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I.
Am Bord des Spaniers.

. Wer Deutschland mit frischem Reisemuth verläßt und Tags über guten Appetit und flinke Füße, Nachts aber gesunden Schlaf hat, kann bequem nach vierzehn Tagen seine Cigarre anstecken am Gipfel des höchsten Vulkans auf der Erde, des Piks von Teneriffa.

Hat man zwei Wochen zuzusetzen, so läßt sich auch die südliche Hälfte von Spanien mit großem Nutzen und Vergnügen bereisen. Denn in Spanien muß man sich entweder sehr lange aufhalten, oder kann sich sehr rasch umschauen. Der größte Theil des Landes erscheint höchst einförmig, und ist in den Städten das eine und das andere große Bauwerk, das eine jede darbietet, ein- und zweimal gesehen, so gibt es wenig mehr, als was gerade auf den Straßen vor sich geht. Das Innere der Familien bleibt dem Fremdling verschlossen: nach dem Urtheil kundiger Leute wäre auch nicht gerade viel Anziehendes hinter den Gardinen zu finden. Ohnehin lernt ja nur Derjenige Sitten und Charakter und die Landesnatur durch sich selbst kennen, der den Vortheil hat, sie längere Zeit auf sich wirken zu lassen. Vielleicht aber versteht man den Volksgeist, und das was in eines Volkes Tiefen lebt, noch besser, wenn man seine Geschichte und Literatur studirt. Spanien bietet hierfür seine unschätzbaren Volksbilder vom ältesten Gaunerroman bis zu den Novellen unserer geist- und gemüthvollen Landsmännin, die sich Fernan Caballero nennt. Im Uebrigen, hat einer die Murillos in Madrid, die Alhambra in Granada, die Natur und die Frauen in Valencia, und vielleicht, wohin ich jedoch nicht gekommen, Toledo in seinem Verfall gesehen, so ist er mit den sonstigen Juwelen des Landes bald fertig.

Es war am zweiten April Nachmittags, als ich im Hafen von Cadix ebenso langwierig wie ungemüthlich auf den Wellen geschaukelt wurde. Ich war rasch in das erste beste Boot gesprungen, um an Bord zu fahren, und meine Blicke hingen an dem seltsamen Stadt- und Küstenbild, das mit hellen Häusern Thürmen und Forts über den Fluthen gleichsam auf und niederging, je nachdem wir selbst zwischen den unruhigen Wellen sanken oder stiegen. Auf einmal merkte ich, daß das Dampfschiff, welches ich zur Rechten vor mir gesehen, weit weg lag. Die beiden Bootsleute entschuldigten sich, die See gehe hoch, und sie müßten des widrigen Windes wegen weit zur Linken fahren, um dort besser vom Lande ab zu kommen und gegen das Schiff hin zu kreuzen. Wir schossen jetzt mit vollem Segel vor dem Winde hin, und da ich Unrath merkte, befahl ich zu wenden. Jetzt erklärten sie lächelnd: der Wind sei gar zu schlimm, sie müßten wie Pferde arbeiten, wollten sie dagegen aufkommen. »Und unterdessen geht das Dampfschiff fort?« »Das kann wohl sein, Herr!« Ich alter Reisender mußte mich noch so prellen lassen. Ich schwieg still. Endlich meinte einer, wenn ich fünf Thaler gäbe, wollten sie das Aeußerste thun, noch zur rechten Zeit zum Schiffe zu kommen. Ich schwieg noch immer, entfaltete aber nach einer Weile einen großen Empfehlungsbrief, zeigte auf die Unterschrift und las den Namen des vornehmsten Handelshauses in Cadix. Da sahen sie einander bedenklich an, gaben sich mit einem Thaler gern zufrieden, und kaum hatte ich den Fuß auf die Schiffstreppe gesetzt, waren sie wie der Blitz davon.

Obwohl es nun längst Abfahrtszeit geworden, vergingen noch zwei Stunden, bis alle Reisenden an Bord. Langsam kam ein Boot nach dem andern, zuletzt die Damen, die helle Angst auf den Gesichtern. Sie verschwanden sofort in den Kajüten, und bis zur Stunde des Ausschiffens habe ich keine wieder gesehen. Viel verloren war nicht dabei. Was sich mit Oel und Mehl aus einem Menschenkinde machen ließ, das hatten sie redlich ihrem Schöpfer gezeigt, der sie sicher nicht in Form weit ausgeründeter gelber Henkeltöpfe auf die Welt kommen ließ. Ueberhaupt irrt sich Jeder, der in Spanien Reihen von Phantasieengeln vermuthet. Man sieht prachtvolle Gestalten, aber des Gegentheils ist so viel, daß man sich wieder nach der goldenen Mittelstraße sehnt, welche Deutschland auch in dieser Lebensfrage einhält.

Endlich setzte sich der Postdampfer in Bewegung. Weit dehnte sich die Bucht aus. In ihrer Tiefe verschwanden allmählich die Masten und Segel, zur Rechten entwickelte sich unabsehlich eine niedrige Sandlinie, zur Linken aber immer herrlicher die altberühmte Seestadt, wie ein Zauber aus dem Orient, eine hellweiße Feenstadt schwimmend über dunkelblauem Gewoge. Meer und Himmel erschienen wie von zauberischem Glanz erfüllt, und vor der Aetherbläue erhob sich im Hintergrund der Bay immer höher stattliches Gebirge, das zuletzt nur noch wie eine Wolke in matten Umrissen über dem hellen Elfenbeinschimmer von Cadix stand. Denn schon bekundete das stärkere Heben und Senken des Schiffs daß uns mächtigere Wogen, Ozeanswogen, entgegenrauschten.

Sei mir gegrüßt, gewaltiger urheilkräftiger Ozeanshauch!

Ich sah mich jetzt auf dem Schiffe um. Es war alles recht spanisch: die Einrichtung glänzend, das Tischtuch zerrissen, die Aufwärter in Hemdärmeln und Pantoffeln, die Tafel mit Speisen überladen, bei denen Oel, Eier und Zwiebeln die Hauptsache. Ich war der einzige Fremdling in der Gesellschaft. Sie bestand aus Studenten, Kaufleuten und Gutsbesitzern, die nach den canarischen Inseln zurückgingen, und aus hohen und niederen Offizieren und Beamten, welche dort an Stelle der bisherigen treten sollten. Denn nach ein paar freien Athemzügen sah sich die neue Regierung – die eine Zeitlang, was in Spanien fast wunderlich erscheint, statt persönlicher Zwecke Prinzipien befolgte – genöthigt, alle Posten mit Leuten ihrer Farbe zu besetzen. Auch sie artete wieder in eine Kameradschaft aus, welche sich an Macht und Einkünften des Staates sättigte.

Wiederholt kam die Unterredung mit den Herren auf Deutschland. Für Deutsche ist es jetzt eine wahre Lust zu reisen. Wo unsere Sprache ertönt, horcht man auf. Die Einen wollen von Deutschland mehr wissen, die Andern wenden sich unwillig ab: bei allen gibt sich unwillkürlich eine gewisse Achtung zu erkennen. Es ist den Leuten wie Schuppen von den Augen gefallen, unsere Kaiser des Mittelalters sind zu Ehren gekommen, und wir zu Hause haben keine Vorstellung davon, in welch hohen dunkeln Umrissen sich vor andern Völkern unsere Zukunft emporhebt. Die Engländer, mit Recht stolz auf ihre ungeheuren indischen Besitzungen, lassen doch gerne merken, daß sie eigentlich unsere Vettern seien, – ja wohl, zuviel Vettern darunter von der feinen Sorte der Geldmacher. Die Spanier hegen wider Franzosen glühenden Nationalhaß, von Engländern wissen sie sich ausgebeutet, Italiener achten sie tief unter sich: da wirft sich alles, was sie an Bewunderung für ihre eigene Person nicht verbrauchen, auf Deutschland. Der General sagte mir: er habe den großen Krieg genau studirt, und finde alles äußerst natürlich, nur die Mannszucht unserer Soldaten bleibe ihm ein Wunder. Den Studenten erschien Deutschland als das Land hoher Ideen und Wissenschaft, wo alle Welt Krause'sche Philosophie treibe. Denn in Madrid und Neapel blühen Krause's Lorbeeren, während sie bei uns sein verwittert Grab kaum etwas umgrünen. Die Kaufleute aber priesen unsere Theilung des Grundbesitzes, welche das Land mit fleißigen und wohlhabenden Bauern fülle, die allerlei Waare verbrauchten. Du lieber Himmel, die Leute sollten nur wissen, wie sehr wir in Nöthen sitzen. Alles sei blankes Gold was wir anfaßten, so meinten wir vor ein paar Jahren, und nun haben wir uns bloß die Hände schmutzig gemacht, und unser wirkliches Gold verduftet. Beschämt sind wir vor aller Welt. Der Trost ist nur, daß die Franzosen Ludwig XIV. Glorie noch viel theurer durch Law's Mississippiaktien, und daß die Nordamerikaner den Ruhm ihrer Unabhängigkeit sofort mit noch ganz anderem Schwindel und Geldverlust bezahlten. Menschen und Völker, wenn sie plötzlich große Herren werden, müssen, so scheint es fast, immer etwas recht Thörichtes beginnen.

Auf Seereisen brauche ich, um Kopf und Nerven frisch zu erhalten und durch elende Seekrankheit nicht gar zu viele Zeit zu verlieren, folgendes Mittel. Ich esse wenig, trinke bloß Kaffee, laufe recht viel auf dem Verdeck umher, und richte mir irgendwo in freier Luft ein Sitzlager ein, wo ich von den Andern möglichst unbehelligt bleibe. Jeder muß halt allmählig die seiner Natur gemäßen Mittel kennen, durch welche er jenes seelische Uebel zu bekämpfen vermag.

Diesmal hatte ich meine Residenz ganz vorn bei dem Bugspriet aufgeschlagen. Von den Matrosen war sie mir möglichst behaglich mit Segeltuch ausgelegt, und von Zeit zu Zeit kam einer der Schiffsoffiziere oder Reisegefährten, um in mein Versteck hinein zu schauen. Hier dachte ich meinen spanischen Erfahrungen nach, insbesondere auch, warum dieses uns so entlegene Volk beinahe das einzige in Europa ist, welches ohne Neid und Aerger nach Deutschland hinüberblickt. Zur Besorgniß hat freilich Spanien keinen Grund; denn es nimmt wenig Theil daran, wenn die unnatürlich verschobenen Machtverhältnisse in Europa durch das Wiederaufsteigen der deutschen Macht wieder in die rechte Lage und Stellung gerückt werden. Aber es ist im spanischen Volke offenbar auch ein gewisses achtungsvolles Wohlgönnen gegen die Deutschen vorhanden. Was ist der Grund davon?

Die alte germanische Blutsverwandtschaft reicht nicht aus, diese Gesinnung zu erklären: es ist ja schon lange her seit der Völkerwanderung, und die iberische romanische und arabische Blutmischung im Volke der pyrenäischen Halbinsel möchte der germanischen reichlichst die Wage halten. In dem schlichten geraden ehrbaren Wesen der Spanier liegt zwar entschieden etwas, das uns deutsch anheimelt: dennoch sind sie in ihrer häuslichen, wie politischen Sitte und Denkungsart uns fremdartiger, als die Franzosen. Auch der Haß gegen die Letzteren, von denen sie nach ihrer Meinung stets nur Arges erfuhren, verbindet sie uns nur obenhin; denn der Haß ist ein schlechter Geselle, der nur berechnet und gegen Niemanden freundliches Gefühl erzeugt, ganz abgesehen davon, daß die feindselige Gesinnung gegen Frankreich bei dem höhergebildeten Spanier sich seltener findet und bei uns selbst im Volke durchaus nicht andauert. Ich möchte den Grund jener Zuneigung vielmehr in der stärksten Eigenschaft der Spanier finden, das ist ihr Nationalstolz, und diesen Nationalstolz lächelt nichts mehr an, als jene Zeit, in welcher Spanien sich auf der Höhe seines Ruhmes und seiner Thatkraft wußte, das Zeitalter Karl's V., der unser Kaiser und ihr glorreicher König war. Der Cid, Kaiser Karl und die Conquistadoren – schon ihr Name treibt der spanischen Jugend Feuer in die Augen:

Was aber hat denn uns jene Zeit gebracht, wo Spaniens und Deutschlands Loose verknüpft waren? Unser Volk nahm Theil an dem Ruhme des länder- und meergewaltigen Karl V. Er war ein kaiserlicher Herr, der es mit Pflicht und Ehre seines Amtes ernst nahm, und als er die beiden bösen M., Metz und Moritz, nicht zwingen konnte, brach er zusammen und war der Welt und ihres Gepränges müde. Brachte uns aber sein langes mühevolles Walten und Kriegen wirklich Segen? Es ist wahr, er bekämpfte Frankreich und hemmte eine Zeitlang dessen Ausdehnungsgelüste. Doch auch dieses Streben endete zuletzt verderblich, wenn auch nicht durch seine, sondern durch deutsche Schuld. Was hätte dieser Kaiser vermocht, wenn er sich nicht in unglückseligen Widerspruch mit dem tiefsten nationalen Geiste aller Deutschen gesetzt hätte! So aber wäre es für uns besser gewesen, er hätte von Jugend aus vergessen, das; er des ritterlichen Maximilian Enkel war. Sein Nachlaß, die Spanier in den Niederlanden und am Wiener Hofe, dieser Nachlaß Karl V. war noch schlimmer für uns, als seine eigenen Thaten. Ist uns überhaupt von Spanien jemals Gutes gekommen? Seinen Dichtern, seinen Murillos verdanken wir manche schöne Stunde, verdankt Tieck und seine Schule manche frucht- und anmuthreiche Anregung. Was aber sonst noch? Nichts als Unheil. Wenn ein spanischer Soldat oder Diplomat den Fuß auf deutschen Boden setzte, so heftete sich Unglück an seine Fersen.

Wer hätte wohl gedacht, daß die Heirath Philipps, des Sohnes Kaiser Maximilians, mit der spanischen Johanna, so weit und noch so lange auf ganz Europa einwirken würde! Alle Kinder Ferdinands und Isabellas von Spanien starben, nur Johanna, die später Wahnsinnige, blieb übrig und gab Karl V. das Leben, und er wurde Erbe Spaniens, Unteritaliens, der Niederlande und der Kaiserkrone. Und doch war in all diesem Ländergebiete nur der westlichste Theil, der durch Pyrenäen und Ozean vom übrigen Europa abgeschlossen und abgewendet war, bestimmt, die Deutschen, die Träger der Reformation, länger als ein Jahrhundertlang blutig zu bekämpfen. Es mußte wohl so in Gottes Plane liegen. Der Naturforscher, je tiefer er eindringt in irgend ein Einzelleben, wird abgezogen vom großen lebendigen Ganzen und neigt sich leichter zur materialistischen Weltanschauung. Umgekehrt der Geschichtsforscher, je mehr sich nach langen Studien vom Gewebe der Weltgeschichte ihm enthüllt, glaubt überall auf seine Fäden zu stoßen, die eine höhere Vorsehung anknüpfte.

Zweifellos war die Pabstkirche nach menschlichem Ermessen verloren, hätte sie nicht die spanische Garde gehabt. Spanier waren nicht bloß das auserwählte, sondern auch das einzige Volk, um die römische Kirche in der alten Welt zu vertheidigen und in der neuen Welt unter Blut und Gräueln ihre Kreuze aufzurichten. Und wie war der spanische Stoff zu- und vorbereitet, daß er der römisch-katholischen Kirche Schild- und Bannerträger wurde! Will man die Natur des Spaniers recht verstehen, so muß man in Marokko, wo von dem alten Fieber des Islams noch am meisten pulsirt, einen Araber oder Berber oder Mauren betrachten. Der ärmste Lump, dem die nackte braune Schulter durch die Fetzen seines schmutzigen Haiks sieht, weiß nicht, ob er den reichen gebildeten Europäer mehr hassen oder mehr verachten soll. Er fühlt sich innerlich viel reicher und edler, als der ungläubige Hund nur sein kann. Dieser hegt ja nicht in tiefer Brust den köstlichen Silberstern des Glaubens, der die düstere Seele mit seinem still glühenden Lichte zugleich erhellt und erwärmt.

O es ist eine ganz eigenthümliche geheimnißvolle Kraft und Nothwendigkeit, dieser religiöse Glaube. Jeder von uns trägt etwas davon in sich, und selbst im matten Orient könnten wir noch heutzutage seltsame Dinge davon erleben.

Es war auch ein spanischer Geistlicher an Bord, der als Oberpfarrer nach Fernando do Po ging. Diesen bekümmerte es hauptsächlich, ob bei den deutschen Katholiken die Hostie rund oder dreieckig sei? Damit war es ihm voller Ernst, und ebenso ließ er sich nicht davon abbringen, daß es in Deutschland nur halbe Katholiken gebe. Im Übrigen schäumte dieser Herr, der nicht ohne Witz und Laune war, über von Redensarten einer gewissen Natur, so daß selbst die Spanier sich schämten. Ein Offizier vertraute mir: solcher Geistlichen habe Spanien nur zu viele, und das sei des Landes schwerstes Unheil. Es scheint doch wahrlich, als sei gerade der Stand, von welchem zunächst des Volkes Sittigung abhängt, heutzutage fast überall wie von einem Fluche der Ohnmacht geschlagen. In Italien jagt der Klerus unmöglichen, ja unfaßbaren Idealen nach, in Frankreich verfällt er von einem albernen Wunder ins andere, und vollends in Spanien watet er bis an die Brust in einem Sumpf von Dünkel und Unwissenheit. Und in Deutschland? Man sieht ja von Weitem schon durch alle Riffe und Näthe des geistlichen Gewandes, und all sein Schimmer ist dahin. Aus diesen Reihen wachsen des Volkes Retter nicht mehr hervor.

Es gibt indessen in Spanien noch ein anderes Landesunglück, das viel weiter um sich greift. Die Spanier sprechen über alles ab, sie meinen alles zu wissen, – aber es scheint beinahe, als waren sie auch des Glaubens, es falle ihnen alles im Traum ein. Auf unserm Schiffe war doch ein Stück aus der bessern spanischen Gesellschaft versammelt, und die Fahrt dauerte langweilig bis in den fünften Tag. All die Zeit her konnte ich niemals bemerken, daß irgendwo ein Buch, eine Schreibfeder, ja nur eine Zeitung zum Vorschein kam. Auch das hübsche Klavier im Salon stand unberührt und staubbedeckt. Die Herren rauchten und plauderten, aßen und schliefen, und die Damen lagen seekrank alle mit einander. Der Einzige, der arbeitete, war ein Knurrbär von Schiffszimmermann, der dem Kapitän Möbel machte.

Unser alter Rollkasten von Dampfschiff blieb beharrlich bei seinen 3½ Leguas die Stunde, und das war nicht tröstlich, da es von Cadix nach Teneriffa mehr als 300 sind. Des Schiffes lächerliches Schwanken und Rollen erinnerte mich jeden Morgen wieder an ein berühmtes Lied, welches anfängt: »Grad aus dem u. s. w.« Erst am vierten Tage kam das Fahrzeug in festere Richtung, weil jetzt Wind und Segel ihm Flügel machten. Es erschienen unter seinen Borden lustige Delphine, welche durch die Fluthen schossen, sich auf den Rücken warfen und über die Wellenkämme schnellten. Da puffte es auf einmal von Revolvern, jeder Spanier hatte den seinigen bei sich. Auch auf unserem friedlichen Schiff nahm Jeder des Morgens seinen Revolver vom Nachttisch und steckte ihn zu sich, wie unser einer die Brieftasche. Natürlich wurde kein Delphin getroffen, aber im Nu waren sie alle weg und kamen nicht wieder.

Am selbigen Tage wurde der ganze Himmel ein durchsichtig Meer von Glanz und Bläue, und jede Welle blitzte im weiten Gewoge. Als Abends alles zur Ruhe war, niemand auf dem Verdeck, als der Mann am Steuer, wie einzig schön war da die Nacht! Der Mond ergoß sein Silberlicht über die ewig bewegliche schimmernde Fläche, und die Sterne blitzten und funkelten allüberallhin über die unermeßliche feierliche Stille des Ozeans, welche das einförmige Rauschen der Maschine gleichsam nur fühlbarer machte. Immer wieder zogen den Blick zu sich empor die ewigen Gestirne mit ihrem geheimnißvollen Lichtfunkeln über den dunkeln Tiefen.

Morgens früh gewahrte ich vom Lager aus durch mein winziges Kajütenfensterchen ein strahlend Licht. Ich hielt es für einen Fixstern, allein es erlosch von Zeit zu Zeit, um dann plötzlich hell zu flammen, rasch wieder zu verschwinden, und allmählig von neuem auszuleuchten. Jetzt wußte ich: das war der Leuchtthurm, das Schiff vor Teneriffa. Wir näherten uns nun rasch dem Lande. Noch lag es wie eine schattenhafte Masse da. Als die Höhen sich auszuformen anfingen, kleidete ich mich an und eilte vorn aufs Schiff. Richtig, da blickte zur Linken der Pik im röthlich weißen Licht über die Berge und hatte wenig Schnee mehr. Nur schien er überaus klein, wie ein Zuckerhut hoch auf den andern Bergen. Es war freilich noch zwanzig Stunden hin oder mehr bis an seinen Fuß, und seine Größe steckte zwischen den anderen Hochbergen. An der Entfernung ließ sich abmessen, wie hoch der Pik unter der Himmelswölbung herauf ragte. Nur zu bald war er verschwunden, denn wir dampften rasch dem Gestade näher, das sich zur Rechten als eine Folgereihe von scharfgezackten Bergrücken entwickelte, welche dicht nebeneinander ins Meer ausliefen. Die Sonne fing leise an ihre Spitzen zu röthen, und das bläuliche Dunkel wich aus den Schluchten, deren Grund nun hin und wieder etwas Anbau zeigte. Santa Cruz, die Hauptstadt der canarischen Inseln, dehnte sich in weißer Linie am Meer aus, dahinter eine breit und offen ansteigende Höhe, zur Linken stürzte sich ein langer schroff abfallender Bergrücken ins Meer. Der Anblick der Stadt ist höchst malerisch, das durch alte Festungswerke und zwei stattliche Kirchthürme verstärkt wird. Alles erschien nett und lockend, alles aber nackt und kahl, nirgends Waldesgrün zu entdecken, aber dennoch waren Höhen und Land und Meer wie umschwebt von einem farbenbunten Schimmer, den ich niemals so eigenthümlich weich und lieblich gesehen.

Die Lichtwirkung wurde, als wir nun landeten, immer fremdartiger. Die Luft ist so klar, so durchsichtig: man blickt in die tiefsten Schluchten hinein. Die Wolkenschatten lagen scharf umrissen aus den Bergen. Wie von eitel Licht und Glanz getränkt erschien die Luft. Es atmete etwas Glühendes darin, zwischendurch aber zog Seefrische und vielfacher Wohlgeruch. Die Wand- und Häuserspitzen zackten sich rein ab, und die Straßen entlang blickt man auf nackte krause Berge, die mit der canarischen Euphorbie wie mit blaßgrünen Punkten besäet erschienen. Das Volk aber, das sich bei der Landung versammelte, der große Platz, der dahinter sich öffnete, die Marienstatue, die Häuser und Bäume, alles war noch durchaus spanisch. Wäre der eigenthümliche weiche Farbenschimmer nicht gewesen, der alles umschwebte, ich hätte geglaubt, ich sei in einer hübschen kleinen Stadt an der spanischen Südküste.


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