Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Akiba war Hirte bei Kalba Schabua. Die Tochter dieses kannte ihn als bescheiden und gut und verliebte sich sterblich in ihn. Eines Tages sagte das Mädchen zu ihm: »Wenn ich dir die Hand als Braut gebe, versprichst du mir, dich den Studien zu widmen?« Der Hirte versprach und sie verlobten sich im Geheimen.
Als der Vater Alles entdeckt hatte, jagte er sie aus dem Hause und gelobte, die Tochter zu enterben.
Akiba und seine Verlobte aus dem Hause vertrieben, irrten da und dort umher, ohne Obdach und ohne Speise und als die Nacht gekommen, warfen sie sich auf ein wenig Stroh, um auszuruhen. Die Strohhalme verwickelten sich in den schwarzen und langen Haaren der Frau und verwirrten sich darinnen. Der liebevolle Gemahl trennte mit angelegentlicher Sorge die Strohhalme von den Haaren los und sagte zärtlich zu ihr: »o wenn ich reich wäre, du solltest dich recht putzen und schmücken! ich wollte dir ein goldnes Jerusalem auf die Brust legen Ein weiblicher Schmuck, auf welchem die Figur der Stadt Jerusalem eingedrückt war..«
Siehe da, indessen nähert sich ihnen ein Armer, ganz zerlumpt und ohne Fußbedeckung und ruft mit kläglicher Stimme: »Habt Mitleid mit mir, gebt mir ein wenig von eurem Stroh, meine arme Frau hat eben geboren und hat nichts, wo sie das Haupt niederlegen kann.«
Akiba wendete sich zur Gemahlin und sagte: »siehe, ein noch Elenderer, als wir.«
Um sein Versprechen zu halten, verließ Akiba die Frau und begab sich auf eine öffentliche Schule. Auf dem Wege dahin blieb er nachdenklich an einem Bächlein stehen, das über einen breiten Felsen lief und Alles mit vieler Aufmerksamkeit untersuchend, bemerkte er, daß der Fels in der Mitte tief durchhöhlt war und stellte bei sich folgende Betrachtung an: »dieser schwache Wasserfaden hat mit der Zeit in den harten Stein dringen und ihn durchlöchern können; was wird nicht auf mein Herz, das doch von Fleisch ist, das mächtige Wort des heiligen Gesetzes vermögen!« Und mehr ermuthigt, stellt er sich den Meistern vor. Er war damals vierzig Jahre alt und hatte noch nichts gelernt. Er fing an, die Buchstaben der heiligen Sprache zu lernen und schritt von Stufe zu Stufe immer weiter fort. Nach dem Unterrichte des Meisters verschloß er sich im Hause und dachte über Alles, worin er unterrichtet worden, nach und fragte sich selbst nach den Gründen jeder Sache, der Buchstaben, der Worte, von Allem und wiederholte seinen Meistern seine Zweifel und nützte den Meistern selbst, ihren Geist zu schärfen.
Jeden Tag ging er, ein Bündel Holz sammeln, die Hälfte davon verkaufte er zum Lebensunterhalt und mit der andern Hälfte legte er ein kleines Sparniß für die Kleidung zusammen.
Nach zwölf Jahren wurde er ein großer Meister und hatte zwölf tausend Zuhörer und bereitete sich schon zur Rückkehr vor.
Unterdessen wartete seine Frau ohne die geringste Bekümmerniß, Dieselbe hatte eine schlimme Nachbarin, die sie beständig quälte und zu ihr sagte: »o, der böse Mann, den du hast! noch am Leben, läßt er dich als eine verlassene Wittwe.«
Aber die Arme antwortete immer: »Wenn er mir folgte, so wollte ich, daß er die Studien eben so viele Jahre noch fortsetzte, als er bis jetzt auf sie verwendet hat.«
Dieses Gespräch wurde dem Akiba berichtet, welcher bei sich sagte: »Meine Frau giebt mir Erlaubniß dazu und ich will mich ihrer bedienen.« Und er blieb noch weitere zwölf Jahre bei den Studien.
Gefolgt von vier und zwanzig tausend Schülern wendete er endlich den Schritt zurück nach seinem Vaterlande. Die ganze Stadt kam ihm entgegen und unter der Menge kam auch die gute Frau herbei geeilt. Die böse Nachbarin sagte ihr: »Wagst du es, dich mit diesem deinem Kleide ihm vorzustellen?«
Und die Arme antwortete: »Mein Mann kennt mein Gemüth.«
Zu ihm gekommen, warf sie sich ihm zu Füßen und küßte sie. Die Schüler Akiba's die sie nicht kannten, wollten sie zurückstoßen und der Meister sagte ihnen: »Lasset sie, denn Alles was ich bin und was ihr seid, ist ihr Verdienst.«
Ketuboth S. 62 b. und 63 a. Abot de Rabbi Nathan S. 3. Abschnitt 6.
Der getreue Freund Akiba's, Jehoschua von Gerasa, war nachdem er von dem Gefangenen den letzten Abschied genommen hatte, traurig nach Hause zurückgekehrt. Der Prophet Elia kam in der Gestalt eines Reisenden an die Thüre seines Hauses, grüßte ihn freundschaftlich und sagte zu ihm: »Willst du etwas von mir?«
Nachdem Jehoschua den Gruß erwiedert hatte, frug er ihn, wer er sei und zu welchem Zwecke er gekommen sei.
Ich bin ein Priester und begab mich zu dir, um dir anzuzeigen, daß Akiba todt im Kerker liegt.«
Jehoschua schloß sich dem unbekannten Gaste an und beide begaben sich in das Gefängniß. Die Thüre war weit auf, der Kerkermeister eingeschlafen, eingeschlafen alle Eingekerkerten. Jene gehen vorsichtig weiter, treten in das Zimmer, wo die entseelte Hülle des Märtyrers lag, legen sie auf eine Bahre nieder und gehen, ohne daß Jemand es sah, oder hörte, hinaus. Kaum aus dem Gefängnisse, wollte der Prophet allein die Leiche Akiba's auf seinen Schultern tragen.
Jehoschua sah ihn es thun und wunderte sich darüber, und sagte: »Du Priester, trägst einen Leichnam auf den Schultern Die Priester durften keine Leiche berühren, außer von ihren nächsten Verwandten.!«
Elia antwortete: »Die Heiligen haben nichts Unreines an sich, folge mir und schweige.«
Die ganze Nacht gingen sie mit jener heiligen Last, bis sie an einen Ort kamen, Antefros genannt. Dort angekommen, ging der Weg dreizehn Stufen hinab und sie stiegen hinab; dann ging er wieder dreizehn andere Treppen hinauf und sie stiegen hinauf und befanden sich einer Höhle gegenüber.
Kaum waren sie nahe daran, als die Höhle sich öffnete und sie traten hinein. Dort fanden sie schon ein Bett, einen Stuhl, einen Tisch, einen Leuchter bereit. Sie legten die Leiche Akiba's auf das Bett und gingen hinaus. Die Höhle schloß sich hinter ihnen von selbst und ein Licht zündete sich von selbst an und verlosch nicht mehr. Elia ging ausrufend: »Glücklich die Gerechten, denen ein ehrbares Gemach hienieden und ein unsterblicher Sitz im Himmel zubereitet ist.«