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Fünftes Buch

1.

Wenige waren der Augenblicke des Glücks für Giafar; kurz die reine Freude, der selige Genuß, die hinwelkende Rose an seinem Busen erfrischt, die hinsterbende Geliebte ins Leben zurückgerufen zu haben. Nur bei Abbassa vermochten die Begeisterung, die Empfindung des wiedergekehrten Lebens, die Hoffnung auf Hilfe unsichtbarer, mächtiger Wesen die Gedanken von Gefahr niederzuschlagen; aber bald wurde auch sie durch ein öfteres, peinliches Mißbehagen, eine unüberwindliche Traurigkeit in ihren süßesten Träumen gestört. Die Folgen der wonnevollen Stunde traten für die Glücklichen nur allzu schnell ein. Die Mutter, die das Geschehene an der heitern, glänzenden Ruhe, der schamvollen Verwirrung, der stillen Zufriedenheit bemerkte, errieth nun mit Entsetzen die Ursache des jetzigen Zustandes der Prinzessin. Sie waffnete sich mit Muth und Klugheit und eröffnete ihr mit der zärtlichsten Schonung ihre Vermuthung. Beschämt, zitternd für den Geliebten, sank Abbassa an der Mutter Busen. Die Mutter suchte sie aufzurichten und stellte ihr vor, wie nun all ihr Denken darauf gehen müßte, ihren Zustand und seine Folgen den Augen der Menschen zu entziehen; fragte sie dann, wem von ihren Weibern sie trauen könnte. Sie nannte ihre Amme und einige andere. Die Mutter vertraute Giafar ihre Entdeckung. Kalter Schauder fuhr durch sein Blut. Er sah sein ganzes Dasein, sein künftiges Wirken, die Früchte aller seiner Thaten, seine erhabenen Wünsche und Hoffnungen verschwinden und fühlte sich Sklave der Menschen und des Zufalls. Er theilte seiner Mutter diese Empfindungen mit. Sie antwortete ihm gerührt: er müßte von dem Ausspruch des Khalifen, wie er ihn kennte, gewiß die schrecklichsten Folgen erwarten, und darum müßte sein ganzes Bestreben sein, dem Verbrechen des Khalifen an der Menschheit zuvorzukommen und die Ruhe und das Glück seiner Gemahlin zu sichern.

Giafar. Mutter, nur dies! Es falle übrigens aus, wie es wolle, ich konnte sie nicht anders retten, und wenn ich dir sagte – nein, es soll nie über meine Lippen kommen, der Grausame forderte mehr, als der Mensch leisten kann; will er ein Verbrechen an mir begehen, schon lange bin ich zubereitet, als ein Opfer zu fallen. Sorge du nur für sie und die Frucht, womit sie die Liebe gesegnet hat.

Mutter. Giafar, von dem Augenblick, da deine Gemahlin dein Haus betrat, vertraute sie dir, daß dich Kundschafter des Khalifen umgeben; du hattest sie nicht zu fürchten, nun hast du sie zu fürchten. – Komm, folge mir zu ihr! –

Abbassa saß in düstern Gedanken auf ihrem Sopha, als die Mutter und Giafar hereintraten. Sie hörte Geräusch, sah auf, und ihr Blick sank schwermüthig auf ihren Busen. Giafars feste Stimme, sein heiterer, liebevoller Blick, der Mutter freundlicher Zuruf, die Worte der Hoffnung, dem Khalifen das Geheimniß verbergen zu können, wenn sie Muth faßte und sich leiten ließe, richteten sie auf. Giafar malte ihr die gewisse Gefahr für sich, wiederholte ihr Harouns auf den Koran geschworenen Eid und erinnerte sie an die ihr bekannte Ursache desselben. Bebend antwortete sie: »Wir sind verloren, Giafar – Nie nahm mein Bruder ein Wort zurück – und einen Eid – einen solchen Eid! – Ich erwarte nichts als blutige Rache von ihm – Hättest du ihn gekannt, bevor er den Thron der Khalifen bestieg – damals nur fühlte er menschlich – doch sei ruhig – die Menschheit soll dich nicht verlieren – das Geheimniß wird mit mir vor seiner Ankunft begraben werden!« Giafar küßte die Thränen von ihren Wangen, die Mutter sprach ihr Muth zu und zeigte ihr die Möglichkeit, Giafar zu retten.

Für jetzt sei nichts nöthig, sagte sie, als ihren Zustand zu verbergen, sich in Gegenwart ihrer Dienerinnen über Giafar zu beklagen, damit diese glaubten, es herrsche Mißvergnügen zwischen ihr und ihm. Die Besuche Giafars müßten seltener sein, kalt und erzwungen scheinen, damit es das Ansehen hätte, sie geschähen bloß des Anstands wegen. Nur in ihrer Gegenwart dürften sie sich ihren Empfindungen überlassen und nur vor ihr sich über das Weitere berathschlagen. Die Kundschafter würden diese Veränderung gewiß dem Khalifen berichten, und getäuscht von diesem Bericht, würde er wähnen, sein unnatürliches Gebot habe diese Zwietracht verursacht, sein Verdacht, seine Eifersucht würden einschlafen, und um dieses desto sicherer zu bewirken, müßte die Prinzessin den Pavillon nicht mehr verlassen und nach und nach die ihr verdächtigen Personen von sich entfernen. Die Natur, fuhr die Mutter fort, die der Khalife so frevelhaft beleidigt, an der er ein Verbrechen zu begehen droht, hat dir einen Zufluchtsort bereitet. Sie wird dich in einer tiefen Grotte, die durch einen geheimen Gang mit dem Pavillon verbunden ist, in ihren heiligen Schleier hüllen – ihr, eurer geheimnißvollen Mutter, müßt ihr das Kind eurer Liebe anvertrauen, sie wird es aufnehmen und schützen, bis es an deinem Busen so stark geworden ist, daß man es ohne Gefahr entfernen kann. Dann will ich es selbst, gehüllt in Sklavenkleider, den Priestern der heiligen Moschee in Mekka übergeben, und der erhabene Prophet werde sein Beschützer und sein Vater!

Ein freudiger, frommer, dankvoller Blick zum Himmel war Abbassa's Antwort. Giafar fand den Gedanken schön und sicher, und neue Hoffnung belebte sein Herz. Mit Zuversicht ging er nun wieder an seine Geschäfte, führte aufs genaueste, so viel es ihn auch kostete, den Willen seiner Mutter aus. Die süßen Erwartungen, das zärtliche Vorgefühl der seligen Bande, die täglich mehr das Herz umflochten, das Feierliche, Geheimnißvolle der immer mehr nahenden Stunde der Befreiung, der dunkle, verborgene Zufluchtsort, die bildliche Vorstellung des Beistands der Natur, der Schutz des Propheten, die nie versiegende Hoffnung auf die Hülfe des Geistes in plötzlicher Gefahr besänftigten alle Unruhe der Prinzessin, und die Frucht der Liebe gedieh unter ihrem Herzen.


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