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Abbassa's mütterliches Herz fand zu viel Trost in diesen Träumen, als daß Giafars Ernst und Worte sie hätte verscheuchen können. Auch störte er sie weiter nicht in ihrem Wahn. Da die Zeit der Ankunft des Khalifen herannahte, so begab sich die Mutter unter einem Vorwand zu einem der Barmeciden auf ein Landhaus nahe bei der Stadt. Giafar theilte einem alten treuen Diener seines Vaters, der ihn auferzogen hatte, seinen Plan mit, bereitete seine Gemahlin auf die nahe Trennung von dem Knaben vor und unterrichtete sie von Allem.
Der Khalife kam an. Giafar zog ihm an der Spitze des Volks entgegen. Sorge, Angst, die Pein der nothwendigen Verstellung, Furcht für Abbassa, für den Knaben erfüllten seine ganze Seele. – Das Freudengeschrei des Volks, die Glückwünsche dem Sieger erschallten. Der Khalife empfing den Barmeciden freundlich, eilte mit ihm nach seinem Palast, dankte ihm für die Ausübung der Gerechtigkeit, den Fleiß, womit er für sein Kriegsheer gesorgt hatte, zog ihn in sein Kabinet, besprach sich mit ihm über die wichtigsten Vorfälle, machte ihm eine Beschreibung von seinen Siegen, den erhaltnen Vortheilen durch den Frieden, fragte nach seinem Neffen, sah ihn dann mit einem forschenden Blick an: »Und Giafar hat mir nichts zu sagen, das meine Freude stören könnte!«
Giafar verstand durch den Blick den fürchterlichen Inhalt der Frage. Er sah ihn fest, zuversichtlich an.
Haroun blickte starr in seine Augen und sagte nach einer Pause: Du hast mich verstanden. Ein Barmecide wird nicht zwei Verbrechen begehen, wird nicht durch Verstellung meine Rache mehr entflammen wollen. – Er umarmte ihn zärtlich. – Ich danke dir für meine Ruhe, für mein Glück. Giafars Herz wollte unter der Last der Verstellung brechen; aber seine Vernunft lispelte ihm zu: »Erspare dem Grausamen ein Verbrechen und sieh nur auf deinen Zweck.« Fester blickte er den Khalifen an.
Mit ausschweifendem Lobe erzählte ihm Haroun die Thaten Khozaimas; setzte mit leiser Stimme hinzu: Und ich habe nichts mehr, dem Manne, dem ich so viel schuldig bin, nach seinem Wunsche zu lohnen. Das, was der Herrsch- und Ehrsüchtige sucht, Das, was er nur allein für seiner würdig hält, darf ich ihm nicht geben. Darf ihm, aufgeblasen wie er nun ist, nicht die entfernteste Hoffnung dazu zeigen. Giafar! Giafar! warum gabst du ihm nicht den Tigris zum Grabe?
Giafar. Hat er sein Leben gegen deine Feinde nicht gut genutzt?
Haroun. Beim Propheten, sein Tod hätte mich über den Verlust einer Schlacht getröstet! Vielleicht wirst du bald mit mir einstimmen, so erstaunt du nun über diese Worte bist. Nach deinem Platz strebt er – Großvizir will er heißen, und alle Mittel dazu sind ihm gleich. Doch sei ruhig, wenn du sonst nichts zu fürchten hast. Hast du nicht? – so ist Haroun so glücklich, als er in diesem öden Hause sein kann. Mir fehlt meine Sängerin, meines Ruhms Pflegerin – kalt ist der, den ich mitbringe, der Hauch ihrer Freude erwärmt ihn nicht. Ueberbringe ihr dieses Kleinod, Barmecide – du hörst, ich nenne sie nicht – dieses Kleinod ist rein, wie ich sie denke. Sage ihr, es sei ein Geschenk der griechischen Kaiserin, das sie mir, dem siegenden Bruder, zum Dank für den geschenkten Frieden zugeschickt hätte. Auch dich habe ich nicht vergessen. Und nun gehe, bevor mein Groll gegen dich erwacht.