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Es ist ein Gesetz des Friedens und eine Pflicht, die Armen jeder Nation zugleich mit den Armen Israels zu unterstützen, ihren Kranken beizustehen, ihre Todten zu bestatten.
Talmud Gittin Seite 61 a.
Wenn der Fromme einen von blinden Sterblichen angebeteten Götzen sieht, soll er diesen Dank zu Gott aussprechen: »Gelobt Gott, der Geduld und Nachsicht auch gegen diejenigen übt, die gegen seinen Willen handeln.
Talmud Berachot S. 57 b.
Drei Dinge führen, ja ziehen den Menschen gegen seinen Willen zum Bösen – der Irrthum des Götzendienstes, die Leidenschaft und die Armuth.
Es verdienen darum großes Mitleid diejenigen Unglücklichen, die davon fortgerissen werden, und es ist unsere Pflicht, Gott für sie zu bitten.
Talmud Erubin S. 41 b.
Der Israelite, der sein Geld lieber dem Heiden, als dem Israeliten leiht, weil er von dem erstem Zins nehmen kann, begeht eine Sünde.
Jalkut Mischle S. 144 a.
Wer darf auf deinen heiligen Berg steigen? sagt David: Psalm 15 V. 5. Wer aufrichtig handelt, … und wer sein Geld nicht auf Wucher giebt.
Rab Hamnuna sagte: wer sein Geld nicht auf Wucher giebt, auch an einen Heiden.
Talmud Maccoth S. 24 a.
Wer Reichthümer durch Zins und Wucher aufhäuft, häuft sie auf für den, der wohlthätig gegen Arme ist, sagt Salomo Mischle Cap. 28 V. 8..
Rabbi Huna erklärt, daß Salomo hier auf den von Heiden gewonnenen Zins anspielt. Ein anderer Gelehrter bemerkt, daß Mose 5. Buch Mose Cap. 23 V. 21. erlaubt, an Heiden auf Zins zu geben. Der erste Gelehrte antwortet: daß der Text einen andern Sinn hat. Und es wird dahin beschlossen, daß der Israelite höchstens so viel an Heiden auf Interessen leihen dürfe, daß er seinen Lebensunterhalt erwerben kann.
Jalkut S. 295 b.
Die Gerechtigkeit ist nicht ein besonderes Erbe, sie beruht nicht auf der Abstammung. Blos die Priester sind Priester, blos die Leviten sind Leviten; wer Priester oder Levite werden wollte (ohne von dem betreffenden Stamme zu sein), könnte nicht; Alle, die wollen, können Gerechte werden, auch der Heide.
Rabboth S. 225 a.
Jedes Mal, wenn ein Israelite einem Weisen von den Heiden begegnet, ist er verpflichtet, diesen Segen zu sprechen: »Gelobt Gott, der von seiner Weisheit den menschlichen Geschöpfen zugetheilt hat.«
Talmud Berachot S. 58 a.
Rabbi Jochanan sagte: »Ein Heide, der sich mit dem Studium des heiligen Gesetzes beschäftigt, eines Gesetzes, das er in der That verwirft, ist einer Todsünde schuldig. Rabbi Meïr antwortet: »Sei er immerhin ein Heide, in dem Augenblicke, wo er sich mit dem heilgen Gesetze beschäftigt, ist er dem Hohenpriester gleich.
Talmud Sanhedrin S. 59 a. Aboda Sara S. 3 a.
Rabbi Jehoschua, Sohn Levi, wurde von einem Sadducäer Eine Secte, welche die Tradition verwarf., der in seiner Nachbarschaft wohnte, belästigt und gequält.
Da er diese Qualen nicht mehr aushalten konnte, beschloß er, Gott um Rache gegen ihn anzuflehen.
Eines Tages betete er in tiefer Andacht und ganz in sich gesammelt bereitete er sich vor, die göttliche Strafe auf den Häretiker, seinen Peiniger, herabzurufen.
Aber statt die schreckliche Anrufung des göttlichen Zornes auszusprechen, schlief er nach und nach sanft ein.
Von seinem Schlafe erwacht, dachte er bei sich: »Dieser sanfte Schlaf, den mir Gott geschickt hat, ist eine beachtenswerthe Mahnung.« Der Gerechte soll nie die Strafe Gottes gegen den Schuldigen anrufen.
Talmud Berachot S. 7 b.
Beim jüngsten Gerichte wird der Herr, auf dem unsterblichen Throne, mit dem Buche des heiligen Gesetzes neben sich, folgenden Ruf ergehen lassen: »Wer mein Gesetz erfüllt hat, komme, den Lohn dafür zu empfangen.«
Alle Nationen werden sich hinzudrängen, um eine jede die eigne Sache zu vertreten.
Vor dem göttlichen Tribunal werden sie rufen: »Hast du denn uns dein Gesetz gegeben, daß du uns zur Last legen kannst, daß wir es nicht ausgeführt haben?«
Aber dieser eitle Vorwand fällt vor dem Zeugnisse der Geschichte. Denn Gott hat bei allen Nationen die Probe gemacht, ihnen sein heiliges Gesetz zu empfehlen, aber von allen wurde es zurückgewiesen Der Talmud zeigt in vielen Stellen, wie in dieser, daß es eine Ungerechtigkeit wäre, die Nationen zu verdammen, weil sie das mosaische Gesetz nicht beobachteten, das ihnen nicht offenbart wurde. Er zerhaut den gordischen Knoten durch die Annahme, daß es ihnen wirklich angeboten, aber von ihnen abgewiesen worden sei. Aus andern Stellen ersieht man, daß er mit dieser Annahme darthun will, daß die alte Unsittlichkeit so groß gewesen sei, daß sie sich der Strenge des Gesetzes nicht fügen konnten..
Auf den Vorwurf, es nicht angenommen zu haben, werden sie erwiedern: »Aber hast du denn, damit wir es annähmen, die Drohung und die Gewalt angewendet, wie du sie gegen Israel angewendet hast?«
Denn in der Stunde, in welcher das göttliche Gesetz verkündigt wurde, wankte der von dem Blitz zertrümmerte, umgestürzte und zerrissene Berg und drohte, die Israeliten unter seinen Ruinen zu begraben, wenn sie das heilige Gesetz nicht annahmen. Auf diese Rede wird die göttliche Gerechtigkeit mit diesen Worten erwiedern, die ihre Verurtheilung und ihre Rettung sein werden: »Ihr Nachkommen der Söhne Noa's habt die sieben Die noachitischen Gebote sind die Principien der allgemeinen Moral; es befindet sich jedoch unter jenen Vorschriften das Verbot, Fleisch von einem lebendigen Thiere zu essen; es ist dies eine That, die auch die allgemeine Moral und die Bildung verdammen. Gebote, die ich euren ersten Vorfahren vorgeschrieben habe, geerbt. Diese würden für euch genügt haben. Habt ihr sie erfüllt?«
Talmud Aboda Sara S. 2 a und b.
Das Gericht über das sündfluthliche Zeitalter dauerte zwölf Monate. Jeder Regentropfen, der vom Himmel auf jene Sünder fiel, war zuvor in dem Feuer der Hölle erhitzt worden. So trugen jene Generationen durch jene Marter ihre Schulden ab und dann wurden sie in der andern Welt gerettet.
Rabboth S. 31 a.
In der Stunde, wo Gott sich vorbereitete, die Aegypter in die Abgründe des Meeres zu versenken, flog Usa, ihr Schutzengel Entweder in allegorischem oder im eigentlichen Sinne glaubten viele Talmudisten, daß eine jede Nation im Himmel ihren Schutzengel habe, der immer ihre Sache und deren Vertheidigung übernimmt. zum himmlischen Throne und sprach also! »Herr! du bist unwandelbar gerecht, du richtest mit gleicher Liebe alle Nationen. Und warum denn nun solche Strenge gegen die Aegypter? Wessen sind sie angeklagt? Israel eine solche Knechtschaft erdulden gemacht zu machen? Aber für diese Knechtschaft erhielt Israel reichlichen Ersatz in den von Aegypten fortgetragenen Reichthümern. Und warum will man jetzt mein Volk in's Meer werfen?«
Sprach Gott zu den Schutzengeln der Nationen: »Prüfet und antwortet. Vor dem Einzuge in Aegypten war Joseph; und durch Joseph wurde Aegypten gerettet; aber die undankbaren Aegypter machten dessen Söhne zu Sklaven. Ich sandte zu Pharao meine Boten, um ihm meinen Willen anzukündigen; der thörichte König proclamirte sich als einen Gott und wollte mich nicht anerkennen. Durch die Gewalt genöthigt, ließ er Israel frei und jetzt will er es in die Sklaverei zurückführen.
Die himmlische Familie erklärte einmüthig die Schuld der Aegypter und die göttlichen Decrete wurden ausgeführt.
Jalkut S. 69 b.
Als die Aegypter in dem Meere versanken, bereiteten sich die Engel vor, ein Freudenlied anzustimmen. Da sprach der Herr mit unwilliger Stimme: »Meine Geschöpfe liegen im Meer versunken und ihr stimmt einen Gesang an!«
Rabb. S. 140 a, Sanhedrin Seite 39 b.
Wenn die Stunde, des Falles der Heiden kommt, um dem Triumphe Israels Raum zu geben, stößt der Himmel folgende Klage aus: »Diese und jene sind meine Geschöpfe; werde ich die einen für die andern vernichten können?«
Dieses stimmt mit dem Sprichworte überein, das sagt: »Wenn der Ochs entkräftet fällt, stellt der Herr mit unwilligem Herzen das Pferd an dessen Krippe; wenn der Ochs wieder gesund wird, jagt der Herr mit unwilligem Herzen das Pferd davon weg.«
Sanhedrin Seite 98 b.
Der Herr betheuerte also dem Mose: Israelite oder Heide, Mann oder Frau, Knecht oder Freier, Alle sind gleich für mich; jedes gute Werk ist vom Lohne begleitet.
Jalkut S. 20 b.
Wenn Gott Israel richtet, so ergreift er die Stunde, wo sie mit den heiligen Gesetzen beschäftigt sind; wenn er die Nationen der Erde richtet, so ergreift er die Stunde, wo sie nichts Böses thun.
Gott richtet die Nationen durch die Gerechten, das heißt, er gedenkt bei seinem Gerichte derer von diesen Nationen, die gut waren.
Talmud Jeruschalmi Rosch haschana. Aboda Sara 3 b.
Die Mischna zählt Bileam unter diejenigen, die ewig verloren sind. Darüber bemerkt ein talmudischer Gelehrter, daß, nach den mischnischen Gelehrten, Bileam, der ein Heide war, verloren ist, weil er gottlos war; aber nicht alle Heiden sind ewig verloren.
Dieser Gegenstand gab Stoff zu einer Discussion zwischen zwei Weisen. Einer derselben legte den Text des Psalmisten (Psalm 9, V. 18), welcher sagt: »Die Gottlosen werden ins Verderben gehen, alle Nationen, die Gottes vergessen,« dahin aus, daß er den ersten Theil des Textes auf die Gottlosen unter den Israeliten, den zweiten Theil auf alle Heiden anwendet.
Ihm setzte sich Rabbi Josua mit diesen Worten entgegen:
»Ihr mißverstehet den heiligen Text, welcher nicht von allen Heiden spricht, sondern von denjenigen unter den Heiden, die Gott vergessen; die andern Heiden, wenn sie nicht gottlos sind, haben Theil an dem Lohne des zweiten Lebens.«
Talmud Sanhedrin S. 105 a.
Worauf spielen die dreißig Münzen des Propheten Zacharia an? (Cap. 11. V. 12.)
Sie spielen auf die dreißig Gerechten an, die sich immer unter den Heiden finden, durch deren Verdienst die Nationen erhalten werden.
Talmud Chulin S. 92 a.
Es ist verboten, zu betrügen, wer es auch sei, wäre es auch selbst ein Götzendiener.
Samuel befahl dem Diener, mit einem Fährmann, der ihn über einen Fluß setzen sollte, zu accordiren. Unter den Bedingungen des Accords war auch die, daß er ihm eine Flasche reinen Weins zu trinken gebe. Der Diener mischte den Wein mit Wasser und der Fährmann bemerkte es nicht. Samuel erfuhr den Betrug und schalt seinen Diener tüchtig aus.
Talmud Chulin S. 94 a.
Ein Heide sagte zu Rabbi Jehoschua, Sohn Karcha: »Eure Feste sind nicht die unsern; wenn wir an unsern Festen uns der Freude überlassen, überlaßt ihr euch nicht der Freude. Wann haben wir denn gemeinschaftliche Freuden?
»Wir haben gemeinschaftliche Freuden,« antwortete der Gelehrte »wenn die befruchtete Erde uns ihre Schätze zutheilt. Im Genusse dieser Güter ladet der Herr nicht Priester und Leviten und Israel ein, ihm Huldigung darzubringen, sondern er ladet die ganze Erde ein.
Ein Fürst befahl immer mit vielem Nachdruck seinem Diener, einen seiner Purpurmäntel zu besorgen und kein Tag verging, an dem er ihn nicht nach demselben fragte und ihn erinnerte, denselben zu reinigen, sorgfältig zusammenzulegen, keine Falten hineinzumachen. Eines Tages konnte der Diener sich nicht enthalten, diese Worte zu sagen: »Mein König: du hast hundert, nicht weniger schöne Purpurmäntel und empfiehlst mir immer nur diesen?« Der König antwortete: »Dieser ist mir der liebste, weil ich ihn den Tag an hatte, an dem ich den Thron bestieg.«
In der nämlichen Weise sagte Mose, als ihm der Herr tausend Befehle für Israel gab: »O mein Gott! du hast hundert und aberhundert Nationen auf der Erde und sprichst mir immer nur von Israel, und empfiehlst mir immer nur Israel?«
Antwortete Gott: »Sie sind alle meine Völker, aber dieses das liebste, weil es das erste war, mein Reich auf Erden zu verkündigen.
Jalkut S. 102 b.
Sechs und zwanzig Jahrhunderte hatte die Welt schon gedauert, ehe das Gesetz verkündigt wurde.
Aber wie wurden im Himmel diese Jahrhunderte regiert?
Sie wurden regiert durch die göttliche Gnade.
Talmud Pesachim S. 118 a.
Ein König feiert sieben Tage nach einander mit großen Gastmälern und mit Tänzen das Hochzeitsfest seines Sohnes. Im Festesjubel ist der Bräutigam immer von den Gästen umgeben, und kann sich kaum einen Augenblick mit dem Vater unterhalten.
Nach Ablauf der sieben Tage ruft der Vater den Sohn zu sich und sagt: »Bis jetzt hast du dich mit den Gästen beschäftigen müssen, jetzt schenke mir einen Augenblick; halten wir ein kleines Mahl mit einander, ein bescheidenes Mahl, ohne Aufwand; aber wir werden uns wenigstens einander genießen.«
So wurden jedes Jahr an dem Hüttenfeste viele Opfer zur Sühne der Heiden dargebracht. Siebenzig Opfer wurden geschlachtet so viele, als die Nationen der Erde waren Diese Zahl von siebenzig Nationen findet sich tausend Mal in den talmudischen Büchern, um alle Völker anzuzeigen. Es ist eine bestimmte Zahl, um eine unbestimmte zu bezeichnen.. Nach Ablauf der sieben Tage rief Gott Israel noch zu einem Festtage Es ist das Beschlußfest gemeint., er wollte kein ander Opfer als einen Stier und ein Lamm; aber jenes Fest war ganz zwischen Israel und Gott.
Jalkut S. 251 b.
Liebe den Ewigen, deinen Gott. Dieses zeigt an, sich geliebt zu machen von allen seinen Geschöpfen, sich fern zu halten von der Sünde und von Betrug, sowohl in Bezug auf Israel, wie auf die Heiden und auf jeden Menschen. Wer ein Dieb ist gegen den Götzendiener, wird auch ein Dieb sein gegen Israel; wer falsch schwört gegen den Einen, wird auch falsch schwören gegen den Andern; wer dem Einen läugnet, wird auch dem Andern läugnen; wer den Heiden tödtet, wird auch den Israeliten tödten. Das Gesetz wurde gegeben, um den großen Namen Gottes zu heiligen.
Jalkut S. 267 a.
Ein Herr will einen Acker einem Diener anvertrauen; er bietet ihn dem einen und dem andern an, und Alle erklären, daß ihre Kraft nicht hinreiche, ihn zu bebauen. – Endlich findet er einen, der annimmt und verspricht, Sorge dafür zu tragen. Wenn der Acker ungebaut und unfruchtbar bleibt, wen wird der Eigenthümer dafür zur Rechenschaft ziehen? Nicht den, der es ablehnte, ihn anzunehmen, sondern den, der den Auftrag übernahm.
So bot der Herr das Gesetz allen Nationen der Erde an und alle antworteten: unsre Kräfte reichen dafür nicht hin. Bloß Israel nahm es, und bloß Israel ist berufen, Rechenschaft zu geben, wenn es dasselbe nicht erfüllt.
Diese sonderbare geschichtliche Annahme geht von dem Principe aus, das der Talmud im Allgemeinen aufstellt, nämlich: Israel, welches das Gesetz angenommen hat, ist verpflichtet, es zu erfüllen, und hat dafür unermeßliche Privilegien. Aber die Nationen, die es nicht annahmen, sind nicht schuldig, wenn sie es nicht erfüllen; für sie ist die Richtschnur der göttlichen Gerechtigkeit aus den, allen civilisirten Nationen gemeinschaftlichen, Moralprincipien entnommen.
Als die Blitze des Zornes Gottes über Israel hereinfuhren, weil es das ihm anvertraute Gesetz nicht getreulich erfüllt hatte, brach es in folgende Klage aus:
»Ewiger Gott! das Joch des heiligen Gesetzes ist zu schwer für mich; ich gab mich einer eiteln Täuschung hin, und jetzt bemerke ich meinen Irrthum. Ich hielt die Erfüllung deiner Vorschriften für leicht; aber sie übersteigen meine Kräfte. Den Götzendienst zu meiden, schien mir eine leichte Sache; aber die fürchterlichen Strafen, die demjenigen gedroht sind, der in einem Punkte darin sich verfehlt, haben mir dieses Verbot allzuschwer gemacht. Ich dachte es mir sehr leicht, den Sabbath durch die Ruhe zu weihen; aber die fürchterliche Strafe, die den Uebertretern des Sabbaths gedroht ist, erfüllt mich mit Schrecken. Ach! befreie mich von diesem Bande; mache mich den andern Nationen gleich; ich will keine größern Belohnungen mehr haben. Du hast in deinem Gesetze vorgeschrieben, daß der von dem Priester gekaufte Sklave gleiche Rechte mit dem Herrn erwerbe, indem er von den der Priesterschaft geweihten Spenden genießen darf; aber wenn jener Sklave nicht mehr jenem Priester gehört, so verliert er die Rechte und die Pflichten, die er erworben hatte. Das Nämliche sei bei mir; befreie mich vom Joche des Gesetzes, und ich werde den andern Nationen gleich sein.«
Antwortete der Prophet Ezechiel, der jene Klagen hörte:
»Ihr seid keine Sklaven; ihr wurdet weder gekauft, noch verkauft; ihr waret Gottes, und sollet Gottes bleiben.
Jalkut Jeremia S. 64 a. und Jalkut Jecheskel S. 61 b.
Deborah war Prophetin zu den Zeiten des Hohenpriesters Eleasar und richtete Israel Richter Cap. 4. V. 4..
Aber wie ließ man, vorzugsweise vor den Hohenpriestern selbst, einer Frau ein solches Amt?
Antwortet Pinehas, Sohn Eleasars: »Ich schwöre beim Himmel und bei der Erde, daß Israelite oder Götzendiener, Mann oder Frau, Sklave oder Sklavin, Alle gerichtet werden nach ihren Werken, und auf Alle kann der göttliche Geist sich herablassen.
Jalkut Richter S. 9 a.
Elischa Acher.
Der Bürger Abuja war einer der reichsten Herren, deren sich dazumal Jerusalem rühmte und führte ein sehr glänzendes Leben und entfaltete in Haus und Kleidern einen großen Aufwand. Sein erstes Kind war ein Knabe. Das ganze Haus war in großer Festlichkeit und Alles in der rührigsten Bewegung, um ein prachtvolles Gastmahl für den Tag der Beschneidung des Knaben zuzubereiten. Als der vom Gesetze bestimmte Tag gekommen war, wimmelten die Zimmer Abuja's von Dienern, Sängern, Tänzern, die herbeigerufen waren, um das Fest fröhlicher zu machen; und bald darauf kommen auch die angesehensten und reichsten Personen Jerusalems, unter welchen auch zwei berühmte Gesetzesgelehrte. Das Gastmahl beginnt; die Weine schäumen: eine ausgesuchte Speise nach der andern und mit den Weinen und Speisen ziehen Heiterkeit und Trunkenheit ein.
Die beiden Gelehrten gehen, ohne daß Jemand es bemerkte, in das anstoßende Zimmer und vertiefen sich in die geheimsten Theile der Religionswissenschaft. Während die zwei Weisen, einzig mit ihren Studien beschäftigt, nicht mehr wußten, was um sie vorging, siehe da! vom Himmel herab eine Flamme kommen, welche die Gelehrten umgiebt und das Zimmer mit Licht, wie mit einer großen Feuersbrunst, erhellt, und die leuchtende Gluth dringt in das nahe Zimmer, wo die Gäste sich der Freude überließen.
Bei jener plötzlichen Gluth fährt der Hausherr erschrocken auf, stürzte sich dahin, wo die Weisen saßen und rief: »Was macht ihr hier? Seid ihr gekommen, mein Haus zu verbrennen?«
Die Gelehrten wenden sich ruhig zu ihm und, die Ursache jenes Schreckens errathend, antworten sie: »Herr! hier ist weder Feuer noch Feuersbrunst. Wir waren ganz dem Studium des heiligen Gesetzes hingegeben; das heilige Gesetz ist es, das, inmitten der Stürme und den Flammen verkündigt, Feuergluthen um uns aussandte.«
»O.« sagte Abuja verwundert, »ist also die Gewalt des Gesetzes so groß! wohl! möchte Gott mir diesen meinen Knaben erhalten; und ich denke, ihn ganz der Wissenschaft zu weihen.«
Sobald der Knabe, der Elischa genannt wurde, die Fähigkeit hatte, zu verstehen, erzählte ihm der Vater das Wunder, das seine Geburt eingeweiht hatte. Der Jüngling hatte einen warmen Eifer für das Studium; in kurzer Zeit war er unter den Ersten und erlangte großen Ruf unter den Gelehrten. Immer von unersättlichem Wissensdurst getrieben, schritt er unermüdlich von Studium zu Studium fort und verbreitete seinen Ruf immer mehr in Israel. Eingedenk des Wunders, das seine ersten Tage begleitet hatte, gab er sich dem Gedanken hin, daß er zu etwas Großem und Wunderbarem bestimmt sei, und nicht zufrieden mit dem Studium, das die Tugend lehrt, wollte er in die großen Geheimnisse der Schöpfung und der Gottheit eindringen. Mit kecker Frevelhaftigkeit unterwarf er die Werke und die Worte Gottes der Prüfung; mit dem Lichte der Vernunft durchforschte er die Natur und die Geschichte; sah die Güter und die Uebel mit einander abwechseln, wußte nicht das Gesetz zu erkennen, das sie regiert und in Uebereinstimmung setzt, und fühlte, sich den Zweifel in seinen Geist und in sein Herz einschleichen.
Einmal sah er einen Israeliten, der gegen das Verbot des Gesetzes, am Sabbath auf einen Baum kletterte, ein Nest von jungen Vögeln mit der Mutter ergriff und Alles forttrug; und dennoch widerfuhr ihm kein Schaden daraus Das mosaische Gesetz verbot, aus dem Neste die Mutter und die jungen Vögel zu nehmen, und wollte, daß man die Mutter entlasse. 5. Mos. Cap. 22.. Am folgenden Tage sah er einen andern Israeliten, der auf einen Baum kletterte, ein Vogelnest nahm und nach der Vorschrift des Gesetzes die Mutter frei ließ. Aber beim Herabsteigen fiel der Arme, wurde von einer Schlange gebissen und starb.
Bei jenem Anblicke lachte Elischa laut auf und dachte bei sich: »Das Gesetz verspricht ein langes Leben demjenigen, der solchen Vorschriften getreulich nachkommt. Nun, wie wurde das Versprechen Jenem gehalten?«
Und der Unglückliche dachte nicht, daß das versprochene lange Leben das der Ewigkeit ist.
Ein anderes Mal sah er die Zunge eines großen Gelehrten, eines Märtyrers für den Glauben, von den Hunden zerrissen. Da rief er wüthend aus: »Jene heilige Zunge, die nie Anderes, als heilige Dinge redete, siehe! wie sie mißhandelt wird. Es giebt keine Vorsehung, es giebt keine Gerechtigkeit.« Und er schloß so: »In der Schöpfung giebt es zwei Principien: das eine der Urheber des Guten, und das andere Urheber des Bösen.«
Und vom Tage jenes unheilvollen Beschlusses entsagte er seinem Glauben, schwur Feindschaft und Haß den alten Religions- und Wissenschafts-Genossen und ergab sich ganz dem Laster, weßhalb er von da an immer mit dem Namen » Acher« d. h. er ist ein Anderer geworden. benannt wurde.
Der Abtrünnige setzte seinen Krieg gegen die alten Mitbrüder mit Heftigkeit fort, mißhandelte Alle diejenigen, die lobend von dem heiligen Gesetze redeten; ging in die öffentlichen Schulen und zu den jungen Studirenden und rief: »Was macht ihr hier? Thoren! Euere Mühe ist vergeblich. Auf, auf, zu den Künsten, zu den Gewerben, und es wird besser für euch sein.« Und die jungen Leute, bethört von jenen Worten, gingen auseinander und verließen das Studium.
Zu einem einzigen der alten Mitbrüder hatte der Abtrünnige eine ungeschwächte Liebe bewahrt, zu Rabbi Meïr, seinem liebsten Schüler. Und dieser, ein großer Gelehrter in Israel, wollte nie seinen alten Lehrer verlassen und folgte ihm auf allen seinen Wanderungen und redete immer mit ihm von dem heiligen Gesetze und befragte ihn in allen seinen Zweifeln um Rath, bewahrte sorgfältig dessen Antworten und theilte sie alsdann seinen Collegen mit.
Einige von diesen verdroß diese Sache und sie nahmen es dem Rabbi Meïr übel, daß er noch von den unreinen Wellen jenes Abtrünnigen trinke. Aber die Weisern sagten: »Warum wollen wir ihn dessen beschuldigen? Unser College hat einen schönen Granatapfel gefunden; er nimmt die Süßigkeiten davon und die Schale wirft er fort.«
Rabbi Meïr, durch solche Gründe beruhigt, folgte immerfort mit Liebe seinem Meister, und von Zeit zu Zeit warf er ein Wörtchen hin, um ihn zur Reue zu führen, aber vergebens.
An einem Sabbathe ging er mit ihm außerhalb der Stadt spazieren, er zu Fuß und der Meister zu Pferd und führte die gewöhnlichen Gespräche über die heiligen Studien. Da sie sich etwas weit entfernt hatten, sagte der Meister zum Schüler: »Kehre um, denn an den Schritten meines Pferdes habe ich bemessen, daß hier die Grenze ist, wohin es dir erlaubt ist, am Sabbath zu gehen« Es ist verboten, am Sabbaths zu reisen. Deßhalb mußte der Raum bestimmt werden, den man zu Fuß von dem Orte aus zurücklegen darf, ohne eine Sünde zu thun..
»Kehre auch du um, mein Meister!« sagte der Schüler ergriffen und weinend. »Kehre zurück zu deinen Brüdern, kehre zurück zum Glauben.«
»Mein Freund! Ist denn noch Zeit für mich, zu bereuen?«
»Ja, mein Meister! es ist ein Satz, den du mich selbst gelehrt hast: Die Weisen sind mit Glas- und Gold-Vasen zu vergleichen, weil auch Sünder in sich gehen können, wie diese, zerbrochen, wieder umgegossen werden können.«
»Nein,« rief der Abtrünnige bitter, »nein, ich habe selbst eine himmlische Stimme sagen hören: »Alle Bußfertigen werden angenommen werden, aber Acher wird nie angenommen werden.«
Der arme Schüler dringt noch in ihn, weint, bittet, und durch die Bitten zieht er ihn in eine Schule der Weisen. Der Abtrünnige tritt ein und sagt zu dem ersten Jünglinge, dem er begegnet: Sage die erste Stelle her, die dir einfällt. Der Jüngling sagt folgende Worte des Propheten Jesaja Cap. 57. V. 21.: Die Bösewichter werden nie Frieden haben. Erschrocken fliehen sie, gehen in eine andere Schule, machen die nämliche Probe. Der gefragte Jüngling sagt Jeremia Cap. 2. V. 22.: Wasche dich nur mit Seife und Lauge, dein Vergehen ist in meinem Buche versiegelt!
Sie gehen von Schule zu Schule, wiederholen die nämliche Probe, und erhalten immer die nämliche Antwort, bis daß in der letzten ein Jüngling die Stelle Psalm 50. V. 16. anführt: Bösewicht, nicht dir steht es zu, über meine Gesetze zu sprechen.
Der Abtrünnige wird wüthend, bedroht den Jüngling und flucht. Als der Unglückliche auf dem Todtenbette lag, lief man eilig, dem Rabbi Meïr zu sagen: »Dein Meister stirbt, dein Meister stirbt!« Der gute Gelehrte läuft zu dem Sterbenden, wirft sich zu den Füßen des Bettes nieder und sagt weinend: Thue Buße, mein Meister!
»Würde ich noch angenommen werden?«
»Ja, ja, du wirst von der göttlichen Barmherzigkeit angenommen werden. Bis zum letzten Seufzer wird die Reue des Sünders im Himmel angenommen.«
Der Abtrünnige vergoß eine Thräne, und in dem Augenblicke verschied er. Rabbi Meïr erhebt sich voll Betrübniß und spricht: »Täusche ich mich? Er ist in der Buße gestorben.«
Und eine Flamme läßt sich vom Himmel nieder, berührt die todte Hülle, und eine Stimme ruft: Ist das das Grab deines Meisters? Und der arme Schüler wirft seinen Mantel über ihn, und fast wahnsinnig spricht er zu der Flamme Eine agadische Deutung einer Stelle im Buche Ruth (Cap. 3. V. 13.), die besagen will: die Flamme möge die Leiche so lange verschonen, bis er, Rabbi Meïr, gestorben sein werde.: ruhe in dieser Nacht – des Lebens; wenn der Tag – meines ewigen Lebens gekommen sein wird, wird dich Gott erlösen, werde ich dich erlösen; Elischa muß gerettet werden durch das Verdienst seiner großen Wissenschaft im heiligen Gesetze.«
In der Academie der Weisen besprach man sich über diesen schmerzlichen Tod und man sagte: »Welches wird sein Urtheil dort oben sein? Wird er verdammt werden? nein, weil er ein großer Weiser war. Wird er selig werden? nein, weil er ein großer Sünder war. Sein Urtheil wird für Jahrhunderte aufgeschoben bleiben.«
Rabbi Meïr sagte: »Besser wäre es für ihn, er würde gerichtet. Nach meinem Tode werde ich im Himmel dieses Urtheil von Gott erflehen; er büße seine Sünden und komme dann in den Himmel. Nach meinem Tode werdet ihr eine Feuerflamme sein Grab berühren sehen!«
Ein anderer Gelehrter rief: »Welch große Heldenthat, den eigenen Lehrer in's Feuer senden! Ein Einziger von den Unsrigen verleugnete den Glauben, und wir Alle sind nicht im Stande, ihn zu retten! Wenn ich ihn erlangen könnte, Niemand würde ihn meinen Händen entreißen. Nach meinem Tode werde ich jene Flamme auslöschen.«
Und als der Gelehrte starb verschwand die Flamme, die über dem Grabe des Abtrünnigen loderte Das vom Grabe verschwundene Flämmchen bedeutete im talmudischen Sinne das Ende der Strafe, die Acher in der andern Welt zu erleiden hatte..
Eines Tages stellte sich ein Mädchen mit aufgelösten Haaren dem höchsten Vorsitzenden der Academie vor, und rief: »Herr, Herr, gieb mir zu leben.«
»Wer war dein Vater?«
» Acher war mein Vater.«
»Lebt jenes verruchte Geschlecht noch?« rief unwillig der Vorsitzende.
»Meister«, versetzte das Mädchen, »erinnere dich seiner Wissenschaft, erinnere dich nicht seiner Werke.«
In diesem Augenblicke umhüllte ein himmlisches Feuer den Stuhl des Vorsitzenden. Und dieser rief weinend aus: »O, wenn Gott so mitleidig gegen die Sünder ist, wie groß muß seine Liebe zu seinen Getreuen sein!«
Midrasch Rabba Koheleth S. 101. Rabba Ruth S. 48 und Talmud Chagiga S. 15 und 16 Elischa Acher findet sich sehr oft in den talmudischen Büchern erwähnt. Es ist bemerkenswerth, daß der Apostate oft noch nach seinem Abfalle in religiösen Streitfragen zu Rathe gezogen wurde, und daß seine Antworten tausend Mal inmitten der casuistischen Verhandlungen der Gelehrten vorkommen. Seine aus den verschiedenen Büchern der damaligen Zeiten hier zusammengestellte Geschichte mag für die Kenntniß der Denk- und Fühlweise seiner Zeitgenossen einen wichtigen Beitrag liefern, weßhalb dieselbe, wenigstens im Wesentlichen, getreu, mit all dem Wunderbaren, das die Symbolik und Allegorie der damaligen Zeiten darüber gebreitet haben, dargestellt wurde..