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12.

Die Unruhe des. Khalifen hatte sich nicht gelegt; er versuchte, sich in der Gesellschaft seiner Weiber zu zerstreuen, und seine Gegenwart gab allen Leben, erweckte ihre Talente, ihre schlafenden Fähigkeiten, und jede strebte, ihre Reize durch Anmuth, Witz und bisher kaum von ihm bemerkte Geschicklichkeiten in ein schimmerndes Licht zu setzen. Musik, Tanz, Muthwillen, Spiel, Laune wechselten ab; doch nur des Khalifen Ohr vernahm es. Nachdem man nun Alles erschöpft hatte und der strenge Herrscher Asiens immer kalt und ernst vor sich hinsah, so verfiel man endlich auf Märchen, auf wunderbare Erzählungen von Feen, Geistern, Genien, Sylphen, und erzählte nach der Runde herum. Haroun horchte – lächelte über seine und ihre Thorheit und horchte wieder. So wild, wunderbar und unnatürlich die Märchen auch sein mochten, so entzündete sich doch bald der Glaube der Weiber an ihrer eigenen Einbildungskraft, und diese Tausendkünstlerin hüllte endlich die ganze Versammlung in ihren bunten Zaubermantel ein. Eine Griechin that sich durch lebhafte Darstellung, durch starte Gemälde und Kenntniß Dessen, was am meisten die Phantasie fesselt, am meisten hervor. Aller Augen hingen an ihren Lippen, wenn sie sie zum Reden öffnete. Sie glänzte im Tragischkomischen und verstand durch das Gemische von Lächerlichem und Schrecken, von Mitleiden und Laune die Neugierde zu reizen, das Interesse zu unterhalten, wußte ihre Geister, Genien, Feen und Sylphen so zu Humanisiren, so mit dem Menschen zu verschmelzen, ihr Dasein mit dem unsern in ein so genaues Verhältniß zu setzen, daß, bevor sie ihre Erzählung endete, der ganze Kreis sammt dem Herrn der Gläubigen gedrängt um sie herumsaß. Die erwärmte Einbildungskraft erstickte bald gänzlich das Licht der Vernunft, die Widersprüche der Erfahrung, und man sah unwillig auf die kalte Zudringliche, welche die Wallungen der Herzen legen, die bunten Gemälde auslöschen wollte, Haroun, der, so sehr sich sein Verstand auch sträubte, doch eben so gerne wie jeder andere Erdensohn über das Unbegreifliche faselte, der so viel Genuß darin fand, mit diesen reizenden Schwärmerinnen zu faseln, hielt es gleichwohl gegen seine hohe Würde, seinen männlichen Sinn, so ganz zu schweigen, und ließ die Erzählerinnen die Geißel seines Spotts ohne Mitleid und als Herr ohne Furcht der Wiedervergeltung empfinden. Jede beeiferte sich nun, ihm die Möglichkeit zu beweisen, und nur Zobaide (einst Fatime) schwieg; aber ihr Schweigen war so bedeutend, daß der Khalife merkte, sie habe etwas über den Punkt des Streits auf dem Herzen. In dem Augenblick, da er sie auffordern wollte, drang das lang Zurückgehaltene über ihre Lippen: »Herr, du zweifelst an der Erscheinung der Geister, der Genien, und hier siehst du gleichwohl eine vor dir, die ein Geist oder ein Genius vom Ertrinken errettet hat.« Erstarren, Erstaunen, Fragen, Siegesblicke der Weiber über den Zweifler, Alles war nur ein Augenblick. Haroun lachte und fragte noch dringender. Fatime erzählte, was sie wußte, wie der Geist sie und Giafars Mutter errettet, wie Giafar ihr und der Mutter eine lange Erzählung von seiner Unterhaltung, von einem durch den Geist erweckten Traume gemacht hätte. Den Inhalt, die besondern Umstände davon hätte sie vergessen, kaum bemerkt, da sie während der Erzählung viel zu erstaunt gewesen wäre. – Haroun brach ernsthaft auf, sandte einen Eilboten an Giafar und blieb allein bis zu seiner Ankunft. Fatime erschrack über die ernste Miene des Khalifen: nur jetzt erst erinnerte sie sich, daß Giafar ihr und seiner Mutter Schweigen geboten hatte, und ob sie gleich für sich und Giafar nichts Böses in der Begebenheit sah, das Bedeutende davon nicht faßte, so fühlte sie doch Unruhe, sein Geheimniß verrathen zu haben.


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