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Toichi-Haichi. Die gleichgeschlechtlichen Frauen

siehe Bildunterschrift

24. und 25. Gleichgeschlechtliche Liebe unter Frauen. Farbenholzschnitte aus einer Bildfolge von Harunobu (1718-1770).

Der weib-weiblichen Liebe scheint man von jeher in Japan wenig Beachtung geschenkt zu haben. Und dennoch ist sie vorhanden gewesen und heute noch vorhanden.

 

Wie wenig man sich in Japan um die weib-weibliche Liebe oder um den geschlechtlichen Verkehr zwischen Frauen oder Mädchen bekümmerte, geht schon daraus hervor, daß es im Japanischen kein Wort gibt, das diesen Verkehr unzweideutig bezeichnet. Wir haben »Toichi-Haichi« als Überschrift dieses Abschnittes gewählt, weil es so gut japanisch klingt; in Wirklichkeit weiß man über die Entstehung dieses Wortes überhaupt nichts und es ist ganz ausgeschlossen, es zu übersetzen, weil es keinen Sinn in sich hat. Man hat die Vermutung ausgesprochen, daß es sich um eine japanisch zurechtgemachte Verstümmelung des Wortes Tribadie handelt.

siehe Bildunterschrift

Toichi-Haichi.

Nach Satow ist der gleichgeschlechtliche Verkehr unter Frauen heute noch bei weiblichen Gefangenen, kaufmännischen Angestellten, Schulmädchen, Studentinnen, weiblichem Dienstpersonal, Freudenmädchen usw. sehr verbreitet. In früheren Zeiten nannte man eine Frau, die solchen Verkehr ausübte, »Hige-gimi«, bärtige Frau, weil man diese Frauen als entartete Männer ansah. Satow gibt folgende Beschreibung des Verkehrs zwischen zwei »Tribaden«:

»Die Passive legt sich auf den Rücken und kitzelt die Geschlechtsteile ihrer Partnerin mit den Fingern. Während sie diese reibt, führt sie gewöhnlich die Finger der aktiven Partnerin in ihren Geschlechtsteil ein. Der dritte und der vierte Finger sind bei dieser mit einem dünnen Bindfaden zusammengebunden, um den Penis nachzuahmen, und die übrigen Finger werden nach unten zusammengelegt, so daß sie die Form des Hodensackes annehmen.«

siehe Bildunterschrift

Toichi-Haichi.

Das Bild stellt das Schlafzimmer zweier Schulmädchen dar. Da es sich nicht um gerissene Tribaden handelt, ist die oben angegebene Fingerhaltung nicht vorhanden. Es sind zwei Mädchen, die sich gegenseitig eine Freude machen, vielleicht Studentinnen. Das Bild erschien in der Zeitschrift »Kokkei Shimbun« (Scherzzeitung, also etwa »Lustige Blätter«), Nr. 161 vom 20. April des 41. Meiji-Jahres (1908 u. Z.). In derselben Nummer befindet sich eine sinnbildliche Darstellung des Wortes Toichi-Haichi, die hier wiedergegeben ist, und zwar mit in Umrissen dargestellten japanischen Schriftzeichen durch japanische Teebretter. Die Zeichen bedeuten der Reihe nach von oben nach unten: To Ichi Ha Ichi. Mit chinesischen Schriftzeichen wäre die Wiedergabe des Wortes Toichi-Haichi nicht möglich, da diese gewissermaßen bestimmte Begriffe darstellen und damit dem Wort ein bestimmter Sinn zukäme, den es in Wirklichkeit gar nicht hat. Die japanischen Schriftzeichen geben dagegen nur Silben wieder, die also beim Schreiben der Wörter beliebig zusammengesetzt werden können. –

siehe Bildunterschrift

Kaiawase.

Auf die eigentliche Tribadie, das Aneinanderreiben der Geschlechtsteile, scheint das Wort »Kaiawase«, das Muschelnzusammenfügen Kai, die Muschel; awaseru, zusammenfügen. Über die Bedeutung der »Muschel« haben wir an anderen Stellen dieses Buches ausführlich gesprochen. hinzuweisen. Es war ein Spiel, das hauptsächlich von Frauen gespielt wurde, und bestand darin, 360 Muscheln in bestimmter Weise zusammenzulegen, wie es in dem Bild angedeutet ist. Es stammt aus dem Buch »Eiri Hokku« (scharfsinnige Hokkus, Hokku oder Haikai ist ein aus 17 Silben bestehendes Verschen; wir haben wiederholt solche Haikais angeführt. das im fünften Bunkwa-Jahr (1808 u. Z.) erschienen ist. Nach Satow war beim Kaiawase »in alter Zeit« der doppelte Phallos gebräuchlich. Darauf mag das, wie üblich, zunächst ganz unschuldig klingende Senryū anspielen:

»Kaiawase bakari shite iru
         Okujochu.«

»Die Hofdamen spielen einzig und allein das Muschelnzusammenfügen!« Von dem Rufe dieser Hofdamen aller Grade haben wir schon wiederholt gesprochen. Oku-jochū bedeutet eigentlich Dienerin in den hinteren Gemächern eines Hauses, also der Frauenabteilung, während Goten-jochū eine Dienerin im Palast bedeutet; Nagatsubone ist, wie bereits erwähnt, eine Dame des »Frauenzimmers« im Palast.

In der Fachsprache der Schulmädchen nannte man in der Meiji-Periode die lesbische Liebe »Ome« oder »Ome san«, männlich und weiblich. San ist der höfliche Titel, der dem Namen nachgesetzt wird; er läßt sich in der Übersetzung nicht anbringen, wenn man nicht »Mann-Frau wohlgeboren« sagen will. Aus dem Wort geht hervor, daß sich der eine Teil als männlich, der andere als weiblich betrachtete.

Ganz farblose Wörter für das Toichi-Haichi sind »Deya« und »Odeya«, Verstümmelungen aus dem englischen »Dear« und »Oh dear«, Meine Liebe!, und Oh, meine Liebe! als Anrede; sie sind gegenwärtig unter den Studentinnen in Tōkyō gebräuchlich, von deren Spitznamen »Oba-Sute-Yama« (Hügel, wo man die Tante verließ) wir im Abschnitt »Götter und Geister« gesprochen haben.

Die Schulmädchen nennen heute den gleichgeschlechtlichen Verkehr untereinander »Goshinyū«, die vertraute Freundin, oder »Onetsu«, die Hitze, das Fieber, in dem Sinne, wie wir sagen: sie ist heiß, nämlich in ihrer lesbischen Liebe zu einem andern Mädchen. Sie gebrauchen auch das Wort »Ohakarai«, etwa: die guten Dienste.

siehe Bildunterschrift

26. Gleichgeschlechtliches Liebesspiel unter Frauen. Farbenholzschnitt aus einer Bildfolge des Harunobu (1718-1770).

Bei dem in Japan aus China vor langer Zeit eingeführten Go-Spiel, das auch zu uns herübergekommen ist, eine Art Schach, das auf einem Brett mit vielen schwarzen und weißen Steinen gespielt wird, gebraucht man das Wort »Tagaisen«, das soviel bedeutet, wie: beim Beginnen des Spieles abwechselnd der Erste sein. Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß beide Spieler die gleiche Geschicklichkeit haben. Von dieser Bedeutung ausgehend, ist Tagaisen eine Bezeichnung der gleichgeschlechtlichen Liebe unter Frauen oder Mädchen geworden. Ein Senryū sagt darüber:

»Heyagata no Kyōdai-bun wa
         Tagaisen.«

»Der eine Teil der Zimmerschwestern beginnt abwechselnd das Spiel.« Kyōdaibun bedeutet Brüder oder besser: ein Bruderbund; zwei Personen, die durch ein besonders enges Band miteinander verknüpft sind.

siehe Bildunterschrift

33. Liebesspiel zu viert. Detail eines Holzschnittes von Kiyonobu (1664 – 1729)

Über Stellungen beim Toichi-Haichi bieten die Unterlagen, einschließlich des oben bereits gesagten, nur wenig. Wenn die beiden Lesbierinnen quer, d. h. diagonal übereinander liegen und so die Geschlechtsteile reiben, so nennt man das »Sujika«, quer. Satow meint, daß es sich hierbei um ein neues Wort aus der Meiji-Ära handelt.

Über die Befriedigung mit dem Harikata, dem Godemiché, haben wir oben ausführlich gesprochen. Wir wollen hier nur daran erinnern, daß es einfache Harikatas zum Umbinden, und doppelte zum gleichzeitigen Gebrauch für zwei Frauen gab. Interessant ist die Bezeichnung »Kastration« für das Ablegen des umgebundenen Phallos; wir verweisen auf das oben angeführte scherzhafte Senryū, und weiterhin auf das Wort »Mara-Kyōdai«, die Penisbrüder, für die Frauen, die gleichzeitig den doppelten Phallos gebrauchen, weil wir hier eine Beziehung zu dem eben erklärten Wort Kyōdai-bun haben. –

siehe Bildunterschrift

27. Homosexueller Verkehr unter Frauen. Holzschnitt aus einer Bildfolge v. Harunobu (1718-1770).


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