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Wenn das Geschlechtliche an sich schon für den Japaner etwas Komisches, das Lachen Herausforderndes hat, so ist dies beim unvermögenden Mann erst recht der Fall. Was auch die Ursache der Impotenz sein möge, das ist dem Volke gleich; es gießt seinen Spott über den Schwächling oder Kinderlosen aus. Daß die Kinderlosigkeit auch an der Frau liegen kann, weiß man beim Volk nicht, denn man schreibt die Schuld immer dem Mann zu. Der Volkswitz hat sich in vielen Senryū an den Unvermögenden ausgelassen, von denen wir im folgenden einige bringen:
»Yukwanba no warai
Jinkyo de shinda yatsu.«
»Auf dem Yukwanba Das Yukwanba ist ein Platz, der zu einem buddhistischen Tempel gehört; auf ihm können die Leichen vor der Bestattung mit heißem Wasser gewaschen werden, wie es Vorschrift ist. lachen alle Leute über einen Mann, der als Impotenter gestorben ist.« Aus diesem Senryū kann man Verschiedenes herauslesen. Zunächst liegt die Annahme, daß man allgemein wußte, daß der Verstorbene impotent war. Dann scheint aber aus dem Text hervorzugehen, daß man sich nach dem Yukwanba begab, um sich die Leiche anzusehen; ein Zug, den wir kaum verstehen können. Man sah dann wohl, daß der Verstorbene einen sehr kleinen Penis oder sonst einen Fehler an den Geschlechtsteilen hatte, was die Leute zum Lachen reizte. Man scheint sogar an dem Lebenden Anzeichen zu kennen, die ohne weiteres darauf schließen lassen, daß ein Mann impotent ist. Das kann man an dem folgenden Senryū erkennen:
»Yōtai wo iu to Jinkyo to nomikomare.«
»Wenn man von seiner äußeren Erscheinung redet, begreift man sofort, daß man einen Impotenten vor sich hat.« Satow erklärt Jinkyo als ausgemergelt durch unmäßige geschlechtliche Betätigung, woraus man schließen könnte, daß es sich um einen abgemagerten, schlecht aussehenden Mann handelt. In dem Wort Jinkyo liegt das aber an sich nicht, denn es bedeutet wörtlich Nierenschwäche. Jin, die Nieren, ist im Volksmund die Bezeichnung für Geschlechtskraft, worüber wir im Abschnitt über die Hiyakus, die japanischen Aphrodisiaca, gesprochen haben. Jinkyo wäre also geschwächte Geschlechtskraft. In früheren Zeiten nannte man auch das männliche Geschlechtsglied selbst Jin, oder man sagte noch deutlicher »Gwai-Jin« (Gai-Jin), die äußeren Nieren, womit wohl die Hoden gemeint waren. Das Volk weiß sehr gut, daß nicht der Mann aus sich heraus zu einer unmäßigen Befriedigung seines Geschlechtstriebes kommen kann, die zur Impotenz führt, sondern daß auch die Frau die Veranlassung sein kann. Ein Senryū sagt:
»Sono kusuri Jinkyo sase ta ga
Senji teru.«
»Die Frau, die an seiner Impotenz schuld war, kocht ihm nun ein Stärkungsmittel!« Von solchen Stärkungsmitteln ist im Abschnitt über die Hiyaku ausführlich die Rede, wir erfahren aber dort aus einem Senryū, daß die geile Frau es gar nicht abwarten kann, bis ihr Mann wieder hergestellt ist, sondern inzwischen Ehebruch begeht.
Das Wort »Kyo«, Schwäche, wird auch in »Kyosu«, schwach werden, benutzt, um das Impotentwerden zu bezeichnen, und zwar infolge von Abzehrung oder Abmagerung.
In umschreibenden Bezeichnungen für die Impotenz hat der Volkswitz sich auf mannigfache Weise ausgelebt. Wir führen im folgenden einige solcher Umschreibungen an. »Naeru« bedeutet zunächst das Verwelktsein, das verwelkte Herunterhängen von Pflanzen, im übertragenen Sinne das Schwachsein, der Verlust der Kraft; im Deutschen wäre dafür die volkstümliche Redensart: »er läßt den Kopf hängen« am Platze. In dem Buch »Enji Fude« (Der rote Pinsel zum Schreiben, wir würden sagen »Der Rotstift«) wird »Guzurobei«, der faule Bursche, als eine Personifikation der Impotenz gebraucht; das Wort bezeichnet daneben auch einen Mann, der infolge schwerer Betrunkenheit nicht in der Lage ist, den Koitus auszuführen. Nach dem Buch »Suetsumu Hana« (Die zuletzt gepflückten Blumen), einer Sammlung von erotischen und derben Senryūs, bedeutet Guzurobei einen besonders kleinen Penis; das ist aber im Grunde genommen dasselbe, weil auch dieser zum Koitus untauglich ist. Yowazō, der schwache Bursche, der Schwächling, hat denselben Sinn wie Guzurobei als Personifikation des Impotenten. Statt dessen sagt man auch »Yowa-Roten«, ein schwacher Tauschieber, im Anschluß an »Roten«, der Tauschieber, das ein volkstümliches Wort für den Penis ist; Tau ist hier im Sinn von »männlicher Samen« zu nehmen.
Ein scherzhafter Ausdruck für impotent sein ist »Ago de Hai ou« oder »Ago de Hae wo ou«, eine Fliege mit dem Unterkiefer wegjagen, d. h. eine kleine Bewegung des Kopfes genügt, um die Fliege wegzujagen. Damit soll gesagt werden, daß bei einem Impotenten eine größere Anstrengung nicht in Betracht kommt.
Von dem »Odawara-Chōchin«, der kleinen walzenförmigen Papierlaterne, ist im Abschnitt »Götter und Geister« die Rede, wo es den Penis eines sehr alten, also impotenten Mannes sinnbildlich darstellt. Auf dem Bild im Abschnitt »Yūfukan«, Der Ehebruch, sehen wir das Odawara-Chōchin in der Hand des Ehemannes, der seine Frau beim Ehebruch überrascht hat. Da er nach der alten Sitte ein Schwert in der Hand haben müßte, um die Ehebrecher nach dem ihm zustehenden Recht zu töten, ist damit in grotesker Weise zum Ausdruck gebracht, daß sein Schwert nichts taugt, mit andern Worten, daß er impotent ist.
In dem Buch »Hitorine« (Wenn man allein schläft), verfaßt von Ryūrikyō, steht folgendes: »Wenn ein Mann nach seiner Verheiratung keine Kinder hat, dann nennt man ihn Ten-An.« Eine Erklärung des Wortes ist in den Unterlagen nicht enthalten; Satow gibt »Impotentia generandi« als Übersetzung. Da Ryūrikyō im Jahr 1753 u. Z. starb, wird es sich wohl um einen veralteten Ausdruck handeln. Man könnte ihn mit Himmelsruhe übersetzen, doch läßt sich ohne die Schriftzeichen nichts Weiteres sagen.
Über die Mittel, die man in Japan zur Verfügung hat, um die Impotenz zu beheben, haben wir im Abschnitt über die Hiyakus gesprochen, wie bereits erwähnt. –