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6.

Mit Bitten, Thränen, den dringendsten Vorstellungen hatte der Khalife Tags darauf von der Prinzessin erhalten, sich noch einige Zeit an seinem Hofe aufzuhalten, um seine fernere Entschließung abzuwarten. Er fühlte die Nothwendigkeit der Trennung, und je mehr er sich davon überzeugte, je schrecklicher, qualvoller ward ihm seine Lage. Giafarn hatte er sie bestimmt; aber so oft sich der Barmecide anmelden ließ, wies er ihn ab. Sein Herz empörte sich, wenn er ihn nennen hörte. Wuth, Rache und Haß erfüllten seine ganze Seele. Auch ließ er ihn nicht eher vor sich, als bis er einen Plan ersonnen hatte, der seine Eifersucht befriedigte, der diesem die abgezwungene Verbindung zur gefährlichsten Probe und zur schrecklichsten Qual zu machen geschickt war. Als Giafar erschien, fragte er ihn kalt:

Ist Khozaima von seiner Wunde hergestellt?

Giafar. Beinahe.

Haroun. Ich will ihn entfernen, ihn als Statthalter nach Aegypten schicken, sobald er sich mir zeigen wird.

Giafar. Davor bewahre dich dein guter Genius.

Haroun. So kann ich nichts thun, das dir gefiele? – Warum nun nicht?

Giafar. Weil ich denke, daß der Khalife den Aegyptern in ihrem Statthalter keinen Feind zusenden will.

Haroun. Eben darum send' ich ihn: denn da du mich von ihm nicht befreien wolltest, so mögen es seine Verbrechen thun.

Giafar. Und in dieser Voraussetzung wollte der Herr der Gläubigen diesem Manne das Schicksal einiger Millionen übergeben? Unmöglich, dies kann Haroun nicht wollen; er kann nicht wissentlich das Unglück seines Volks befördern wollen; er fühlt sein Loos schon hart genug, daß er dem Bösen nicht überall zuvorkommen kann, das nah und fern von ihm begangen wird.

Haroun. So hör' ich doch den Barmeciden einmal zum Nachtheil eines Mannes reden – es ist mir begreiflich, er ist dein Feind, aber warum hast du dies nicht zuvor bedacht?

Giafar. Ich habe keinen Freund und keinen Feind, wenn ich zum Besten deines Volkes rede. Ständ' er hier, ich würde dasselbe sagen; und spreche ich nicht zu seinem Besten, da du sein Verderben nur durch das Unglück Anderer suchen willst?

Haroun. Giafar – bedenke, er ist dein Feind – er kann dir sehr gefährlich werden.

Giafar. So wird er dir's. Erlaube mir die kühne Frage, Herr: kann Khozaima Harouns Freund sein, wenn er Giafars Feind ist?

Haroun. Die Frage ist noch stolzer, als sie kühn ist.

Giafar. Damit hast du meine Worte, nicht mein Gefühl beantwortet.

Haroun. Ich bin nicht aufgelegt zum Wortgefechte. Kann Khozaima nicht Statthalter von Aegypten werden, so mag er dann mein Schwager werden. Gefällt er dir so besser?

Giafar. Nun wäre meine Antwort Vermessenheit.

Haroun. Gleichwohl will ich sie hören; ich will wissen, was der weise Barmecide denkt; ob er diese Verbindung nicht für mich gefährlich hält.

Giafar. Dieses wird ja wohl der Khalife erwogen haben.

Haroun. Aber ich will deine Meinung hören.

Giafar. Nun, meine Meinung ist, daß der Khalife mit seinem Diener scherzt, daß er der Verbindung der Prinzessin mit Khozaima nie im Ernste gedacht hat –

Haroun. Und warum? Ist er nicht ihrer würdig? Geben ihm nicht sein Rang, sein Reichthum, der letzte mir geleistete, von dir selbst gebilligte Dienst, meine ältere Verpflichtung vor allen Großen meines Reichs ein Recht auf sie?

Giafar. Allerdings.

Haroun. Und doch wär' er, deiner Meinung nach, nicht der Mann für sie.

Giafar. Nein.

Haroun. Kennst du einen Würdigern?

Giafar. Keinen.

Haroun. Beim erhabnen Propheten, du hast Recht! Wer auf dem weiten Erdboden könnt' es sein? Wär' ich nicht ihr Bruder – und besäße ich die Herrschaft über die bekannte Welt, wäre der edelste, größte aller Menschen, ich hielte mich nicht ihrer würdig. – Und doch, Giafar, muß ich mich von ihr trennen – muß sie, deren, wie du selbst sagst, Keiner würdig ist, einem Andern hingeben. Folge mir, ich will dir den Mann zeigen, den ich für sie gewählt habe, den ich in ihr mit dem Schmuck der Welt belohnen will.

Er führte ihn in die Zimmer Abbassa's. Giafar fühlte des Khalifen Hand in der seinen beben. Sein Gesicht ward blaß, seine Lippen zitterten. – Da er ihr nahte, faßte er seine Kraft zusammen und sprach mit feierlicher Stimme:

Schwester – Giafar ist dein Gemahl! – Er wollte weiter reden – Thränen drangen in seine Augen – ihm fehlte die Stimme – er verschwand.

Abbassa sank in den Sopha zurück. Blässe und Röthe wechselten auf ihren Wangen. Giafar stand – erstaunt – erstarrt – er sank bei dem Sopha auf seine Knie nieder, ohne zu wissen, wo er sei, was mit ihm geschehen war, und hielt für Spiel, für Täuschung, was mit ihm geschehen war. Die Prinzessin winkte ihm, aufzustehen – er blickte wie durch ein Traumgesicht nach ihr – sie reichte ihm die Hand, und die Erinnerung, daß sie ihn einst in der nämlichen Stellung, in dem nämlichen Zimmer, mit eben dem seelenvollen, theilnehmenden Blick aufgerichtet hatte, drang mit der ganzen Wärme, der ganzen seligen Wonne, die er damals empfand, der er damals nicht nachzusinnen wagte, durch sein Herz. Und nun erfolgte ein Gespräch, von seiner Seite so voll Bescheidenheit, edler Wärme, schöner Weisheit, von der ihrigen so voll Feinheit, Zärtlichkeit und reinen jungfräulichen Sinns, daß man, um es sich lebendig vorzustellen, nur das Gegentheil von Dem, was die Verliebten in unsern gewöhnlichen Romanen und Dramen reden, zu denken braucht.

Haroun ließ sich nicht mehr sehen. Giafar ging nach Hause, verschloß sich mit seiner Mutter und lispelte ihr noch bebend die Nachricht seines Glücks ins Ohr. Er küßte die Thränen des freudigen Erstaunens von seiner Mutter Augen und fühlte sich nun zwiefach glücklich, da er den Khalifen aus einer Lage gerettet sah, vor deren Folgen er so lange gezittert hatte. Entzückt sprach er von der Seelengröße, der Erhabenheit, dem Geist, der Schönheit der Prinzessin und überließ sich den süßen Träumen seines Glücks. Er sah seine Tugend, sein Leiden über die kühnste Hoffnung belohnt; schmeichelte sich, er habe das Herz des Khalifen gewonnen, seine Laune besiegt; er dürfe nun, ungekränkt von ihm, seinen Zweck verfolgen; und seine Seele erhob sich während dieser Betrachtungen zur reinsten, erhabensten Begeisterung.

Ach, nur zu bald sollte er erfahren, daß von Großen kein reines Glück zu hoffen ist, daß sie es nur so glänzend färben, um dem Getäuschten die giftige Tücke zu verbergen.


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