Franz von Kobell
Wildanger
Franz von Kobell

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der Hase.

Die niedere Jagd oder das Reiß-Gejaid, wie es in alten Zeiten hieß, begreift neben Reh und Fuchs als ein weiteres wesentliches Stück den Hasen, der wegen seiner Furchtsamkeit von den Naturforschern lepus timidus genannt wird. In der That ist er oft bedauerlich anzusehen um dieser Schwäche willen, er kann sich wenigstens so kümmerlich anstellen, als erschrecke er vor seinen eigenen Bewegungen und als schwebe fortwährend ein Damoklesschwert über ihm, auch thut er gern, als könne er nicht sieben zählen und doch ist er keineswegs so dumm wie er aussieht, und nicht so wehrlos wie man meinen möchte, denn hätte er Courage genug zu beißen und anzupacken, er würde sich bald in Respekt setzen und der Fuchs würde ihm nicht so unbesorgt zu Leibe gehen. Die Perser zeichnen ihn sehr gut in den Versen: »Wenn er schläft, so ist es für ihn ein furchtbares Geschäft, und wenn er wacht, ist er voll Sorgen und Verdacht.« Ueberall aber gibt es Ausnahmen, und so hat man auch freilich als Seltenheit Beispiele von muthigen Hasen. Ich kann einen Fall anführen, der zu Kaiser Maximilians I. Zeit vorkam. Es heißt in einem Notizbuch von damals: »Item in kay. Mt. Waydtpuech zuschreiben, das bej Lintz ob der Enns zween Hasen ain hundtlein gejagt und gepissen haben, hat herr Wolfgang Jörger bezeugt vnd antzaigt.« Ich selbst habe einmal gesehen, wie ein Hase einen Raben verfolgte, der längere Zeit die kreuz und quer nieder am Boden vor ihm her strich, bis er sich endlich hoch aufschwang, worauf der Hase sitzen blieb und ihm mit offenbarem Verdrusse nachsah. Es war wahrscheinlich eine Häsin, die um ihrer Jungen willen den Raben jagte und man sollte meinen, daß solche Fälle nicht selten wären, denn die Mutterliebe macht sich bei den Thieren wie bei den Menschen geltend, aber beim Hasen ist's doch anders und kann oft ein Junges sogar von einem Wiesel erwürgt werden, ohne daß die Alte ein Abwehren oder einen Angriff zu unternehmen wagt, obgleich sie auf das Jammergeschrei des Kindes herbeieilt. Freilich muß man bedenken, daß eine Hasenfamilie gewöhnlich sehr zahlreich ist, denn es heißt: »Geht der Hase im Frühling zu Feld, so kommt er um Bartholomä selb 16 bis 17 wieder zu Holz,« und da Reckenhaftigkeit nicht des Hasen Sache ist, sondern sein ganzes Treiben den Charakter egoistischer Kleinkrämerei trägt, so mag eine Hasenmutter wohl berechnen, daß sie wegen eines Jungen ihr Leben nicht auf's Spiel setzen kann. Dagegen sind die Rehgaisen Heldinnen und hauen mit den Läufen nach dem Fuchs, der ihr Kitz fassen will, als hätte er keinen Zahn im Rachen. Es gibt sogar unter den Hasen Rabenmütter, welche die frischgesetzten Jungen ohne Gewissensskrupel auffressen.

Auch bei den kleinen Raufereien, die sie unter sich haben, und wo man die Häsin dem verfolgenden Rammler häufig mit dem Hinterlauf einen tüchtigen Puff versetzen sieht, kommt nicht viel heraus, höchstens rupfen sie sich, daß die Wolle wegfliegt.

Wenn man nun nach dem Angeführten von den moralischen Eigenschaften eines Hasen gerade keine hohe Meinung gewinnen kann, so ist doch nicht zu läugnen, daß er als materielles Gebilde sehr beachtenswerth, denn er liefert einen vortrefflichen Braten, so daß der berühmte Epigrammendichter Martial den Vers auf ihn gemacht hat: »Inter quadrupedes gloria (n. and. mattea) prima lepus,« welches ungefähr heißt, daß er unter den Vierfüßern der erste Leckerbissen sei.Unter den Vögeln erkennt der Dichter den Preis dem Krametsvogel (turdus) zu:

Inter aves turdus, si quis me judice certet,
Inter quadrupedes mattea prima lepus.
An einer anderen Stelle wird einem solchen Braten noch zugeschrieben, daß er auf sieben Tage Schönheit und Anmuth verleihen könne, und von Kaiser Alexander Severus wurde gesagt, seine Schönheit komme vom vielen Hasenessen her. Wenn das wahr wäre, wie hoch stünden die Hasen im Preis!

Schon Xenophon lobt die Hasenjagd. Das Thierchen ist zu artig, sagt er, als daß nicht jeder, welcher es aufspüren, finden, verfolgen und fangen sieht, alles was er liebt vergessen sollte!

Auch bei Fouilloux (1602) wird der Hase als Preisstück bezeichnet:

    »Lievre je suis de petite stature,
Donnant plaisir aux nobles et gentils:
    D'estre leger et viste de nature,
Sur toute beste on me donne le pris.«

Zu Carls des Großen Zeit war es verboten, Hasen zu essen, und solches Verbot kommt schon im alten Testament vor. Darüber äußert sich ein Schriftsteller des 16. Jahrhunderts mit den Worten: »Wir sind aber nu des alten Testaments loß vnd brauchen vnsere Christliche freyheit auch in diesem fall billich.« Es hieß ferner vom Hasen, daß er gegessen ein melancholisches Blut mache.

Es ist keine große Kunst, ein solches Wild-Preisstück zu erringen, und wer es ganz bequem haben will, der darf nur Abends an einem guten Platz auf den Anstand gehen. Da kann er den demüthigst daherbockelnden Hasen leicht erlegen. Die Jagd gewährt aber mancherlei Vergnügen, wenn man mit einem eifrigen Stöberhund allein dazu auszieht und nicht gerade offenes Feld, sondern eine buschige Au zu begehen hat, wie sie an Flußbeeten oft vorkommen. Es ist dann lustig zu sehen, wie der vom Hund aufgejagte Lampe, in größter Flucht vor ihm dahinrennend, nach einiger Zeit, indem er den Hund mit einem Absprung getäuscht hat, gar verstohlen und selbstzufrieden über seine Pfiffigkeit wieder an den Platz zurückkehrt, wo er das Lager verlassen hat und da und dort sitzen bleibt, um nach dem ferne noch einigemal lautgebenden Hund zu lauschen. Man sieht ihm an, daß er sich sagt »den hast du hübsch zum Narren gehabt,« zugleich aber, daß er sich fortwährend ermahnt, vorsichtig zu seyn, und doch nützt's oft nichts und bläst ihm mitten in solchem Sinniren und Studiren die Flinte das Licht aus. Manchmal kommt er auch in große Verlegenheit, nicht gleich zu wissen, was besser sey, gedrückt im Lager liegen zu bleiben oder Reißaus zu nehmen. Hat er dabei das Letztere versäumt, so kann man ihn wohl mit blitzenden Lichtern, die Löffel tief zurückgelegt, erblicken und mit einer Miene, andeutend »er sieht mich nicht,« oder »ich bin ja gar nicht da;« geht man nun ruhig vorbei, so fällt ihm doch das Sprichwort »weit davon ist gut vor'm Schuß« gar schnell ein, und er macht sich eiligst aus dem Staub.

Bei einem Neu ist es natürlich leichter als sonst einen Hasen zu finden, und bei tiefem Schnee hat man nur auf die Löcher in demselben achtzugeben, um einen zu entdecken. Wenn er dann ganz verschneit liegt, so hält er oft so aus, daß man ihn mit dem Fuß herausstoßen kann und rumpelt zuweilen noch einige Schritte unter dem Schnee vorwärts, ehe er zum Vorschein kommt.

»Wenn ein Haß, sagt Feyerabendt, auß seinem Läger mit gespitzten vnnd in alle höhe auffgeregten Ohren, vnd gekrümmten Schwanz als gemach vnnd sitsam herfür tritt, vnd nicht stark vnnd stracks für sich hinweg laufft, gibt dasselbig eine gewisse anzeigung, daß es ein starcker vnd sehr tückischer arglistiger Haß sey.« Dieses mag einem jungen Jäger zur Danachachtung dienen; ebenso ist die weitere Mittheilung, die sich vielfach bewährt findet, beachtenswerth, daß die Hasen eines Platzes fremde Hasen nicht gern leiden, daher man zu sagen pflege: »Je mehr man in einem Land Hasen hetzt, je mehr man finde und fahe.« Wenn man es aber mit Hetzen und Schießen treibt, wie in Italien, Tyrol und in der Schweiz geschieht, dann ist's mit der Hasenjagd bald aus und beschreibt Dr. Michahelles zur Verwunderung, wie er in Triest in einer Jägergesellschaft Zeuge von der ungeheueren Aufregung gewesen, welche die Nachricht hervorbrachte, daß ein Hase in der Gegend gesehen worden sey, und wie man mit großer Zurüstung nach ihm auszog, als gelte es einen Bären oder wenigstens einen schwarzen Hasen, dergleichen meines Wissens bis jetzt nur als große Rarität in England vorgekommen sind.So im Jänner 1855 zu Brom bei Eye und sieben Jahre früher auch einer an demselben Platz; ein dritter bei Epping in Essex 1856. The zoologist. By E. Newman B. 13 und 14.

In den alten Zeiten wurde der Hase häufig mit den Winden zu Roß gejagtMax Emanuel hielt als Churprinz 1670 eine Hasenhetz am Sendlinger »Pirckha« (Birket). oder auch mit dem Habicht gebeizt, und ersteres geschieht noch gegenwärtig als eine Variation und Ersatz für die englische Fuchsjagd. Gewöhnlich wurde, wie man es nannte, vom Strick aus gehetzt, d. h. im freien Felde ohne Garne, nur mit einigen Koppeln Hunde, die man nacheinander vom Hetzriemen löste. Strick war so viel wie Koppel und begriff 2–3 Hunde. Ein spanischer Bischof, der 1579 einen Spiegel des menschlichen Lebens schrieb, eifert dagegen und lauten die Worte der alten Uebersetzung: »Ist nicht das eine große leichtfertigkeit, das so vil künig, so vil fürsten, herren, ritter vnd knecht, einem klainen vorchtsamen flüchtigen thierlein, als die hasen synd, mit sovil iuchzten, schreien vnd manigerley geschelle nachrennent.« Bei dieser Jagd ist zu verwundern, daß der arme Hase nicht gar den Verstand verliert, denn die auf ihn einstürmenden Schaaren der heulenden Hunde sind fürchterlich genug; es ist aber im Gegentheil bemerkt worden, daß er da oft Proben sowohl des Muthes als der List gegeben, die man ihm nicht zutrauen möchte. Man hat ihn hohe Mauern wie eine Katze hinanspringen sehen und die reißendsten Ströme durchschwimmen; jeder Winkel zum Verstecken wird benützt, unter eine Schafheerde mischt er sich, wenn er kann, und die Verzweiflung treibt auch zu kleinen Schlechtigkeiten, z. B. daß er einen Kameraden aufsprengt, und indem er sich in dessen Lager drückt, diesen den Hunden überläßt.

Wie der Hirsch Maximilians III. zur Madonna »in der Eich« sich flüchtete und dadurch gerettet wurde, so wird es auch von einem gehetzten Hasen zu Thüngenthal erzählt, der in ein Kirchlein und auf den Altar zur Madonna sprang, wo ihn die Hunde nicht herunterholten, sondern wie gebannt stille standen. Der jagende Freiherr von Lymburg brachte dann den Hasen in Sicherheit und erhob sich das Kirchlein dadurch zu einem berühmten Wallfahrtsort »zur gütigen Maria.« Das geschah 1431.

Unter den üblichen Jagden auf Hasen sind die sogenannten Kesseltreiben oder Kreisjagen, wo sie gemacht werden können, diejenigen, welche den armen Lampe am härtesten treffen, schon deswegen, weil er gar viel laufen und sich mehrfachem Anblenkeln aussetzen muß, ehe es sich eigentlich um Seyn oder Nichtseyn handelt. Bei Treibjagden im Holz ist er viel besser dran. Bekanntlich umstellen bei solchen Kesseltreiben die Schützen eine Ebene im großen Kreise und gehen dann nach dem Centrum zu. Diese Art zu jagen kannte schon Pausanias (172 n. Chr.), indem er erzählt, daß das Elennthier im Lande der Kelten nur bei dergleichen Jagden erlegt werde. Die Jäger, heißt es, wenn sie ihre Ebene von wenigstens tausend Stadien oder einen Berg umgehen, dürfen keine Oeffnung im Kreise lassen, und indem sie zusammen anrücken fangen sie Alles, was innerhalb des Kreises sich befindet, und darunter auch die Elennthiere.Beschreibung von Hellas. Bd. IX. 21. 3. Ein Stadium mißt ungefähr 500 französische Fuße. Aehnliche Kesseljagd des tartarischen Großkhans beschreibt Marco Polo. Sie wurde von zwei Jägermeistern geleitet und im großartigsten Maßstabe ausgeführt. »Jeder hat unter seinem Befehl ein Corps von zehntausend Jägern, und es hat des einen Jägerherrn Volk rothe Kleider an und des anderen lichtblaue, wenn sie im Dienste sind. Die Zahl all der verschiedenen Hunde, die sie mit sich auf die Jagd führen, beläuft sich auf nicht weniger als fünftausend. Der eine (Jägermeister) mit seinem Heere nimmt das Feld zur rechten Hand des Kaisers und der andere mit dem seinigen zur linken und jeder rückt in regelmäßiger Ordnung vor, bis sie einen Landstrich einnehmen, daß einer kaum in einem ganzen Tage von einem Ende zum andern kommen könnte. Es ist ein schönes und heiteres Schauspiel, die Jäger in ihrem Treiben und die Klugheit der Hunde zu sehen, wenn der Kaiser im Kreise ist &c.

Dergleichen orientalischer Aufwand an Jägerei und Treibern findet sich, wenn auch in kleinerem Maßstabe, aber immer noch erheblich genug in der älteren Jagdgeschichte Europa's ebenfalls, und als der Kaiser Ferdinand III. bei seiner Ankunft in Neapel mit der Kaiserin Eleonora, seiner dritten Gemalin, eine Jagd zu Strunj hielt, wurde der Platz von 5000 Treibern umringt. In Frankreich wird auf Kleefeldern und dergleichen auch eine besondere Art des Treibens angewendet, deren schon Gaston Phöbus erwähnt, und die darin besteht, daß Treibleute lange Stricke, an welchen Schellen oder kleine Glocken befestigt sind, über den Boden streifen und so die Hasen aufjagen.

Die Kesseljagden, die um München gehalten werden, haben öfters in einem Tage eine Beute von 3–400 Hasen ergeben. Auf den eingestellten königlichen Jagden wurden aber nicht selten 800 bis 1000 Hasen erlegt. Im Revier Gern und bei Sendling sind mehrmals 12–1400 Hasen erlegt worden.

Solche Resultate sind freilich gering gegen die der ehemaligen Jagden des Herzogs Karl von Württemberg, welcher 1782 bei Heilbronn Kesseljagden hielt, bei denen man 6000 und mehr Hasen schoß.

Im 16. Jahrhundert scheint es bei uns nur wenig Hasen gegeben zu haben, und auch anderwärts mögen sie verhältnißmäßig in früherer Zeit selten gewesen seyn, sonst wäre wohl das betreffende Mandat des Kaisers Sigmund von 1425 milder ausgefallen, denn es heißt darin: »Wo ein Hasenlauser ist, oder der Hasen fähet im Büdinger-Wald (in Hessen) und drume, der verwürkt seinen rechten Daumen.« Lausen oder Lauschen wurde genannt, wenn einer an künstlichen Lücken in Hecken oder Zäunen auf die Hasen paßte und diese da erschlug oder fing.

Als die Königin Eleonora von Frankreich am 18. Oktober 1544 ihren Bruder Kaiser Karl V. zu Brüssel besuchte, erhielt sie für ihre Tafel täglich, außer 128 Pfund Rindfleisch, vielen Hämmeln, Kälbern, Schweinen &c. nur zwei Hasen.Diezel a. a. O.

Nach dem Tagebuch Albrechts V. (1555–1579) erlegte der Herzog in 25 Jahren nur 50 Hasen, und ist gewiß treulich aufgeschrieben worden, da selbst 33 Eichhörnchen nicht vergessen sind. Freilich hatte ein Jäger damals bessere Arbeit, als sich mit der Hasenjagd zu befassen, man findet aber auch, daß Kaiser Maximilian I. Hasen von Wien nach Augsburg bringen ließ oder bringen lassen wollte, denn in einem Gedenkbuch von damals heißt es: »Der kunig sol hundert hasen von Wien gen Augspurg bestellen.«

Noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts muß die Hasenjagd um München nicht bedeutend gewesen seyn, denn von 1751 bis 1755 wurden jährlich im Durchschnitt nur 166 Hasen zum Hofzöhrgaden eingeliefert, während 1841–45 jährlich gegen 7000 geliefert wurden.

Gegenwärtig werden bei vergleichsweise gegen damals sehr beschränktem Hofjagdgehege per Jahr gegen 12–1300 Hasen geliefert.

Der Grund solcher Differenzen liegt zum Theil wohl in der größern Feldcultur, vorzüglich aber in der Art, wie das Revier geschützt und der Hase von seinen vielen Feinden befreit wird. Denn hier ist nicht wahr, was die Perser sagen: »Der Hase von verständiger Natur und feinen Sitten ist von allen Thieren wohl gelitten.«

Sehr wahr dagegen sind die entgegengesetzt lautenden Verse von Wildungen:

Menschen, Hunde, Wolfe, Lüchse,
Katzen, Marder, Wiesel, Füchse,
Adler, Uhu, Raben, Krähen,
Jeder Habicht, den wir sehen,
Elstern auch nicht zu vergessen,
Alles, Alles will ihn fressen.

In unsern oberbayrischen Gebirgen kommt auch der Alpenhase (lepus variabilis) längs der ganzen Kette hin vor und ist nicht besonders selten. Dieser Hase, der auch in Tyrol und in der Schweiz zu Hause ist und im Norden, in Rußland, Finnland, Lappland &c. häufig vorkommt (in Schweden soll er der einzige vorkommende Hase seyn), ist kleiner als der gemeine Hase. Die Sohlen sind breiter, tiefer gespalten, stark behaart. Die Spur ist runder und größer als beim gewöhnlichen Hasen, und besonders auf dem Schnee wird sie einer, der sie nie gesehen, kaum für eine Hasenfährte halten. Im Winter ist er ganz weiß, die Spitzen der Löffel schwarz, im März fängt er an grau zu werden und verfärbt etwas später als das Schneehuhn. In der Hälfte November habe ich ihn einzeln im Ettaler Gebirg schon ganz weiß gesehen. Die Häsin setzt zweimal, im Mai und im Juli oder August. Balg und Wildpret sind nicht besonders geschätzt. Es werden wenige dieser Hasen geschossen, weil man ihretwegen die Gemsregion nicht gern beunruhigt. Beim Treiben auf Gemsen kommen sie oft zum Vorschein, haben übrigens in ihrem Benehmen nichts besonderes. Bei starkem Schnee gehen sie auch in die Thäler und Ebenen am Gebirg herunter, so daß auf den Jagden in den Filzen von Hohenschwangau schon beiderlei Hasen, der gewöhnliche und der Alpenhase zugleich vorgekommen sind. Im vergangenen Jahre (1857) wurde ein Alpenhase sogar in der Nähe von Diessen am Ammersee geschossen. Der Alpenhase ist eine Lieblingsspeise der Adler.

Das Kaninchen ist ein Diminutivum vom Hasen und heißt lateinisch Lepus cuniculus und bedeutet cuniculus einen unterirdischen Gang, weil diese kleinen Hasen bekanntlich in unterirdischen Bauen wohnen. Daher kommt auch der alte Name Cannickel. Auch Killen nannte man sie. Die Kaninchen vermehren sich unglaublich, wo man sie aufkommen läßt, und aus Flandern, von Gent, Enkloo, Thielt &c. werden jährlich über dritthalb Millionen Stück abgebalgt nach England geliefert, dort gegessen und gut bezahlt (in Flandern ist der Preis 1 1 / 5 –2 Francs). Die Zubereitung und das Färben der Bälge beschäftigen in Gent mehr als 2000 Arbeiter. Die Ausfuhr der Bälge findet besonders nach Amerika, Frankreich und Rußland statt.

Vorzüglich reich an Kaninchen ist Spanien. Es kommen aus der Umgegend von Madrid jährlich 25,000 Stück zum Verkauf und in dem königlichen Park der »Casa de campo werden nach Viardot jährlich 40,000 Stück erlegt. Zur Zeit des römischen Kaisers Augustus riefen die Bewohner der balearischen Inseln diesen sogar um militärische Hilfe gegen die Alles verheerenden kleinen Hasen an und wurde ein Feldzug gegen sie eröffnet. Es gibt auch eine Münze aus der Zeit des Hadrian, wo die Hispania mit einem Kaninchen zu ihren Füßen dargestellt ist. Nach Strabo kamen die Kaninchen von Spanien nach Italien und haben sich vielleicht von da aus weiter in Europa verbreitet.

Man begreift die außerordentliche Vermehrung dieses Wildes, wenn Diezel angibt, daß die Rammelzeit der Kaninchen vom Februar an bis tief in den Herbst hinein daure, so daß das Weibchen alle 5 Wochen Junge setzt und zwar gewöhnlich 6–12 auf jeden Satz. Drum sagt schon ein alter Spruch (von 1582):

Dauben vnd Killen in deim Hauß
Thun dir den Hunger treiben auß,
Dir komm' ein Gast gleich wenn er wöll,
Bist gefaßt, nimpt für gut gut Gesell.

Man schießt die Kaninchen auf dem Anstand oder im gewöhnlichen Treiben oder jagt sie mit dem Frettchen (Mustela furo) einem marderähnlichen Thiere, welches aus Afrika stammt und schon zu den Römerzeiten in Spanien zur Vertilgung der Kaninchen gebraucht wurde. Es ist diese Jagd mit dem Frettchen auch von Petrus de Crescentiis 1518 beschrieben und von Geßner, der solche Frettchen 1540 zu Montpellier beobachtete »sy (die Jäger) henkend jenen kleine schällele an halß, lassend sy in die löcher der Künele schliefen, spannend Garn für die löcher, vnd so die Künele von dem thier herauß gejagt, schlahend solche im garn zu tod.«

In England hat man auch Bastarden von Frettchen und Iltis gezogen, die zur Kaninchenjagd gebraucht werden. Wenn die Kaninchen vor dem Frettchen aus dem Bau fahren, so hört mans schon an dem unterirdischen Rollen und darf flink im Schießen seyn, denn sie fürchten die Frettchen wie eine arme Seele den Teufel. Wenn ein Frettchen ein Kaninchen fängt so saugt es ihm das Blut aus und schläft dann wohl auch ein. Um es wieder zu bekommen muß der Jäger oft lange passen, im Nothfall ein Netz um die Röhren anbringen. Man hat ihnen daher auch wohl Maulkorbe angehängt. Die Frettchen werden von den Jägern gezogen.

Kaninchen sind um München in den Revieren von Gern (300 Stück) Moosach und Schleisheim ziemlich häufig. In geringer Menge kommen sie auch bei Aschaffenburg, Ostheim, Oberau, Kleinwallstadt vor und bei Zell und Eisenberg in der Pfalz. Ein Lapin-Garten oder Kinigl-Garten wird schon 1698 zu Moosach erwähnt.

Von 1751–55 wurden zum Hofzöhrgaden 936 Kaninchen geliefert, von 1841–45 kamen in's Zwirchgewölb 3421 Stück.

Das Kindische und Extravagante, welches sich im vorigen Jahrhundert neben der ächten Jägerei von Zeit zu Zeit geltend gemacht hat, zeigt sich auch an einer Jagd, welche 1725 in dem Bilnitzer Schloßgarten bei Dresden mit Kaninchen und jungen Hasen, überhaupt kleinem Gewild angestellt wurde und wobei man auch kleine Jäger beschäftigt sehen wollte. Es mußten also »die Hof-Zwerge die Stelle der Oberjägermeister und Chefs präsentiren, die übrigen Jägerstellen wurden von kleinen Knaben, die alle grün gekleidet, vertreten, und die zu dieser Jagd gebrauchten Hunde waren auch sehr klein und lustig, also daß sowohl Jäger als Hunde ein Gelächter machten.«J. B. v. Rohr, Ceremoniel-Wissenschaft.


 << zurück weiter >>