen ohne Eisen, und Aexten und Messern von Feuerstein.

Im Jahre 1461, als die vier kleineren Inseln unter der Herrschaft des tapfern und verschlagenen Diego Herrera standen, nahm Dieser die Eroberung von Gran Canaria wieder auf, und setzte ein halbes Menschenalter hindurch all seine Habe, all seine List und Schlauheit daran, sie zu Stande zu bringen. Allein auch er verlor eine Ausrüstung nach der andern. Einmal hatte er durch friedliche Unterhandlungen so viel erreicht, daß man ihm gegen Geiselstellung erlaubte, zu Gando ein Kastell zu bauen. Da hielt er eine lange Zeit täuschende Ruhe und begnügte sich, sein Fort so fest als möglich zu machen. Sobald er aber seine Geiseln wieder hatte und portugiesische Unterstützung ihm zufloß, begannen die Raubzüge. Konnte man die Gefangenen nicht wegbringen, so wurden sie getödtet und heimlich verscharrt. Da stellte in der Stille der Häuptling Maninidra seine Krieger auf, überfiel die streifenden Soldaten, erschlug sie und steckte seine Leute in ihre Kleider. Mit einer großen Viehheerde, gleich als kämen die Soldaten vom glücklichen Raubzuge heim, zog er des Abends zum Kastell. Es war schon dunkel, und die Thore öffneten sich. Kaum aber waren die Canarier drinnen, so sprangen sie auf die Soldaten los, und im Nu lag die halbe Besatzung durchbohrt von ihren Spießen, während ihre Feuerbrände in die hölzernen Hütten flogen. Der Kommandant ergab sich mit dem Rest seiner Leute, und da er demüthig um Frieden bat, so waren die Wandschen wieder leicht begütigt. Es wurde ein Vertrag abgeschlossen des Inhalts: die Insel solle fortan aller Angriffe erledigt sein.

Diego aber brach sogleich die Uebereinkunft, sobald er nur wieder frische Truppen hatte. Doch auch diese sahen sich bald nach ihrer Landung umringt: jauchzend strömten die Wehrmänner von allen Seiten herbei. Zwei Tage lang kämpften die Spanier, dann mußten sie sich ergeben, ermattet von Wunden und Hunger. Und auch jetzt wieder forderten die Canarier, die in angeborenem Edelmuth niemals einen Wehrlosen antasteten, nichts anderes, als das Versprechen, sie fortan in Ruhe zu lassen. Als dieses Gelöbniß bei allem Heiligen beschworen war, wurden die Ueberwundenen mit Speise und Trank erquickt und ehrenvoll nach ihren Schiffen geleitet.

Wiederum schimmerte den Canariern ihre geliebte Insel im herzstärkenden Schmucke der Freiheit, mehr als siebenzig Jahre lang hatte der Sieg ihre Tapferkeit gekrönt, so oft und stark auch Feinde landeten. Da entschlossen sich die Könige Ferdinand und Isabella von Spanien zu einer großen Unternehmung, um endlich die vielbegehrte Insel zu erobern. Juan Rejon, ein Ritter wie er den Wandschen gefallen mußte, – denn er hatte etwas Offenes Kühnes und Fröhliches in seinem Wesen, ohne der spanischen Listen zu entbehren, – wurde zum Generalkapitän ernannt, und an seinen Heereskern von neunhundert Mann erlesenen Fußvolks und dreißig Panzerreitern schlossen sich, wie es damals gewöhnlich war, ganze Schwärme von Abenteurern und Canariern der unterworfenen Inseln. Rejons Unterfeldherr war sein Schwager, und es begleitete sie der Dechant Bermudez, der in canarischen Dingen gut Bescheid wußte.

Am 22. Juni 1478 geschah die Landung in der Bucht der Isleta. Von Palmen wurde eine Laubhütte errichtet, ein Altar darin aufgestellt, und in voller Rüstung las der Feldkaplan Bermudez die Messe, während das Heer andächtig in Reihen und Waffen stand. Als man nun nach Gando aufbrach, wo Herreras Kastell gewesen und zum Thal von Winiwada kam, erschien eine canarische Greisin im fliegenden Haar und rief: »Was wollt Ihr in Gando? Das ist weit und der Weg gefährlich. Seht, hier sind Wasser und Palmen!« Die Spanier, ergriffen von dem wunderbaren Auftreten des Weibes, das castilianisch sprach, beriethen sich und folgten ihrer Führung. Sie brachte sie auf die Stelle, wo jetzt die Hauptstadt der Insel prächtig in der Thalmündung sich ausbreitet, und als sie dort anlangten, war sie verschwunden. Da glaubte Rejon, sie sei seine Schutzpatronin, die heilige Mutter Anna. Die Spanier schlugen ihr Lager auf und befestigten es eilig mit einem Wall von Steinen und mit Verhauen von Palmenstämmen, und dann fingen sie an in seinem Umkreis Thurm und Magazine zu bauen.

Gran Canaria war damals gleich den andern Inseln in mehrere Gaue zertheilt, deren Bevölkerung unabhängig von einander in ihren alten Sitten dahin lebte. Als aber die Einfälle der Seeräuber begannen, hatte eine fürstliche Jungfrau Antidamana, blendend schön und von strömender Kraft der Rede, es verstanden, die ganze Insel, indem sie mit dem mächtigsten Wayren oder Häuptling sich vermählte, unter eine einzige Oberherrschaft zu bringen. Zum Unglück theilten schon ihre beiden Enkel das Reich wieder; nur blieb ein oberster Rath von sechs Wayren bestehen, der sich regelmäßig zu Galdar versammelte, während der andere König zu Telde wohnte. Dieser Letztere starb, als die spanische Gefahr drohend an den Küsten erschien, und hinterließ nur einen unmündigen Erben. Da erhob das Volk an dessen Statt Doramas, einen gewaltigen Krieger, unter allgemeinem Zujauchzen auf den Thron, während Antidamanas Enkel Tenesor in Galdar fortregierte.

Doramas war kein Adliger, gehörte nicht einmal zum Stande der Gemeinfreien, sondern sein Vater war ein »Geschorener« gewesen. Es hießen nämlich die hörigen Leute, die auf eines andern Mannes Boden saßen und ihm dafür dienten, Geschorene, weil Gesetz und Sitte ihnen verbot, langes Haar zu tragen. Es war deshalb Doramas nicht leicht geworden, sich gegen Spott und Feindschaft des Adels zu behaupten. Der Sohn des letzten Königs, den man wider die Erbgewohnheit seinem Vater nicht nachfolgen ließ, flüchtete nach Galdar und stellte sich unter den Schutz seiner Verwandten.

Es ist uns überliefert, der Name Doramas habe einen Mann mit großen Nasenlöchern bedeutet. Leicht möglich, daß der feindselige Adel des gefürchteten Mannes Namen zum Spotte verdrehete, und aus dem m ein n machte, so daß es »König Thürnase« hieß.

Die gemeinen Wehrmänner aber fühlten, daß in den schlimmen Zeiten sie eines starken und klugen Kriegshauptes bedurften. Als nun Rejon landete, berief Doramas eine allgemeine Volksversammlung, auf welcher auch der König von Galdar und der ganze Adel der Insel erschien. Und soviel vermochte Doramas durch das Gewicht seiner Persönlichkeit, durch seine Klugheit und strömende Rede, daß sie alle gelobten, die alten Streitigkeiten beizulegen und sich zu einigen gegen den gemeinsamen Feind. Die Wandschen übertrugen ihm den Oberbefehl, die Führung aber des Heeres von Galdar erhielt der riesenstarke Wayre Adargoma.

Mit zweitausend Mann, die sie in der Eile zusammengerafft, erschienen sie am vierten Abend nach der Spanier Landung. Der kluge Rejon sandte ihnen Botschaft entgegen: er trage ihnen herzliche Freundschaft an, die Canarier sollten bleiben in all ihrem Besitz und Wesen wie bisher, nur die Könige von Spanien sollten sie anerkennen und tausendfaches Gute davon genießen. Doramas erwiderte: »Sagt Eurem General, ich werde ihm morgen früh die Antwort bringen.«

Bei dem ersten Schimmer der Morgenröthe standen die Canarier in Schlachtordnung. Doramas redete sie an mit hallender Stimme, deutlich hörte man im spanischen Lager jedes Wort. »Diese Handvoll Fremder,« so lautete seine Rede, »gehört zu dem grausamen Volke, das seit einem Jahrhundert Jammer und Zerstörung in unsere Hütten bringt. Da sind sie wieder, die wir in so vielen Schlachten besiegten, dieselben die wir züchtigten nach dem Brande von Gando, dieselben die wir auf dem Landtag zu Galdar gefaßt hatten wie Fische in unsern Netzen. Nun auch keine Gnade mehr! Stellen wir ein- für allemal unsere Weiber und Kinder, unsere Ehre und Freiheit sicher gegen ihre Angriffe! Denkt daran, daß der erhabene Gott uns dieses Land zu eigen gegeben, und daß der große Artemi im Kampfe fiel gegen Bethencourt.«

Die Spanier hörten voll innerer Furcht im Morgengrauen diese schreckliche Stimme, und sie erbebten, als ein allgemeines Geschrei der Rede antwortete. Schon stürmten die Canarier mit wildem Ungestüm heran. Der kluge Rejon ließ ihren Anprall sich brechen an den Verschanzungen. Dann machte er plötzlich einen Ausfall, die Geschütze krachten, Dechant Bermudez stürzte sich an der Spitze der Reiterei wüthend auf die Canarier. Sie stutzten, wichen einen Augenblick, sofort aber waren sie wieder gesammelt und warfen mit neuem Muth ihre nackte Brust dem Feind entgegen. Drei Stunden dauerte das blutige Ringen, hin und her wogte die Schlacht, die Wayren Adargoma, Tazarte, und Maninidra thaten Wunder der Tapferkeit. Endlich gerieth der linke Flügel der Spanier in Unordnung und wurde geworfen, sie gaben den Sieg verloren. Da sprengte Rejon, der im Centrum hielt, verzweifelnd auf Adargoma ein, glücklich traf er ihn mit der Lanze, daß er stürzte und ergriffen wurde. Mit Schrecken sahen das die Canarier, aber wüthender stürmten sie wieder vor, und dämpften und achteten nicht, daß ihre Besten fielen unter den Kugeln der Geschütze und den Hufen der Reiterei. Nur Doramas erkannte, daß er das feste Lager nicht mehr erstürmen könne, und gab den Befehl zum Rückzug. Mehr als der sechste Theil seiner Krieger lag verblutend auf dem Schlachtfelde.

Der kühne Maninidra, einer ihrer in Wort und Lied gefeierten Helden, wollte noch einen Sturm auf das Lager versuchen. Als er aber nach neuer Niederlage zurückkehrte, hörten die Canarier auf den Rath, welchen Doramas gefaßt hatte. Sämmtlich verließen sie ihre Hütten und Pflanzungen und all ihr offenes Gebiet. Sie zogen fort mit Weib und Kind und ihren Heerden, und stiegen ins wilde Gebirge hinauf, dessen Schluchten und Zugänge sie verrammelten und besetzten. Hunger und Noth wollten sie auf sich nehmen, aber auch der Feind solle daran zu Grunde gehen. Die Spanier verlegten sich nun auf ein Raubsystem, überall zogen und lauerten ihre Streifschaaren, plünderten die Hütten aus und trieben Vieh und Menschen fort, so viel sich erreichen ließ. Wurden Canarier gefangen, ging es gleich mit ihnen auf die Schiffe, um sie in die Sklaverei zu verkaufen. Wer sich freiwillig ergab, hatte den Vortheil, daß er erst getauft wurde. Dieses Geschäft ruhte niemals, immer ließen Wandschen sich wieder fangen; denn angeboren war ihnen einmal der Eigensinn, der zu viel auf sich selbst, und die Gutmüthigkeit, die zu viel auf die Spanier vertraute.

Unterdessen erschienen acht kleine Kriegsschiffe mit Portugiesen bemannt, und diese schickten zu den Canariern Botschaft: sie seien Feinde der Spanier und wollten wider diese gemeinschaftliche Sache machen. Es wurde ein Tag bestimmt, wo die Portugiesen vom Meere, die Wandschen vom Lande aus die Umwallung der Feinde angreifen sollten. Doramas aber fürchtete, der eine Eroberer werde nur den anderen ablösen. Vorsichtig näherte er sich am festgesetzten Tag mit seinem Heere dem spanischen Heerlager. Als er aber im Morgengrauen von seinen Höhen das Gefilde bis zur See überblickte, da waren die Portugiesen vorschnell gelandet und schon im Gefechte mit den Spaniern. Sie fielen aber in einen Hinterhalt, flüchteten nach den Booten, und als diese ins Meer stießen, verschlang die Brandung eines nach dem andern. Doramas zog sich zurück. Die Portugiesen versuchten noch an andern Punkten zu landen. Sie konnten sich aber nirgends festsetzen und segelten endlich wieder nach ihrer Heimath.

Nun aber eröffneten die erbitterten Spanier einen unbarmherzigen Verheerungskrieg. Saaten und Hütten gingen in Flammen auf, Datteln- und Feigenbäume fielen unter den Aexten, hier und dort wurde eine Schlucht erstürmt. Die Canarier wichen immer weiter zurück.

Allein worauf sie gerechnet, erfolgte. Der Hunger schlich ins Lager ihrer Feinde und mit ihm kam die Zwietracht. Eine Verschwörung bildete sich gegen den General. Ihre Seele war der wilde Dechant Bermudez, der wüthend war, daß Rejon die verdammten Ungläubigen nicht immerfort angriff und verfolgte und tödtete. Rejon brachte endlich ein großes Versöhnungsmahl zu Stande. Die Tafel war aber noch nicht zu Ende, als wieder Streit entstand. Da fielen die Verschwornen über Rejon her, warfen ihn zur Erde, und schlugen ihn in Fesseln. Mit Ketten belastet wurde er nach Sevilla geschickt. Jetzt hatte Bermudez freies Spiel. Eilig sammelte er die besten Truppen und machte sich auf in das Gebiet von Tenoya. Die Canarier ließen ihn herankommen, und als sie ihn zwischen den Bergen und Schluchten hatten, sah er sich plötzlich auf allen Seiten angefallen. Mit grimmigen Schlägen drangen sie auf die Spanier ein, Mann auf Mann stürzte, auch fünf Reiter gingen mit ihren Rossen unter den schmetternden Steinwürfen zu Grunde, und Bermudez mußte froh sein, sich zu flüchten, so rasch er konnte.

Nun saßen die Spanier wieder in ihrem Fort in Hunger und Elend. Denn das Land war ringsum verheert und wie ausgestorben. Unterdessen langte vom spanischen Hofe ein neuer General an, Algaba, der jedoch ebenso wenig ausrichten konnte. Rejon aber hatte sich in Sevilla gerechtfertigt und kehrte mit vier Schiffen und neuen Mannschaften zurück. Er erschien vor der Festung auf Canaria und ließ seine Ankunft melden und daß man ihm die Thore öffne. Da spielten ihm der schlaue Bermudez und Algaba einen argen Streich. Sie entboten ihm ihre Unterwerfung, öffneten die Thore und erschienen am Strande, den Obergeneral zu empfangen. Die neuen Mannschaften wurden ausgeschifft, Boot auf Boot landete, wurde fröhlich bewillkommnet. Zuletzt wollte Rejon folgen. Da ließen Algaba und Bermudez die Geschütze auffahren und droheten, sein Boot in den Grund zu schießen, wenn er sich unterstehe, dem Lande näher zu kommen. Er wagte es nicht und kehrte auf sein Schiff zurück. Was wollte er thun? Seiner Truppen war er ledig, bitter getäuscht segelte er nach Spanien zurück.

Die Spanier aber unternahmen mit all' den neuen Verstärkungen einen Hauptzug. Sie segelten eilig nach dem entfernten Süden der Insel, landeten bei Arwinewin und rückten ins Tirazana-Thal hinauf. Hier hatten die Canarier sie nicht erwartet. Sie stoben auf allen Seiten auseinander, und die Spanier trieben eine Menge Vieh zusammen und beluden ihre Lastthiere mit Gerste und Feigen. Als sie aber sich zum Rückzug gewendet hatten und, beladen und gehindert durch die viele Beute, gerade anfingen, diese einzuschiffen, hatten sich die Canarier wieder gesammelt, griffen die Spanier an, durchbrachen die eilig aufgestellte Schlachtordnung aufs Neue, und brachten Tod und Verderben über die Flüchtenden. Die Spanier ließen 22 Todte 100 Verwundete und 80 andere Gefangene an der Unheilsküste zurück. Das Volk verlangte den Tod der Achtzig, aber eine greise Harimagada trat hervor und rief: »Schändlich sei es, Wehrlose abzuschlachten,« und die Frauen eilten herbei, die verwundeten Feinde zu laben. Der edle Doramas ließ alle Spanier erquicken und pflegen und gab auch die Achtzig frei ohne Lösegeld. Er hoffte, der Feind solle, belehrt durch so viel Unglück, gerührt von so viel Großmuth, jetzt endlich die Insel verlassen, die, vordem so glücklich, jetzt von nichts mehr wußte als von Verheerung Tod und Hunger und Seuchen.

Allein wie hätten die spanischen Offiziere, wie hätte vollends ein Bermudez von der Milde und Großmuth der Wandschen sich rühren lassen, wie hätte ihnen nur einen Augenblick deren heiliges Naturrecht einleuchten sollen! Für sie waren die Canarier ja nur schändliche Götzendiener, nur zu Sklaven gut, oder mit Schwert und Kugeln zu behandeln. Königstreue Glaubenswuth, habsüchtige Pläne hielten die Spanier gleichmäßig auf der Insel fest.

Während nun Monat für Monat Bermudez und Algaba hülflos und unthätig im Lager saßen und immer dringender um Verstärkung schrieben, hatte Rejon endlich am spanischen Hofe vollständig triumphirt. Mit einem großen Schiff voll Lebensmittel und unbeschränkter Vollmacht kehrte er zurück nach Gran Canaria. Ganz heimlich landete er, nahm dreißig seiner Tapfersten mit sich, und kam in tiefer Nacht vor die Lagerfestung. Die Soldaten – darauf baute er seinen Plan – hatten ihn lieber, als den gräulichen Dechanten, welcher den Herrn und Meister spielte. Wirklich ließen die Schildwachen den alten geliebten Feldherrn ein, und ein befreundeter Offizier erschien, um ihn in seiner Hütte zu verbergen. Als nun am Morgen der Dechant die Messe las und Algaba vor dem Altar kniete, stellte sich Rejon den Soldaten vor, die jubelnd ihren alten General umringten. Von ihnen gefolgt schritt er in die Kirche, ließ seine Feinde ergreifen, unter schmetternden Trompeten die königlichen Befehle verlesen. Auf der Stelle wurde Algaba vor das Kriegsgericht gestellt, eine Stunde später ihm der Kopf vor die Füße gelegt, Bermudez aber aufs Schiff und nach Lanzarote gebracht. Dort starb der Dechant schon nach ein paar Tagen; denn der Grimm und Aerger hatten ihm das Herz gebrochen.

Rejon, ritterlich und frohsinnig von Natur, schlug den Canariern gegenüber eine andere Politik ein. Durch gradherziges und gewinnendes Benehmen suchte er sie zu sich heranzuziehen in Frieden und in Freundschaft. Müde des langen Elends im wilden Gebirge kehrten sie auf ihre Felder zurück, und an Zweihundert ließen sich taufen. Rejon sah bereits sein canarisches Fürstenthum erblühen, ohne daß es mit mehr Blut brauchte besprengt zu werden.

Da wechselte wiederum der Wind am Hofe zu Sevilla. Verhüllt von dunkeln Trauerschleiern hatte sich Algabas Wittwe der Königin zu Füßen geworfen, und ihre unmündigen Kinder jammerten an ihrer Seite und fleheten um Gerechtigkeit für ihren todten Vater. Isabella hörte auf ihre Klagen. Ein neuer General. Pedro de Vera, wurde nach den Inseln abgefertigt und überbrachte Rejon den Befehl, sofort heimzukehren, daß er sich wegen seiner raschen Justiz verantworte. Rejon gehorchte, und Vera ließ ihn einschiffen und absegeln, ehe er noch Zeit hatte, seine schönen Rosse und Waffen und sein reiches Silberzeug mitzunehmen. Dies Alles wurde öffentlich versteigert; denn Vera, dem der Ruf eines klugen und tapferen Feldherrn vorausging, war hart und geldgierig über alle Maßen.

Er beredete auch die zweihundert Canarier, welche Christen geworden: sie sollten mit ihm ziehen, er wolle die Wandschen auf Teneriffa bekämpfen. Dazu waren sie gern bereit, denn die Kriegslust zuckte ihnen in allen Adern. Weil sie dem Spanier aber mißtrauten, mußte er ihnen auf die heilige Hostie schwören, daß er sie nicht täuschen wolle. Vera leistete in der Messe den Schwur. Seinem Kaplan aber hatte er vorher zugeflüstert, ihm eine ungeweihte Hostie darzubieten, damit er ohne Sünde bleibe, wenn er falschen Herzens darauf schwöre. Fröhlich bestiegen nun die Canarier die Schiffe. Als man sie alle an Bord hatte, so steuerten die Schiffe, statt nach Teneriffa, in der Richtung nach Afrika hin. Vera dachte die Geprellten dort zu Gelde zu machen und wollte sie in die Sklaverei verkaufen. Als sie die Schändlichkeit merkten, fielen sie rasch entschlossen über den Kapitän her und nöthigten ihn, sie bei der nächsten Insel auszusetzen. Es war Lanzarote, und nun wurde ihr Schicksal auch bei ihren Landsleuten aus Gran Canaria ruchbar. Da brachen Diese, so viel ihrer noch unter dem Schutze des spanischen Lagers wohnten, ihre Hütten ab und zogen wieder ins Gebirge. Denn sie wollten lieber mit ihrem Volke kämpfen und sterben, als der Grausamkeit und Tücke der Spanier zum Opfer fallen.

Alle Wandschen, die von Veras Treulosigkeit hörten, waren im Innersten empört, und als nun Doramas alle Männer zu den Waffen rief, so loderte im dritten Jahre nach der Spanier Landung der Krieg entsetzlicher und blutiger wieder auf, als jemals zuvor. Vera aber beschloß, die Waffen zu brauchen mit unbarmherzigem Nachdruck. Bei Banjaderos traf man wieder aufeinander. Die Spanier erlitten eine blutige Niederlage. Wüthend über Schimpf und Verlust sammelte Vera all' seine Kräfte, und rückte Doramas entgegen nach Arucas, vier Stunden von der Lagerstadt, bildete seinen festen Schlachtkeil auf einer Anhöhe und wartete des Angriffs der Canarier. Diese standen gegenüber auf einer anderen Höhe.

Die entscheidende Schlacht sollte beginnen. Ein Bote kam von Doramas: »Wenn sich unter diesen Fremdlingen einer findet, der es mit mir aufnehmen will, so läßt sich viel Blutvergießen vermeiden.« Der Wandschenfürst rechnete darauf: der wilde Vera werde sich das nicht entgehen lassen. Dieser hatte schon in manchem Zweikampf Ehre eingelegt und war gleich in Flammen, um die Herausforderung anzunehmen. Seine Offiziere aber wehrten ihm, und stellten vor: wenn ihm ein Unglück widerfahre, sei das ganze Heer verloren. Nun fand sich ein anderer tapferer Held, Juan de Hozes, der auf einem prächtigen starken Andalusier saß. Er wollte den Ritt wagen. Fest setzte er sich im Sattel, gab dem Andalusier die Sporen, und flog dahin mit eingelegter Lanze. Doramas stand vor seinem Heere, festen Blickes wartete er, und als er den Ritter nahe genug hatte, schleuderte er die Todeslanze. Sie schwirrte durch die Luft, durchbohrte dem Spanier den Schild, das Panzerhemd, die Brust, und röchelnd stürzte er zur Erde. Vera erblaßte vor Schrecken und Wuth. Er wußte, nur er selbst könne und müsse den Gewaltigen bestehen. Er faßte sich und ritt mit großer Gelassenheit auf den König zu. Leben und Tod hing davon ab, ihm unverwundet an die Seite zu kommen. Als Doramas den General erkannte, flog ein Strahl der Freude über sein Gesicht. Er schwang seine Lanze, zielte gut und warf. Hätte Vera seinen Schild gerade vorgehalten, so hätte des Wurfes furchtbare Gewalt ihm wie seinem Vorgänger Schild und Leib durchbohrt. Er aber war vorsichtig, mit schrägem Schild und nur an einer Seite fing er das Geschoß auf, so daß seine Kraft gebrochen wurde und es abglitt. Da schritt Doramas ihm etwas näher und schleuderte den zweiten Spieß. Blitzschnell beugte sich Vera bis auf die Mähne seines Rosses, das Geschoß sausete über sein Haupt weg, er aber bohrte dem Pferd die Sporen in den Bauch, war im Nu neben Doramas und, ehe dieser noch zum dritten Wurf oder Stoße ausholen kann, trifft ihn des Vera Lanze in die Seite. Der König bricht zusammen. Schon will Vera den Stoß wiederholen, da schwenkt Doramas die Hand zum Zeichen daß er sich gefangen ergebe.

Wilden Geschreies stürzten alle Canarier vor. Wüthend kämpften sie, ihren Fürsten zu rächen und zu retten, aber aufgelöst, ordnungslos. Die Spanier fest aneinander gekeilt halten den Anprall aus, dringen zwischen die wilden Schaaren, werfen sie, erdrücken die Zersprengten, und gewinnen die Schlacht.

Der große Wandschenkönig blieb in ihren Händen. Auf einer Bahre wurde er fortgetragen. Auf halbem Wege zum Lager war er vom Blutverlust erschöpft und bat ihn niederzulegen. Noch einmal richtete Doramas sich auf, lehnte sich mit dem Rücken an einen Felsen, und starrte lange sprachlos aufs Meer. Die Offiziere entsetzten sich vor dem Glühen seines Blicks. Man brachte in einem Helm Wasser herbei, ihm die Taufe zu geben. Vera selbst stand Pathe. Dann sank Doramas leblos zusammen. Das ganze spanische Heer hielt ihm eine fürstliche Leichenfeier. Seine Getreuen waren gekommen und hatten sich freiwillig in die Gefangenschaft gegeben, damit man ihnen erlaube, ihrem König die letzte Ehre anzuthun. Auf eines Berges Gipfel, der noch heute seinen Namen trägt, setzten sie ihn bei unter vielen Thränen und Trauerliedern, und über sein Grab häuften sie, wie es Sitte war bei ihnen, einen festen Steinhügel, auf dessen Spitze die Spanier ein Kreuz setzten.


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