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Kernerfrischt wachte ich auf, als es längst heller Tag war und es draußen mit allen Glocken läutete. Ich sprang auf und ans Fenster. Es war Gründonnerstag, auf diesen Inseln der größte Tag im Jahr. Auf der Straße wogte es von Landvolk, das in Festkleidern zum Gottesdienste zog. Ich war bald dahinter her, wurde in eine Prozession verwickelt, die hier nicht paar- sondern schaarweise daherzog, und trat mit ihr in die Kirche. Diese war ganz erfüllt von Glanz und Duft der Blumen, deren buntschimmernde Sterne und Riesenkelche auf den Altären und in der Schwarzhaarfülle der Frauen prangten. Die Weiber vom Lande kauerten im dichten Halbkreis auf den Boden nieder, mit gekreuzten Beinen zwar, aber voll schönen natürlichen Anstandes: alle ganz weiß, denn sie trugen über den Kopf in langen Falten bis zu den Knieen die Mantilla von weißem Wollstoff, deren breite Ränder von Seide oder Taffet gleicher Farbe glänzten. Ihre Männer und Brüder umgaben sie, und alle hatten schöne weiße Gewänder um, denn zu diesem Tage war jede lange Manta frisch gewaschen. Die Städterinnen saßen zur Seite in Betstühlen, verhüllt in schwarzseidenen Schleiern, aus denen aber die lieblichsten Gesichtchen fröhlich hervorlauschten. In der Mitte hatte sich eine kirchliche Bruderschaft aufgestellt und hielt in Händen brennende riesige Wachslichter von rother Farbe. Auf dem Chore stand ein Klavier und daneben die Musik, welche die lustigsten Walzer und Arien spielte. Artete dies hin und wieder in etwas Bärenmusik aus, so entschädigten vollauf die Sänger, denn es waren weiche süße Stimmen und ein Tenor darunter so hell und klingend, wie ich auf keinem Theater Schöneres gehört.
Orotava ist in jeder Beziehung eine blüthen- und anmuthvolle Stadt, dabei voll ruhigen vornehmen Behagens. Mit Vorliebe wird sie vom großen und kleinen Adel aufgesucht, den die canarischen Inseln noch viel zahlreicher beherbergen, als Mecklenburg oder Münsterland. Ich wäre auch gern dageblieben, fürchtete aber die Feiertage. Denn besteht auf diesen Inseln das gemächliche Leben von Herren und Damen schon das ganze Jahr über in Ruhe und Nichtsthun, so gibt es vollends an Feiertagen nur Kirchengehen und Schmausereien und statt belehrenden Gesprächs das ewige » Quien sabe!« Ich schickte also nach Pferd und Diener, und ritt bald nach Mittag wieder weg, um, diesmal jedoch mit möglichst leichtem Gepäck, die schönsten Punkte der Insel zu besuchen, rund um den Teyde herum, der mit seiner Höhe von 13,000 Fuß alles beherrscht, wie ein König seine Diener.
Auf der Straße steckte mir ein Doktor aus Stettin noch eine Karte zu, die er selbst rasch entworfen hatte, mit genauer Angabe der Wege und Entfernungen und was sonst etwa für mich merkwürdig wäre. Denn von diesem Deutschen war fertig gebracht, was noch von keinem hier Gebornen: er hatte die ganze Insel zu Fuß umwandert. Er war die Herzensgüte selbst, ein beschaulicher Weltwanderer, der seinen philosophischen Querkopf schon durch halb Australien getragen und auf dieser Welt wohl nimmermehr zur Ruhe kam. Wehe dem Deutschen, der in seiner Jugend die starke Hand eines Erziehers entbehrte! Es ist ganz unglaublich, wieviel kräftige und eigenartige Naturen bei uns verderben. Im Sumpf und Schatten amerikanischer Urwälder habe ich sie auf weiten Jagdzügen oft einen neben dem andern getroffen, wie sie da saßen in ihren elenden Hütten und die Noth durch die Dachlöcher schaute. Doch vielleicht hing ihr unselig Geschick damit zusammen, daß unsere ganze Nation ein unbefriedigtes Dasein lebte; denn das mußte sich oft gerade in ihren edelsten Söhnen bitter rächen. Anjetzo haben wir nationale Arbeit genug und übergenug.
Der Weg führte an der Küste hin, – am Strande kann man nicht sagen, – denn ein Strand besteht höchstens hier und da aus einem dunkeln Saum von Sand und Geröll von demselben schwärzlichen oder dunkelgrünen Basalt, wie dicht daneben die aufragende Felsklippe, um welche zischend die weiße Brandung schäumt. Die canarischen Inseln blicken wie steile Gebirgshäupter aus der See, die an ihren Flanken gleich mehrere hundert Fuß niedergeht. Auch unten auf Meeresgrund überdeckt die Fluth nur Felsenthäler und Riffe und Schlünde, zwischen denen nicht eine einzige Auster ein stilles Sandplätzchen findet. Was aber aus dem Ozean emporragt, gleicht nicht griechischen und italienischen Eilanden, wo Steilwände Felsmassen und grüne Berglehnen sich übereinander lagern. Hier steigt und starrt alles riffig und rundlich auf, jedes Thal von tiefen Schründen durchzogen, jede scharfe Bergrippe wieder ausgefurcht unten und oben. Und dazwischen gähnen die weit aufgerissenen dunkeln Schluchten, von deren buschüberhangenen Wänden die Gewässer niederrauschen.
Die Felsmassen und Blöcke aber sind nirgends zackig oder spitzig oder säulenartig, sondern die Oberfläche zeigt sich knorrig und abgerundet, ganz wie Lava, die in ihren ehernen Wellen erstarrte. Wer den Aetna gesehen oder die Somma des Vesuv bestiegen, findet sich bei dem Anblick dieser Inselbildung von ihren Höhen bis zur Tiefe an die Lavaformen erinnert.
Zur Seite hat man immerfort, wie einen stummen Mahner, das gewaltige Wogen und Leuchten des Ozeans. Durch die ungeheure stahlblaue Weite schwillt und hebt sich Welle langsam auf Welle und sinkt in Millionen Lichtern und Funken langsam nieder, um die nächste Welle emporzutreiben, – alles so zeit- und regelmäßig, wie der Pendelschlag der Weltuhr selbst. Ich kenne keinen mächtigeren Ausdruck des unendlichen rastlosen Alllebens als dieses unaufhörliche Emporwogen und Abschwellen über den Ozeanstiefen. Zur andern Seite aber prangt das bunte strahlende Farbenspiel des Landes. Leicht röthlichbraun ist der Grundton, auf diesem Grund aber ziehen und spielen Grün und Roth, Gelb und Grau, und hoch oben in lichter Himmelsbläue steht die Schneeweiße des Bergkegels. Alles ist voll Glanz und Farben, Felsen und Pflanzen und Baumlaub, und jede lichte Luftwelle darüber scheint beständig zu zittern und zu blinken. Dieser Schimmer aber ist sanft und weich, wie der leise blaue Duft über unsern Alpen am schönsten Sommertage, und der strahlende Aether, der jeden Höhenzug und jedes Riff umwebt, faßt Herz und Sinn mit unsäglicher Lieblichkeit. Ich begriff vollkommen, wie Seefahrer, die im Alterthum hieher verschlagen wurden, von glückseligen Inseln erzählten.
Ich ritt dicht unter einem der kleinen Rundberge hin, der Montañetas, die so charakteristisch sind für die vielgeschilderte Landschaft von Orotava. Hier saß am Wege das junge Weib meines Dieners, einen Säugling am Busen und begleitet von ihrer kleinen Ziege, einem der zierlichen und zutraulichen Thierchen, behangen mit langem gold- und schwarzbraunem Vließ, wie man sie nicht hübscher sehen kann. Die Frau reichte ihrem Manne mit natürlicher Anmuth das Kind zum Küssen, und dem ehrlichen Juan rannen dabei die Thränen über die Wangen, weil er sie vier oder fünf Tage verlassen sollte. Außer Kind und Ziege und ein paar Pfannen und Töpfen hatten sie nichts auf Erden, was ihnen gehörte. Selbst ihre ärmliche, jedoch saubere Kleidung mußten sie noch abverdienen, und hatten aus Noth sich schon einmal acht Tage lang in einer der Höhlen, an welchen das Gebirge so reich ist, mit wilden Früchten beholfen. Bei alle dem sahen sie vortrefflich aus: die gütige Natur hat hier für alle eine offene Hand. Die Wurzel einer Farrenart und allerlei Krautsamen lassen sich in knappen Zeiten wie Getreidemehl verbacken. Auch läßt der Grundbesitzer die Armen ungebeten eine Wassermelone, ein paar Kürbisse, eine Handvoll Cactusfeigen und Knoblauch nehmen. Es gibt eben viele Tausende blutarmer Leute auf den glücklichen Inseln.
Juan lehrte mich die Namen der Bäume: Breso, Vinatico, Tejo, Paya und Pinal. Was nicht Nadelholz ist, sieht, wenn es beisammen steht, sich ungemein ähnlich; denn alles Laub hat hier den leisen Schimmer und die Lederhärte des Lorbeerblattes. Unten am Meere gab es rothblühende Pfirsichbäume, dazwischen hie und da den schlanken Schaft einer Palme: oben kränzte sich die grün ansteigende Landfläche mit dem weißen Schmuck vollblühender Birn- und Apfelbäume. Allmählich lernte ich etwas Bescheid unter dem ganz ungewohnt mannichfaltigen Reichthum von Blüthen und Pflanzen. Die canarischen Inseln sind wahrhaft Flora's Schmuckkästchen: sie hegt hier Juwelen, die nirgend anderswo vorkommen. Es wurde mir erzählt: es gebe auf Teneriffa, Gomera und Palma Schluchten und Felsinseln besetzt mit den schönsten Gewächsen, die gerade nur auf dieser einzigen Stelle in der Welt zu finden. Ja, man müsse glauben, aus dem vulkanisch warmen Boden und in der eigenthümlichen Frische der Luft gingen, nie gestört durch Sturm und Regen, wie sonst nur in Treibhäusern durch des Gärtners Fürsorge, Vermischungen des Samenstaubes vor sich und in Folge dessen unerhörte Neubildungen; der Samen selbst aber werde vielleicht aus andern Welttheilen durch das fluthende Meer oder durch Zugvögel herübergetragen. Man wollte sogar wissen: wenn ein fremder Baum hier angesiedelt werde, so ziehe er unfehlbar die Gewächse seiner heimathlichen Stelle heran, so der zahme Kastanienbaum die Erd- und Brombeere und ein Farrenkraut.
In der That scheint hier in der Pflanzenwelt ein geheimes urweltliches Leben energisch zu wirken, wie vielleicht nur noch im tropischen Urwalde. Schon in Privatgärten zu Santa Cruz staunte ich über die nie gesehene Größe von Rosen und Jasmin, Veilchen und Tulpen, über den Schmelz ihrer Farben und ihren oft betäubenden Wohlgeruch. In der Meereszone sieht man Bananen, Dattelpalmen, Pistazien, Zuckerrohr, die rothen Früchte des Erdbeerbaumes, und den seltsamen Drachenbaum. Höher hinauf wächst die Erica zur Höhe eines Hollunders, und die blaugrüne Todespflanze, die Euphorbie, bildet weitgedehnte niedrige Wälder. Auch der Asphodelos, die Hadesschattenmahnung der alten Griechen, fehlt nicht.
Bei Realejo lag die geneigte Grünfläche von Orotava hinter uns, und das Gebirge hing herein in gewaltigen und reizenden Formen. Wohin das Auge fiel, überall Landschaften in Salvator Rosa's Styl, aber von des Ozeans Rollen und Blitzen umgürtet und von blauen milden Lüften und Meeresfrische umhaucht, wie Italien nichts Aehnliches bietet. Und wie hübsch sind diese canarischen Städtchen im Gegensatz zu den abscheulichen Schmutznestern von altem Gemäuer und schwarzen Löchern, welche schon den Südfuß unserer Alpen umringen. Und erst wie herzensfreundlich, wie sanft und anständig ist das Wesen all des Volkes hier. Inselbewohner sind gewöhnlich sauber und gefällig: diese Canarier aber sind gewiß das liebenswürdigste aller Inselvölker.
Auf der Hauptstraße des Fleckens wallten mir wieder Kreuze und Fahnen entgegen. Ich stieg ab und ließ betrachtend die Prozession vorüberziehen. Keines ging paar- oder reihenweise, niemand trug düstere Andacht zur Schau: wohl aber hielten sie alle gute Ordnung, ein schlichter frommer Sinn, ja eine gewisse heitere Würdigkeit war über diesen wandelnden Gottesdienst ausgebreitet. Woher aber hatten all diese hellbraunen Landmädchen die kleinen niedlichen Hände und Füße, diesen leichten und schwebenden Gang, dieses zutrauliche Auge voll spielenden Glanzes? Diese waren keine Spanierinnen mehr, das merkte ich deutlich, denn ich durfte mir schon zutrauen, das reine spanische Blut zu unterscheiden. Die räthselhafte Art und Natur der Wandschen (Guanchen), der Ureinwohner der Inseln, die erst vor wenigen hundert Jahren erloschen, fing an mich zu beschäftigen.
Als wir hinter Realejo den Berg hinanstiegen, wandte sich die Straße um ein Vorgebirge, das sich wie eine Felsgrotte über den Weg wölbte. Hier sprudelten kleine helle Bäche aus dem Gestein und rauschten und murmelten den Abhang nieder, um sich über die Uferklippen im weißblinkenden Schleier ins Meer zu stürzen. Wie das die Augen erfrischte, das klare kühle plätschernde Wasser in der argen Hitze! Blühende Frauen kamen vom Quell zu schöpfen: mittelgroß, schlanken und feinen Wuchses trugen sie auf dem Kopf einen hohen Wasserkrug. Eine jede war von ihrer Ziege umspielt, Thierchen, die sich zu unsern Geißen etwa verhalten, wie ein wohlgekämmtes Bologneserhündchen zu einem Hofköter. Das Schönste waren drei Kinder, ein Bube und zwei Mädchen, die mehr unten am Bache saßen, kein Bildhauer könnte reizendere Formen hervorbilden. Wir baten die älteste, uns zu trinken zu geben. Da war es gar anmuthig, wie sie geschämig sich schürzte, mit bloßen Füßchen ins Wasser plätscherte wo es am reinsten war, und uns wiederholt die irdene Schale füllte.
Im Dorf Ycod, das zum Unterschied von der noch eine Stunde entfernten Stadt gleichen Namens Ycod el alto heißt und hoch auf einer breiten Anhöhe liegt, hielt ich vor einem der ersten Bauernhäuser, um seine Einrichtung zu sehen. Mit der größten Freundlichkeit wurde mir jeder Raum und jedes Geräthe gezeigt, und alles kam zum Vorschein, Frau und Töchter vom Hofe und Söhne aus den Gärten, und ein paar Nachbarn fehlten auch nicht. Die Leute waren ohnehin in festtäglicher Stimmung, und der beste Wein kam aus dem Keller, nicht ohne tiefes Bedauern, wie herrlich hier noch vor wenigen Jahrzehnten der Weinbau gedieh. All die Abhänge waren damals von den edelsten Reben übergrünt, die nahe Stadt hieß Ycod de los vinos, und zahllose Fässer Weins rollten ins Meer, wurden von Schwimmern durch die Brandung gestoßen, dann mit Seilen aufgefischt und zu den Schiffen gebracht, die draußen auf hoher See warteten.
Es war nicht bloß der berühmte Sekt, der die Fässer füllte, sondern hundertmal mehr gewöhnlicher Landwein. Und wohin ging er? Nach Bremen und Hamburg, um von da an die weinreichen Ufer unseres Rheins zu wandern. Wie manche schöne Flasche Liebfrauenmilch und Hochheimer haben wir getrunken im seligen Glauben, es sei das lautere Rheingold, und war doch nur ein Blümchen von leichtem Moseler oder Pfälzer, wohl gemischt mit canarischem Feuer. Aber siehe da, an den romantischen Gestaden des Guadalquivir fing die Weinrebe an sich auszubreiten, nicht bloß um das vielgekochte Gebräu des Xerez oder Scherry zu liefern, sondern Wein nach Deutschland. Unsere Weinhändler, deren Schild nur die geringere Hälfte ihres Geschäftes deckt, hatten gefunden, daß der andalusische Wein so gut sei, wie der Canarier, und seine Fracht um so viel kürzer und billiger. Seitdem begrünten sich immer größere Strecken in Südspanien mit Reben, und mehrten sich die deutschen Kaufleute in Malaga und allen spanischen Häfen am Mittelmeer.
Denn, – damit ich hier ein Geheimniß, eines der Ergebnisse meiner Völkerschau auf Reisen verrathe, – unter allen Völkern der Erde denken die Deutschen nicht bloß am meisten, sie lachen nicht bloß am meisten, sie trinken auch am meisten. Germanischer Durst ist urheimisch geblieben in deutschen Gauen, man trinkt hier erst Bier und dann Wein und von beiden viel. Deutschland ist der große Weinverschlinger: Frankreich, Spanien, Ungarn, Italien und Griechenland, alle Länder liefern dorthin ab, während sie selbst mit eigenem Gewächs sich begnügen und einigen wenigen Sorten aus dem Auslande, die ein für allemal feststehen. Die Deutschen bauen am Rhein und Main und auch dahinten in Siebenbürgen selbst die edelsten Weine: aber verhältnißmäßig führt kein Volk so wenig von seinen besten Weinen aus, als sie, und nicht entfernt führt ein Land solche Massen geringen Weines ein, als wieder sie. Es ist das eine eigenthümliche Frage, dies ewige Feuchtigkeitsbedürfniß der Deutschen. Wie sehr der goldene Wein die Mitglieder dieser Nation anlächelt, zeigt sich auch darin, daß unter den großen Weinhändlern in England und Spanien, in Frankreich und Ungarn es so viele Deutsche gibt.
So kam es auch, daß auf den canarischen Inseln der beste Ausfuhrartikel entwerthet war, sobald der südspanische Wein den canarischen von seinem Hauptmarkte, dem deutschen, verdrängte. Man gerieth in Bestürzung und wußte sich nicht zu helfen. Um das Unglück voll zu machen, stellte sich Jahr auf Jahr die Traubenkrankheit ein. Da schlichen Trauer und Sorge auch in die wohlhabenden Familien, bis in der Cochenillezucht endlich einiger Ersatz sich darbot. Erst seit Kurzem fängt man wieder an, Hoffnung zu schöpfen und wieder Reben in das warme Lavageröll zu pflanzen. Soviel ich davon verstehe, sollten sich all die sieben Inseln lediglich auf die Kultur des feinen Malvasiers verlegen. Dieser erwartet freilich sorgfältige Pflege und viele Mühe; allein es wäre dann doch ein Ausfuhrartikel wiederhergestellt, mit welchem sie alle Weinhändler der Welt herausfordern könnten.
In der Wirthschaft meines guten Freundes in Ycod el alto war alles klein bei einander, von eisenbeschlagenen Wagen und stattlichen Rossen und hochräumigen Scheunen keine Rede, – diese hat nur der deutsche Bauer, einerlei ob in Pennsylvanien oder Siebenbürgen, – aber es zeigte sich doch auch nirgends die kleinliche Wirthschaft des Slaven, noch weniger die liederliche des Süditalieners. Getreidebau ist auch auf den canarischen Inseln die Grundlage, der zweite Werth gebührt dem reichlichsten und schmackhaftesten Gemüse, und beides wird angenehm umrändert durch eine Menge leckerer Früchte, wie Feigen und Bananen. Ich pflückte mir die saftigsten Orangen vom Baume. Schafe und Ziegen gingen durcheinander, auch ihre Milch wird zur Käsebereitung zusammen gegossen, die Wolle der Schafe aber schien mir grob und schmutzig. In einer Ecke des Hofes war ein Schwein mit einem Bein an einen Baum gebunden; das ist die Art, wie man hier Schweine mästet. Man braucht sie nur anzubinden, dann werden sie gleichsam von selbst fett, Jeder wirft ihnen Abfälle zu.
Die guten Canarier aber ließen mir keine Ruhe, ihre Sachen zu beschauen, und fragten nach meinem Vaterlande, ich sollte ihnen davon erzählen und wie mir ihr Wohnort gefalle: ob es nicht der schönste Flecken und die herrlichste Landschaft sei? ob irgend anders wo besseres Getreide wachse? Ich kannte schon die Schwäche der Canarier, daß Jeder auf seinen Wohnort stolz ist und gleich beleidigt, wenn man ihn nicht rühmt. Auch von Franzosen und Russen mußte ich erzählen, und meine Reisekarte ausbreiten, und dabei kam das Geständniß, daß man in den Schulen auf Teneriffa gar wenig von der Welt lerne. Nach Spanien fragten sie gar nicht, als Angehörige dieses Landes bezeichnete sie hauptsächlich nur Sprache und Franzosenhaß: im übrigen bewährten sie in Bezug auf alles, was die pyrenäische Halbinsel berührte, eine auffallende Gleichgültigkeit. Und doch bilden die canarischen Inseln keine Kolonie, sondern eine Provinz von Spanien, und dieses Reich hatte, was Treue und Tapferkeit und stets bereite Aushülfe mit Geld und Mannschaft betrifft, keine besseren Söhne, als diese Insulaner. Die frühere lange Vernachlässigung aber, die kaum erschwinglichen Steuern, die unaufhörlichen Revolutionen, kurz das ganze Elend Spaniens machen auch ihnen sich schwer fühlbar.
Bei dem Abschiednehmen lief eine Katze vorbei mit abgehauenem Schwanze. Als ich darauf hindeutete, sagten sie lachend: sie machten es allen Katzen so, sie würden dadurch frömmer und häuslicher und brächten keine Krankheiten ins Haus. Und zum Wahrzeichen brachte einer zwei Kätzlein, die beide schon ihrer Schweifzierde beraubt waren. Könnte man doch manche böse Katze am Schweife packen und ihr mit raschem Beilhieb Tücke und Spukgeist austreiben! Besonders den falschen Seelen, die sich und Anderen eifrig einreden, die Religion werde verfolgt, um jedes deutsche, jedes Heimathsgefühl so lange in der Brust zu ertödten, bis Rettung vom Auslande zum stillen Begehren wird.