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»Okama« ist wie »Kama« ein eiserner Topf oder Kessel; o ist die bekannte Vorsetzsilbe der Höflichkeit. Kama bedeutet eigentlich den Hintern bei beiden Geschlechtern und ist ein Gassenwort, man benutzt es aber als Ausdruck für eine päderastische Handlung, wie im folgenden Senryū, in dem allerdings eine Frau der leidende Teil ist:
»Orifushi wa Mekake tsukiyo ni Kama nukare.«
»Zuweilen zieht eine Beischläferin während ihrer monatlichen Blutung die Paedicatio vor.«
Eine lustige erotische Geschichte mit der Überschrift »Ushiro«, der Hintere, lautet so:
»Es war einmal ein Mann, der die gewöhnliche Art des Koitus nicht liebte, sondern, wenn er betrunken war, den Analkoitus vorzog. Dies tat er fast jede Nacht, so daß seine junge Frau zum Vermittler ihrer Heirat lief und ihm die Sache erzählte. Der Mittelsmann erklärte sich bereit, noch an demselben Abend sich zu der Zeit, in der gewöhnlich der Geschlechtsverkehr stattfand, an die Stelle der Frau zu legen. Nun konnte der durch seine Trinkerei beduselte Ehemann nicht unterscheiden, wen er vor sich hatte, und versuchte einen Gang auszufechten, wobei er sagte: ›Oh, das Gefühl ist ja heute abend für mich sehr hübsch!‹ Dabei faßte er mit einer Hand seinem Opfer zwischen die Schenkel. Als er dabei den Penis des Heiratsvermittlers in die Hand bekam, rief er laut: ›Da sieh mal einer an! Mein Ding ist durch und durch gegangen! Das ist der Grund, weshalb ich ein so schönes Gefühl hatte!‹«
In der Umgangssprache sagt man auch »Kama-hori«, den Topf aushöhlen oder umwühlen, wofür man etwas deutlicher »Ketsu-hori«, den Arsch ausschöpfen, gebraucht; es ist aber ein volkstümlicher Ausdruck, statt dessen man besser »Okama wo horu«, den Topf ausgraben, sagt. In der Verbrechersprache heißt es »Okamahori«.
Es sind hier offenbar mundartliche Ausdrücke mehrerer Provinzen zu allgemeinsprachlichen Bezeichnungen geworden. In der Shizuoka-Mundart bedeutet Kama, die Höhlung, und damit die »Mündung« des Afters, womit aber zugleich die Bedeutung gleichgeschlechtlicher wollüstiger Handlungen verknüpft ist. Okama, der Topf, ist ursprünglich ein volkstümliches Wort der Mundart der Provinz Kyūshū; wie bereits gesagt, aus Kama mit Vorsetzung der Höflichkeitssilbe o entstanden.
Das Bild stellt die beiden Nebenbuhler mit eisernen Töpfen als Kopf dar; die Frau schmückt sich vor dem Spiegel und sieht etwas verächtlich nach dem Mann hin, der aus seinem Tabaksbeutel Tabak hervorholt, um sich sein Pfeifchen zu stopfen. Die Frau scheint zu dem Weichling zu sagen: »Was du hast, habe ich auch!« Diese satirische Karikatur ist von dem berühmten Maler Utagawa Kunisade gemalt; das Bild stammt aus dem Buch »Hara Suji Omu Seki« von Santō Kyōzan.
»Okama wo horu« oder kurz »Horu« wird nur für den aktiven Päderasten gebraucht, in bezug auf den passiven Teil aber für beide Geschlechter, also für den Analkoitus bei einem Mann oder bei einer Frau. In den vermischten erotischen Schriften von Sawada Meisui, die »Ana Okashi!« (Wie belustigend!) betitelt sind, findet sich das folgende Geschichtchen:
»Wir bezeichnen das Kōmon (den Hintern) mit dem Namen Kiku (Chrysanthemum), wie bereits angegeben worden ist, aber der vom gewöhnlichen Volk gebrauchte Name Kama wurde erst in einer späteren Zeit für diesen Körperteil gebraucht. Nun war da einmal ein Mann namens Sugano, ein Krieger der Provinz Kyōto, der bis zum Alter von vierzig Jahren als Stütze seiner Mutter mit dieser zusammenlebte. Gelegentlich übte er die einsame Selbstbefriedigung aus. Nun hörte eines schönen Tages einer seiner Freunde von seiner einsamen Lebensweise und frug ihn, weshalb er sein Kind (d. h. seinen Samen) im Stich lasse. Da antwortete jener unter Tränen:
›Haha yue ni Ko wa amata tabi sutetsure to
Kama no hitotsu mo hori enu zo uki.‹
›Nur wegen meiner Mutter lasse ich mein Kind so oft im Stich; aber es ist doch sehr traurig für mich, daß ich nicht einmal als Päderast einen Waffengang versucht habe!‹«
Für den Analkoitus sagt man auch »Ketsu-Bobo«, Analkoitus in wörtlicher Übersetzung. Ferner »Ura-mon«, das rückwärtige Tor, wofür der chinesische Ausdruck »Hou T'ing Hua« als gleichbedeutend gilt, aber auch für die Paedicatio mulierum verwendet wird, weil dann der Cunnus als das vordere Tor gilt. In dem Buch »Shika-no-Makifude« D. h. ein mit einem Shika-no-Makifude geschriebenes Buch. Es ist ein Pinsel aus Hirschhaaren, die um das Ende des Stieles festgebunden sind. heißt es:
»Mae ni Mei-mon ari, mazu wa yukidomari ka to toeba
Ura-mon ari to kotae shi.«
»Vorne ist ein Lebenstor (ein Cunnus) und wenn er sie fragt:›Ist dies das Ende des Weges?‹, dann erhält er die Antwort:›Nein, es ist noch ein rückwärtiges Tor da!‹«
Ein Senryū lautet:
»Uramon wa jō ga usui to
Gen ga yui.«
»›Dieser Analkoitus bringt mir kein schönes Gefühl!‹ sagte der buddhistische Priester!« Nach dem Buch »Haikai Koi no Shiori« (Ein Führer zu verliebten Haikais, d. h. Gedichtchen aus siebzehn Silben bestehend) versteht man unter Gen einen buddhistischen Priester, der als Gast in Bordelle geht. Im obigen Senryū ist zum Ausdruck gebracht, daß buddhistische Priester, denen man einen Hang zur Päderastie nachsagt, auch in Frauenbordelle gehen, aber dort nicht die Befriedigung finden, wie bei einem jungen Mann. Manchmal scheinen sie auch abgewiesen zu werden, wie aus dem folgenden Senryū hervorgeht:
»Oya kono Kuruwa ni
Uramon wa arimasen.«
»Oh, mein lieber Herr! In diesem Bordell gibt es kein rückwärtiges Tor.« D. h. hier wird kein Analkoitus gestattet.
Um im Bilde zu bleiben, sagte man auch »Uramon-Tsūkō«, durch das rückwärtige Tor hineingehen. Als während der Reformation in der Tempō-Ära die Regierung die Häuser mit männlichen Prostituierten verbot, sang man auf der Straße folgendes »Chokobure« (Volksliedchen):
»Uramon-Tsūkō no Yoshichō mo naranu to
heikō, heikō, Bōzu no tanegire ...«
»Man hat das Passieren des rückwärtigen Tores eines Männerhauses verboten und viele Gründe dafür vorgebracht, und nun wirst du keinen buddhistischen Priester mehr dort finden!« usw. Das Chobokure wird von Straßenmusikanten gesungen, die beim Umherziehen auf eine hölzerne Glocke, ein Mokugyo, schlagen. Nun liegt ein besonderer Scherz darin, daß ein solches Mokugyo, das die ungefähre Gestalt eines Fisches hat, auch von den buddhistischen Priestern während des Betens geschlagen wird. Das Volk sieht aber in dieser hölzernen Büchse den Hintern einer Frau, die auf der Seite liegt und von hinten gesehen ist. Seit Beginn der Yedo-Periode hat man darin den Cunnus eine Frau erblickt, so daß Mokugyo in dieser Bedeutung zu einem Gassenwort wurde. Der Straßensänger schlägt also auf den Cunnus, während er sich über den päderastischen Priester lustig macht. Und das Volk lacht!
Die buddhistischen Priester haben für ihr Nanshoku eine besondere Sprache, die wohl meistens an Ausdrücke ihres Glaubens angelehnt ist. Mehrere solcher Wörter haben wir bereits erwähnt. Für den Analkoitus haben sie das Wort »Taietsu« geprägt, das mehrfacher Auslegung fähig ist: durch oder in sich selbst Befriedigung finden, aber auch: sich selbst belohnen, oder auch nur: sich erfreuen, sich eine Freude machen. Im Volke scheinen die buddhistischen Priester in bezug auf ihren Glauben wegen ihres gleichgeschlechtlichen Verkehrs nicht an Ansehen zu verlieren, denn was wir an Senryūs und Redensarten bisher angeführt haben, betrachtet durchweg die Sache von der scherzhaften Seite. So nennt man einen abtrünnigen Priester mit einem Gassenwort »Anahori Bōzu«, einen Brunnengräber-Bonzen. »Ana«, die Höhle, das Grab, der Brunnen, ist ein ganz allgemein gebrauchtes Wort des niedrigen Volkes für den weiblichen Geschlechtsteil, es hat also die Bedeutung des bei uns als nicht gerade fein geltenden Wortes »Loch«. Anahori Bōzu besagt also, daß der Bonze seinem ursprünglichen Glauben, dem gleichgeschlechtlichen Verkehr, untreu geworden ist, indem er zur andern Seite überging, zum Verkehr mit Frauen.
Von »Kawatsurumi«, dem Verkehr mit der Haut oder die Paarung mit der Haut, sprechen wir im Abschnitt über die Selbstbefriedigung des Mannes und deuten an, daß das Wort auch auf den gleichgeschlechtlichen Verkehr unter Männern angewendet wird.
Ein Allerweltszeitwort, das »nehmen, aufnehmen, gebrauchen, verwenden, pflücken, stehlen, annehmen, zurechtmachen« bedeutet, ist »Toru«. Es stammt nach Satow aus der Sprache des japanischen Mittelalters und ist heute zu einem Gassenwort für den Koitus geworden, und zwar passiv für beide Geschlechter. Von einer Frau sagt man »Ichiban toru«, sie einmal gebrauchen; »Niban toru«, sie zweimal gebrauchen, usw.; aber von einem Wakashu, einem passiven Päderasten, dem »jungen Mann«, sagt man eher »Okama wo kariru«, seinen Hintern borgen. Bei der Frau »nimmt« man also etwas, beim jungen Mann »borgt« man etwas. Über die letzten Gründe für diesen scherzhaften Unterschied sind wir nicht unterrichtet; auch das folgende Senryū macht lediglich eine Feststellung:
»Onna no wa Toru
Wakashū no wa Kariru nari.«
»Bei einer Frau sagt man ›nehmen‹, und bei einem jungen Mann sagt man ›borgen‹.«
In dem folgenden Anfang eines Volksliedchens wird »Toru« in scherzhafter Weise verwertet:
»Kuzetsu ga toko no chiwa no tane,
Futari shite Toru hito no tane ...«
»Ein Streit (zwischen Mann und Frau) ist die Ursache eines Liebeskampfes im Bett; und das ist die Ursache dafür, daß die beiden ein Kind zusammen machen ...« –
Ein Ausdruck, der dem Zufall sein Entstehen verdankt, daß er den päderastischen Verkehr bezeichnet, ist »Shimaya no Bantō«. Ein Bantō ist ein Kommis (Fujisawa), der erste Buchhalter oder der Vorsteher eines kaufmännischen Bureaus (Satow); wir wollen hier als ungefähr entsprechendes deutsches Wort »Prokurist« verwenden. Shimaya ist ein Eigenname; er war der Besitzer des Geschäftes, in dem dieser Bantō der erste Angestellte war. In dem Buch »Fujiokaya Nikki« (Das Tagebuch des Fujiokaya) wird über diesen Fall folgendes berichtet:
»Es wird erzählt, daß dieses Ereignis am 5. Januar des fünfzehnten Tempō-Jahres geschah (das zugleich das erste Jahr der Kōkwa-Periode ist, 1844 u. Z.). Der Prokurist des Tuchhändlers Shimaya Kichibei, Nr. 1 des chōme Kodemma-chō (der Kodemma-Straße), der in der Provinz Jōshū geboren war, hatte gegen den Hintern eines Kozō (eines jungen Bediensteten) einen päderastischen Angriff unternommen, infolgedessen der Bursche den Verstand verlor. Zu guter Letzt hatten die Eltern des Kozō von dem Prokuristen Geld verlangt und die Angelegenheit wurde schließlich dadurch erledigt, daß der Prokurist einen gewissen Betrag bezahlte, aber bald darauf entlassen wurde. Späterhin war dieser Prokurist Angestellter im Kawazuya (dem Hause ›Zum Frosch‹) im Yoshiwara. Der große Brand, der in diesem Jahre (nämlich am 15. Dezember des zweiten Kōkwa-Jahres, 1845 u. Z.) ausbrach, hatte seinen Ursprung im Kawazuya Zenigorō; damals wurden alle Bordelle des Yoshiwara in Asche gelegt, darunter auch das Haus, in dem der frühere Prokurist des Shimaya beschäftigt wurde. Gegen Ende des zweiten Kōkwa-Jahres tauchte dann in Yedo folgendes Liedchen auf:
›Shimaya no Bantō ketsuhori bantō
Kozō no nangi hayaoki danyo Maruyake danyo.‹
›Shimaya's Prokurist ist ein päderastischer Prokurist; der junge Bursche muß viel leiden; oh, bringt einen Sarg! Ha, sein Haus ist gänzlich abgebrannt!‹
Im Januar des nächsten Jahres (1846 u. Z.) erschien ein abgekürzter Kalender mit folgenden Schriftzeichen:
›Eno wake Daiyo
Shima ya no Bantō
Gokugetsu danyo
Nisai no Urusai
Sono koto danyo.‹
›Dieses Bild zeigt als langen Monat April, August und Oktober und den letzten Monat des Jahres; der Februar ist der Schaltmonat; so verhält sich die Sache.‹ (Über diese Kalenderverhältnisse geben die Unterlagen keine Auskunft; der Versuch einer Erklärung würde zu weit führen. Es scheint sich um ein Wortspiel zwischen bantō, Prokurist, und bantō, Ende des Winters, zu handeln.)
Eine in diesem Jahr plötzlich auftretende strenge Kälte nannte man ›Shimaya Kaze‹, die Kälte des Shimaya, weil viele Kinder durch diese Kälte ums Leben kamen. Es wurden auch Karikaturen (farbige Holzschnittbilder) vom Kappa Kappa ist das kinderfressende Untier, von dem wir im Abschnitt »Götter und Geister« gesprochen haben. und dem Shimaya no Bantō veröffentlicht.
In jenen Tagen gab es einen Ame-uri (einen Verkäufer von aus Reis oder Weizen hergestelltem Konfekt), der auf den Straßen folgendes Liedchen sang:
›Nagasaki Maruyama Meibutsu morimori danyo
Marumaru danyo, sono koto danyo.«
›Dies ist das berühmte Gebäck des Maruyama in Nagasaki! Es ist sehr, sehr hart und sehr, sehr rund! Ja, das ist gewißlich wahr!‹
Anscheinend ist das Liedchen vom ›Shimaya no Bantô‹ eine Nachahmung dieser Anpreisung des Zuckerzeugverkäufers.
Über die allgemeine Verbreitung des Liedchens geriet der Tuchhändler Shimaya in die größte Aufregung. Die Leute der Stadt, die neugierig waren, zogen Tag für Tag in Massen herbei, um sich den Laden des Shimaya anzusehen. Dieser schloß deshalb sein Geschäft für einige Zeit, um abzuwarten, bis sich das Gerede der Leute gelegt hatte. Er ließ aber an allen Straßenecken Zettel anbringen, auf denen folgendes stand: ›In unserem Hause ist so etwas nicht vorgekommen!‹«
Soweit der Tagebuchschreiber, der sich durch seine Aufzeichnungen das Verdienst erworben hat, daß wir heute noch wissen, wer der Shimaya no Bantô war.