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Der Steinbock (Capra Ibex) soll vor Zeiten in unserem Wettersteingebirg vorgekommen seyn, sonst aber scheint es, daß er in den Bergen des heutigen Bayern niemals heimisch gewesen, im angrenzenden Tyrol dagegen war bis zu Anfang des vorigen Jahrhunderts ein Hauptstand von Steinwild (damals auch Fahlwild, Falbwild genannt) im Zillerthal an der Floite, Stillupe &c. Auch am Steinberg, zu Brandenberg und in einem Theil der Riß soll es vorgekommen seyn und von da kann es möglicherweise auch als Wechselwild unsere Berge besucht haben. Die ältesten Nachrichten finden sich darüber im Weißkunig. Es heißt, daß sie der Kaiser Maximilian hegen ließ, daß sie aber schon damals, um das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, fast ausgerottet waren und seyen nicht über vier Stück mehr da gewesen, als der Kaiser das Hegen befahl; sie hätten sich aber bald vermehrt. Der Ort ist nicht angegeben, doch wahrscheinlich sind die obgenannten tyrolischen Berge gemeint. Die starke Verminderung des Steinwilds, heißt es weiter, sey durch das Aufkommen der Handbüchsen veranlaßt worden »dann als die hanndpuxen aufkummen sein, hat man angefanngen damit die Stainpöck zu schiessen, das durch die pawrsleut beschehn ist, die dann wo Sy über das wiltpret kumen kein maß halten, sondern Irer pawrnart nach ausöden (haben sich darin bis heute nicht merklich verändert), so sein die Stainpöckh soliche Thier, daß Sy in den hochen gepirgen scharf in die höchen stainen wendt geen vnd springen vnd steen still; vor den armprusten weren Sy woll sicher, Aber die pawren, die in den gepirgen steigen kunden, Erreichen vnd schiessen die Steinpöckh mit den Handtpuxen.«
Neben der Jagd- und Schießlust war es auch der Eigennutz, der zur Verfolgung des Steinwilds beitrug, denn das Gehörn war geschätzt und den Körpertheilen manche arzneiliche Wirkung zugeschrieben.
Im Zillerthal war das Steinwild seit 1500 bekannt und 1585 kam die Jagd an den Erzbischof Johann Jakob von Salzburg.
Auf Befehl des Erzbischofs Marcus Sittich wurden 1616 mehrere Stück Steinwild gefangen und nach Hellbrunn bei Salzburg gebracht. Man fing sie mit Garnen und waren dazu 80–90 der besten Jäger und Steiger aufgeboten. Der Erzbischof liebte dieses Wild ganz besonders und an seinen Bauten in Salzburg ist meistens das Bild eines Steinbocks angebracht, er selbst führte als Wappen einen goldenen Steinbock im grünen Feld. Dieses Fangen der Steinböcke wurde während des ganzen 17. Jahrhunderts fortgesetzt und die Thiere an auswärtige Höfe verschenkt oder ins Lammerthal, zwischen Abtenau und Rastatt, ausgesetzt, weil man sie da besser zu schützen hoffte als im Zillerthal, wo die Wildschützen immer mehr zunahmen und der Stand um 1666 nur mehr 60 Stück betrug.
Nach Mandaten von 1662–1665 mußte der Steinbockschweiß gedörrt eingeschickt werden, ebenso die Lunge, Herz und Leber von Gemsen, Hirschen, Wolf und Fuchs, ferner mußten die Augensteine und Gemskugeln und die »Herzkhreizl der Gämbsen,« die von gleicher Kraft und Güte seyen, wie die Hirschkrenzeln, eingesandt werden.
Für das Horn eines Steinbocks, der durch den Schnee oder Steine umgekommen, wurden dem Jäger 2 Rthlr., für das einer Steingais 1 Rthlr. bezahlt.
Der Erzbischof Max Gandolph war für die Schonung und Hegung dieses Wildes sehr besorgt und noch mehr der Erzbischof Johann Ernst, ein eifriger Jäger, der selbst 1698 die Floite besuchte. v. MollNaturhistorische Briefe von Schrank und Moll. II. 98. gibt über den Stand des Steinwilds an der Floite und Gunggl nachstehende Uebersicht von 1683–1694.
Böcke. | Gaisen. | Kitze. | Summa. | Von den ange- stellten Jägern erlegte Böcke. |
Von Schneela- winen und Stei- nen erschlagen. |
|
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1683 | 48 | 70 | 17 | 135 | – | – |
1684 | 44 | 64 | 18 | 126 | – | 5 |
1685 | 48 | 70 | 15 | 133 | 5 | 1 |
1686 | 50 | 70 | 24 | 144 | 5 | 2 |
1687 | 50 | 80 | 20 | 150 | 2 | 7 |
1688 | 55 | 90 | 22 | 167 | 1 | 12 |
1689 | 60 | 80 | 30 | 170 | 1 | 2 |
1690 | 70 | 83 | 28 | 181 | 2 | – |
1691 | 66 | 80 | 25 | 171 | – | 6 |
1692 | 65 | 85 | 20 | 170 | 1 | 16 |
1693 | 70 | 80 | 20 | 170 | 1 | 2 |
1694 | 72 | 83 | 24 | 179 | – | – |
18 | 53 |
Von 1694–1700 wurden 13 Böcke, 14 Gaisen und 23 Kitze gefangen.
Für einen gefangenen jungen Bock wurden 4 Rthlr., für eine junge Gais 4 fl., für einen geschossenen Steinbock 3 fl. bezahlt.
1706 wurden 12 Stück gefangen. Nach dieser Zeit hat man keine Kunde mehr von dem Steinwild im Zillerthal. Die später in Hellbrunn befindlichen Steinböcke stammten nicht daher, denn die aus dem Zillerthal eingesetzten waren allezeit eingegangen. Erzbischof Hieronymus erließ 1772 ein Mandat, worin es hieß, daß wer einen Steinbock »welche mit so großen Kösten, Mühe und Sorgfalt hierlands wieder eingeführt worden,« schieße oder fange, solle auf 10 Jahre in Hohenwerfen eingesperrt werden und an jedem Jahrestag der That 50 Prügel erhalten.
1781 befanden sich Steinböcke in einem Einfang des hiesigen Nymphenburger Gartens.
Die zu Ende des vorigen Jahrhunderts in Hellbrunn befindlichen Steinböcke stammten aus der Schweiz, wo sie früher ziemlich zahlreich waren und hatten sich 1802 bis zu 12 Stück vermehrt, sie wurden von den Franzosen, da diese Salzburg besetzt hatten, schmählicherweise alle erschossen.
Gegenwärtig findet sich Steinwild nur noch im Piemontesischen zwischen Val Locana und Val d'Aosta auf den Gletschern, deren südliche Gehänge gute Waideplätze sind. Das Steinwild kommt mit Gemsen zusammen vor. Graf Cäsar Pallavicini, welcher im Gefolge des Königs von Sardinien und des verstorbenen Herzogs von Genua von 1851–53 Jagden auf Steinwild (und Gemsen) mitmachte, hatte die Güte mir einige Notizen darüber mitzutheilen. Die Jagden wurden im Juni und Juli gehalten. Von Fort Bard ging der Weg in einem ansteigenden Thale über Champorcher auf die Schneiden der Berge und war eine Alpe Notre Dame de la neige die Hauptstation, von wo aus die Herren in verschiedenen nahen Thälern, namentlich in Cogne jagten. Dieses Jagen bestand theils in Birschen, theils in sog. Riegeln, indem ein oder zwei revierkundige Leute einen Bogen durchgingen. Eigentliche Jäger sind leider keine aufgestellt und man überläßt sich der Führung einiger Bauern, welche die Gemsjagd treiben, gelegentlich aber auch Steinwild schießen, obwohl dieses streng verboten ist. Diese Schützen schießen mit sehr schweren und langen, rohgearbeiteten Stutzen, die nur aufgelegt gebraucht werden können und erlegen das Steinwild meistens auf dem Anstand auf natürlichen Sulzen, wo sie oft Tag und Nacht hindurch passen. Bei den erwähnten Jagden wurde mehrmals Steinwild gesehen, einmal ein Rudel von 10–12 Stück, es wurde aber nur ein Bock von einem Jäger erlegt, denn die Jagden mißlingen meistens, weil keine gezwungenen Wechsel sind und das Terrain so frei, daß das Wild nur sehr schwer anzubirschen ist, auch haben die leitenden Bauern keinen Begriff von Jägerei. Diese halbwilden Kerls schießen die Steingaisen zur Setzzeit, wenn sie glauben ein Kitz fangen zu können, welches sie zu 500 und mehr Francs verkaufen. Der Schweiß wird getrocknet und noch gegenwärtig als Arzneimittel theuer bezahlt. Trotz dieser Schinderei hat sich der Stand an Steinwild in neuester Zeit gehoben und hat man der großartigen Natur der dortigen Berge das meiste zu danken. Es sind diese übrigens nicht so schwer zu begehen als unsere zerrissenen Voralpen, aber gerade weil die engen Gräben und Schluchten seltener, so sind die Wechsel nicht sicher. 1854 wurde am Montblanc ein Steinbock geschossen und nach Tschudi kommt Steinwild auch am Monterosa vor.
Der Steinbock ist bedeutend größer als ein Gemsbock und wiegt ausgeweidet 160–200 Pfund, die Gaisen wiegen selten über 100 Pfund. Die größten Hörner haben gegen 20 Knoten und eine Länge bis 2 Fuß 7 Zoll, das Gewicht beider auf der Schale beträgt 10–16 Pfund. Die Hörner der Gais werden nicht viel über ½ Fuß lang und sind weniger knotig.
An den Felsen von Hellbrunn, wo in neuerer Zeit wieder Steinböcke eingesetzt wurden, kann man sich überzeugen, daß dieses Wild im Springen und Scharfsteigen die Gemsen übertrifft. Der alte Bock, welcher sich längere Zeit da befand, stellte sich, wenn man ihn neckte, auf die Hinterläufe aufrecht, zog dabei die Vorderläufe an den Leib und stieß mit einer Seitenbewegung des Kopfes.
Diese Stellung, welche auch ein Ziegenbock oft annimmt, findet man gewöhnlich auf Wappenbildern. Bei den Gemsen sieht man sie nur zuweilen in dem Augenblick, wo das Thier von der Kugel getroffen wird. Es kommt aber selten vor und scheint ein eigenthümlicher Schuß, der die Nieren verletzt, die Ursache.
In Hellbrunn ist eine Kreuzung des Steinwildes mit zahmen Ziegen versucht worden, und vorzüglich der Erzherzog Ludwig hat bedeutende Summen darauf verwendet, die Resultate sind aber zur Zeit noch nicht befriedigend. Die Bastarde haben zwar etwas vom Steinwild, die Ziege ist aber daran vorherrschend.
Auch in dem berühmten Bliembacherrevier im Salzburgischen (an die Berchtesgadner-Röth-Jagd angrenzend) sind solche Kreuzungsversuche gemacht worden, ohne die gewünschten Resultate zu geben.