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II.
Auf Teneriffa.

. Auf dem Schiffe hatte ich gehört, daß die schöne Welt sich am Sonntag in der Militärmesse versammele. Es war Palmsonntag, den die Spanier Zweigsonntag, Domingo de ramos, nennen. Ich eilte daher, mein Gepäck im Gasthof, der nicht weit vom Landungsplatze an dem großen Platze lag, abzugeben und verfügte mich in die nahe Kirche. Hier fiel mir zuerst das Landvolk auf, die Männer in langem weißen Wollumhang, ihre Weiber und Töchter in schmucken Mäntelchen. Ihre Gesichter waren durchaus nicht bräunlich, sondern schienen mir heller und frischer von Farbe, als im südlichen Spanien. Die Städtischen aber trugen sich durchaus modisch und sehr sauber, die Männer etwas kleinstädtisch, die Frauen jedoch wallten von Spitzen und Schleiern. Spanierinnen sind berühmt durch den Schmuck ihrer prachtvollen Schwarzlocken: in diesem Punkt besiegen ihre Schwestern auf Teneriffa leicht eine ganze Welt der schönsten Frauen.

Als der Gottesdienst zu Ende, strömte alles im lebhaften Geplauder auf die Straße und stand und grüßte sich und scherzte, gerade als käme man aus einer Oper. Wo in Deutschland gäbe es nur ein kleines Stück von diesem lachenden katholischen Leben? Den Romanen gegenüber sind wir Deutschen doch sämmtlich aufrichtige ernste Protestanten. Welches nordische Jünglingsherz hätte aber nicht gehüpft, vielleicht auch gestockt vor solcher Fülle üppiger Frauenschönheit! Jede Alte war malerisch, und jede Junge hatte wenigstens Blitzaugen Prachthaar und schwellendes Lippenroth.

Die Inselfahrt ließ sich gut an, und da nach der Messe der mit mir gekommene General und Gouverneur großen Empfang hielt, so hatte ich Gelegenheit, bei ihm einen Theil spanischer Inselbeamten zu sehen. Seine jugendlichen Adjutanten trugen bereits mächtige Orden, und war an solcherlei Gefunkel auch auf dieser schönen Insel gar kein Mangel.

Nachdem Empfang und Tafel vorbei war, schlenderte ich in der Stadt umher.

Die Bauart der Häuser ist entschieden die maurische: nach den Straßen zu Mauern, der Eintritt, der Zaguan, ist ein kleiner Raum für sich, das Innere ein Hof oder doch ein Höfchen, mit Zimmern, die sich dahin öffnen. Am hohen Mittag fällt von der einen oder andern Seite immer Schatten in diesen allseitig geschützten Innenraum des Hofes, der bei den Vornehmen mit grünem und duftigem Schattengebüsch, und auch bei den Aermeren häufig mit Blumen und Gewächsen verziert ist. Aus der Gallerie, die im Hofe über dem Erdgeschoß herumführt und mit Schlinggewächsen behängt ist, befindet sich in einer Ecke ein Steinkessel. Dieser dient zum Filtriren des Wassers und ist oben mit frischgrünem Moos und zierlichen Gräsern geschmückt. Die Dächer sind flach und gewöhnlich mit einem Zinnenkranz, der Azotea, umzogen. Merkwürdig und, wie ich später sah, gleichmäßig auf all diesen Inseln sind die Fenster eingerichtet. Ganz oben eine oder zwei Reihen Scheiben, das Übrige besteht nur aus Holzfächern: in diesen Holzfächern aber sind zwei kleine Klappen angebracht, die oben festhängen und sich von unten nach der Straße hin aufschieben lassen. Kommt nun ein Fremdling entlang, so öffnet sich eine kleine Holzklappe nach der andern, und dahinter lugt jedesmal ein schwarzes Augenpaar, und dieß wiederholt sich jeden Tag, doch immer weniger, so lange bis man den Fremdling hinlänglich beschaut und ihm seine Bezeichnung gegeben hat. Denn neugierig sind die Canarier wie die Elstern und beinahe ebenso geschwätzig.

Was mich immer wieder zum Nachsinnen aufforderte, war die köstliche Durchsichtigkeit der Luft. Es spielt darin um jedes alte Gemäuer und jede blaßgrüne Euphorbie am Felsen ein so frischer Farbenglanz, als wohne hier in jedem Ding eine innere Leuchtkraft. Die hellen Häuser, das braune und schwarze Steingeschroff, die Bergzacken oben in der Himmelsbläue, unten die unzähligen bunten Blüthenbäume – alles ist lebhaft klar und scharf umrissen, beinahe möchte man sagen verklärt. Die Länder rings um Nordafrika nehmen Theil an dieser ungemeinen Durchsichtigkeit der Luft: man schiebt sie der heißen Strömung im Luftmeere zu, welche aus den kochenden Wüsten jenes Welttheils beständig herüberzieht und alles Feuchte und Dämpfige im Aetherraum verzehrt. Offenbar hängt damit zusammen die Klarheit, das Leichte und Rasche in Ideen und Entschlüssen, das die Menschen in diesen Gegenden vor dem dämmerigen Norden voraus haben. Ob es ein so großes Glück ist? Flüsse und Seen, auf deren Grunde man jedes Steinchen glänzen sieht, haben gewöhnlich wenig Tiefe. Hätten die alten Griechen nicht den Vortheil gehabt, sich in ihren dunkeln Bergwäldern jeden Tag zu erfrischen, so würden sie sicher nicht so viel Herrliches geschaffen haben.

Nachdem ich bei Konsuln und Landsleuten meine Besuche gemacht, und von dem freundlichen Entgegenkommen, das den Bewohnern der canarischen Inseln Jedermann nachrühmt, gleich die schönsten Beweise empfangen, fanden sich Abends in einem der ersten Handlungshäuser unserer fünf Landsleute zur Tafel zusammen: ein preußischer Offizier mit Eisernem Kreuz, ein junger Frankfurter Jurist, und zwei Kaufleute mit dem weltbürgerlichen Blick und Wissen und dem warmen patriotischen Herzen, wie man solche Kaufleute vorzugsweise unter Deutschen findet. Wir setzten uns zu Tische bald nach fünf Uhr und standen zum Spaziergang auf um Mitternacht. Nicht bloß deutsche Küche fesselte uns nach all den öligen Leiden der spanischen, nicht bloß echtes Gewächs, das wirklich die Ufer des Rheins und der Saone gesehen, auch nicht das sechszehnjährige Prachtmädchen, das einherschritt wie eine Göttin und von unserm Gastfreunde zur Bedienung als ein Musterbild canarischer Rasse ausgesucht war, – das alles war es nicht, was so lange fesselte, sondern es hatte uns, wie wir später allgemein gestanden, der unerschöpfliche Reiz deutscher Unterhaltung festgenagelt, dieses Gespräch, das aus allen Höhen und Tiefen des Denkens und der Völker umherflog, und in dessen Gewoge wir wie die Fische wohlig umherschwammen, ein lang entbehrter Genuß; denn vorzüglich den Deutschen beseelt diese bohrende Begierde, alles zu wissen, und dieses Allerweltsinteresse.

Andern Morgens sah ich mich – immer von neuem entzückt über die Heiterkeit und Frische der Luft – in den Markthallen und Gärten etwas um nach Gewächsen Gemüsen und Obstarten, Fischen und Muscheln, die ich noch nicht kannte. Solch Unbekanntes hat im fremden Land einen lockenden Reiz, besonders wenn es gut schmeckt. Es gab da vielerlei zu kosten und zu betrachten, und in den Privatgärten eine Pracht und Größe und Mannichfaltigkeit von Rosen Lilien und anderen Blumen, die wir uns nicht träumen lassen. Mehr als der Tulpenbaum und die vielen andern blühenden Sträucher und Bäume – es war ja die Höhe der Frühlingszeit – gefiel mir der sogenannte indische Lorbeer, ein schlanker glatter Baum mit einer schattigen Ueberfülle von dunkelglänzenden Blättern.

Nachmittags fuhr ich die 8 Stunden Wegs nach Orotava. Diese Straße und noch eine aus Gran Canaria, die aber nur zwei Stunden lang, das ist alles was von fahrbaren Wegen auf den Canarischen Inseln vorhanden. Haben sich ihre Marquesen und Grafen vierhundert Jahre auf Sätteln beholfen, so sehen sie nicht ein, warum sie denn heutzutage für Kutschen sorgen sollen. Unser Postwagen aber erschien überaus zierlich und doch fest und zweckmäßig, sein Inneres war sogar mit hübschen kleinen Landschaften geschmückt. Das sah gar nicht spanisch aus, und richtig, da stand in einer Ecke die Neuyorker Firma, aus deren amerikanischer Werkstätte der Wagen herüber geschickt worden. Die zweirädrigen Karren dagegen, welche sich auf der Straße zeigten, waren gerade so dürftige viereckige Kasten wie die kleinen Schwefelwagen, die Einem überall in Sicilien begegnen.

Der Weg war überaus belebt von Reitern und Fußgängern. Auch ein paar Kamele erschienen dazwischen. Die Männer gehen in einer Art weißwollenem Mantel, der aus einem Stück Zeug besteht, welches am Halse einfach zusammengezogen ist und bis auf die Füße niederhängt. Frauen und Mädchen tragen einen wallenden Schleier über den Kopf und das Gesicht ein wenig eingehüllt. Auf das Kopftuch setzen sie ein Strohhütchen, und die Bauerfrauen haben in dem Hütchen eine Unterlage für alles das, was sie auf dem Kopfe zu tragen gewohnt sind. Es ist durchgängig ein schöner Menschenschlag und von heitern und sanften Sitten. Welch eine Wohlthat schon das eine, daß man nicht beständig von zerlumpten Bettlern angefallen wird, wie in Spanien, wo man steht und geht. Armuth giebt es auf den glücklichen Inseln genug, und ach, bittere nackte Armuth, aber auch die Dürftigen haben hier etwas so Geschämiges und Geduldiges in ihrem Wesen und sehen Einen so treu und gutherzig an, daß man ihnen innig gern helfen möchte. Auf den ersten Blick sieht man, das sind keine Spanier mehr, wie drunten in der Küstenstadt, es sind die Nachkommen der alten Guanchen, oder sprechen wir das Wort lieber richtig aus, wie es die spanische Betonung giebt, es sind die Wandschen, die einst so tapfer ihre Heimath vertheidigten und unter spanischen Spießen und Dogmen als Volk langsam auslöschten.

Der Weg wand sich zu einer Hochebene empor, welche das Anaga-Gebirg im Osten der Insel mit dem Pik verbindet. Auf dieser Hochebene liegt Laguna, die alte Hauptstadt der Insel, die sogar durch eine Universität sich auszeichnete. Der Bestand dieser Hochschule wurde zuletzt durch das fortgesetzte Wühlen der schwarzen Minirer untergraben, und soll kaum mehr ein gutes Gymnasium sein. Laguna beherbergt jetzt eine stille Adelsgesellschaft. Man sah auf den Inseln kein Ziel und Ende der unaufhörlichen politischen Neugestaltung Spaniens, hoffte aber wenigstens auf bessere Bildungsanstalten. Wäre nur auch ein wenig Energie vorhanden, um selbst Hand ans Werk zu legen! Schon am ersten Tag hörte ich ganz unglaubliche Geschichten von der Willensschwäche der Canarier. Sie fassen mit Begierde einen guten Plan auf, und besprechen ihn jeden schönen Tag, so lange bis wieder etwas Neues sie anlockt, was den frühern Plan in Vergessenheit bringt.

Auf der grünen Hochebene Laguna's könnte man sich nach Deutschland versetzt glauben – so weit dehnen sich schimmernde Wiesen und blühende Saaten. Auf der ganzen pyrenäischen Halbinsel habe ich nicht so viel grünende Aecker gesehen. Kühe und Pferde standen weidend bis an den Bauch in den Lupinenfeldern. Von Zeit zu Zeit aber erhob sich eine schlanke Palme, die hoch in reinen Lüften ihre Krone wiegte, rothblühende Pfirsiche besäeten das grüne Gefilde wie mit flackernden Feuern, und über den kleinen Hütten umwölbten sich uralte Feigenbäume gleichwie kleine gründunkle Gewölke. Ganz fremdartig aber wurde die Gegend, wenn sich wieder Landstücke zeigten, die aussahen wie weiße Schneefelder. Man erblickt sie auf fast allen Theilen der Insel: je lebhafter der Anbau, um so häufiger unterbrechen die Flur diese großen regelmäßigen weißen Stellen. Es sind die Felder, die mit indischem Cactus bestellt sind, auf welchem die Cochenille sich nährt, und damit diese kleinen Insekten, welche den kostbaren Farbestoff geben, nicht von Wind und Regen und Staub leiden, bedeckt man jedes Blatt säuberlich mit weißem Zeug.

Die Straße zieht sich wieder hinunter zum Meer, und bei einer Wendung erblickt man auf einmal den Pik. Er scheint unbedeutender, als die Meisten sich ihn vorstellen, und keineswegs in der Majestät des Aetna. Der Weg gleitet näher zur Küste und rings um den Berg, bis man ihn in seiner ganzen Größe gerade vor sich hat. Höchst auffällig ist der oberste Aufsatz, als hätte der Berg noch ein lustig Hütchen auf. Es ließe sich auch an eine ungeheure Citrone denken, an welcher noch ein Stück vom Stiele empor steht. Mehr noch ähnelt die ganze Bergform einem aufgestülpten spitzen Beutel, der oben kurz vor seinem Ende etwas eingeschnürt ist.

Als meine Blicke so begierig den Gipfel des Berges absuchten, fragte mich ein Wagennachbar, ob ich denn hinauf wolle? »Morgen!« erwiderte ich. »Aber Sie sind doch erst gestern morgen mit dem Postdampfer angekommen?« fragte er. Das wußte er bereits, und wo ich gewohnt und wohin ich wollte. Die Neugier ist bei Inselvölkern so heimisch wie die Geselligkeit. Ihre Insel scheint ihnen wie ein einziges Wohnhaus, an dem sie alle Theil haben, und weil sie ringsum durch das Meer von der übrigen Welt abgeschnitten sind, so flattern ihre Gedanken beständig um diesen einen Erdfleck, wie die Möven um ihren Nesterfelsen. Wenn ich Abends wo einkehrte, wußte früh die ganze Ortschaft, wer und woher ich sei und was ich vorhabe. So wußte auch mein Nachbar, der das Aussehen eines Gutsbesitzers hatte, bereits gut Bescheid um mich, und ich mußte ihm weiter erzählen, wie ich von München bis Marseille auf der Eisenbahn, von da nach Barcelona mit Dampfschiff, von da durch Spanien wieder auf der Eisenbahn, von Cadix wieder mit Dampfschiff nach Santa Cruz gefahren sei. »Genug, genug«! sagte er, »das sind die Erfindungen der Neuzeit, jetzt wird die Menschheit wohl lange nichts wieder erfinden.« Als ich erwiderte: das Erfinden und Neuschaffen müsse und werde fort und fort gehen, noch viele viele tausend Jahre lang, – rief er aus: »O Gott! wer kann so etwas denken!« Ich fragte ihn nun: ob wir nicht schon von beinahe 5000 Jahren Fortschritte wüßten? ob irgend ein vernünftiger Grund vorhanden, daß Gott den Menschen nicht noch 50,000 Jahre länger zu leben erlauben solle? ob irgend eine Ursache denkbar, warum sie künftig bloß essen und schlafen und nicht mehr denken sollten? ob denn nicht das hohe Luft- und das tiefe Wassermeer und die noch viel unergründlicheren Erdtiefen noch Stoffe und Kräfte genug enthielten, die zu erforschen und nutzbar zu machen verlohne? Da sah mich der gute Mann ganz verdutzt an, wendete sich ab und sagte: von dergleichen habe er niemals aus Teneriffa gehört. »Wer weiß es?« schloß er mit dem Trost- und Leibwort der Spanier, das sie beständig im Munde führen, wenn sie fürchten, das Denken mache ihnen Kopfweh. Es kehrt bei ihnen so häufig wieder, wie bei den Türken die Ergebung in Allahs Willen. »Wer weiß es!« Es liegt eine so weiche Entschuldigung darin, daß man geistig fortdämmere, und doch kein Verzicht auf künftigere lichtere Stunden.

Die Landschaft wird nun mit jedem Schritt großartiger. Man merkt allmählich, wie sich alles zu den Füßen des großen Vulkans gleichsam verneigt und niedrig dahin streckt. In Matanzas hielt der Postwagen so lange an, um Zeit zu einem ländlichen Mahl zu gönnen, das mir besser gefiel, als die europäisch verpfuschte Küche in den Gasthäusern. Während es bereitet wurde, strich ich mit dem Hausherrn im Hof und Garten und Gebäuden umher, um Einrichtung und Lebensweise zu sehen, und da er merkte, welches Vergnügen mir das machte, so dehnten wir rasch den Streifzug durch die Ortschaft aus. Ihr Name Matanzas d. h. »Gemetzel« pflanzt das Andenken an die furchtbare Niederlage fort, welche hier die Eingeborenen einst den spanischen Eroberern bereiteten. Die Mitte der Ortschaft nehmen wohnliche Häuser ein, die Umgebung ärmliche Hütten, die sich wie gewöhnlich bei canarischen Ortschaften noch weit in's Feld verstreuen. Die Leute sind stattlich, und schwerlich möchte sich auf dem ganzen Erdrunde irgend ein Land finden, dessen Bevölkerung gleichmäßig durch alle Schichten hindurch so artig, so ehrlich und liebenswürdig ist. Man kann nicht nur in jeder Höhle, in jeder Hütte sein Haupt ruhig niederlegen: überall, selbst bei dem niedrigsten Bauer, empfängt den Fremden auch achtungsvolle, sogar herzliche Gastfreiheit. Auch äußerlich sucht alles sich nett und würdig darzustellen. Der ärmste Ziegenhirt hüllt sich in seine reinliche Decke, und was die Frauen und Mädchen betrifft, so ist keine auf den sieben Inseln, die nicht ein hübsches Festkleid hätte und es nicht sehr gern anzöge. Denn je glücklicher und gesitteter ein Volk ist, um so mehr schmücken sich seine Frauen: das bringt die Natur so mit sich. Treten diese nun über die Straße und man bewundert, wie sie reizend im Gang sich wiegen und woher nur ein einfaches Landmädchen das Wesen einer gebildeteren Dame hat, – plötzlich sind sie weg, hier und dort verschwunden in die dunkeln Eingänge niedriger Hütten, die man vorher kaum bemerkt hat. So klein und niedrig, so höhlenartig sind diese Behausungen, – vier Mauern von rohen Feldsteinen, zwei oder drei Fuß hoch, darüber ein elendes Dach von Stroh und Reisig, der Erdboden etwas ausgegraben – das ist alles, die ganze Hütte wäre mit einigen Gulden bezahlt. Und nun, was ist darin? Eine rohe Mauer ohne Bewurf, ohne Fenster und Licht – auf der Erde stehen eine alte Kiste, eine Thonvase, vielleicht auch ein paar große geflochtene Körbe zum Aufbewahren von Kleidung, Saat, Korn und andern Lebensmitteln – eine Stelle auf der Erde am Eingang ist Feuerplatz, daneben liegt ein oder der andere kleine Topf. Von einem Balken, der mitten durchgeht, hängt eine Matte hernieder, da befindet sich allerlei Werkzeug, dahinter ein elendes Lager, auf dem diese armen Frauen schlafen, gebären und sterben. Unbegreiflich, wie sie in solchen Löchern gesund und sauber bleiben. Ihre größte Freude ist die kleine Ziege und das Hühnervolk, die draußen ihre besondere Hütte haben. Bitterste Armuth, geringer Verdienst trotz fleißigen Arbeitens, ist das Loos eines großen Theils der Canarier, und es kann kein Volk geben, das freundlicher und genügsamer solch ein Loos ertrüge.

Als wir von Matanzas abfuhren, wurde das Gebirge, das wie im reinen Lichtmeer emporragte, eben von der Abendsonne röthlich angehaucht, hüllte sich aber rasch in dunkle Schatten. Seine Umrisse zogen sich nur noch halb und halb am Nachthimmel hin, als wir in das herrliche Thalgelände von Orotava einfuhren, über welchem der Meereshauch die köstlichen Düfte von tausend Blüthen nicht zu zerstreuen vermag. Wie weich und hold waren diese Lüfte, und doch welch eine tief erregende Frische darin! Als ich aus dem Wagen sprang, mußte ich erst eine Weile stehen, um mich dieser herrlichen Atmosphäre gleichsam erst zu vergewissern. Ich dachte an Sorrent, Hyères, Valencia, – hier webte noch etwas anderes, noch ein anmuthsvollerer Zauber in der Luft. Jene lieblichen Thalbreiten liegen am Mittelmeer: Orotava empfängt den energischen Hauch des Ozeans. Jene schmücken sich mit allen Blumen und Früchten des europäischen Südens: im Paradies von Teneriffa sproßt, blüht, gedeiht beinahe Jegliches, was da wächst unter irgend einem Meridian der Erdkugel.

Orotava hat etwa sechstausend Einwohner und viele hübsche Gebäude, die Straßen aber waren schon stille, noch ehe es zehn Uhr war. Wir hielten vor dem einzigen Gasthause, das die Stadt noch besitzt. Früher war sie lebensvoller; denn selbst bis hierher macht sich der rasche Verfall der spanischen Kräfte fühlbar. Der Erste, den ich in dem Hause ansprach, antwortete mir sofort: »Sie sind gewiß ein Deutscher.« Es war gerade Der, an welchen vorzüglich ich empfohlen war, und eben wurde mit einem jungen Belgier verhandelt, der sich zur Besteigung des Berges am andern Morgen ausrüstete. Wer war froher als ich? Und sofort übernahm mein Landsmann mit der größten Liebenswürdigkeit, meinen Theil an Führern Pferden und Lebensmittel zu besorgen, und nachdem das geordnet war, eilte ich mein Lager aufzusuchen, um mich zu stärken für die Mühen und Hochgenüsse einer Besteigung des Piks von Teneriffa.


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