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Empfängnisverhütung und Abtreibung, Kindermord

Wir haben an mehreren Stellen auf Mittel hingewiesen, die im japanischen Geschlechtsleben angewendet werden, um die Empfängnis zu verhüten. Das einfachste Mittel ist die Kugel aus dem Misugami genannten weichen Papier, die in die Scheide bis vor die Gebärmutter geschoben wird. Statt des Papiers wird auch Baumwolle benutzt; Satow nimmt jedoch an, daß ein solcher Wattebausch Ansteckung mit Geschlechtskrankheiten verhindern soll.

Ein bei den Frauen sehr verbreitetes Mittel war das Mogusa, der Brennkegel, der auf dem Venusberg abgebrannt wurde, aber so unwirksam zu sein schien, daß sich die Volksdichter in ihren Spottversen darüber lustig machten. Heute ist das Mogusa fast ganz in Vergessenheit geraten; es wird wohl hier und da bei abergläubischen Frauen noch ein stilles Dasein fristen.

Im allgemeinen zuverlässig wird wohl das Kabutogata sein, das wir im Abschnitt »Harikata« beschrieben haben. Es ist als eine Art Eichelkondom anzusehen, da es die Form der Peniseichel nachahmte und bei richtiger, oben beschriebener Anwendung auch abschloß; es handelt sich hier selbstverständlich um das Kabutogata, dessen Spitze nicht durchbohrt war. Über das eigentliche Kondom findet sich die erste Angabe in Japan in einem, im zehnten Bunsei-Jahr (1827 u.Z.) erschienenen erotischen Buch, das zu einer Abbildung eines solchen langen Kondoms folgende Beschreibung gibt:

»Kawagata; man nennt es auch Kyōtai. Ein solches Kyōtai wird aus dünnem Leder hergestellt und die Ausländer nennen es Ryūrusakku. Dies ist ein Gegenstand, der das Eindringen des männlichen Samens in die Scheide und damit die Empfängnis verhindert.«

Dieses merkwürdige Wort Ryūrusakku ist naturlich aus einem fremden Wort verstümmelt; Satow meint, daß es vielleicht von Rüde-Sack herkomme, wahrscheinlicher ist aber meiner Ansicht nach die Abstammung von dem holländischen roede-zak, denn man nimmt an, daß solche Lederkondoms zuerst von den Holländern in Japan eingeführt wurden. Ryūru scheint in der Fassung »Ryoru« schon länger bekannt gewesen zu sein, denn in dem Buch »Naemara Initsuden« (Lebensgeschichte eines Impotenten) von Hiraga Gennai (in der Yedo-Periode erschienen; das Jahr des Erscheinens ist nicht bekannt), steht zu lesen:

»Kōmō nite wa Ryoru to ii.«

»Die Ausländer nennen es (den Penis) Ryoru.« Das oben erwähnte Wort »Kyōtai« bedeutet Wurzelsack, also Penissack, wofür man im Volk auch einfach »Marabukuro«, der Penissack, sagte. Seit Ende der Yedo-Periode sind beide Wörter allmählich außer Gebrauch gekommen.

Das Kondom aus Gummi wurde etwa im vierten oder fünften Meiji-Jahr (1871–1872 u.Z.) zuerst in Japan aus dem Ausland eingeführt; im neunzehnten Meiji-Jahr (1886 u.Z.) kostete das Dutzend 3 Yen (etwa 6M.30Pf.). Das Merkwürdige ist nun, daß sich das alte Ryūrusakku in der Form »Rūdesakku« in die Neuzeit herübergerettet hat, allerdings unter Anpassung an sein ausländisches Stammwort; Inouye hat: rūdesakku · rutensack . a condom · ein französisches Wort.

Eine Arznei, die die Empfängnis verhindern sollte, war das »Tsuitachigwan«, die Arznei für den ersten Tag des Monats, d.h. man glaubte, wenn man diese Arznei am ersten Tag eines Monats einnähme, die Erzeugung eines Kindes unmöglich sei, und wenn eine Frau in diesem Monat noch so häufig Geschlechtsverkehr habe. Dieses antikonzeptionelle Mittel wurde früher von den Ärztinnen der Chūjō-Schule verkauft. Es hat aber den Anschein, daß diese Arznei in irgendeiner Weise wirksam war, daß also lediglich die Annahme, man müsse sie ausgerechnet am ersten eines Monats anwenden, Aberglaube war, der auf irgendwelchen Vorstellungen beruhte, die wir nicht kennen.

In der breiten Masse des Volkes, die kaum in der Lage war, solche Mittel zu bezahlen, griff man eher zu dem alten Zauberglauben, wie er in den überlieferten Zauberbüchern enthalten war. In einem Zauberbuch aus der Yedozeit (also vor 1867) finden wir das untenstehende Bild mit folgender Gebrauchsanweisung: »Nimm ein Bündel Hozukiwurzeln (Hozuki ist die Blasenkirsche, Judendeckel, Physalis Alkekengi), verbirg das Zauberbildchen in diesem Bündel und binde dieses mit einem Baumwollfaden zusammen. Stecke es dann mehrere Male in die Vulva und ziehe es wieder heraus. Der Zauber wird dann sicher in das Blut übergehen und die Entbindung herbeiführen. Das Zaubermittel darf aber nur von einer Frau angewendet werden, die nicht mehr als zwei Kinder haben will und soll nicht von einer Frau verwendet werden, die bereits im vierten Monat schwanger ist, denn das wäre menschenunwürdig.« Das ist der sogenannte Kogaeshizauber; Kogaeshi bedeutet weiter nichts, als »das alte (uralte) gezeichnete Bild«, wir würden sagen: das aus uralten Zeiten stammende Bild. Es handelt sich demnach um eine alte Überlieferung und das Bildchen ist wahrscheinlich die stark abgeschwächte Form einer Zauberpuppe, d.h. der Darstellung irgend eines Geisterwesens.

siehe Bildunterschrift

Kogaeshi.

Chūjō ist der Familienname eines berühmten Geburtshelfers, Chūjō Tatewaki, dessen Haupttätigkeit in die Zeit des Toyotomi Hideyoshi fällt, also etwa vom dreizehnten Tenshō- bis zum dritten Reichō- Jahr (1585–1598 u.Z.) dauerte. Er hatte mit verbrecherischer Abtreibung gar nichts zu tun, aber in seinem Buch »Chūjōryū Sansho«, Lehrbuch der Entbindung der Chūjōschule, sind zwei Arzneien angegeben, die eine Beschleunigung der Geburtswehentätigkeit herbeiführen sollen; die eine davon ist eine Arznei zum Einnehmen, die andere ein Wasser für Waschungen. Dieses Mittel besteht aus Betelnuß, Pfefferminzöl und Quecksilber. Unwürdige Jünger der Chūjōschule haben später diese Mischung als Abtreibungsmittel benutzt, sodaß man schließlich die Ärztinnen, die auf diese Weise verbrecherische Abtreibungen herbeiführten, mit dem Spitznamen »Chūjō« belegte. Das waren die sogenannten »Onna-isha«, wir würden »Frau Doktor« sagen, die hauptsächlich in der Kyōho-Zeit (1716–1736) ihr Unwesen trieben. In dem Buch »Edo Meibutsu Kanoko« (Merkwürdigkeiten von Yedo), das im achtzehnten Kyōho-Jahr (1733 u.Z.) erschien, befindet sich ein Bild, das den Eingang zum Sprechzimmer eines Ausübers der ärztlichen Kunst der Chūjōschule zeigt; auf der linken Seite des Eingangs ist ein Aushängeschild angebracht, auf dem die folgenden Worte zu lesen sind:

Der Begründer ist
ein Geburtshelfer der Chūjōschule; er
beschleunigt die Menstruation; wenn wir nicht
die gewünschte Wirkung erzielen, verlangen
wir keine Bezahlung.

Im alten Japan ist der Kindermord üblich gewesen, wovon sich noch Spuren erhalten haben. Ein Sprichwort sagt:

»Onna no ko nara fumi tsubuse,
         Otoko no ko nara umi otose.«

»Wenn es ein Mädchen ist, zermalme es mit den Füßen; und wenn es ein Knabe ist, erhalte ihn am Leben.«

Und ein Kinderliedchen fängt so an:

Moshimo sono ko ga Onna no ka nara
         Komo e tsutsun de Kawara e suteru« usw.

»Wenn dieses kleine Kind ein Mädchen ist, dann wickle es in eine Binsenmatte und wirf es an das Ufer des Flusses.« Wir sehen auch hier wieder im Kinderlied die letzten Spuren eines alten Brauches aufbewahrt. Ein weiteres Zeugnis findet man in dem Buch »Nansō no Rizoku«, Volkskunde des südlichen Kazusa, Verfasser Kunihiko Uchida B.M. (Baccalaureus Medicinae); darin ist angegeben, daß das Familienoberhaupt, wenn die Dorfbewohner nach einer Geburt sich nach dem Geschlecht des Kindes erkundigen, entweder sagt, der Name des Kindes sei Umenosuke, die volkstümliche Bezeichnung eines Knaben, oder »Umeko«, diejenige eines Mädchens. Umeko bedeutet aber »begraben« (von umeru abgeleitet). –


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