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(Heil dem Manne, der den grünen Hain &c.)
Freund, auf Oculi da kommen sie, Die so stolz und keck die langen Schnäbel tragen, Aufgepaßt, da muß man spat und früh Drauf buschiren, ansteh'n, laufen, jagen. Merke wohl das Zeichen Wenn sie falzend streichen Und sey flink im Schießen, Soll's dich nicht verdrießen! Freund, auf Oculi &c. Freund, auf Oculi &c. Freund, auf Oculi &c. Freund, auf Oculi &c. |
Dieses Liedlein wurde anno 1844 in einer schönen Frühlingsnacht zu Monheim in Schwaben geboren; dort war damals auch der Platz für ein solches Kind, denn Schnepfen gab's im Ueberfluß. Nach wenigen Jahren aber hat es zu seinem Fortkommen weiter wandern müssen, denn als die Bauern 1848 die meisten Jagden überkamen und in ihrer Art betrieben, hat das die edlen Schnepfen so verdrossen, daß sie und die ihnen geltenden Lieder bis auf vernünftigere Zeiten einen andern Strich angenommen haben. In der That war die Schnepfenjagd um Monheim und in der Nachbarschaft, Donauwörth, Neuburg an der Donau &c. ausgezeichnet und ist es zum Theil noch. Im Allgemeinen kommen aber Waldschnepfen zur Strichzeit fast überall in Bayern vor und brüten an mehreren Orten. Unter andern ist der Strich besonders gut im Allgäu und fast am ganzen oberbayrischen Gebirg hin, dann in Mittelfranken, Unterfranken, in der Pfalz &c.
Wie überall, hängt das frühere oder spätere, zahlreichere oder weniger zahlreichere Erscheinen der Schnepfen zumeist von den Witterungsverhältnissen ab, und der bekannte Spruch: »Auf Oculi da kommen sie« kann die Strichzeit um so weniger genau angeben, als Ostern bald früher bald später fällt und die Schnepfen ihrem eigenen Kalender folgen. So kommen sie um München oft erst um »Judica,« dafür ist's aber auch um Palmarum noch nicht tralarum.Der ganze Spruch lautet:
Reminiscere nach Schnepfen suchen geh,
Oculi da kommen sie,
Lätare da ist 's Wahre,
Judica sind sie auch noch da,
Palmarum tralarum.
Der Schnepfenjagd sind alle Jäger mit Vorliebe zugethan. Ist sie doch des beginnenden Frühlings erstes Waidwerk und wer stünde nicht gern um solche Zeit beim sinkenden Abend auf dem Strichplatz, dem wiedererwachten Gesang der kleinen Vögel lauschend und der wachsenden Spannung sich hingebend, wenn mehr und mehr die Dämmerung hereinbricht und mit dem bekannten Grok, Grok der räthselhafte Wandervogel über das Holz daherstreicht, bald in langsamem Eulenfluge, bald schwankend und sich im Winde wiegend wie ein großes graues Blatt oder auch mit seinen kurzen Pfiffen pfeilschnell auf- und niederstechend und winklich über's Eck, daß man kaum weiß, wie da fertig zu werden. Und wer ginge nicht gern buschiren auf diese Langschnäbel oder freute sich nicht, wenn beim Treiben der Ruf tire haut! erschallt, welches unsere Bauernbuben oft für den Namen der Schnepfen nehmen, so daß man manchen sagen hört, er habe einen Tiro aufgegangen oder aus dem Busch geklopft. Und was den wahren Jäger besonders kennzeichnet, rascher Entschluß und Wagen, wenn's seyn muß, das kommt bei dieser Jagd öfter vor als bei einer andern.
Es ist keine besondere Kunst, eine Schnepfe (Scolopax rusticola heißt sie der Ornitholog) zu schießen, welche in Gedanken vor sich hinmurmelnd mit nachlässigem Schlenderfluge langsam ihres Weges zieht, aber es ist zum Schusse oft nur ein Augenblick gegönnt, wenn sie ganz still von rückwärts kommt oder wenn ein Paar aufeinander stechen: da sind sie und fort sind sie. Dann rappeln die Schrote freilich oft in's laublose Dickicht und fallen nur dürre Aestlein herunter, aber keine Schnepfen, und doch kann man's nicht leicht glauben, denn das täuschende Dunkel verhüllt den ganzen Vorgang und vergebens bemüht sich und sucht der getreue Hund in dem Gewirre des jungen Holzes herum.
So bequem der Schnepfenstrich unter Umständen für den Jäger seyn kann, so mancherlei Mühsal ist im ungünstigen Falle mit ihm verbunden, denn dann geht man nicht so leicht von dem Platz weg, wie man gekommen, weil die Nacht mitgeht, die keines Menschen Freund; da hat man oft mit dorniger Wildniß zu kämpfen, fällt in manche sumpfige Grube, die nicht zu bemerken, und muß mitunter das widrige Bewußtseyn, gefehlt zu haben, weit tragen, ehe man die trunkspendende tröstende Heimath erreicht. Phlegmatische Gesellen, die schon Zeit brauchen, bis sie den Kopf drehen, fangen bei diesem Waidwerk gar wenig und ebenso diejenigen, welche den vielleicht mehr zufällig als begründet erworbenen Ruf eines guten Schützen um keinen Preis schwankend machen wollen. Diese haben dann oft nichts gesehen, wo doch deutlich etwas zu sehen war, und nichts gehört, wenn ihnen auch die Schnepfen in bester Laune einen guten Abend gewünscht haben. Die Schießeitelkeit geht fast über jede andere. Man kann auf mancher Schießstätte Scheiben sehen, auf welchen die gangbaren Ausreden der Schützen verzeichnet sind, deren wohl an hundert, aber keine Zahl zählt die Ausreden, die beim Jagdschießen vorkommen.
Die Schnepfenjagd hat wie jede Jagd auf Strichvögel noch ihren eigenthümlichen Reiz in dem Spiel, welches der Zufall mit ihrem Kommen und Gehen betreibt. Immer soll man auf den Beinen seyn, und trifft man heute wenig an, so kann der nächste Tag auf demselben Platze eine herrliche Jagd bringen. Diezel, der am besten über diese Jagd geschrieben, führt an, daß v. Winkell im Dessau'schen zuweilen an einem Abend 12–16 mal auf Schnepfen geschossen habe und daß Aehnliches in Westphalen und Liefland vorkomme, ja er citirt einen Fall, daß ein Schütze vor etwa 30 Jahren sogar 31 mal an einem Abend nach Schnepfen geschossen habe und glaubt dieses durch die Annahme erklären zu können, daß an gewissen Orten in früherer Zeit die Schnepfen den Strich nicht so spät wie gewöhnlich begonnen hätten. Bei uns kommt es selten vor, daß einer sechsmal schießt.
Die Jagdgeschichte der Waldschnepfen geht nicht sehr weit zurück, was begreiflich ist, da das Flintenschloß erst um 1630 aufkam, sie scheinen aber auch beim Fangen erst um die Mitte des 16. Jahrhunderts beachtet worden zu seyn. Landau führt an, daß sie um solche Zeit in Hessen (als Schneppen) in Jagd- und Küchenrechnungen erwähnt werden, und zu Anfang des 17. Jahrhunderts wurde dort der sogenannte Schnepfendukaten (mit dem Bild einer Waldschnepfe) gestiftet, welchen derjenige als Belohnung erhielt, der auf dem Strich die erste Schnepfe erlegte. Wer von den Bürgern zu Homburg an der Höhe 100 Schnepfen schoß, war Schnepfenkönig und für ein ganzes Jahr abgabenfrei.
In Bayern finde ich der Schnepfen zuerst in einer Rechnung des Münchener Zwirchgewölbes von 1698 erwähnt. Es wurden vom Forstmeister Melchior Schuster von Aichach 60 Schnepfen und 1022 Lerchen geliefert und zu 29 fl. 58 kr. berechnet.
1751 sind in's Zwirchgewölb 114 Schnepfen geliefert worden, 1752 deren 177 Stück, 1753 und 1754 zusammen nur 10 Stück.
Von 1841–1845 sind jährlich im Durchschnitt 364 Waldschnepfen in's Münchener Zwirchgewölb geliefert worden.
Die Ausbeute an Schnepfen hat in neuerer Zeit an einigen sonst ausgezeichneten Plätzen merklich abgenommen, an anderen hat man dagegen auch wieder eine Zunahme bemerkt. Im Allgemeinen aber ist der Preis der Schnepfen, der früher 40 kr. für das Stück betrug und auf dem Lande die Hälfte oder noch weniger, bedeutend gestiegen, und ist ein Schnepf, wie man bei uns sagt, nicht nur ein sehr lustig zu schießender Vogel, wenn er es mit seinen Blitzwendungen nicht gar zu arg treibt, und ist er nicht nur interessant, da ja das Schnepfenvolk von Aegypten bis Island schwärmt und so mystisch das Unheimliche der Dämmerung und die Sterne der Nacht liebt, sondern der Vogel ist auch materiell und finanziell betrachtet von Werth. Man verkauft gegenwärtig in München die ersten Schnepfen im Frühjahr bis zu 2 fl. und sogar mehr das Stück, und unter 1 fl. kommen sie fast niemals herunter. Die Eisenbahnen erleichtern den Handel nach der Hauptstadt zum Vortheil manches Jagdpächters, der gute Schnepfenlagen hat, denn er gewinnt daran oft in einer Woche das ganze Pachtgeld.
Vor zwei Jahren (1856) wurde bei Planegg, einige Stunden von München, eine schneeweiße Waldschnepfe geschossen.
Die reichsten Schnepfenjagden sind in Böhmen und zur Winterszeit in Griechenland, wenn sie der Herbststrich, der übrigens bis Afrika geht, dahin führt.
Auch in Siebenbürgen und im Banat ist die Schnepfenjagd ausgezeichnet und der Strich in günstigen Jahren so gut, daß nicht selten 6 bis 8 Jäger des Tages mit Buschiren und Treiben 80 bis 100 Schnepfen schießen.